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Äarttn ICutger,
J)ritte 2luflagc.
(Benntej bif stutüftej Canfenii.)
artin XutgBr.
Von
Dr. Cairl ISnvt^
0berfonjlflotiaIrat nnb Stiftsprebiger in Stuti^ati.
dritte SHuflgge.
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Stuttgart
V 0xlaQ oon (Carl Kra66e.
^883.
2l0e Hechte oorbel^alten»
V^ünAYt96i
OF OXFORD
Ji .
Srud )>on ®e(Tfibet ilr9nct in etuttgatt.
Bm:hwcrrf |ur erjlen Auflage*
^ic in biefem ^df^xt bcüorftcl^etabe üierl^unbertiäl^rige fjcicr
bct (Scburt ßutl^erä l^at nid^t wenige Siarftettungen feinet Seben§
l^eroorgetufcn. SBenn ber SBerfafler biefeS 35ud^e§ e§ wagt, il^re
3a!^[ um eine weitere ju üermel^ren, fo fü^tt er ftd^ pcrpflid^tet,
hixi anjubeuten, weld^e 2lufgabe er fid^ bobei geftellt unb bie
Sebürfniffe weld^eä Seferfreifeä er im 3luge gel^obt l^at.
%ixx bie ©elel^rten ju fd^reiben, lonnte il^m nid^t in ben
©inn fommen. 35ie wiffenfd^aftlid^e gorfd^ung über Sutl^erä Seben
bürftc burd^ ÄöftKnS Slrbeiten für längere S^it ju einem gemiffen
Stbfd^Iuffe gelommen fein. SIßein unter unfrem 3SolIe ift ber grofee
3leformator jmar ml genannt, aber wenig gcfannt, unb baä gilt
nid^t nur Don benen, weld^c man gemeinhin alä „ia^ 3So[f" be-
jeid^net, fonbem ebenfomol^I Don ber Sölel^rjap ber ©ebitbeten.
SBenn aber bie SDarftettungen ber SReformationägeit, wetd^e t)on
feiten ber 2lnl^änger SlomS neuerbingS in populärer wie in wiffen^
fd^aftlid^cr ©eftalt ju 3RarIte gebrad^t werben, jum 3^eil mit öiel .
Äunft ein 3^n:bUb beS großen 5JRanneä jeid^nen, um baburd^ aud^
ba§ SEBerf, baS an feinen SRamen fid^ Inüpft, als ein unbered^tigteä,
\a freoell^ajfteä J^injuftcHen unb ber coangelifd^en ßl^riftenl^eit ein
non licet esse vos jujurufen: fo ift eS bie l^eüige 5ßfKd^t evan^
gelifd^er ß^riften, weld^c nid^t auf alle§ eigene Urteil Derjid^ten
wollen, fid^ emftlid^ barauf ju befinnen, was fie an Sutl^er unb
bem Don il^m ausgegangenen SReförmationSwcrfc §aben. ^ieju
möd^te bie porliegenbe ©d^rift ^anbreid^ung tl^un, inbem fie, ol^ne
pd^ auf jene Verunglimpfungen beS ^Reformators naiver einjulajfen,
— VI —
ben Sebcnggang bcSfcttcn in fd^Iid^ter SBeifc treu mä) bcn DucHcn
etgäl^lt unb fo mcl als möglid^ ben 3Wann, beffen SBort eine fo
gewaltige SBirfung auf feine ^^itgenoffen ausübte, fetter reben lä^t.
©^roierigere bogmatifd^e (Erörterungen würben beifeite ge=
laffen, aber bod^ lann, wer baS Seben Sutl^erg bef einreiben unb
fid^ babei nid^t btofe auf ber Dberfläd^e l^atten roiß, baS ®ingel^en
auf tl^eologifd^e Probleme, fofern biefetten mit bem d^riftlid^en
Seben in engem 3wfammenl)ang ftel^en, nid^t üermeiben unb bem
Sefer bie 3wmutung nid^t erfparen, mit benfetten fid^ belannt gu
mad^en. 9Bir foßten aber meinen, für bie ©ebilbeten unfreS
3SöIIeä feien religiöfe fjragen ein minbefteng ebenfo intereffanter
©egenftanb beS Jtac^bcnfenS alä potitifd^e ober äftl^etifd^e, unb
motten roünfd^en, bafe bie beüorftel^enbe Sutl^erfeier aud^ fold^cn
unter il^nen, meldte ber ct)angelif(^en SBal^rl^eit bisl^er femer
ftanben, jur älufforberung roerbe, einen (Skuben, von meld^em
bie ©efd^i^te beg SleformatorS jeigt, bafe er au8 tieffter ©eroiffenS?
not geboren unb in ben fd^roerften Kämpfen bemäl^rt ift, menigftenä
nid^t unbead^tet beifeitc liegen ju laffen.
3)afe aber Sutl^er, inbem er unfrem 3SoKe bie ©rfenntniS
ber ecangelifd^en SBal^rl^eit mieber gab, jugleid^ als ber gemaltigfte
unb erfolgreid^ftc aSorfämpfer ber (SeifteSfreil^eit unb als ber
treufte ^eunb feines SaterlanbeS fid^ ermiefen l^at, mag ben
Semeis liefern, ia^ eoangelifd^er ßl^riftenglaube mit geiftiger ^rei-
l^eit unb ed^ter SSaterlanbsKebe im engften Sunbe ftel^t.
Stuttgart, 1. gebruar 1883.
3!)ic t)orKegenbc britte äluflage, meldte fd^on 5 SKonate nad^
bem erften ©rfd^einen beS Sud^eS ausgegeben wirb, ift ein nur
menig ceränberter Sttbrudt ber beiben erften, ic 4000 (Sjemplare
ftarlen 3luf[agen.
Jn]^att«irer|etrf|ni«*
©eite
OBinlettung 1
^vfttJSk «udi» 1483-1517.
CBrUw fiapttjeL 2)aä Äinb beS 35orfeS 11
Bwjeltw fiopltel. SeJ^rjol^re 26
©ritte« «apltei. a)er 3Rönci^ 48
mtttzß fioplteL 2)er ^rofeffor 63
3hyett:e0 Budi- 1517-1521.
(!Br(ljC0 €aplt£l 2)er SttlaMtreit 81
BiDjeitBs ^apitjeL SSerl^anblungen mit 9%om 96
Dritte« fiapiteU S)ie S)iSputation ju Setpjtö unb i§re fjolöen . 106
iPUrte« fiopltel. SDer 93rud^ mit 9lom 125
iFfinftje« ÄopiteL Sutl^er auf bem SHeid^Staö ju 2BormS ... 145
^rtflie« Budi. 1521-1524.
(Bx^tü ÄapiteL Sutl^er auf ber Söartburg 161
Brojeite« Äapitel. Sut^erS MdU^v nad^ SBittenberö .... 171
©rittw ßopitel. Hlcformen in Äird^c unb ©d^ule 183
ipijerte« Äopitel. Sutl^er unb bie weltlid^e DBriöfeit .... 192
JFftnftw Äopitjel. fjrcunbe unb geinbe 198
- VIII —
WxtvitJ^ Budl* 1525-1530,
Seite
QErHee Kapitel. Umfturjbeftrebungen in ^ird^e unb 6taat . . 211
Bn}jettje0 Kapitel. 2ut^ev^ ®^e unb l^öuSlid^eS Selben .... 221
J3rtttje0 Äapttjei. Slnfcd^hingen 245
^Ijerte« ÄapltßL Sauen unb kämpfen 254
iFünftes Kapitel. Sutl^er näl^renb beg Sleid^gtagg ju SCugeburg . 268
mnftr^ik %nttl. 1530-lo46*
CIBrIlje« ÄapltßL 'Sviehtn^voexle 285
BroelUa igoptteL 2)ie ^age in @d^malfalben 304
Dritte« flaplteL 2)er §ort ber S3cbrängten 311
Sterte« ^optteL Spaltungen unb 3lergerniffe im eigenen Säger 318
«iFünfte« Kapitel. @iege unb kämpfe nad^ au^en 326
SttS^^t^ fiopiteU Sutl^erS le^te ^age 334
(Binltiinnj^,
IDeil benn bie Cfenben t>ttftdtt n>ecben
unb bie ilrmen feufjen^ tDiU <4; anf, fpric^^t
ber J^err. 34f wiH eine ^ilfe ft^ffen, ba%
man getrojl leljren foQ. pf« j(2^ 6.
'^m eines SWanneS SEBetben unb SBirIcn rid^tig )u Derftel^en
unb flered^t ju beurteilen, muffen wir mit ber 3^it belannt fein,
in meld^er "berfelbe gelebt l^at. S^be 3rit aber l^ot ein boppelteS
(Sejld^t. Se nad^bem man il^r in baS" eine ober in baS anbere
blidtt, mad^t fie auf ben SBefd^auer einen gan^ entgegengefe^ten
©nbruÄ. 31m meiften gilt baS von benjenigen Seiten, in meldten
alte SebenSformen allmäl^lid^ abfterben ober plöftlid^ zertrümmert
mcrben, um neuen ©eftaltungen 5pia^ ju mad^en. ®ine fold^e 3^it
mar e§, in meld^er Sut^er geboren mürbe unb unter beren Sin^
flüffen fein geiftigeS Scben fid^ entmidfelte, baS ju ®nbe gel^enbe
fünfje^nte unb ber 2lnfang beS fed^jel^nten 3löi^rl&unbert§. ®er
®ef d^id^tSf orf d^er finbet im Seben jener ^aS)Xid}nie 3^9^/ um bereut-
miden er fie unter bie fd^önften 3ßiten jä^Ien möd^te, meldte bie ,
3Wenfd^l^eit gefeiten l^at, unb bid^t baneben ftöfet er auf ®rfd^einungen,
meldte i)on tiefftem SScrfaH jeugen. SDa märe eS eine fd^Ied^te,
aller gefd^id^tlid^en SEBa^rl^eit miberfpred^enbe Äunft, menn er, mie
neueftenä gefd^el^en ift, jene lieblid^en 3üge einfeitig l^eroorl^eben,
bie bebcnllid^en aber perfd^meigen wollte, um baburd^ ben Seioeiä ju
fül^ren, ba^ bie ^Reformation nid^t nur im l^öd^ften ®rabe überflü[fig
gemefcn fei, fonbem aud^ äffe möglid^en Uebel üerfd^utbct l^abe.
3unäd^ft erregt baS, mag unS auS jenen 3^agen übrig geblieben
ift, unfrc Semunberung. ®ie l^errlid^en ©otteSl^äufer fo mand^er
älteren ©tabt im ©üben unb SRorben unfreS SSaterlanbeS reid^en
©ur!, Sut^fr. 8. 9luft. 1
-- 2 —
rool&I mit il^rer erften ©rünbung jum größten Seil in frül^ere
gal^rl^unberte jurücf, aber t)oIIettbet würben bie meiftcn unter il&nen,
fofem fie überl^aupt ausgebaut roorben jtnb, in ben S^i^rgel^nten,
t)on roeld^en wir reben. Unb bafe biefe S^xt nid^t nur fällig war,
baS t)on ben SSätem begonnene fortjufül^ren unb gu collenben,
ba^ fie t)ielmel^r an^ an^ il^rem eigenen, bui?d^ fo mand^e neue
Slnfd^auungen befrud^teten ©eifte l^erauS ©igentümlid^eS gu fd^affen
t)ermod^te, baS beroeifen bie Sauroerle weltlid^er 2lrt, n)el(|e bamafö
in fo großer S^^I entftanben unb teils öffentlid^en ^xoeim bienten,
wie bie Slatl^äufer, bie Srunnen, bie Sl^ore unb bie SefeftigungS-
werfe ber alten 6täbte, teils ben Sebiirfniffen eines el^renfeften
unb gebilbeten tJamilienlebenS entfprad^en, wie bie ftattlid^en SDSol^ns
l^äufer, in welken reid^e ?PatrijierfamiIien mit lunftfinnigem ®e^
fd^madf jid^ ein bel^aglid^eS SJal^eim gefd^affen l^aben. SDSeld^ ein
Unterfd^ieb gmifd^en biefen S)enlmalen einer lebenSfrol^en, in pd^
befriebigten S^it unb ben aus ben folgenben S^l^rl^unberten ftom^
menben Saumerlen, in meldten pd^, l^auptfdd^U^ in 3)eutfd^Ianb,
bie 5RotIage einer verarmten SetJöKerung, bie langmeilige $rofa
befd^ränfter Äleinftäbterei ober bie gefd^madflofe 5ßrunlfud^t üppiger
§öfe mieberfpiegeltl Unb oon meld^ regem Seben unb ©treben
geben bie mand^erlei fonftigen ftunftmerle 3^wgniS, meldte auS
jenem ^al^rl^unberte auf unS gefommen finb, bie ©emälbe unb
§oIjfd^nitte, bie ®rjeugniffe beS ©rjguffeS unb ber Silbfd^ni^erei!
SBie ift au^ ben @egenftänben beS aUtäglid^en ©ebraud^S, ben
3!ifd^en unb ©tilgen, ben ©d^ränfen unb Slrul^en, ben ^z^mi unb
Krügen ber ©tcmpel ber Äunft auf gebrüdft, fo ba^, maS in unfren
3^agen baS§anbmerI jid^ erft mieber mül^fam gu erlämpfen begonnen
l^at, bort in urroüd^jiger ?5rif d^e unb Unmittelbarleit unS entgegentritt,
©old^c Äunftleiftungen jtnb ein unmiberleglid^er SSemeiS bafür,
bafe baS beutfd^e Sürgertum jener SJage einer Slüte jtd^ erfreute,
gegen meldte feine fpäteren beengten unb gebrüdftcn Suftänbe einen
betrübten ©egenfa^ bilben. 3)urd^ bie immer ol^nmäd^tiger merbenbe
laiferlid^e ©emalt nid^t mel^r gefd^ü^t, maren bie ©täbte feit lange
l^er auf ©ettftl^ilfe angemiefen. S)ieS l^attc gu S3ünbnif|en ber^
felben untereinanber unb gur (Srmeiterung beS SUdfS unb beS
poUtifd^en SBerftänbniffeS über bie eigenen 5Kauern l^inauS gefül^rt.
— 3 -
3tt bcn lange baucmbcn Äämpfcn mit ber auffttcBcnben gürftcns
maä)i ^xvb mit ben aSerbittbungctt bet Slittctfd^aft mar bct SSüraer-
jitttt Uttb Sürgermut crftarft. ®ie ^öanbctepctbittbungett mit Stauen
btad^ten teid^en ©eminn. S)er äBol^Iftanb mud^d, ber SebenSgenu^
mürbe feiner unb burd^ bie eingefül^rten Srgeugnijfc f rember Sänber
mannigfaltiger aU in ben %%tn ber SSSter.
SWit bief em äußeren SBoPergel^en ^ing bie g^iftiß^ ßntmidfelung
aufs engfte jufammen. 3)er rege 93er!el^r jmifjd^en Seutfd^Ianb
unb Staßen l^atte bie fjolge, ba^ bie Sef anntfd^af t mit ben ©prad^en
unb ben ©ebanlen beS Kaffifd^en 9((tertumd, meldte in bem le^teren
i^onbe löngft l^eimifd^ gemorben mar, ftd^ aud^ biedfeitS ber 9(Ipen
öcrfeeitete, mo bie ©amenlömer einer neuen SSilbung auf em-
pfänglid^en 8oben fielen; unb bie größte (Srfinbung ber 3^it, bie
93ud^brud(erpref(e; mad^te e§ möglid^, jjebe neu gefunbene @rlenntni§,
jjeben bie ©emüter bemegenben ©ebanlen meitl^in unter bem SSoRe
auszubreiten, unb rief aud^ in Ärcifen, meldte bem geiftigen Seben
biSl^er ferne geftanben, einen SilbungSl^unger f)txvov, ber ben
Dorangel^enben mie ben nad^folgenben ©enerationen fremb mar.
3ft es ein SDSunber, menn ein begeifterter ©ol^n jener S^^r ^^
äiitter lllrid^ t)on ^utten, eS für ein großes ®IM erHdrte; gerabe
jle^t ju leben? Unb mit il^m ftimmt von ganj entgegengefe^tem
©tanbpunite auS eine Sluffafjung jener ^At jufammen, meldte
man neueftenS bem beutfd^en SSolIe a(S bie ed^t gefd^id^tlid^e an-
gepriefen l^at (t)gl. Qanffen, ©efd^id^te beS beutfd^en SSolfeS). Ql^r
^ufolge mar jene le^te $älfte beS fünfjel^nten i^t^l^rl^unberts barum
eine glüdflid^e S^^, ^^^ w il^r ,,bie Äird^e nod^ in t)otter SebenS^
fraft baftanb unb ber d^riftlatl^oUfd^e ©inn unb bie fromme 91ns:
bad^t ftd^ glänjenb in aUen ©täuben beS SSoIIeS^ in ben f^amUien
unb ©enoffenfd^aften bemäl^rtc".
aillein bei vorurteilsfreier Setrad^tung bieten jene glängenben
3)age beS SBieberauflebenS ber SDSiffenfd^aften nod^ ein anbreS
Slngefid^t unS bar. $Rid^t menigc Stimmen auS bem ®nbe beS
fünf jel^nten unb bem Slnfang beS fed^je^nten S^^^^^nbertS meifen
auf bunllc B^atim f^xn, meldte bem anbred^enben Sid^te intettel-
tuetter SCufllärung jur ©eite gelten, auf ftttlid^e S#änbe, meldte
aud^ bie geprief ene Äird^Iid^Ieit ber 3cit als eine innerlid^ unmal^re
— 4 —
erlennctt lajfcn. Unb bicfc ©timmcn gelten niiä^t ctwo oon un?
jufriebctten bleuerem auS, fonbcm t)Ott SBetteibigem ber tcfteJ^enbcn
Drbttungen, jo fclbft von ctttfd^iebcttcn StttJ^ängem ber römifc^ctt
Äbd^c. ©0 fd^ilbert ber Slbt ^oJ^ann 2!ritl^eim baS l^errfiä^enbc
©ittettüerberben in crgreifcnber SBeife. ®8 witt il^m oorlommen,
als lebe er in ber legten S^t, ba bie Ungerec^tigfeit übcrl^anb
nel^me unb bie Siebe vieler erlalte. Unb baS ift Ieinegn)e9S bie
pereinjelte ©timme eineä fd^toarj fel^enben ©ittenrid^terS, fonbem
ber StuSbrudf einer weit perbreiteten (Smpfinbung. 9Bie bered^tigt
biefe ©mpfinbung war, beroeift atteS, roaS unS bie ©efd^id^tc unfreS
SaterlanbeS au§ jener 3eit berid^tet t)on ber 2luf löfung aller Drbnung
im Sleid^ unter ber langen, erbärmlid^en Slegierung tJriebrid^S in.,
t)on bem SKangel an ©emeinjtnn unb ber rüdf jid^tslofen Verfolgung
bes eigenen SSorteite bei ben ©tänben beS Sleid^ä, t)on ber Se?
brüdfung beS SanbooßS burd^ einen in SBötterei »erfunlenen 3lbel
unb eine DermeltKd^te ©eiftlid^Ieit, fon)ie t)on ber 9(u§beutung ber
Slrmut burd^ ben immer fred^er betriebenen SDSud^er, t)on ber Uep?
pigleit in ben reid^ geworbenen Sürgerfd^aften unb ber ol^ne ®6)m
jtd^ breitmad^enben Sieberßd^feit, t)on ber Slol^eit ber ©itten unb
bem rauften SBefen, in weld^em fo t)iele fal^renbc ©d^iiler mit SBer-
geubung il^rer ^^genbjeit untergingen.
31I§ ;3<^l^rl^unbert eines rüdfid^tglofen (SgoiSmud l^at ®. ^eitag
baS f ünfge^nte ^öl^rl^unbert begeid^nct. 5Kit ebenfot)ieI Siedet f önnen
mir eS ein Sfal^rl^unbert beS ©d^einS unb ber Süge nennen. 6in
lateinifd^eS, um 1480 entftanbeneS ©ebid^t fd^ilbert ben fittlid^en
3uftanb ber ^ext in folgenben SDäorten:
^urd^ bie Sanbe aog id^ flagenb,
9{ur nad^ ^reu unb Glauben fragenb.
SBo id^ win bie ^reue faffen,
3n ben Älöftern, auf ben ©äffen,
aOßill fie ftdj nid^t finben laffen.
a;rug Bei ^apft unb Äarbindlen,
a;ruö in ber SBifd^öfe ©eelen.
3;ruö rcflicret bie Sleöcnten,
3;i^ut ©efeft unb Siedet umroenben;
2lffe3 mu6 auf biefer ®rben
©einen Söünfd^en bienft&ar »erben.
3>ie mit 3;ruö ftd^ oBgcöeben,
— 5 —
2)ic fxnb*ä; bie fein oben fd^wcbcn.
9Ber vom %x\x^t nid^td wiE wiffen,
äBirb Deräd^tlid^ wegdefd^tniffen.
3J2an t^ut i^n „bu 2)ummIopf'' fd^elteti,
£ä^t il^n leinen Pfennig gelten.
3)te :3[i>^^n/ ^^^ n)el(i^en ba§ ÜRittelalter {td^ gebeugt, fttr
meldte eS ftd^ begeifiett l^atte, traten au^ bem S3en)u^tfein ber
SöHet gefd^rounben, aber bie gormen, in wcld^en jtc§ biefe Qlbeen
ausgeprägt l^atten, n)urben }äl^ feftgel^alten, ja immer tünftßd^er
unb anfprud^dDoQer auSgebilbet. SBäl^renb infolge ber @rftarlung
beS nationalen Semu^tfeinS in ben mefteuropöifc^en Sänbem ber
2^raum einer Unioerfalmonard^ie be3 römifc^en ÄaiferS pollenbä
jebe reale ©runMage verloren l^atte, mürbe ber ^Pomp ber Äaifer«
frönung famt ben auf SSBeltl^errfd^aft l^inroeifenben Sleic^Sinjignien
unoerdnbert Beibel^alten. SSBäl^renb bie Sleid^Sfürften leinen SCugen-
BUdf Slnftanb nahmen, fxä), menn eS il^r Sorteil gu erforbem fd^ien,
miber ben jtaifer ju erl^eben, leifteten jte il^m bod^ Inieenb ben
§ulbigung8eib.
Unb nid^t nur ba§ ftaatlid^e Seben mürbe üon iener rüAftd^iS«
fofen unb treulofen $oIitiI bel^errfd^t, meldte in 5Kad^iaoeIli8 ©c^rift
fo anfd^auUd^ und t)or ^ugen tritt: aud^ im Heiligtum ber ^ird^e
nwd^te fid^ ©d^ein unb Süge mit fd^amlofer fjred^l^eit geltenb. ®aä
Sl^riftentum, oon meld^em bie ^ierard^ie bod^ aKe il^re ätnfprüc^e
ableitete, galt nic^t menigen iQ^npictn jener ^ierarc^ie al§ blo^e
gabel. Sfber meit entfernt, tjon biefen Slnfprüd^en ^a^ auf^
gugeben, fteigerten fie biefelben l^öl^er unb l^öl^er unb fud^ten jte,
ba bie lird^Iid^en 5KitteI beS Sanneä unb ^nterbilts von il^rer
SBirffamleit oiel verloren l^atten, mit §Ufe einer unreblid^en ©taatS^
fünft burd^jufeften. SJer einfad^ linblid^e ®Iaube frül^erer 3^^^
mar nur nod^ bei menigen ju pnben, bagegen mürbe eine forcierte
?5römmigfeit in Hebung gebrad^t. ®ie SRofenlrangbruberfd^aften,
1475 oon ben S)ominifanem in Äöln geftiftet, breiteten ftc^ fd^nell
über bie ganje abenblänbifd^e (Sl^riftenl^eit auS; in bem ^falterium
SWariS unb öl^nlid^en ©d^riften jener Seit mürbe ber 5IRarienfuIt
auf eine ma^rl^aft götteälöfterlid^e §öl^e getrieben, daneben oer-
breitete ftd^ bie SSerel&rung ber SKutter SKariaS, ber 1^1. 3lnna,
- 6 -
im ganzen älbenblanbe. älllerorten entftanben 3lnna6ruberfd^aften.
Uebetl^aupt nal^m bie igeUigenüerel^rung eine immer aberglaus^
bifd^ere ©eftalt an. 9lic^t mel^r aU blo^e f^ttrfpted^er^ fonbem
als Url^ebet ber ©nabengaben n)utben bie ^eiligen angerufen, nid^t
mel^r ,,bitt für uns", fonbem „fd^üfte un3, rette uns" lanitk baS
®ebet, unb immer mel^r bürgerte fid^ bie ouS bem alten Reiben-
tum ftommenbe Sluffaffung ein, monad^ jebem igeißgen fpejieUe
Privilegien üon ®ott erteilt fein foKten, fo ba^ ber eine gegen
bie faUenbe ©ud^t, ein anbrer gegen 3^^^f^iner)en, ein britter
gegen bie $eft als 9lotl^eIf er angerufen mürbe unb bie Sal^I fold^er
^eiligen von ^ol^x )u 3>(tl^r junal^m. 3n engfter SSerbinbung l^iemit
ßanben bie SBaUf alerten. „(Sin jeglid^er gebeult nur, mie er eine
fold^e äSoQfal^rt in feinem JtreiS aufrid^te unb erl^alte, gar nid^t
forgenb, wie baS SoH red^t glaube unb lebe", fd^rcibt Sutl^er 1520.
3>mmer neue äBaUfal^rtSorte tamen auf, unb nie fel^Ite eS an
Sßunbem, burd^ meiere fte S^caif erl^ielten. 3a }ur eigentlid^en
SSoItSlranll^eit mürbe baS SBaKfal^ren, fo ba^ 3. S3. in S^l^üringen
bie SWenfd^cn, t)on einem unmiberfiel^Kd^en ©rang ergriffen, l^alb
nadft unb ol^ne jebe SSorbereitung „mie Sliere" fid^ auf ben 2Beg
mad^ten. ^n f old^en ®rfd^einungen vermögen mir nid^t Sleufeerungen
ber „ooKen SebenSiraft" ber Äird^e ju erblidfen, fonbem bie leftten
frampfljaften 3udtungen einer abfterbenben ©laubenSform, mie in
ben tl^eurgifd^en SBunbem beS 9leupIatoniSmuS jur 3^t Julians
beS Slbtrünnigen ober in ben SBunbem unb SWarienerfd^einungen
beS mobemen granlreid^S. SQKe menig biefeS ganje abreiben mit
nfirllid^ d^riftlid^em @inn üerbunben mar, gel^t namentlid^ aud^
barauS l^eroor, ba| über bie ^auptbeförberer beSfelben, über ben
©tanb ber ©eiftlid^en unb SWönd^e, in Sejiel^ung auf il&r fittlid^eS
Seben bie bitterften Klagen laut mürben. 3Kit tieffter ®ntrüftung
rebet ber ba^rifd^e ©efd^id^tfd^reiber älventin t)on bem t^ermorfenen
2zhtn ber ©eiftlid^en unb oon ber ©d^amtofigleit, mit meld^er fte
basfelbe }ur Sd^au tmgen, unb mit voütx Dffenl^eit l^at ber Sifd^of
3ol^ann oon (Sl^iemfee in feinem ^n^e »onus ecclesiae* (Saft ber
Äird^e) baS ©ittenoerberben beS KlemS aufgebedft. @ine ganje
Sleil^e anbrer Beugen lie|e fid^ auffüi^ren. 3to^ fd^Kmmer befteÜt
mar es bei ben 3Rönd^en. äSenn ber l^eftige ©egner ber SRefor?
— 7 —
motion, Xl^omaS Wtuxntx, in feiner ,,@d^elmen)unft'' bag treiben
in ben RU^^tn an ben pranget fteUt, fo gi(t er bomit nur ber
allgemeinen SBolIdftimme ätuSbrudf. Sief erte bod^ bie @ittenIoftgIeit
ber SRönd^e bem 93olfön)i^ einen unerfd^öpflici^en ©toff^ unb in
ial^Hofen fprid^mörtßc^en SlebenSarten n)urbe ber ®ebanle auS^
gefprod^en^ ba|, n^er bem @atan bienen n^oKe^ am beften ins
ftlofter ge^e.
%ixx ben SRangel an tieferem fittßd^em ©el^alt unb äBal^rl^eitd«
emft^ ber uns in jener 3^it ouf aKen ©ebieten beS SebenS ent^
gegentritt, tonnte baS ©ebeil^en im äleu^erlic^en, bie Slüte beS
^anbels unb ber ®twtxbe, tonnten aud^ bie Seiftungen ber jtunft
leinen @rfa^ bieten. 9Bar ja bod^ biefer äußere ©lanj felber nur
oon turjer ^auer. Sie ftttlid^en ©d^äben, bie fojiale unb politifd^e
3errif|enl^eit mu^te aud^ auf ben äußeren SSol^lftanb l^emmenb unb
jerrüttenb einmirten, unb als infolge ber großen ©ntbeiungen
am @nbe beS fünfjel^nten Sal^rl^unbertS ber SBeltJ^onbel allmdl^Iid^
anbre Salinen einjufd^lagen unb in bie $änbe ber ©panier unb
^ortugiefen unb bann ber 9tieberlänber überjugel^en anfing, t^er::
fiegten nad^ unb nad^ bie OueKen, an^ meldten bie Sleid^tümer
ber italienifd^en unb beutfd^en @täbte gefIof|en maren; unb mod^ten
aud^ nod^ am ®nbe beS' fed^jel^nten i^^^l^rl^unberts bie reid^en
$atri}iergefd^Ied^ter großen ©(anj entfalten, mod^te ^(eiberprad^t
unb ©enu^fud^t bamafö nod^ meiter getrieben merben aU ju äln::
fang bed 3^l^rl^unbert3 : man jel^rte bod^ nur t)on bem, mag bie
SSöter ermorben l^atten, unb ein aUmäl^lid^er 9liebergang beS
beutfd^en äBol^lftanbeS tt)äre unoermeiblic!^ gemefen, aud^ menn
bemfelben ber furd^tbare brei|ig]äl^rige itrieg nid^t ein jjäl^eg @nbe
bereitet l^ätte. j)a| aber au^ bem ttögßd^en 3erfall beS äSol^Iftanbeg
nid^t nur, fonbem aud^ ber S3Ubung unb @itte, meldten biefer Jlrieg
mit fid^ brad^te, ba3 beutfd^e SSoIt fid^ mieber ju erl^eben oermod^te,
baS l^atte e3 bem Umftanbe }u bauten, ba^ eben in jener entfd^ei::
bungSooKen 3^it beS fed^jel^nten ^cti^tl^unberts il^m ein ^eim geiftigen
SebenS eingepßanjt morben mar, meld^er aud^ burd^ bie innere unb
äußere 5Rot ber fd^merften S^ttn ni(|t mel^r ganj erftiit werben
tonnte, auS meld^em oielmel^r mit ber 3^it ^^^ ^^ue, gel^altooKere
©eftaltung beS SebenS ftd^ entmidfeln foKte.
- 8 —
3e mel^r c8 einer ©eneratton ober einer einzelnen 5ßerf8nßd^-
feit gegeben x% bie 9lufga6en be3 bieSfeitigen SebenS flar gu er^
f äffen unbJraftüoK an il^rer Söfung gu arbeiten, befto mel^r bebarf
jtc eines ©egengewid^ts gegen bie üorl^errfd^enb auf baS jtnnlid^e
S)afein gerid^teten Seftrebungen, unb ein fold^es fann nur in ber
SSerliefung beS geiftigen SebenS gefunben werben. %e^i cS an
biefer, fo ift, wie bie (Sefd^id^te alter unb neuer SSöIIer unb Sleid^e
geigt, bie äußere Slüte nur ber Slnfang beS ^ex^oS,^. S3or biefem
©d^idffal ift S)eutfd^lanb beroal^rt geblieben nid^t burd^ bie mit fo
großen Hoffnungen begrüßten Semül^ungen beä Äaifers SRasimi-
Kan, oermittelft Slenberung ber SReid^Soerf affung baS laif erlid^e Slnf el^en
gu ftärlen unb bem gerrütteten Slcid^e gu fefterer Drbnung gu oer^
Reifen, nid^t burd^ bie auf bie Sebürfnijfe beS SSoKs oornel^m
l^erabfel^enben SilbungSbeftrebungen ber §umaniften unb nod^
weniger burd^ bie oergroeifelten Serfud^e ber Säuern, jid^ felbft
Siedet gu fd^affen. Slffe biefe Seftrebungen, fo mü Sered^tigteS
jebe berfelben l^aben mod^te, bienten nur bem Qntereffe eingelner
©tänbe ober ^jSerfonen unb riefen bal^er ben SBiberftanb aller
anbern l^eroor ober liefen biefelben menigftenS lalt. ©ollte ge^
l^olfen werben, fo mu^tc ber $ebel an einem 5ßunlte eingefe^t
werben, ber au^erl^alb ber Partei- unb ©tanbeSintereffen lag, unb
in weld^em bie tiefften Sebürfnijfe ber ^öd^ften wie ber SRieberften
imSSoIIe gufammentrafen. SDiefer5PunItiftba3®ewiffen; unb ber
SKann, weld^erbaSbeutfd^e SSoH an feinem ®ewif[en gu f äffen wufete
wie lein anbrer weber oor nod^ nad^ i^m, unb weld^er oon biefem
einen 5ßunlte aus, in weld^em er feinen unoerrüdf baren ©tanbort
genommen l^atte, eine ^Bewegung l^eroorrief, burd^ weld^e baS gange
Seben ber S)eutfd^en in Äird^e, ©taat, ©efellfd^aft, SBijfenf d^af t unb
©d^ule eine Umgeftaltung erful^r — bief er 5Kann iftSKartinSutl^er.
SDer ©efd^id^te beS beutfd^en 93oI!eS ebenfogut angel^örenb
als ber ber d^riftßd^en ^ird^e, ftel^t er in beiben ba als eine ^ro-
pl^eten? unb ^elbengeftalt, bort nur mit einem Äarl bem ©rofeen,
l^ier nur mit einem ^Paulus unb 2luguftinuS oergleid^bar, nad^
beiben Segiel^ungen aber wol^I wert, ba^ unfer ©efd^Icd^t il^n
immer tiefer gu erfaf[en unb von il^m gu lernen jtd^ bemül^e.
1483 - 1517.
^tflt» ikapiftf.
^a» Mitttf tut» IBuflkB».
€s i^ ein föftlidf Ding einem ZHann^
bog er bas Zodf in feiner 3n9«nb tröge.
Klagel* 3erem. 5, 27,
^et t)on @ifenad^ auS mit ber 9Berta(al^n fübtDärtS reift,
bev erblidt, xotm in [tarier Steigung ber älbl^ang be§ Sl^üringer
SBalbeS übertDunben, ein langer Xunnel unb ber S3al^nl^of von
SWarlful^I paffiert ift, furj e^e ber 3wg ©algungen erreid^t, gur
Knien ^anb baS Sörftein Sßöl^ra. .^ier n)ol^nte im fünfgel^nten
3al^rl^unbert eine S3et)öIIerung t)on freien ^arxexn, n)eld^e an il^ren
ererbten Siedeten gäl^ feft l^ielt unb ftetg bereit xoax, aud^ mit ®e^
malt für biefelben einzutreten. S)abei ober mußten ed ftd^ bie
2mte red^t fauer merben laffen, um il^ren Sebengunterl^alt }u ge^^
minnen, benn ber ©oben in ber ©egenb ift menig frui^tbar, unb
aud^ ber S3ergbau, mit bem man e3 neben bem äldEerbau Derfud^te,
ermieS fid^ nid^t afö fel^r ergiebig. 9(ber im Stingen um baS täg^
Kd^e S3rot erftarlte bie ^raft unb S3el^arrlid^leit beS äBiSenS unb
übten fid^ bie ©eelen in ©enügfamleit unb ©ottoertrauen.
©ine ber cerbreitetften gamilien in jener ©egenb mar bie ber
Sutl^er, gemöl^nlid^ Suber, aud^ Subl^er, Süber ober Seuber ge-
fd^rieben. 3to^ l^eute befinben jtd^ in Wöf^xa brei ^auSl^altungen,
meldte ben Sutl^emamen fül^ren*). ®iefer SBauemfamitie, meldte
*) ®er 3lame Sutl^er ift toal^rfd^einlid^ , tote fo mand^e f^amilien^
namen, von einem ä^ornameU; nämlid^ von iBot^ar abzuleiten, äßenn
ber 9ieformator fpäter einem ^inb, beffen $ate er war, ben Flamen
(Slara gegeben unb bobei gefagt l^at: „^dJ^ xoiH bir nad^ bem meinigen
ben Flamen geben, benn lauter unb Ilar ftnb ©efd^wifterünber'', fo ift
— 12 —
man ol^ne ®runb mit bem au3 bem t^ulbaifd^en ftammenben
Slbetögefd^Icd^teber ©crren con Suter, foroic mit einem imS^l^t 1413
burd^ Äaifer ©igiSmunb in ben Slbeteftanb crl^obenen gabian Sutl^er
f)ai in SSerbinbung bringen moUen, ift ÜRartin Sutl^er entfproffen.
3)ic ©puren biefer Sfbftammung lajfen fid^ in ber ©genort
be§ IReformatord unfd^wer nad^meifen. @ein ftarl ausgeprägtes
Sled^tSgefül^I, fein gerabeS unb fampfeSmutigcS SDäefen, feine uner-
müblid^e SlrbeitSlraf t , fein §erj für bie Sebürfnif[e unb 5R8ten
ber 5Riebrigen im Solle, feine SSertrautl^eit mit beS SBoIfeS S)enl'
art unb SluSbrucfSmeife, fomie bie ungelünftelte ©d^Iic^tl^eit, aber
aud^ bie rüdffid^tälofe SJerbl^eit feiner eigenen Siebe, baneben ber
offene ©inn für bie 5Ratur unb baS SBalten ©otteS in berfelben,
unb nid^t minber bie mafpoe ^anbgreiflid^feit, mit meld^er er baS
©ereinwirlen beS 3^eufefö in baS 3Renfd^enIeben auffaßte, — • baS
aKeS lä^t nn^ in il^m ben tl^üringifd^en 93auemfol^n erlennen.
SBenn aber in bem Sauemftanb jener 3^ge ber 3[al^rl^unberte
lang bauembe S)rudf, unter meld^em er feuf jte, in weitem Umfang
geiftige ©tumpfl^eit unb jenen Ined^tifd^en ©inn erzeugt l^atte,
weld^er ju gleid^er 3^^^ mi^trauifd^ unb »ertrauenSfelig, pfiffig
unb bumm, unterwürfig unb eigenitnnig ift; fo blieb Sutl^er von
biefen fd^Iimmen ©eiten beS bäuerlid^en (Sl^aralterS unberührt,
teils meil bie Sauem in aHöl^ra, nid^t wie bie meiften il^reä
©tanbeS ber Seibeigenf d^aft unterworfen, aud^ bie ftttfid^ nad^s
teiligen tjolgen berfetten nid^t an fid^ trugen, teils weil Sut^er,
wie wir feigen werben, nid^t in biefen bäuerlid^en, fonbem in Hein-
ftöbtifd^en Serl^ältniffen aufwad^fen fottte. 2luf wunberbaren SBegen
l^at bie göttlid^e Sorfe^ung biefen 3Rann gefül^rt. 5Kit ben t)er=
fd^iebenften SebenSireifen feiner 3^it l^at jte il^n in fo nal^e Se^
rül^rung gebrad^t, bafe er für il^re ©d^äben unb Sebürfniffe ein
tJoBeS SBerftänbnis gewann, ol^ne bod^ fettft in i^re SBerberbniffe
barin nid^t bie SCBIeitung beS 92amenS, fonbern nur eine finnige Deutung
beSfelbcn gu finben. 2)er ©d^rcibart „Sutl^cr" bebient ftd^ ber fftt^ox-
matox fclbft in bem crften Srief, ber oon feiner §anb auf unS gelommcn
ift, im Saläre 1507. ^od^ ftnben wir bei il^m baneben bie i^orm
^Subr^er" nod^ bis jum Qai^re 1541.
- 13 -
Derflod^ten ^u toerben. SDa3 gilt fd^on l^ier oon feinem SSerJ^altnig
jum bäuexlid^en Se6en unb toixi ftd^ und aud^ in feinem ferneren
Sebenggange n)ieberl^oIt geigen.
©einer 6äuerKd^en §erfunft f)at jtd^ Sutl^er nie gefd^ämt.
9lid^t nur lefen wir in feinen 2!ifd^reben, n)ic er im pertrauten
Äreife äußerte: ,,3^ bin eines Saueni ©ol^n; mein SBater, ©rofe-
Dater, äll^nl^err fmb redete S3auem geroeft;'' fonbem aud^,* aU
fein SRame fd^on in ganj S)eutfd^Ianb genannt mürbe, perlel^rte er
gan) unbefangen mit feinen bäuerlid^en Slnoermanbten. 3)arum
mar il^m aud^ ber @toI} auf l^o§e ®eburt jumiber. „3)a3 märe/'
meint er, „atö menn ber SJeufel mollt rül^men, er märe engfifd^er
ärt gefd^affen, brum mottt er allein ®ngel unb ©otteS Äinb fein,
ob er mol^l ©otteS f^einb ift;'' ald einen ndrrifd^en Sraum be^eid^^
net er e§, )u meinen, ber geiftlid^en @aben merbe man burd^
fleifd^Iid^e älbftammung tetll^aftig, ba ja nid^t einmal SSor^üge, bie
baS bürgerlid^c Seben betreffen, fid^ auf bie SRad^fommen vererben
laffen. „^tolje 6fel merben brauS, auS ben ©öl^ncn ber ©elben,
bie fid^ ber ^üd^tigleit il^rer SSäter rül^men unb bod^ fid^ nid^t
beftreben, biefelbe nad^^ual^men , fonbent träumen, fte feien aud^
gelben, meil fte tjon Reiben ftammen," fo fprid^t er' ftd^ mit S3e=
jiel^ung auf bie ©efd^id^te ^ofepl^S auS. SBenn er aber ben ©toi)
auf porne^me ©eburt bef ämpf te , * f o mar er babei meit entfernt
Don jener anbem ©eftalt beS ^od^muts, meldte unS mand^mal fo
mibermärtig entgegentritt bei fold^en, meldte fx^ mie er burd^ eigene
Xüd^tigfeit and niebrigen äSerJ^öItniffen emporgearbeitet l^aben.
SSon ber Slnmagung eines ®mporIömmIing3, fomie oon aKe bem,
maS man neuerbingS als ©trebertum gu bejeid^nen pflegt, finbet
fid^ in feinem Seben feine ©pur.
SSon Sutl^erS SBoreltem lennen mir nur ben ©rofeoater unb
ben SBater* Sener l^iefe §eine, b. f). §einrid^. SBon il^m ging
ber oäterlid^e S3aueml^of auf ben ©ol^n ^ein^ über, oieKeid^t meil
er ber iüngfte SSruber mar, benn eS fd^eint bort ©itte gemefen
ju fein, bafe baS oäterlid^e ®\it bem jüngften ©ol^ne jufiel. S)er
ältere S3ruber $anS fal^ jid^ baburd^ oeranla^t, ftd^ bem S3ergbau
gugumenben. @r oerel^elid^te ftd^ in 3Röf)xa. Di feine ^au 3Rax^
garete eine geborene Sinbemann, and bem SDSürjburgif d^en fiam-
- 14 —
mcttb, ober eine geborene Si^ö'^ ^^''^r barüber geJ^en bic SRad^-
rtd^ten auSeinanber. Sie iungen @l^eleute l^atten einen l^arten
Slnfang. „5Keine ©Item/' fo äußerte jid^ unfer Sutl^er einmal, ,,jtnb
anfdnglid^ gar arm geroeft. 5Kein SBater war ein armer Sauer,
ttnb bte SRttttec l^ol oQ i^r igol) auf bem Slüdten eingetragen,
bamtt fte und Jltnber erlogen l^afieit. @te l^oBen fiij^'d Iaf|en blut-
fauer werben/' Um mel^r @elegenl^eit }um 93eri»icii^ jit l^oben,
jog §anS Sutl^er, wa^rfd^einlid^ im ^d^x 1483, mit feiner fungen
grau nad^ ber in ber ©raffd^aft SWanSfelb gelegenen ©tabt ®iS'
leben, mo ber Sergbau bamalS in Slüte ftanb. S)ie fpäter oer^
breitete ©age, ba^ er um eines 3^otfd^Iag8 mitten bie $eimat
l^abe oerlaffen müjfen, ift gefd^id^tlid^ ol^ne alle SSegrünbung unb
ol^ne 3weifel eine ®rbid^tung ber tJeinbe beS SReformatorS, meldte
i^m baburd^ meinten einen ©d^impf antl^un ju fönnen, ba^ jte
il^n jum ©ol^n eines Slotfd^lägerS mad^ten, mie jie fid^ aud^ nid&t
fd^ämten, über feine 3Kutter bie el^renrü^rigften ©erüd^te in Umlauf
ju fe^en. 3»n ©isleben mar e§ nun, mo am 10. SRooember 1483
nad^tS jmifd^en 11 unb 12 Ul^r bem ^anS Sutl^er feine 3Rargarete ben
erften ©ol^n f d^enlte, meld^er nad^ ber frommen ©itte ber 3cit gleid^
am näd^ften ^age, bem Sage beS l^eiligen SJlartinuS, }ur Saufe
gebrad^t unb beSl^alb äRartin genannt mürbe. SDaS ©eburtSl^auS,
in meld^em nod^ baS 3iwmer gejeigt wirb, mo Sutl^er jurSBBelt
fam, liegt ganj na^e bei ber ^Petrifird^e, in meld^er er getauft
mürbe. SDie @rmartungen, meldte §an3 Sutl^er bei feiner Ueber^
ftebelung nad^ (Siäleben l^atte, fd^einen jtd^ jebod^ nid^t erfüllt }u
l^aben, benn fd^on ein l^albeS ^af)x nad^ ber ©eburt feines ©ol^neS
jog er jmei ©tunben meiter nad^ 5KanSf elb, mo jid^ il^m gün^
ftigere äuSftd^ten eröffneten. §ier l^at er feinen bleibenben SBoJ^n^
fi^ genommen unb jtd^ burd^ raftlofe Sl^ätigfeit als »erg^auer
ober ©d^ieferl^auer, mie man bie SSergleute nannte, nid^t nur jum
SDSol^Iftanb, fonbem aud^ ju einer angef eigenen ©tettung unter
feinen 5IRitbürgern emporgearbeitet. 83on ben ®rafen tjon aHanS^
felb, meldten ber ganje SSergbau gel^örte, erl^ielt er ben ^a^t
t)on jmei ©d^meljöf en unb mürbe überl^aupt oon il^nen l^od^ gead^tet.
©eine grau SKargarete galt megen il^rer ©ittenreinl^eit unb ©otteS^
furd^t als 5Kufter einer ehrbaren grau, mie SKeland^tl^on oon il^r
— 15 -
rül^mt. S3eibe ©Item beS äleformatorjl n)etben aU „Heine unb
hirje ^erfonen, ein bräunlid^t SSoR'' und gefd^ilbert, bad bet @ol^n
an Sänge unb Umfang beS SeibeS ttbettroffen f^aU. Sobei aber
roaxen jte t)on Mftiger, burd^ angeftrengte ältbeit abgel^ävteter
@efunbl^eit unb erreid^ten ein anfel^nlid^ed älltet. $ang ftarb
1530, 3Rargarete 1531. mit ber leiteten foK ber ©ol^n 3Raxütt
m^ ©eftd^tS^ügen unb ^örperl^altung eine etßaunlid^e äleJ^ntid^-
leit gel^obt l^aben. 33alb oennei^xte ftd^ bie t^amiße; t)on brei
S9rübem unb btei ©d^toeßem SßartinS n)if|en n^ir, bod^ fd^eint
bie Saffl nod^ größer gemefen ju fein. @in ®eift ftrenger 3ud^t
l^errfd^te im ^aufe. 3Rattin n^urbe üom SSatet einft fo gejüd^tigt,
bo^ er il^m barob gram n)urbe, il^n flol^ unb fid^ nur mit 3ßül^e
mieber an il^n gemöl^nen Ue^. @in anbermal, er^dl^It er, l^abe il^n
bie Sßutter um einer geringen 9tu^ xoiUen gef dalagen, ba^ S9lut
flo^. 3Jlan l^at auf ®runb biefer 9(ngaben aud ^an^ Sutl^er
fd^on einen ^auSt^rannen gemad^t unb ffat fein angeblid^ finftereS
SEBefen fogar mit jener oon uns fd^on oben aU @rbid^tung
bejeid^neten SSIuttl^at, beren 9(nbenlen il^n nid^t l^obe ium t^rieben
lommen laffen, in äSerbinbung gebrad^t. (6o namentlid^ in ber
fenfationeSen, ober auf genaue f^orfd^ungen fid^ berufenben ©d^rift
The boybood of Martin Luther, by Henry Mayhew. New
York 1864.) 3(IIein l^ie)u bietet bie ©efd^id^te nid^t ben minbeften
@runb. Strenge in ber jtinbererjiel^ung gel^örte jum ßl^arafter
jener S^it, unb bie ®Item Sutl^erS inSbef onbere , unb ixoax bie
Slutter nid^t minber al3 ber SSater, maren burd^ bie Entbehrungen,
mit meldten fie gu lämpfen l^atten, unb burd^ bie angeftrengte,
felbftoerleugnenbe 2lrbeit, meld^er fie il^ren SEBol^Iftanb perbaniten,
veranlagt, aud^ il^re Minber ftreng gu ergiel^en. 3)a^ aber unter
ber raul^en ©d^ole biefer 3«d^t ber eble Rem einer l^erjRd^en Siebe
verborgen mar, ba§ geigen mand^e Sleu^erungen Sutl^erS felbft.
^gt er bod^ eben ba, mo er von ber Strenge feiner dltexn rebet,
bie äBorte bei: ,,fte l^aben'S l^erglid^ gut gemeint, mußten ober bie
dfngenia nid^t }u unterf d^eiben , monad^ bie 3^$^8^^9^ i^ ^^^
meffen finb." SiS jum 2obc feiner ©Item bemieS er il^nen bie
l^er)ßd^fte Siebe unb $od^ad^tung. @o lub er fie famt feinen
@d^meßem 1520 ein, mit il^m ber ^od^geit SJleland^tl^ond beigu'
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TOol^nett, uttb aU er fclbft fid^ 1525 auf Segcl^rcn feines lieben
SBaterS oerl^eiratet, wäre eS xi)m eine befonbcre ^eube, wenn bie
tJreunbe auS $IRan§feIb famt feinem lieben SBater unb 3Kutter
f^iVL einer Keinen tJteubc unb §eimfal^rt jid^ in SBittenberg ein-
finben lönnten". Sbenfo fd^reibt er feinem SBater am 15. gebruar
1630, atö il^n fein Sruber ^doi t>on ber Äranf^eit beSfelben be-
nad^rid^tigt l^atte. ,,®ro^e f^reub foUt mir'3 fein, wo eS möglid^
märe, ba^ ^l^r @ud^ liefet famt ber Butter l^iel^er fül^ren ju unS
(nad^ äSittenberg), meld^eg meine RäÜ) mit Sl^ränen aud^ begel^rt,
unb mir alle. 3d^ i&offet, mir moHten ©uer aufS Seft märten.
3)arauf l^ab id^ Spriatug gu @ud^ abgefertigt, ob eS @uer ©d^mad^:"
l^eit l^alben möglid^ mär. S)enn e§ geriet!^ mit @ud^ nad^ gött-
Üd^em äSiKen ju biefem ober jenem Seben, fo moQt id^ j|a l^erjlid^
gern, mie aud^ mol billig, leiblid^ um ®u^ fein unb nad^ bem
eierten ©ebot mit finblid^er 2reu unb S)ienft mid^ ^egen ®ott
unb @ud^ banibar erzeigen SD3ir jmeifeln nid^t, bafe
mir uns bei ßl^rifto mieberum feigen merben in furjem, fintemal
ber Slbfd^ieb oon biefem Seben für ®ott t)iel geringer ift, benn
ob id^ t)on 5KanSfeIb l^iel^er t)on ®ud^ ober ^l^r oon SBittenberg
gen 3RanSfelb oon mir jöget. S)aS ift gemifelid^ mal^r, eS ift um
ein ©tünblein ©d^IafS ju tl^un, fo mirb^S anberS merben." Unb
mie Sutl^er mitten unter ben ©orgen beS SlugSburger Sleid^StagS
bie 9tad^rid^t vom Sobe feines SSaterS ju ^er^en gegangen, er-
fal^ren mir aus einem SSriefe oon Seit S)ietrid^, ber an Sutl^erS
grau fd^reibt: „9llS balb er $anS SleinedfeS Srief anfielet, fagt er
ju mir: molan, mein SSater ift aud6 tobt. S)amad^ flugS barauf
nimmt er feinen $f alter, gel^t in bie Äammer unb meinet i^m
genug, bafe il^m ber Äopf beS anbem 3^agS ungefd^idft mar: ftnt
l^at er fid^'S nid^t mel^r merfen laffen." Slud^ in eigenen ©riefen
fprid^t er eS auS, mie er ben SBater betraurc, „burd^ ben mid^ ber
SBater ber SSarml^erjigleit gejeuget, unb burd^ beffen fauren ©d^meife
er mid^ ernäl^ret unb ju aKem erlogen l^at, maS id^ nur bin^'.
3)ie ©rjiel^ung, meldte Sutl^er oon feinen ©Item erl^ielt, mar
eine emft (|riftßd^e. ®r felbft ermäl^nt eS mieberl^olt, mie fte
barauf bebat^t gemefen feien, ©otteSerlenntniS unb ©otteSfurd^t
il^m einjupflanjen. SSon bem SSater mirb unS mitgeteilt, bafe er
— 17 —
oft am Seite feines Ttaxiin gebetet f^dbe, unb 3[eu|erungen linb-
Ud^en ®ottt)ettrauend unb einer frommen !Raturbetrad^tung au3
bem SRunbe feines äSaterS f^ai und Sutl^er felbft auf5en)al^rt. @3
Derftel^t fid^ von felbft, ba^ bie f^ömmigleit ber @Item bad ®e^
präge jener 3^it trug, unb für bie anpeilt, $anä Sutl^er l^abe
einen freieren ©tanb^junlt atö feine %tan in fird^Iid^er Sejiel^ung
eingenommen, fel^It eS an l^inreid^enben belegen. 3)a| er feine
©öl^ne für einen meltlid^cn 33eruf beftimmte, ia% er f^jöter über
SRartinS Eintritt inS jtlofter ungel^atten mar unb ber ^eiligleit
beS 3Rönd^dIeben3 bie ben (Slietn fd^ulbige Sl^rfurd^t gegenüber-
ftellte, ba^ er, afö il^m in einer Äranl^eit jugemutet mürbe,
ben ®eiftlid^en ^tma^ ju oermad^en, ermiberte, feine Äinber be^
bürfen eS mel^r — baä aUeä bemeift nid^t, bafe er mit ben Seigren
ober @inrid^tungen feiner Aird^e verfallen ober aud^ nur gleid^gü(tig
gegen biefelben mar; menn pd^ aud^ feine ^jraltifd^ oerftänbige,
nüd^teme SReßgiofität unb jene unter bem Sürgerftanbe meit
verbreitete Slbneigung gegen baS burd^ bie Safterl^aftigleit unb
SilbungSlofigfeit feiner meiften ©lieber oeräd^tlid^ geworbene
SRönd^tum barin augfprid^t.
Ueber bie SBirfung, meldte bie @rjiel^ung im elterlid^cn §aufe
auf fein geiftigeS Seben ausübte, l^at pd^ Sut^er felbft auSgefpro-
d^en. 3)aburd^, ba| feine @(tem il^n fo |art l^ie(ten, fei er gar
fd^üd^tem geworben, unb baS geftreng Seben, baS pe mit i|m
gefül^ret, l^abe il^n oerurfad^t, l^emad^ in ein Älofter ju laufen unb
SKönd^ ju merben. ®r warnt bal^er oor übermäßiger Strenge in
ber @r}iel^ung, unb eä flingt mie auS eigener @rfal^rung l^erauS
gef proben, xo^nn er fagt: „6in Äinb, baS einmal blöbe unb Heins
mutig morben ip, ba§f eibige ip ju allen 3)ingen untüd^tig unb
oergagt unb fürd^tet p^ aQejeit, fo oft eS etmaS tl^un ober am
greifen fott. Unb, mag nod^ ärger ip, mo eine fold^e gurd^t in
ber Äinbl^eit bei einem SWenfd^en einreißet, bie mag fd^merlid^
mieber ausgerottet merben fein Seben lang. 3)cnn meil pe ju einem
jeglid^en SBorte beS SSaterS ober ber SKutter erbittern, fo fürd^ten
pe pd^ aud^ nad^l^er il^r Seben lang oor einem raufd^enben Statte."
aßenn nun aud^ oon einer fold^en Äleinmütigfeit unb Slobiglett
in Sutl^erS fpäterem Seben nid^ts }u bemerlen ift, fo bürfte bod^
fdutt, Sut^er. 3. 9lufl. 2
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nid^t blofe in bem ßntfd^Iu^ in8 RIofter ju gelten, fonbem aud^
in ben inneren Äämpfen, weld^e er bort ju befleißen l|attc, eine
Siad^roirfung jener ftrengen (Srjiefjung ju erfennen fein. ®a bie
§ärte feiner ®Item nid^t felbftfüd^tigem ©inne entfprang, fonbem
mit l^erjlid^er Siebe cerbunben roax, fo l^at fie ben ©ol^n nid^t
©erbittert, aber fie f^at eine Slengftlid^feit in \^m l^eroorgerufen,
t)on weld^er er erft bann Io§fam, afö er fid^ jur ®en)ipeit ber
©ünbenoergebung burd^gerungen l^atte. 3Som SJerl^ältniS Sutl^crS
ju feinen ©efd^roiftem ift wenig befannt. ®afe er aU ber ältefte
SSruber an ber SSeauffid^tigung unb Leitung ber jüngeren ©efd^wifter
fid^ ju beteiligen l^atte, ift felbftoerftänblid^, wirb aber aud^ auS-
brüdflid^ berid^tet. Sefonberä nal^e fd^eint fein aSerl^ältniä ju feinem
Sruber Safob geroefen ju fein, bem einjigen ©ruber, ber unö im
fpäteren Seben beä ^Reformators mieber begegnet, ba bie beiben
anbern ftarben, mäl^renb SRartin im Älofter mar.
9leben ber fjamilie griff aber aud^ bie ©d^ule in baä Rinb=
l^eitäleben Sutl^erg ein. ®ä ift ein SemeiS t)on ber felbftoer-
feugnenben Siebe feines bamafö nod^ in befd^ränften SSerl^ältniffen
tebenben 33aterS, ba| er ben ätteften ©ol^n jum ©tubieren beftimmte,
unb il^n ba^er fd^on im pebenten SebenSjal^re jur ©d^ule fd^idfte.
3)er Änabe mn^ bamal8 nod^ fel^r jart gerocfen fein, fo ba^ il^m
ber fteile 2Beg ju ber am 6nbe beä ©täbtd^enä liegenben ©d^ule
fd^mer fiel. 5Rod^ als bejal^rter 3Rann erinnerte er fid^ baran, mie
ein älterer 9Witfd^üler 9lamenS Demier il^n mel^r als einmal in
bie ©d^ule unb aus berfelben getragen l^abe. ®S mar eine Sa=
teinfd^ule. ®in ©d^ulmeifter, ber t)on jmei „Gl^oralen" beim Untere
rid^t unterftü^t mürbe, ftanb berfelben t)or.
SBäl^renb ber fxzim Saläre feines SRanSfelber ©d^uÜebenS
l^atte Sutl^er reid^Iid^ ©elegenl^eit, bie troftlofen S^Pänbe, meldte
bamalS in ben ©d^ulen l^errfd^ten, burd^ eigene ©rfal^rung fennen
JU lernen, ^n feinem ©d^reiben „an bie SRatSl^erm aller ©täbte
beutfd^en SanbeS: ba^ pe d^riftlid^e ©d^ulen aufrid^ten unb l^alten
fotten", com gal^r 1524, fagt er, offenbar im §inbIidE auf ©elbft^
erlebtes: „Unb ift jefft nid^t mel^r bie $5Ile unb baS gegfeuer
unfrer ©d^ule, ba mir innen gemartert pnb über ben ÄafualibuS
unb Sem))oraIibuS, ba mir bod^ nid^ts benn eitel nid^ts gelemet
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ffcAeti burd^ f o oicl 6täupcn, 3tttcrtt, änflft unb Sttnttncr. — Sft'ä
nid^t ein elenber Jammer USffzx geioefen, ba^ ein Änabe f)ai müj^en
^wanjig 3^^^ ^^^ länger {Zubieten , allein ba^ er fo t)iel (öfed
Soteinifd^ f^at gelernt, ba| er mod^t $faff nierben unb ^e^ lefen?
— unb ift bod^ ein armer , ungeklärter SJlenfd^ fein Seien lang
(lieben, ber nieber ju ©luden nod^ )u Sieriegen getaugt l^at. @oId^e
Seigrer unb SReifter l^aben n^ir muffen aQentl^alben l^aben, bie felbft
ni^tS gelonnt unb nid^td ®viU^ nod^ Sted^td l^aben mögen leieren,
ja oud^ bie äBeife nid^t gemußt, mie man bod^ lernen unb leieren
fottte." §iemit finb treffenb bie brei öau^jtfd^äben beS bamaligen
©d^uImefenS (ejeid^net: ^ürS erfte eine barbarifd^e Sd^uljud^t,
beren Slol^eit Sutl^er perfönlid^ ^u fül^Ien belam, mie er benn an
einem äSormittage ,,fünf}el^nmal geftrid^en^' mürbe unb jmar nn^
fd^ulbtg, meil er etmail nid^t auffagen tonnte, roa^ man il^n nid^t
geleiert l^atte; fürs anbre bad f^el^Ien eines mürbigen Unterrid^td^
gegenftanbeg, fofem au|er Sefen, @d^reiben, @ingen unb ben 311x1^
fangSgrünben beS SateinS nid^td Dorlam. 3)iefe3 le^tere mürbe
in SRanSfelb aud ber ^inbergrammätil unb bem Cisio Janus ge-
lernt. 3)ied mar ein im elften ^al^rl^unbert entftanbener lateinifd^er
Äalenber mit finnlofen SKemoriafoerfen auf jeben SKonat. 3)ie
$auptfad^e babei mar bie Sinprägung ber lird^lid^en tiefte. Sutl^er
bebauerte fpäter fel^r, bag er mit fold^en 3)ingen gequält morben
fei, bagegen t>on ^oeten unb $iftorien nid^t mel^r gelefen l^abe.
2)aä britte gro^e ©ebred^en ber ©d^ulen jener S^t mar bie tjer^
leierte 3ßetl^obe, monad^ betnal^e aSeS Semen in med^anifd^em
SKemorieren beftonb. 3wm Selege bafür, mie burd^ jene unoer^
nünftige Strenge bie ©d^üler oerfd^üd^tert morben feien, erjäl^lt
Sutl^er, ald er ein{l um SBeil^nad^ten mit feinen SJtitfd^ülem auf
ben benad^barten 3)örfem vox .ben Käufern in t)ier Stimmen bie
gemöljnlid^en 5PfaImen oom Äinblein Qlefu, geboren ju Setl^lel^em,
gefungen l^abe, mie bad bie @d^üler jum S3el^uf ber @infammlung
t)on ©oben ju tl^un pflegten, unb babei oor einen eingeln ftel^enben
Saueml^of gefommen fei, l^abe ber 33auer mit groben, bäurifd^en
SBorten gerufen: mo feib il^r, il^r Suben? ©ie l^aben baS für
eine 2)rol^ung gel^olten unb feien erfd^roden baoon gelaufen, big
ienet; mieber rief unb fie nun fallen, bafe er jmei SBürfte in ber
— 20 —
$anb f^atie, bie er il^nen bann fd^enfte. Sutl^er (entevit l^ieju,
il^re ^erjen feien futd^tfam gen)efen Don täglid^ent S)täuen unb
%y)tannex, fo ju ber S^it bie ©d^ulmcifter mit ben armen ©d^ülem
}u üben pflegten. 2Bir feigen l^ierauS aber jugleid^, mie bie 3ugenb
alte Sieber in beutfd^er ©prad^e fang. Sutl^er l^at fie nad^alä
„feine Sieber" genannt, unb mand^e berfetten ftnb burd^ il^n aud^
für bie epangelifd^e Aird^e erl^alten morben. S3ieIIei(^t fnüpfte
fid^ feine fpätere Siebe jum ^ird^enlieb an bie @inbrüdfe an, meldte
biefe ©efänge auf bad empfänglid^e, bid^terifd^ begabte ®tmüt beS
Knaben mad^ten.
©0 t)iel aber aud^ bie ©d^ule ju 3RangfeIb ju münfd^en übrig
laffen mod^te, unb fo fel^r in il^r Sutl^er baS @Ienb beä bamaligen
©(^ullebenä lennen ju lernen ©elegenl^eit l^atte, fo l^atte er bod^
ben feften fttttid^en §alt beS aSaterl^aufe«, moburd^ e§ il^m erfpart
blieb, in jenen ©umpf leiblid^er unb pttlid^er SBerfommen^eit f^indb-
jufteigen, in meld^em bie fal^renben ©d^üler jener 3cit bie beften
Qal^re il^rer ^ugenb jujubringen pPegten, mie unS baS bie ©elbfts
biograpl^ie beS um fed^jel^n gal^re jüngeren S^itgenoffen Sutl^erS,
2!l^oma§ glatter, in fo anfd^aulid^er SBeife vox Slugen [teilt. Unb
fo bürftig bie Äenntniffe fein mod^ten, meldte Sutl^er in feinem
Dierjel^nten Sebengjal^r befa^, afö er bie ©d^ule ju SRanSfelb nad^
fiebenjä^rigem SSefud^ t)erlie^, eine^ l^atte er fid^ bafelbft bod^
angeeignet, waä mel^r mert ift afö oiele Äenntnifje, bie Suft unb
gäl^igfeit ju felbftänbigem 2lrbeiten. S)enn fo fd^ted^t bie bamalige
Unterrid^tSmetl^obe mar, unb fo gemife burd^ biefelbe bie SKaffe ber
©d^üter nid^t geiftig entmidfelt, fonbem abgeftumpft mürbe: fo
brad^te fie bod^ für encrgifd^ere Staturen mie Sutl^er ben großen
Oeminn, ba^ pe, nid^t unterftü^t burd^ bie 3Ketl^obe, mit ben
©d^mierigleiten beS ©egenftanbeS felbft ringen mußten unb ba^
burd^ geiftig me^r erftarlten, aU menn fie nad^ einer rid^tigeren
3Ket^obe unterrid^tet morben mären. 5Reben ©d^ule unb SBater»
l^aug l^aben bie übrigen Umgebungen, unter meldten Sutl^er in
3Kan§feIb aufmud^S, mol^I nur in untergeorbneter SBeife auf il^n
eingemirlt. 3Son unmittelbarem ßinflu^ ber Äird^e auf baS jugenb^
lid^e Oiemüt erfal^ren mir nid^tS ©enauereS, aber bie älrt, mie er
fpäter, aU er längft im Kampfe miber bie römifd^e Kird^e fid^
- 21 —
befanb, bonfbar anerfannte, waS er t)on berfettcn empfangen l^atte,
jelgt, ba^ eä in feiner ^ugenb teinegniegd an ®inn)ir{ungen ber
Jtird^e fel^Ite. 3^ bin in beg $apft3 $aufe ober ^ird^e ietau^t,
f)abe barin ben Äated^iämuS unb bie ©d^rift gelernt. 3)iefe Sl^re
will id^ meinem SSoß unb meinen lieben Sürgem gern erjeigen
unb meines äSaterS $au3 nid^t t)ergef[en, miS il^n in großen @l^ren
Italien, il^m ju gü^en fatten: er laffe mid^ nur an meinen $errn
El^riftum glauben unb mein (Semiffen t)on Sefd^merung frei be?
Italien. " SQSie freilid^ bie religiöfe Unterweif ung befd^affen mar,
bie il^m in feinen Sd^uljjal^ren }u teil mürbe, jeigen 9[eu|erungen,
mie bie in ber „beutfd&en 3Keffc" (1526), mo er Slnmeifung gibt,
mie ber Äated^iämuäunterrid^t gefd^el^en muffe, bamit bie 3«8^^
aud^ Derftel^e, unb bann beifügt: „nid^t aSeine fo, ba^ fie bie SBort
au^menbig lernen, mie bisher gefd^el^en ift'\ ®ine SluSlegung beS
3Remorierten fanb nid^t ftatt, „fonbern baS marb allein geleiert unb
getrieben: Stufe bie Swwflf'^^iit 3Kariam unb anbre ^eiligen an
als 9WittIer unb gürfpred^er, alfopiel fafte unb bete; laufe jur
SBoBfal^rt, inS RIofter, unb werbe ein SKönd^, ober ftifte fo tjiel
SKeffcn. Unb l^aben gemäl^net, menn mir foId^eS tl^äten, fo l^ätten
mir ben $immel tjerbienet. 3)a3 mar bie 3^^^ ^^ Slinbl^eit, ba
mir t)on feinem ©otteSmort nid^tS mußten, fonbem mit unfrem
eignen 3;anb unb 2!räumcn unä unb anbre in ben Stimmer ge^
filieret l^aben; unb id^ berfelben einer gcmeft, ber in biefem ©d^mei^-
ja Slngftbabe mol^I gebabet l^abe". 3)er S^^w^^ ^^f ^^^ ^
l^iemit meint, beftanb barin, ba^ bie Seigre t)om ©rlöfungSmerf
ßl^rifti il^m verborgen blieb, „gd^ mürbe von Rinbl^eit auf fo
gemöl^nt, ba| id^ erblaffen unb erfd^redEen mu^te, wenn id^ ben
Slamen ßl^rifti nur nennen l^örte, benn id^ mar nid^t anberS unter-
rid^tet, als ba^ id^ il^n für einen geftrengen unb jornigen Slid^ter
l^ielt." Unb l^inmieberum: „SDäir mußten nid^t anberS, ßl^riftuS
märe ein jomiger SRid^ter, bejfen 3^^ w)ir mit guten SBerlen unb
l^eiligem Seben tjerföl^nen müßten. — Unb meil mir nimmer f onnten
genug bü^cn unb SQSerfe tl^un, eS blieben gleid^mol^l immerbar
eitel ©d^redfen unb ^urd^t t)or feinem 3om, miefen fie unS meiter
}u ben ^eiligen im ^immel, als bie ba foQten jmifd^en S^rifto
unb uns äßittler fein, lel^reten uns bie liebe SRutter (Sl^rifti an^
— 22 —
rufen unb fie tjetmaJ^nen bcr Srüftc, bic jtc il^rctn ©ol^ne gcgcBcn
l^at; ba| fie xooUU feinen 3otn übet uns abbitten unb feine ®nabe
erlangen. Unb wo unfre liebe f^rau nid^t genug war, nal^men
wir ju §ilfe bie Sl^joftel unb anbre ^eilige, bis wir jule^t lamen
auf bie §eilige, bic man nid^t weil, ob fie l^eilig finb, fo ber
mel^rere %eH nie geroefen finb, ©t. Slnna, Sarbara, St. ßl^rijlopl^,
©t. ©eorgen. 3)ic mußten alte ju gürbittern unb Slotl^elfem
angerufen werben." ©o wenig als im Sug^wi^tt^t^cl^t wurSe
bie d^riftlid^e §eilslel^re in ber 5Prebigt getrieben. 3)ie $rebiger,
r;fonberIicl^ bie Wön^e, gaben fid^ aQein barauf, wie fie eS Käglid^
mad^en unb bie Seute }um SRitleiben unb SBeinen bewegen Idnnten.
aSer foId^eS wol^I lonntc, ben l^ielt man für ben beften ^affbnS-
prebiger. SJerl^alben l^örte man in fold^en 5ßrebigten nid^tS anberS
benn ein gubengefd^elte auf ber ^uben t)erftodEte SoSl^eit unb von
ben ©d^wertem, bie ber 1^1. S^ngfrau 3Raria burd^S §erj ge::
brungen wären, unb wie fie geweinet unb tläglid^ t)on il^rem ©ol^ne
gefd^ieben. 3)amit fie gubrad^ten fd^ier baS gan^e ober bod^ baS
befte 2^eil il^rer 5ßrebigten. — SKan l^at wol^I baS Seiben Gl^rifti
aud^ geprebiget, aber man l^at es gar nid^t unterfd^icben t)on bem
Seiben ber anbern ^eiligen, man l^at nid^t angezeigt, wie unS
bamit gebienet ift unb wie wir beSfelben genießen follcn."
3lod^ weniger als bie 5ßaffion3prebigten l^atten bie fonftigen
5ßrebigten einen wal^rl^aft d^riftlid^en S^l^alt, „benn nad^ bem S^ejt
beS ®oangcIiumS ful^ren fie bal^in inS ©d^Iauraffcnlanb. ®iner
prebigt aus Slriftotele unb beit l^eibnifd^en Süd^em, ber anbre aus
bem S)efret, ein anber brad^t tJtagen aus ©t. 2!l^omaS unb ©d^o-
laften, ein anber prebigt üon ©eiligen, ein anber t)on feinem l^eiligen
Drben, ein anber t)on blau @nten, ein anber non ©ü^nermild^.
2Ber f ann eS aUeS erjäl^Ien, baS Unjief er" ? SHfo mit unfrud^t-
baren pl^ilofopl^ifd^en ??ragen, mit lird^enred^tlid^en unb fd^olaftifd^en
©ubtilitäten, ober ober mit ©eiligenlegenben unb oft genug inS
5ßof[enl^afte faHenbenSQSunbererjäl^Iungen würben bie J^eilSbcgierigen
©eelen abgefpeift, wäl^renb eS faft für eine ©d^anbe galt, ben
Flamen 3efu au^er in ber ^affionSjeit auf ber Aangel ju nennen.
©0 wirlten bei Sutl^er mit ber ©trenge beS @Iternl^aufeS
unb ben SRi^l^anblungen, bie er in ber ©d^ule erful^r, oud^ bie auf
- 23 —
Erregung oon ^utd^i r>ox bem göttlid^eit ©ertd^t ]^in)ielenben (Sin-
flüffe beä lird^Iid^en SebcnS jufamtncn, um icneS „Wöbe Oeroiffen"
in il^m J^etDorjubringen, toeld^eS nad^l^er in bet AloftergeSe il^m
fo fd^rocre Äämpfc bereitete, ©ein ®emüt war ju tief, fein ©inn
ju emft, fein ®ett)if[en gu jart, aU ba| et pd^ über bie ©d^redf en,
weld^e bie fird^Iid^en Seigren unb Sräud^e in ber ©eele J^eroor?
riefen, oberfläcl^Iid^ im Vertrauen auf ber ©eiligen SBerbienft unb
Fürbitte getröftet l^ätte, wie ber gro^e $aufe tl^at, ober ba| er,
n)ie e3 aud^ bei nid^t n)enigen ber %aU toax, über bie lird^Iid^en
Seigren unb Drbnungen fid^ leid^tfertig l^inweggefe^t l^ätte. 9lein,
ber junge Sutl^er voax ein treuer ©ol^n feiner Aird^e, ber aud^ an
il^ren äSerirrungen ton ganzem ©ergen fid^ beteiligte. @r geftel^t
fpäter felbft, ba| er in feiner S^genb aUeS auf bie Jungfrau
3Karia gebogen l^abc; „e§ ift mir," fd^rcibt er, „ctus ber SRa^en
fauer geworben, bafe id^ mid^ oon ben ©eiligen geriffen l^abe, benn
id^ über alle 3Ra^e tief brinnen geftedft unb erf offen genjefen bin."
9(ud^ an ben ^rogeffionen, geiftlid^en ©d^aufpielen unb fonftigem
„Oaulelfpiel", moburd^ bie Äird^e fd^on bie Äinberl^erjen an fx^
ju feffcin wu^Uf f)at er fid^ geroife mit Suft beteiligt, nimmt er
bod^ aud^ fpäter nod^ Sluffül^rungen biblifd^er ©efd^id^ten in ©d^u^.
SBir l^aben feine ©pur baoon, bafe er irgenbwie an lird^Iid^cn
@inrid^tungen ober $erfonen 9lergemig genommen l^ätte. 9lud^
bad elterlid^e ^auQ gab leinen Slnla^ baju, melmel^r maren in
bemfelben einige ©eiftlid^e gern gefel^ene @afte. 3)amalg fd^eint
ber SBanbel ber ©eiftlid^en in 3KanSfeIb leinen fittlid^en Slnftofe
gegeben )u l^aben, benn Sutl^er äußerte fpäter, aU er ein junger
Änabe gemefen, feien bie 5ßriefter beä ®^ebrud^8 unb ber Sieber^
lid^Ieit nid^t tjerbäd^tig gemefen, wenn pe mit grauengperfonen
gufammen gen)ol^nt l^aben; erft fpäter l^abe Unjud^t jeber 9lrt ein^
geriffen. 3)iefer Umftanb, ba^ gröbere SIergemiffe ber ©eiftlid^en
i^m nid^t gu Diäten lamen, mad^t eS erüärlid^, ba| bie $ietät gegen
bie beftel^enbeÄird^e in feiner ©eele fo fefte SBurjeln fd^lagen fonnte.
SQSerfen mir nod^ einen S3lidE auf bie äußeren Umgebungen, in
benen bie Änabenjal^re Sutl^erS oerfloffcnl 3Kan§felb, ein fleineS
©täbtd^en, jroifd^en ben SBorbergen beS ©arjgebirgeä eingefd^loffen,
oon bem auf fteilem Reifen fid^ erl^ebenben ©d^loffe ber (Srafen oon
— 24 —
SOtanSfelb übenagt, toax gan) auf ben Bergbau angen)tefen. SBon
bcm reid^cren unb bcnjcgteten Sebcn bcr großen bcutfd^cn Stcid^S«
ftäbte toax f)m wmQ }u feigen, bod^ l^atte immerl^tn aud^ eine
fofd^e Sanbftabt mel^r ©elbftänbigfeit, bie ©inwol^ner ntel^r Sttrgets
jtnn als in ben fpäteten S^ten, ba ber fürftlid^e SlbfoIutiSmuS
bem ein ®nbe gemad^t l^atte. Qn Iteinbürgetlid^en SBerl^ältniffen
unb älnfd^auungen n)ud^g Sutl^er auf, unb in feinem ganjen Seben
beraieS er aSerftänbniä unb SSorliebe für ben Sürgerftanb unb
n)u|te bie Dbßegenl^eiten einer ftäbtifd^en Dbrigfeit, ben ©egen
ber ®inig!eit unter ben Sürgem unb baä, worin einer ©tabt
Oebeil^en liegt, mit berebtcn SBorten ju fd&ilbem. 3lud^ fanben
feine äBorte nirgenbS fo begeifterte älufnal^me al3 bei ben SSürger-
fd^aften ber ©täbte. 2ln feines SSaterS Seruf mar er jeitlebenS
anl^änglid^. 2ll8 einft ju SBittenberg an ber gaftnad^t SBermummte
uml^erjogen unb eine ©d^ar t)on „©d^ieferl^auern" mit einem ©d^ad^^
fpiel t)or Sutl^erS 2^l^üre lam, fprad^ er: „bie Ia|t mir l^erein,
baä finb meine SanbSteut unb meines lieben SBaterS ©d^Iägel-
gefeKen. S)en Seuten, meil fic bie ganje SBod^e unter ber @rbe
ftedfen in böfem SBetter unb ©d^maben, muft man biSmeilen eine
el^rlid^e ©rgb^ung unb ©rquidfung gönnen unb julafjen." ®r fpielte
©d^ad^ mit il^nen unb bewirtete fie. Slud^ ^Bergleute t)on Qoad^imS-
t^al ^atte er öfters bei SCifd^.
SJie ®inn)ol^nerfd^aft von SKanSfelb mar rüftig unb mann-
l^aft. „SBer f dalägt wirb mieber gef dalagen/' fo lautete ein ©prid^s
mort biefer „^ärjlingc". (Sinfad^l^eit ber ©itten unb angeftrengter
gleife jeid^neten fie auS, ernfte 3ud^t l^errfd^te in ber ©tabt. „®a
id^ ein Änabe mar/' fagt Sutl^er in feinen 2Sfd^reben, „maren oKe
©piele »erboten, alfo bafe man bie Äartenmad^er, Pfeifer unb
©pielleute nid^t fie^ jum ©aframent gelten, unb mußten t)om
©pielen, 2^anjen unb anbem ©peftafeln unb ©d^aufpielen, menn
fie es geübt ober jugefel^en l^ätten, beid^ten." 5Wid^tSbeftomeniger
maren bie 3RanSfeIber mie äße Sergleute ein fröl^Iid^eS SBoII, baS
an fcftlid^en 2^agen bie 9Wül^en feiner Berufsarbeit oergaß. Se^
fonberS ftarl ift bei Bergleuten ber Aberglaube, „^m Sergmerl
t)e£ieret unb betreuget ber 2^eufel bie Seute, mad^t il^nen ein ®e?
fpenft unb ©epierr für bie SCugcn, baß fic nid^t anberS mäl^nen,
— 25 —
olS fällen jte einen großen Raufen ßrjeS unb gebiegen ©über,
ba e3 bod^ nid^tS ift. ^enn lann er bte Seute über ber @rben
unter ber @onnen, beim l^eSen lid^ten Xoge bezaubern unb be^
tl^ören, ba| fie ein 2)ing anberg anfeilen unb l^alten, benn eä an
il^m felber ift, fo fann er^S fonberlid^ im Sergroerf tl^un, ba bie
Seute oft betrogen werben." 3)ie in ber Äinbl^eit aufgenommenen
älnfd^auungen t)on be3 ^eufelä 2Bir!fam!eit aud^ in ber Körper-
weit l^at Sut^er lebenslang feftgel^alten, in fielen feiner ©d^riften
treten fie unS entgegen, namenttid^ aber in feinen 2^ifd^reben, voo
er immer wieber auf bc3 2!eufefö Oewalt jurüdEfommt unb mele,
teils graupge, teils ergö^Iid^e SSeifpiete ju erjagen n)ei|, mie ber-
felbe bie 3Kenfd^en geplagt l^abe unb mie er vertrieben morben
fei. 2lud^ ben SoIISglauben feiner S^t an §ejerei l^at er geteilt,
tt)ic er benn aus feinem elterlid^en §aufe ju erjäl^Ien n)ci|, feine
3Dlutter fei t)on einer 5Rad^barSfrau geplagt njorben, meldte il^r bie
Rinber fd^o^, ba^ pe fid^ ju 2^obe fd^rieen. 21IS ein (Seiftlid^er
biefelbe barüber beftrafte, l^abe pe aud^ biefen baburd^ bezaubert,
bafe pe bie 6rbe, worauf er ging, inS SBaffer geworfen l^abe (baS
fogenannte SRafenfted^en). ®abur^ fei er erfranft unb l^abe ol^ne
SRettung fterben muffen.
S)od^ wäre eS irrig, pi meinen, burd^ fold^en 2lberglauben fei
baS Oemüt Sutl^erS tjerbüpert unb bie jugenblid^e fJröl^Rd^feit il^m
geraubt worben. SQ3er unfer SBoKsIeben !ennt, ber wci|, wie oft
abergläubifd^e 9Weinungen unb Mftige ScbenSlup §anb in §anb
gelten, unb Sutl^er felbft ip ja ju einem freubigen ©lauben l^in^
burd^ gebrungen, ol^ne beSwegen von jenen SSoIISoorpeUungen pd^
loSjufagcn. SEBir bürfen bal^er annel^men, ba^ pd^ fein fröl^Iic^er
©inn aud^ in feinen Änabenjal^ren nid^t verleugnete. S)arauf, ba^
er mit 3SoIfSfagen unb SBolISbüd^em, j. S. von SJietrid^ von
S3em, ©ulenfpiegel, 9War!olfu3 befannt war, weifen wandle ge^
legentlid^e 2leu|erungen, bie er fpäter tl^at. 3lud& bie greube an
ber 5Ratur, weld^e einen fo lieblid^en 3^8 i«^ 2^^^^ ^^^ gereiften
3KanneS bilbete, wirb bem Änaben nid^t gefel^It l^aben. SBenn
aber \>anzien unvermittelt, wie eS bie Slrt beS linblid^en ©eelen^
lebenS ift, ein ®rudE il^m auf bem ^erjen lag, fo waren baS nid^t
lene abergläubifd^en äSorfteKungen, fonbem eS war baS ,yb(öbe
— 26 —
©cwiffen", n)ic er fclbft fagt: „S^ l^abc mtd^ nie lönncn einmal
meiner 3^aufe tröften, fonbem immer gebadet: o mann mittji bu
einmal fromm werben unb genug tl^un, ba^ bu einen gnäbigen
(Sott friegeft! Unb bin burd^ fold^e ©ebanlen jur SKönd^erei ge*
trieben."
(Er f&f}rte midf ans in ben Kaum; er ri§
midi ^erans, benn er f^atte Cnfi 30 mir.
Pf. X8, 20.
§n ben engen SBerJ^ältnifJen beS üäterlid^en §aufeS unb beS
abgelegenen SSergftäbtd^enS lonnte mol^I ber ©runb eined tüd^tigen
Gl^aralterä bei iJutl^er gelegt werben, inbem (SotteSfurd^t unb ®t-
miffenl^aftigfeit, ©erabl^eit be§ ©inneS unb SBibermillen gegen olle
Süge in il^m gepflanjt unb er }ur 3lrbeit unb Selbftoerleugnung
erlogen mürbe. 3lber märe er bort geblieben, fo l^ätte fein ganjeS
SEBefen etmaS (SngeS unb Unfreies bel^alten. ®al^er mürbe, als
bie redete Seit gefommmen mar, ba§ junge SleiS auf einen ©oben
tjerpflanjt, mo eS au^ weiterem Umfreife Slal^rung an fid^ gicl^en
unb baburd^ tüd^tig merben lonnte, für baS gan^e äSoR unb bie
ganje ftird^e f^rüd^te ju tragen.
S)a bie ©d^ule in 9Wan§f clb jur Vorbereitung für baS ©tubium
unjureid^enb mar, fo entfd^lo^ fid^ Qan^ Sutl^er, feinen ©ol^n,
bejfen gute Begabung fid^ fd^on in 3DlanSfeIb gejeigt l^atte, auf
eine bcjfere ©d^ule ju fd^idfen. ©o jog berfelbe, merjel^n ^af)xt alt,
1497 nad^ 3Kagbeburg, unb jmar in Segleitung bcS 3^^^^^
SteinedEe, mcld^er ber ©ol^n eines mol^Il^abenben Bergmanns in
3KanSf elb unb fpäter fetter §üttenmeifter bafettft mar. 3)ie ^ugenb-
freunbfd^aft jmifd^en bicfen beiben 9WanSfeIber SergmannSföl^nen
l^atte Scftanb fürs ganje Sebcn. 1530 erl^ielt Sutl^er burd^ SReinedfe
bie Slad^rid^t vom 2^obe feines SaterS, mSl^renb er bann feinerfeits
1536 ben greunb über ben SSerluft feiner ®§efrau tröftet unb jwei
Saläre barauf beffen 2^ob fd^merjUd^ bebauert.
— 27 —
3ur @cl^ule ging Sutl^et in SDtagbebutg (ei ben „^loU-
brübcm". ®ttnintcr jinb vooffi nid^t tJtanjiSlanctmönci^c, fonbcrn
$icron9niiancr ober SBrüber t)om gemcinfamcn Sc6cn, t)om 3Soßc
gen)öl^nlid^ als SoQ^arben bejeid^net^ )u t)erftel^en. SDiefe SSrüber^
f d^ft, um 1380 Don (Scrl^arb ©toot ju 3)ct)cntet in bcn Slicbcrlanbcn
geftiftet, befd^äftigte jtd^, von ben ^önd^en melfad^ (efeinbet, mit
Verbreitung bcr l^eiligen ©d^rift in ber SBolfSfprad^e unb, naments^
lid^ feit Sruber glorentiuS, mit bem Qfugenbunterrid^t. ©eit 1489
(efanben fie ftc^ aud^ in SRagbeburg. Db fte l^ier eine eigene
@d^ule l^atten ober il^nen ber Unterrid^t an ber vox langer 3^t
vom Alofter (Soroe^ au^ gegrünbeten ©tiftsfd^ule übertragen morben
max, lä^t ftd^ nid^t entfd^eiben. 3Bar ed meQeid^t bie älbneigung
gegen bie SRönd^e, n)a8 ben alten Sutl^er beftimmte, feinen ©ol^n
gerabe biefer ©d^ute, neben meld^er eine t)on fjftanjisfanem ge-
l^altene in ber ©tabt gewefen }u fein fd^eint, anjUDertrauen?
3u feinem Unterhalt empfing Sutl^er wenig Unterftü^ung
von $aufe. @3 mar aSgemeine ©itte, ba| Sateinfd^üler burd^
©tngen vox ben 2^^üren il^rc Slal^rung pd^ erwarben, ©elbft ie^
mittelter @Itern Kinber fd^ämten fid^ beffen nid^t, um fo weniger
lag barin für ben armen S3ergmanngfol^n etmaS 2)rüdfenbe3 ober
®emütigenbe§. 3« feinem ©ermon an bie^^rebiger, „ba^ fte
bie Seute cermal^nen, il^re Äinber jur ©d^ulc ju l^alten" (1530)
fagt er: „SSerad^te mir nid^t bie (SefeKen, bie oor ber S^l^üre
panem propter Deum (33rot um ©otteSmiHen) fagcn unb ben
S3rotreigen fingen. Qd^ bin aud^ ein fold^cr ^artelenl^engft (^ßartefe,
f.t). a. ©tüdf) gerocft unb ^abe baS Srot oor ben §äufem genommen."
©onft miffen mir wenig oon feinem Säben in SRagbeburg.
9lur ba8 eine erjäl^It un§ ber Slrjt SRa^eberger, Sut^er fei am
l^i^igen fjieber crfranft. 3)a man il^m wegen beS gi^berS nid^t
2U trinlen gegeben l^abe, fo l^abe er brennenben 3)urft gelitten.
SUS nun aQe Seute im $aufe in bie Aird^e }ur ^rebigt gegangen,
fei er auf i^änben unb gü^en in bie Äü(^e gefrod^en unb l^abe
bort ein ©efä| frifd^en SBafferS auSgetrunfen. gwar l^abe er
feine Aammer faum wieber erreid^t, fei bann aber nad^ einem
tiefen ©d^Iaf oom fjieber frei gewefen.
Xrat il^m in 3Ragbeburg einerfeitS .ein reid^er entwidCelteS
- 28 -
SBcrlel^rSlcbcn entgegen, fo [teilte pd^ anberfeits in biefer etj?
(ifd^öflid^en @tabt bie ^ird^e in nieit |ö§erem @Ian)e bav aU in
bem Keinen 3KanSfelb, unb jugleid^ waren litd^K^e SKi^ftänbe
unb Sletgemiffe, bie jtd^ aud^ bent jungen SKenfd^en l^ätten be^
metüid^ mad^en lönnen, l^iet nieniger als anberSnio Dorl^anben.
3Rel^rere ßtjbifd^öfe nad^einanber l^atten bie Älöfter reformiert
unb waren ben SBaUfal^rten jum l^ciligen Slut in SBUSnatf um
beS bamit üerbunbencn Unfuges willen entgegen getreten, unb ber
bamalS regierenbe ßrjbifd^of ©ruft, ©ruber beS Äurfürften ^eb-
rid^ beS SEBeifen von ©ad^fen, übte ftrenge 3ud^t gegen unroürbige
©eiftlid^e unb förberte bie 3Bif[enfd^aften fowie ben SBol^Iftanb
ber @tabt, weäl^alb er bei ber S3et)öIIerung fel^r beliebt mar. @3
ift begreiflid^; ba^ in fold^en Umgebungen Sutl^erä Slnl^änglid^feit
an bie 5lird^e nod^ ^unal^m. ®a| bag 9leue, toa^ er auf bem
(Gebiete beS äBeltlebenS in SJlagbeburg )u feigen belam, einen
tieferen @inbrudf auf il^n gemad^t "^ättt, bapon l^aben mir feine
©1)ur; mie bagegen Seifpiele lird^Iid^er ©emotion il^n ergriffen,
bapon jeugt, wa^ er fpäter erjäl^It: „3d^ l^abe gefeiten mit biefen
2lugen, ba id^ bei meinem tjierjel^nten gal^re ju 3)tagbeburg in
bie ©d^ule ging, einen gürften von Slnl^alt, ber ging in ber Sar^
fü^erlappen in ber breiten @tra|e um nad^ S3rot unb trug ben
©adE mie ein 6fel, ba| er fid^ jur 6rbe Irümmen mu^te. ©ic
l^atten il^n aud^ fo übertäubet, ba^ er aUe anbre äBerl im ^lofter
gleid^mie ein anber Sruber tl^ät, unb l^atte fid^ alfo jerfaftet, jer^
mad^t unb jerlafteit, ba^ er fal^ mie ein 2^otenbiIb, eitel Sein
unb $aut, ftarb aud^ balbe. 2)enn er Dermod^te fold^ ftreng Seben
nid^t ertragen, ©umma: mer il^n anfal^, fd^ma^te oor 3lnbad^t
unb mn^U fid^ feines meltlid^en ©tanbeS fd^ämen." ©old^c
mönd^ifd^e ©elbftpeinigung fd^ien bem jungen Sutl^er ber l^öd^fte
(Sipfel d^riftlid^er ^ömmigleit ju fein, unb meit entfernt mar er
nod^ t)on bem ©inn, meld^em ber obengenannte @rjbifd^of @m{l
t)on SJtagbeburg nad^mals auf feinem ©terbebette ^uäbrudf gab,
menn er ben S3arfüftermönd^en, bie i^n oerfid^erten, er fönne rul^ig
fterben, ba beS ganjen DrbenS gute SBerfe il^m oor ©otteS Slid^ter^
ftul^I ju gute fommen werben, bie SCntwort gab: „3d^ begel^re
eure 2BerIe nirgenbs ju: meines $erm (S^rifti SBerfe, bie müjfen^S
- 29 —
allein ti^un, barauf t)erlaffe td^ mid^/ älfö ballet nad^ Sutl^etS
Stüdffel^r Don SRagbebutg fein SSater bat)on er^öl^Ite, n)ie ber alte
®raf ©üntl^er t)on 3Kan8feIb, von befjcn ©terbcbettc er eben l^er^
lam, ein l^crrlid^eä 2^eftament l^interlaffen l^abe, fofem er erflätt
l^obe, nur auf (Sl^rifti bitteres Seiben unb Sterben m^ biefer SBelt
fd^eiben ju woKen ; ba üermod^te Sutl^er bieg nid^t ju fafjen, fom
bem badete bei fid^, ein befjereä SBermäd^tniS wäre eS bod^ ge^
roefen, wenn er Äird^en unb Ätöfter reid^Iid^ bebad^t l^ätte.
!Rad^ nur einjäl^rigem 3luf enthalt in SRagbeburg n)urbe Sutl^er
von feinem SBater nad^ ©ifenad^ i^^ät, wol^I el^er wegen beä
guten StufS, bef[en fid^ bie bortige ©d^ule erfreute, afö in Hoff-
nung auf Unterftü^ung burd^ feine bort lebenben Senoanbten
mätterlid^erfeitS. 2)enn wir l^ören, ba^ er gerabe in @ifenad^ am
meiften genßtl^igt war, fid^ feinen Unterl^alt mit ©ingen cor ben
Sl^üren ju erwerben. $iebci gefd^alj eS nun, ba^ Urfula (Sotta,
bie ^au eines angefel^enen unb mol^I^abenben SürgerS üon ita^
lienifd^er 2lbfunft, bem Änaben um feines ©ingenS unb l^erjlid^en
®ebetS wiUen in ber Kird^e il^re S^^^^SU^S juwanbte unb i|n an
il^ren S^ifd^ unb in il^r $au8 aufnal^m. $ier fanb er nid^t nur
leiblid^en Unterl^dlt, fonbem aud^ SSewal^rung oor ber SRol^eit bes
©inneS unb ber ©itten, meldte bei ben fal^renben ©d^ülern jener
2!age in l^ol^em 3Ka§e ju §aufe mar unb meld^er ein junger
SKenfd^ ol^ne Slnfd^lu^ an eine gamilie fo leidet verfällt. S)ie
tJormen eines gebilbeteren SebenS, ben ÄreiS ber Slnfd^auungen,
in meldten fid^ ber mol^Il^abenbe Sürgerftanb bewegte, lernte Sutl^er
im §aufe ber ^rau ßotta juerft lennen, unb wir l^aben leinen
®runb, bie Ueberlieferung ju bezweifeln, bafe er l^ier aud^ ©e^
tcgenl^eit erl^iett, feine trefflid^e mufifalifd^e S3egabung auSjubilben
unb bie fjlöte fpielen ju lernen. Unb wenn er t)on il^r baS SBort
l^örte: „9lid^tS SiebereS ift auf 6rben benn ^rauenlieb, wem'S lann
werben," fo mad^te baSfelbe auf bie oon ben Qfbealen mond^ifd^er
§eiligfeit erfüllte ©eele beS günglingS einen fo tiefen ßinbrudE,
ba^ er nod^ nad^ t)ielen ^af)xm fid^ baran erinnerte. S)iefe feine
„SBirtin" ift 1511 geftorben; einen ©ol^n berfelben, $einrid^
6otta, l^at Sut^er, als berfelbe 1540 unb 1541 in SBittenberg
ftubierte, an feinen %\\^ genommen unb il^m baburd^ ber SKutter
— 30 -
SBol^Itl^äügleit t)ergoUen. Stud^ ein SSermanbter bet %xm Sotta,
^einrid^ Sd^albe, toat SutJ^erd äBol^Itl^ater toäl^venb feines älufent^
l^altS in @ifenad^, n)ie er aud^ bie ®üte bed SBilar S3taun ant
bortigen aWarienftift erfal^ten burfte. SBeniget fd^einen bie Slnoer^
raanbten feiner äRutter fid^ um il^n gefümmert )tt I^a6en, nur einer
berfelben, ber Lüfter £onrab an ber 9liIoIau§Iir^e, ftanb il^nt naiver.
äSon ben brei ftäbtifd^en @d^ulen (efud^te Sut^er bie mit ber
@eorgen!ird^e in SBerbinbung ftel^enbe, nieil in il^r aSein Satein
geleiert würbe. Sie l^atte brei Seigrer. Steftor ober @d^ulmeifter
roax Xreboniug, ein geleierter, fprad^funbiger, in ber Sel^rfunft
erfal^rener Seigrer unb ein l^umaner, wenn aud^ etwas feltfamer
SRann. ®r p^egte, wenn er in bie Sd^ule eintrat, feine Sd^üler
mit entHö^tem QanpU }u grüben, benn, fagte er, unter biefen
Änaben fiften fold^e, au^ meldten ®ott Sürgermeifter, Äanjier unb
SJoItoren mad^e. äud^ einen gewiffen SEBieganb, fpöter ^Pfarrer
in äBalterSl^aufen, (ejeid^net Sutl^er alg feinen ©d^ulmeifter unb
t)em)enbet ftd^ für i^n um einen Slul^egeiealt. Unter bem @influffe
biefer Seigrer lernte Sutl^er erji redjt erlennen, „ein wie lieblid^
3)ing eä um bie Seigre fei"; fein Seift begann pd^ Mftig gu cnt^
falten; befonberS burd^ @d^drfe beS ®eifte3 unb ©ewanbtl^eit beS
münblid^en unb fd^riftlid^en äluSbrudS in $rofa unb SSerfen geid^^
nete er fid^ vox feinen 9l(terSgenof[en auS.
9?ode muffen wir eines meriwürbigen SRanneS gebenden, totU
d^er fid^ gugleid^ mit Sutl^er in Sifenad^ auffielt, beS ^^anjislaner-
mönd^S i^^^^n^ $ilten. @r war, weil er etlid^e öffentUd^e
SJtiPräu^e im Klofterleben angegriffen l^atte, Don feinen DrbenS-
brübem eingelerfert worben unb würbe 1502 im ©efängnifje ge^
tötet. Sßie au^ ber 3Ritte beS e^^anjiSlanerorbenS fd^on in alteren
Seiten apofalpptifd^e SBeiSfagungen wiber bie abgefallene Äird^e
ausgegangen waren, fo würbe aud^ unter ^iltenS 92amen eine
(Sd^rift über ben ^ropl^eten 3)aniel verbreitet unb eine äBeiSfagung
beSfelben ging t)on 9Kunb ju SKunb, bafe 1516 ein 9Rann aufs
fommen werbe, ber bie äRönd^e austilgen werbe unb bem fte nid^t
werben wiberftel^en fönnen. Sutl^er l^örte von il^m burd^ ^einrid^
@d^lbe, ol^ne jebod^ einen tieferen @inbrudE bat)on }u empfangen.
2)er fid^ felbft gu ^^obe peinigenbe ^^ürft im ^angiSlonerKofter
— 31 -
iVL 9Ragbe(urg ftanb il^m bamalg nod^ Dtel l^öl^ev aU ber SRär^
t^tet bcr SBal^tl^cit in bcm ju ®ifenoci^. 9läl^cre8 über $iltcns
2;ob unb SEBeigfagung ctful^r Sutl^cr erft nad^ fielen galten. SGBic
l^od^ ahex fein Slnbcnfen in bcn 2^agen bcr SRefonuation gefd^ä^t
würbe, 5cigt jtd^ barin, ba| SKeland^tl^on im 13. 2lrtilel ber Sipo?
logie ber 2lugS6urgtfd^en Äonfefjton auf feine SBeiSfagungen fic§
beruft, inbem er juglcid^ t)on il^m bezeugt, ba^ er eDangelifd^ unb
ber ©d^rift gemä^ geprebiget l^abe.
©0 l^atte Sutl^er wäl^renb ber t)ier ^a^xe, roeld^e er in Sifenad^
jubrad^te, in ber SRid^tung, weld^e er fd^on im elterlid^en $aufe
eingef dalagen, fld^ weiter entmidfelt. 3)a| il^n S^^H ^^ '^^
fird^Iid^en Seigre beunrul^igt l^ätten, ba^ er innere Kämpfe l^ätte
in beftel^en gel^abt ober t)on ber fd^on bamalS meit verbreiteten
©ärung ber ©eifter märe bertil^rt morben, bat)on l^aben mir leine
©puren. Slber bod^ mürbe in biefer S^it fein SlidE ermeitert, er
lam mit Sebenäf reifen in Serül^rung, bie il^m bi§^er fremb ge^
blieben maren. 3«8t^^ füKte er bie Südfen feiner ©d^ulbilbimg
a\x^ unb lonntc bal^er, mol^I vorbereitet für baS afabemifd^e ©tu=
bium, im tJtüJ^jjal^re 1501 bie Unioerfität ßrfurt bejiel^en, mo
er nad^ bem SBitten feines aSaterS bie SRed^tägelel^rfamfeit ftubieren
fottte. S)ie SBerl^ältniffe beä SSaterS l^atten fid^ injmifd^en fo ge^
beflert, ba| er bem ©ol^n bie jum ©tubium nötigen ©elbmittel
„t)om ©egen feines löblid^en Sergguts" barreid^en lonnte, menn
er gleid^ eS fid^ mufete immer nod^ fauer merben lafjen.
©rfurt, ium ©omiapitel SRainj gel^örig, mar bie bebeutenbfte
©tabt in S^üringen. ©eine ßinmol^nerjal^I mar viel größer als
gegenwärtig, feine S3efi|ungen fo auSgebcl^nt mie bie ber größten
Sleid^Sftäbte, obmol^I eS ber ©tabt nid^t gelungen mar, von bem
@rjbifd^of in SRainj fid^ unabl^ängig ju mad^en unb reid^Sunmittel^
bar JU merben. „ßrfurt liegt am beften Drte," äußerte Sutl^er
fpäter, „ift eine ©d^maljgrube, ba mu^ eine ©tabt ftel^en, menn
fie gleid^ megbrenntc." 2lber bie 3^^ ^^ l^öd^ftcn Slüte ging
ju ®nbe, unb mäl^rcnb Ueppigfeit unb SSBo^IIeben fortbaucrte,
^attc ber SSerfaK fc^on begonnen, unb mel^mütig Hingt eS, menn
mir au^ Sut^erS 3Runbe l^iSren: „Erfurt ift ein fel^r frud^tbar SetJ^-
ledern gemeft, aber bcr ©egen ift nun in ^lud^ geraten." Xxo^
- 32 —
•
ber Jtämpfe, tDeld^e bie (Stabt um il^re UnoBl^ängigfeit mit ben
©rjbifd^öfett oon Ttaxxii geführt l^attc, mar ber ©tnn i^rcr Sürget
bod^ ein gut lird^Kd^cr geblieben, unb menn aud^ bie l^ujitifd^en
Semegungen anfänglid^ auf bie nieberc Älajfe ber (Sinmol^ner
nid^t ol^ne (Sinflufe geblieben ju fein fd^einen, fo mar eä bod^
ju leiner offenen ©rllärung für $u8 gelommen, unb meiterl^in
forgten bie ^ufiten burd^ bie von i^nen namentlid^ aud^ in
2^^üringen oerübten ©raufamleiten bafür, baft bie öffentlid^e
SKeinung jtd^ gegen fie leierte, unb ba bie beutfd^en ©tubieren-
ben, meldte fid^ burd^ baS auftreten von §uS oeranlafet gefeiten
Ratten, t)on 5ßrag megjujiel&en, großenteils nad^ ©rfurt lamen,
fo mürbe baburd^ nid^t nur ber ©lanj ber bortigen IXnioerfität
erpl^t, fonbem eS verbreitete fid^ aud^ unter ber Säürgerfd^aft mie
unter ber ©tubentenfd^aft eine entfd^ieben antil^ufitifd^e Stimmung.
S)ie ©tabt mar reid^ an Äird^en, teilmeife oon einzelnen Särgern
erbaut, fomie an Älöftem ber oerfd^iebenften SWönd^Sorben , unb
in biefen Älöftern lebten mand^e mürbige unb geleierte SKänner,
meldte gum ^eil aU UnioerfttötSle^rer in l^ol^em 3(nfel^en ftunben.
Sin feierlid^en lird^Iid^en Sluf jtigen fehlte eS nid^t, unb neben ben
allgemein gebräud^Iid^en ?ßrojefjtonen fanb eine ber ©tabt ©rfurt
eigentümlid^e jjebeä Sal^r \iatt, bei meld^er bie ©arge oon oier
SSifd^öfen, meldte ben SWärt^rertob erlitten, mit großem ©epränge
uml^ergetragen mürben. 3lud^ bie päpftlid^en älblaßoerlünbigungen
fanben in Erfurt begeifterte Slufnal^me. 3llS 1451 ber Rarbinal
9iiIolauS oon Äufa auf bem SKarlte t)on (Srfurt ben Slblaß pre-
bigte, mar ein fo großes ©ebränge entftanben, baß einige " SDlens
fd^en umS Seben lamen, unb eben gu ber 3^it, als Sutl^er bort
ftubierte, mürbe ber Äarbinallegat Sla^munb, als er auf feinem
3ug burd^ S)eutfd^lanb mit feiner 2lblaßprebigt aud^ nad^ ©rfurt
lam, oon ©tabt unb Unioerfität aufS feierlid^fte empfangen. Sln^
geblid^ um ®elb inm ^rieg gegen bie dürfen aufjubringen, mar
1500 ein ^ubelja^r gel^alten morben; nun foHte aud^ benen, bie
nid^t nad^ Slom Ratten moHfa^ren lönnen, ©elegenl^eit geboten
merben, fid^ burd^ kaufen oon Slblaß an biefem oerbienftlid^en
SSBerl ju beteiligen. ®in ©el^ilfe Sla^munbS bei biefer Slblaß-
prebigt mar Qol^ann genfer oon 5ßal^, meld^er als Stingling in
- 33 -
baS 3luguftirtetIIoftet §ü ®tfurt cmgctteten unb bort mUü^i nod^
Sutl^erS Äloftcrbruber wwc, ber SBctfaffct etrtcS namctttltd^ für
Scrgicute bcftimmtcn, toicbcrl^olt aufgelegten Änbad^tSbud^S ,,3)ic
j^itnmlifd^e ^Junbgrubc" unb mel^rerer ©d^rtften jur aSer^cnlid^ung
bcr SKarta. ©o war cS eine üorjugSroeifc lird^fid^ gefinnte Um«
gebung, in rocld^e ber junge Sut^er ju (Srfurt eintrat.
äud^ an ber Unioerfität war berfelbe ®eift l^errfd^enb. Sie
tlnitjerfitäten ftanben bantate in oiel l^ö^erem 5Kafte als je^t an ber
©pi^e be§ geiftigen Sebenä ber Station, äffe ^'o^exe Silbung war
in i^nen lonjentriert unb ging t)on i^nen au§ ; bei ben wid^tigften
fragen be§ öffentlid^en SebenS, mod^te eä fid^ um red^tlid^e, poli-
tifd^e ober lird^Iid^e Slngclegenl^eiten l^anbeln, würbe i^r 9lat ein^
gel^olt ober oon ben ^Parteien i^re (Sntfd^eibung angerufen, ^a^n
waren jte al3 Rötperfd^aften mit weit ge^enben SBorred^ten au3=
geftattet. Siner Unioerfität anjugel^ören ober gar einen alabe-
mifd^en ®rab ju erlangen, galt alä ^of)e (S^xt. 5Rod^ in feinem
Snter gebeult Sutl^er ber „SDlajeftät unb §errlid^Ieit", meldte e§
geroefen fei, wenn man jum SJlagifter promooiert mürbe, „^ä)
ad^te, bafe leine jeitlid^e, meltlid^e ^reube bergleid^en geroefen fei.
SKfo l^ielt man aud^ ein grof; ®epräng unb SBefen, menn man
SoItoreS mad^te. S)a ritte man in ber ©tabt uml^er, baju man
fid^ fonberlid^ Ileibete unb fd^müdfte." ^n befonberer S3Iüte ftanb
bamals bie Unioerfttät ju @rfurt. ©ie mar, fagt Sutl^er, „in
fold^em Slnfe^en unb fo berufen, bafe äffe anbre bagegen für Keine
©d^ü^enfd^ulen angefe^en morben". ©tubierenbe au^ äffen Steilen
2)eutfd^IanbS ftrömten auf berf elben jufammen, benn fie fanben bort
berül^mte Seigrer, eine anfel^nlid|eS3ibKotl^eI, reid^ auSgeftattete RoI=
legien, in meldten bie ©tubierenben jufammenlebten unb teilmeife
eines ^reitifd^eS jtd^ erfreuten.
©0 unabl^ängig aber an^ bie Unioerfitäten in äu^erlid^er
Sejie^ung baftanben, fo eng mar baS S5anb, roeld^eS fie mit ber
Äird^e oerlnüpfte. §at bie neuere 3«* i>^ ©egenfa^ jroifd^en
©lauben unb SBiffen auf il^re gal^ne gefd^rieben unb baburd^ einen
tiefen 9li§ in baS geiftige Seben beS einzelnen mie ber SBöIIer
gebrad^t, ber nur oon wenigen burd^ emfte ©eifteSarbeit über«
munben wirb; fo lag bagegen bem mittelalterlid^en 3)enfen unb
»urt Sut^er. 3. 5luf(. 3
— 34 -
Seben bie SSorauSfe^ung bet Uebereinftimmung von ©lauben unb
SHJijfcn pi ©rutibc. S)atum würben bic Unbcrjttätcn üott bcr Äitd^e
auf jcbc SBeife begünftigt, befanben ftd^ ober eben beS^alb bcrfclbcn
gegenüber in einer geroijfen Slb^ängigfeit, bie übrigens anfänglid^
Ieine3n)egd aU 2)ru(I empfunben, fonbem aU ettoad ©elbftoer-
ftänblid^eä betrad^tet würbe, ©o war bie lird^Iid^e Se^re SRorm
unb SBorauSfe^ung ber roiffenfd^aftlid^en tJorfd^ung. Unb wenn
jtd^ aud^ im Saufe ber 3^* biefe ober jene SSBiberfprüd^e jroifd^en
ben n)if[enfci^aftlid^en ßrgebnijfen, ju roeld^en einzelne gelangten,
unb ber Äir($enle^re l^erausftefften, fo fam eS bod^ nid^t ju einem
prinzipiellen ©egenfa^, inbem bie mitlelalterlid^e ^ird^e il^r 3)ogma
nid^t genau fixiert l^atte unb ben ^auptnad^brudf auf Kultud unb
aSerfaffung legte, fo bafe bem, ber bie lird^Iid^en Drbnungcn an=
erlannte unb an ben ©ebräud^en ber ^ird^e ftd^ beteiligte, einige
älbmeid^ungen in ber Seigre gerne nad^gefe^en mürben. 9lud^ auf
bcr Unioerfität @rfurt, obrool&I biefclbe gleid^ bei il^rer (Sntftcl^ung
fid^ oon mel^reren 5ßäpften ^atte ^rioilegien erteilen laflen unb
baburd^ fid^ in 9[bl^ängig!eit oom römifd^en ©tul^I begeben l^atte,
unb obmol^I fie unter ber äluffid^t beS Srjbifd^ofd oon SRainj
ftanb, maren mand^e Seigrer aufgetreten, meldte oon bcr J^errfd^en^
ben Äird^enlel^re fid^ in mefentlid^en fünften entfernten.
am meiftcn unb in einem oon ber §ierard^ie nid^t mcl^r ju
ertragenben SRa^e mar bieiS bcr %aU bei bem nad^ jmeijä^riger
§aft im Äerler ber S^quifition 1481 geftorbenen 3iOl^ann oon
SB e fei, bejfen ®influfe, aud^ nad^bem er 1460 bie ©tabt oerlaffen
l^atte, nod^ lange ß^t nad^roirfte, fo bafe Sutl^er oon il^m fagen
lonnte: „So^anneS SBefalia l^at ju ©rfurt bie ^o^e ©d^ule mit
feinen S3üd^ern regiert, an^ meldten id^ bafelbft aud^ bin äJlagifter
morben." 9iamentIiJ^ ben Slbla^ l^atte berfelbe nad^brütflid^ an-
gegriffen, mar aber oon biefem einzelnen SWiPraud^ baju meiter
gefül^rt morben, bie SSerberbniS ber Äird^e überl^aupt auf jubedEen,
i§rc Slutorität anzugreifen, über 5ßäpfte unb Äonjilien mit ©ering-
fd^ö^ung fx6) ju äußern, lird^Iid^e ©ebräud^e aU fd^riftmibrig )u
oermerfen, ja aud^ gegen einzelne lird^lid^e 3)ogmen, niie nament?
ßd^ gegen bie 93rotoermanbIungdIel^re, feine S3eben!enauiSiufpred^en.
Sutl^er aber l^atte, menn er aud^ SBefel afö einen bur^ bie ^n- j
— 35 —
quifition ungered^t Detutteilten l^e^rer iztta^Uie, !eine Aenntnid
von bcn in feinen ©d^riften gegen ben Slblaft unb bie päpftlid^e
©eroalt entl^altenen angriffen. 3lud^ anbre Sekret an ber Uni-
üerptät ju (Srfutt äufeetlen, roenn aud^ mit mel^r SWäfeigung unb
Sorftd^t, 3lnfid^ten, roeld^e mit bem, roaS in ber Äird^e als Siedet
unb Sraud^ galt, in SSBiberfprud^ ftanben. 3)ennod^ mar baS SeBen
ber 5ßrof ejfqren unb ©tubierenben ganj im Slal^men ber fird^ßd^en
Drbnungen befaßt. 3!ebe8 ©emefter rourbe mit einer feierlid&en
3Rejfe begonnen, jjebe g^Iultät l^atte il^ren ©d^u^l^eiligen , bejfen
(Sebäd^tniätag fie jäl^rli^ beging. 3)ie Seigrer ber S^l^eologie mußten
nid^t nur ber Rird^e ©e^orf am geloben, fonbem aud^ oerfpred^en,
von jcber le^erifd^en Se^re, bie ju il^rer Renntnig lommc, Slngeige
)U mad^en. ^n ben ©tatuten ber einzelnen AoEegien mar nid^t
nur bie 2^Inal^me an ben lird^lid^en Sinbad^tSübungen in roeitem
Umfang oorgefd^rieben, fonbem eS roaren aud^ gegen bie ©in?
neigung jur Rederei ftrenge S3eftimmungen gegeben. Sutl^er l^at
fpäter, als er gegen ben 3w)ang ber ©elübbc feine ©timme er^ob,
namentlid^ auc| bie an ben ttnioerfitäten gebräud^Iid^en ©elöbnif(e
angegriffen, ba bie ^rofefforen fd^roören mußten „nid^ts ju lehren,
baS roiber bie aUer^eiKgfte rßmifd^e jtird^e unb bie Sel^rpunlte
ber STOenfd^cn fei", unb ba „ber ocrbammte Sraud^ ^errfd^te, bie
Sugenb mit ®iben oerftridfen unb il^r ©eroiffen martern, auf ba§
il^re'^üter nid^t btirfen road^en nod| forgen unb faul fd^lafen".
5Kod^ten nid^t wenige nur mit SEBiberroittcn biefem ßw^cmge fid^
fügen, fo fehlte eä bod^ in allen tJrfultäten nid^t an 3Kännem,
roeld^e tief burd^brungen roaren oon lird^Iid^er ^römmigleit. Sutl^er
erjä^It an^ feiner ©tubentenjeit von jroei Sled^tälel^rern , roeld^e
au^ SRcue barüber, bafe jte roeltlid^e 3)oItoren gerocfen, ©eelen-
meffen ftifteten unb jtd^ in 3Könd^§Iutten begraben liefen.
3)afe Sutl^er biefer lird^lid^en Slid^tung jtd^ anfd^Iofe unb ben
berfelben roiberfpred^enben 3lnfid^ten eines Qfo^ann oon SSBefet, mit
benen er übrigens nur roenig belannt geroorben ju fein fd^eint,
leinen ®influ^ auf fein 3)enfen gemattete, mufe unS na^ bem,
was roir von feinem frül^eren geiftigen ®ntroidEeIungSgang roifjen,
ium DorauS roal^rfd^einßd^ fein, unb bei bem SBal^rl^eitSemfte feines
gangen SBJcfenS lonnte er nid^t, roie bie meiften feiner S^tgenoffen^
-Be-
bet einem bto^ auletltd^ SRittnad^en ber l^ßgen ©ebtau^e unb
einet oberfIacl^K(|en 3«f^w^«iwng jur l^crgebrad^ten Seilte jtd^ bc-
tul^igen, fonbem gleid| einem Saulud, ber für baS oäterKd^e ®efe^
ein Sifcter war, erfaßte er mit ber ganjen ©lut feiner jugenb^
lid^en @eele baS, mad er ald ha^ SB^en ber f^ömmigleit aud-
mad^enb t)on ^inbl^eit an ju t)erel^ren gelernt l^atte. 9Bar MS
bal^in fein SBerl^alten in rcligiöfer Sejiel^ung mel^r ein paffit>e8
gewefen, l^atte er fid^ ben auS feiner Umgebung auf i^n eim
bringenben religiöfen ©nmirlungen Eingegeben; fo jeigt fidj bie
ermad^enbe ©elbftänbigleit beS i^üngUngg nid^t barin, ba^ er mit
bem ©laubcn feiner Rinbl^eit brid^t, fonbem barin, baft er boS^
lenige, t)on mas er xok von einer l^öl^eren ÜRad^t ergriffen morben
mar, mit eigener Energie ber ©eele ergreift, um e« fo auS einem
t)on ben 3Sätem ererbten Sefi^ in felbft erworbene Ueberjeugung
umjumanbeln. 3(ud^ feine @tubien foQten biefem ^xoede bienen
unb il^m ju einem tieferen SBerftänbniS bejfen oer^elfen, ma«
i^m fd^on im ©lauben feftftanb. „3)er ©taube gel^t ber ©r«
lenntnis ooran. Qd^ glaube um ju erlennen." 3)iefer berül^te
aiuSfprud^ bcS aSaterS ber mittclalterlid^en aSi jf enf djaft , »nfelm
t)on Ganterburp, finbct feine t)offe Slnmenbung auf Sut^erd ©tu?
bien. ©ie ftanben im engften 3«fömmenl^ang mit feinem Stauben.
S)arum ße^ er benfelben aud^ bie lird^Iid^e SBeil^e nid^t fel^Ien.
3eben Xa^ begann er feine 9(rbeit nid|t nur mit ^erjlid^em ®ebet,
fonbem aud^ mit SBefud^ ber Äird^e, „mic benn fein ©prid^mort
gemefen: ^flei^ig gebetet ift über bie ©älfte ftubierf*. groeimal
l^at er, nad^ feiner eigenen 3Cngabe, in ®rfurt gelobt, fromm gu
werben unb nad^ Slom gu pilgem. ©old^e f^ßmmigleit Dertmg
jtd^ aber mol^I mit j[ugenbß(^er f^tö^Iid^feit. Sutl^er mar „ein l^ur?
tiger unb fröl^Iid^er junger ©efettc", ber nad^ ber ©itte ber3eit,
wenn er über Sanb ging, bie SBel^r an ber ©eite tmg unb auf
SeibeSübungen oiel gel^alten gu l^aben fd^eint.
SBotten wir feine ©tubien genauer f ennen lernen, f o muffen
wir wol^l im 9luge bel^alten, ba^ baS ^ad^ftubium bomald weit
nid^t mit ber Sinfeitigleit betrieben würbe wie je$t. 3Siclmel^r
gel^örte jjeber ©tubierenbe, gleid^Diel für weld^eS ^a^ er fid^ ent?
fd^ieben l^aben mod^te, juerft ju ben Srtiften, b. 1^. }u ber ^otultät,
— 37 —
toeU^ je|t ine pl^ilofopl^tfd^e l^ei|t, unb fefd^äftigte fid^ mit bem
@tubium teild ber ©rammotil unb Stl^etoril, teils ber $^ilofop^ie,
bei toü^ex bie fonnale @eite unter bem Flamen ber S)ialeltt{ für
bie ^auptfad^e galt, bod^ fo, ba^ aud^ anbre jur gelehrten SBUbung
gel^örenbe Aenniffe namentßd^ aud naturlunblid^en ^äd^em bamit
in SSerbinbung gebrod^t mürben. 3lutt maren aber gerabe bamalS
auf bem Soben ber allgemeinen SBilbung, meldte eben burd^ biefe
9(rtiftenfa!ult(it repräfentiert mürbe, jmei Slid^tungen miteinanber
im @treit: bie ©d^olaftil, meldte baS Sßittelalter bel^errfd^t ^atte,
nun aber entartet unb im 9(bfterben begriffen mar, unb ber eben
in jjugenbßd^er f^rifd^e, teilmeife aud^ in jugenblid^em IXebermut
aufftrebenbe Humanismus. 3^ne l^atte eS fid^ in il^ren erften
äSertretem jum ^kl gefegt, ben ^nl^alt ber Krd^lid^en Seigre bem
menfd^(id^en SSerftänbniS naiver )u bringen, inbem fle bie 3Lvl^^
fprüd^e ber Aird^ent)äter über bie einzelnen Se^rpunlte (@enten)en)
jufammenfteUte, fte in logifd^e SSerbinbung miteinanber brad^te
unb baS fo aufgebaute Softem ber ^riftlid^en Seigre in aQen feinen
einzelnen 93eftimmungen gegen aSe mögUd^en mirlßd^en ober aud^
nur erfonnenen @inmenbungen ju oerteibigen untemal^m. ällS
äSertgeug l^ieju biente bie bialettifd^e ^unft, meldte fld^ an bie
bamals freilid^ nur in f e^r Derberbter lateinifd^er IXeberfe^ung be$
!annten Sd^riften beS gried^ifd^en ^l^ilofopl^en 3lriftoteIeS anfd^Io^.
äud^ alles fonftige SBijfen ber Seit, baS l^iftorifd^ wie baS natura
lunblid^e, mu^te man in SSerbinbung mit ber Jtird^enle^re gu bringen
unb gum ©egenftanb fd^oIafKfd^er Unterfud^ung gu mad^en. S)iefe
Unterfud^ung mar aber eine leineSmegS oorauSfe^ungSlofe, fonbem
DoKftänbig t)on ber S(utorität abl^ängig; für bie ©laubenSmaJ^r-
l^eiten bilbete bie jtird^e, für baS ®ebiet beS natürßd^en @rIennenS
älriftoteleS biefe älutoritot, unb meber l^ier nod^ bort ging man 1
auf bie Quellen gurüd. @o menig bie eigene 9laturbeobad^tung
gegenüber oon ben S^otigen, meldte bie @d^riftfteller beS äUtertums
überliefert l^atten, ju il^rem Siedete lommen lonnte, ebenfomenig
bie felbftänbige ©d^riftforf d^ung ober ©laubenSerf al^rung gegenüber
oon ber lird^lid^en Ueberlieferung. S)od^ märe eS unred^t, ben
Unterfud^ungen ber ©d^olaftiler allen SBert abgufpred^en. 9tid^t
nur l^aben fie in i^ren umfangreid^en „©ummen'' unb „Kommen-
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taten'' betounbetungSiDflrbtge S)enlmale menfd^Ud^en ©^arffinng
l^ittterlaffcn , fonbcm fic l^abcn jtd^ au^, oft unter rounbcrlid^cn
fjotmen unb in einem barbatif(|en Satein, an 26fung ber tiefften
Probleme menfd^Ud^en 2)enIenS obgemül^t. 9(ber mit ber 3eit tocx
bie Sd^olaftil il^rer eigenen SSorouSfe^ung untreu gemorben. SDie
ttebereinftimmung ber Jtird^enlel^re mit bem SDenlen ftanb ben
f päteren ©d^olaftilem nid^t mel^r unmittelbar f eft, unb mod^te man
bie mit großer SuSfü^rlid^Ieit vorgetragenen ®rünbe gegen baS
lird^lid^e ^ogma mit ber ^Berufung auf bie 9(utoritSt ber jttrd^
nieberfd^Iagen ober ftd^ mit bem oerjmeifelten ©a^e ju l^elfen
fud^en, ein unb baSfelbe I5nne mal^r fein in ber S^^eologie unb
f alfd^ in ber $^iIof opl^ie : bie unaudbleiblid^e ^^olge mar, ba^ bie
©eifter bad 3^terejfe an ber lird^ßd^en Se^re oerloren; unb nun
f)aüm es bie ©d^olaftiler mit einem ©egenftanbe ju tl^un, für
meldten i|nen baS ^erj fel^Ite, unb n>el(^en fte nur afö Sßittel
brandeten, um il^re bialeltifd^e ©emanbtl^eit ju jeigen. S)ie felt^
famften fragen mürben aufgeworfen, über baS SRid^tigfte mit bem
^öd^ften @mfte geftritten, unb nid^t um ber SBal^rl^eit )um @iege
;u oerl^elfen, fonbem um ben fRn^m eines großen SReifterS ber
S)ialeftil ju gewinnen, ober um jtd^ in biefer für ben ©elel^rten
unentbel^rßd^en Jtunfit ju üben, beteiligte man ftd^ an ben Streit^
untertebungcn, meldte fe^r l^äufig ftattfanben. 5Rod^ in anbrer
Sejie^ung ging bie ©d^olaftil il^rer ©elbftauflöfung entgegen, ©ie
mar ausgegangen oon ber Ueber^eugung, ba^ bie allgemeinen Se-
griffe für fid^ befte^enbe ^Realitäten feien. SDberbiefem „SlealiSs
muS" mar mit berS^i^ ber 5Romin aliSmuS entgegengetreten,
meld^er bie affgemeinen Segriffe für blofee 3lcanett ober 38orfteffungen
erllärte; unb biefe 3luffaffung mar um bie ^üi ber Sieformation
bie l^errfd^enbe geworben. äBeld^e Sebeutung blieb aber bem fd^o^
lafttfd^en 3)cnlcn, meld^eS \a nid^t mit ^^^atfad^en ber ®rfal^rung,
fonbem nur mit fold^en affgemeinen Segriffen operierte, wenn bie«
felben nid^tS weiter ftnb, als Sorfteffungen beS einzelnen? ©o ift
es fein SBunber, bafe bie ®cifter fid^ j|e länger je weniger burd^
bie ©d&olaftil bcfriebigt fül^lten unb fid^ mit ©e^nfud^t unb Se-
geifterung bem neuen Sichte juwanbten, weld^eS im Humanismus
ber 2Belt aufjuge^en fd^ien,
— 39 —
Sn Stalten l^attcn jtd^, j|e mc^r baS Sanb teifö butd^ gremb-
l^crrfd^aft teifö butd^ innere ßctriffenl^eit ber poUtifd^en Sebeutung
ermangelte, bic §erjen fd^on feit bem breijel^nten Sal^rl^unbert an
ber »ergangenen ®röfee beS alten SlömertumS begeiftert, unb man
l^atte angefangen, jtd^ mit ben ©d^riftftcffem an^ ber Ilaffifd^en
3eit 3lom§ ju befd^äftigen. §ieju mar bann fpäter, namentlid^
aber nad^bem 1453 ftonftantinopel burd^ bie ^ütjen erobert m^^ben
unb gried^ifd^e ©elel^rte nad^ Italien gefommen maren, bie Se^
lanntfd^aft mit ber gried^ifd^en Sitteratur getreten, unb im ©egen?
fa| gegen bie fd^merfäUige unbroJ^eäluäbrudCdmeifeberfd^oIaftifd^en
©elel^rten l^atte bie SRatürlid^f eit unb ^einl^eit ber Ilaffifd^en ©prad^e
auf ben ©d^önl^eitsfinn ber Stciliener einen mäd^tigen ®influ^
ausgeübt, unb menn eS anfangs mel^r nur bie Sitteratur beS
Slltertumä mar, mit ber man fid^ befd^äftigte unb nad^ ber man ben
eigenen ©til ju bilben fud^te, fo rourbe man baburd^ unoermerlt
aud^ in ben ®eift beä l^eibnifd^en SlltertumS eingeführt, unb roie
bie alte Runft in ber fogenannten Slenaiffance eine Sluferftel^ung
in neuer ©eftatt feierte, fo gewannen aud^ bie ©ebanlen ber alten
^l^ilofopl^en unb bie ganje antife 2Beltanfd^auung eine Sülad^t über
bie ©emüter, moburd^ biefelben ber d^riftlid^en SBal^r^eit me^r ober
weniger entfrembet mürben, tj^ioolität in Sejiel^ung auf bie
religißf en Slnfid^ten unb Seid^tf ertigleit • ber fittlid^en ©runbf ä|e
mar meit verbreitet unter biefen italienifd&en ^umaniften unb ni^t
am menigften bei benjenigen unter il^nen, meldte bem Äleruä an=
gel^örten. Sutl)er l^at nad^malS mit l^eiligem S^xn gegen fold^e
„(Spilurer" S^^Ö^iS abgelegt, meldte für il^re ?ßerfon Reiben
maren, aber um i^reS ©eminnS mitten baS 3SoIf unter bem 3od^
ber fird^Kd^en ©a^ungen gefangen l^ielten.
®ine eiroa^ anbre ©eftalt l^atte ber §umaniSmuS in SJeutfd^-
lanb angenommen. ®S mar l^ier l^auptfäd&Kd^ bie ßlegang beS
fprad^Iid^en 2lu§bruiä, roa^ man an ben 2llten berounberte unb
morin man fte nad^jual^men fud^te. 3w)ar lonnte eS nid^t anberS
fein, afö bafe burd^ bie Seroegung in ber Ilaren Suft ber antifen
SBäelt ein SSBiberwille gegen baS bumpfe SSBefen beä bamaligen
Äird^entumS l^ercorgerufen mürbe, ber fid^ in allerlei ©pott gegen
bie lird^lid^en SRi^bräud^e unb inäbefonbere gegen bie l^auptfäd^?
— 40 -
lid^ften görbercr berfclben, bie aRönd^c, Suft mad^tc, n)ot)Ott bic
belanntctt „©tiefe ber SDunlctmänner" ein SJcnfmal jtnb; ober bod^
gingen bie beutfd^en ^umaniften nid^t (ig jur SSetmerfung ber d^tift-
Kd^en SBal^t^eit; unb mod^te in il^rem SStiefmed^fel n)ie in il^rer
©efeSigleit mand^mal ein leidster %on l^etrfd^en; fo xoax bod^ ein
grunbfä^Iid^eiS @id^lo3fagen von ben Geboten d^riftlid^er ©itttid^leit
feltej^. 3)a^ ber beutfd^e ^umanidmud biefe ernftere @eftalt an-
ndf)m, ift l^auptfäd^Kd^ ben 93rübem vom gemeinfamen Seben )u
banfen, a\x^ beten t)on etnft d^tiftlid^em ®eifte butd^btungenen
@d^ulen Diele naml^afte ^umaniften^ mie namentUd^ bet l^od^betül^mte
@ta§mud Don Slottetbam, ^etDotgegangen ftnb.
3n)iWen biefen beibcn SRid^tungen, ©d^olaftif unb ^umaniSs
mnS, fanben, inSbefonbete im 3n)eiten ^^l^tje^nt bed fed^jel^nten
Sal^tl^unbetlS, l^eftige Äämpf e [tatt ; ju bet geit abet, als Sut^et
ftubiette, xoax baS nod^ weniget bet %aU, unb inSbefonbete an bet
Unioetfität @tfutt roitften bie 3Setttetet von beiben in gutem @in=
»etnel^nten nebeneinanbet. S)al^et wat il§m ®elegen§eit gegeben, mit
beiben fid^ befannt ju mad^en, ol^ne boc^ pon bet einen obet anbetn
in SSefd^Iag genommen obet in i^ten ^ampf i^ineingejogenju metben.
3)atübet, meldte SBotlefungen Sutl&et in ®tfutt l^ötte, ift menig
belannt, untet feinen Sel^tetn wetben befonbetS Ufingen unb
Stutoettet genannt; beibebet f d^olaftif d^en Slid^tung angel^i)tig;
bet etfte SJetfaffet mei^tetet ©d^riften übet SJialeftil unb ^p^^fil,
voU von fpilfinbigem ^otmaKSmuS, bet leitete, ju feinet 3^^
fel^t betü^mt als alabemifd^et Seiltet, aitx an bemfelben geißlet
unftud^tbatet, fotmaliftifd^et Oelel^tfamleit leibenb. Äein SJBunbet,
• baft fid^ Sutl^et fpätet bei aUet §od^ad^tung, bie et oot 2^tutoettet
f^aiU, mit gtofeet Sittetleit übet ben 3^^^^^* ^^ IXnioetfitätcn
jut 3^tt feinet Sugenb auSfptad^. „2ßaS finb unfte Unioetfitäten
in bet gangen 9BeU bisl^et gen)efen benn 3Rotbgtuben oielet
ttefflid^en Sttg^i« unb SBetbetbung bet 3fugenb? Slid^t allein
batum, baft fie auf benfelben i^ten fteien 3Kutn)iIIen ju allen
©ünben unb Saftetn gel^abt l^aben, benn baSfelbe ift baS SlHet?
getingfte: abet bieS ift am meiften gu bellagen, ba^ {eine nü^Ud^e,
l^eilfame Seilte ift ootl^anben gemefen unb gu DotauS bie lieben
©tubia d^tiftlid^et Se^te mit oetbtüfelid^et , unnü^et ©opl^iftetei
— 41 -
oerbunlelt moxien, barinnen Dtele gute unb löftlid^e ^ngenia ftnb
DetiDirret unb gel^inbert n>orben, baB jte ju leiner nü^Iid^en ^^d^t
^aben lommen lönnen.'^ „Sei unfren 3^üen/' fagt er in ben
2^ifd^reben, ,;n9ar böS ftubieren, ba bic X^eologie unb aDe guten
Äünfte oerad^tet waren unb feine, gefd^idfte Äöpfe mit ber ©o^
pl^ifterei geplagt worben. 9(riftotelem, ben Reiben, l^ielte man in
fold^eti @^ren, ba^ wer il^n oemeinete ober il^m wiberfprad^, ber
warb ju Äöln für ben größten Äe^er gel^alten unb oerbammt, ba
fie ben älriftotelem bod^ nid^t perftunben. S)arum l^aben bie ©o-
pl§iften il^n oielmel^r tjerbunlelt." ©d^on als ©tubent nal^m er
an älriftoteleg 9(nfto^, unb jwar a\x^ religiöfen @rütiben. S)aS
ä3ud^ beSfelben über bie $immel3erfd^einungen (de meteor.) war
il^m, weil eS aUeS au3 natürlid^en Urfad^en er{[ären woSe, }uwiber.
Slber mit ber S)ialeltif ber ©d^olaftifer, unter weld^en er befonberä
ben 9iominaIiften Dllam i^od^fd^ä^te, l§at er ftd^ eingel^enb befd^äftigt.
,/3^ wei^ unb l^abe il^re ^unft aud^ gelernt unb lann fte aud^
nod^ leiber aQjuwol^I. 3^ lann il^re eigene S)iale!ti{ unb ^l^i-
lofopl^ie ia^ benn fte felbft aEefamt ; id^ bin burd^ i§re ^unft aEe
erjogen unb erfal^ren von Qugenb auf, weift faft woi^l, wie tief
unb weit fie ift." Unb in feinen ©treitfd^riften jeigt eS fid^ immer
wieber, baft er nid^t t)ergebend ^ialelti! ftubiert l^at. 9l6er aud^
ber Humanismus muftte ju ber geiftigen S3ilbung £utl§erS feinen
Seitrag geben, benn baä tief finnige 2ßort beS Slpoftefö; „SllleS
ift euer" fottte an biefem wie an fo wandten ber größten Äned^te
®otte§ fid^ erfüllen, ©d^oti in ©ifenad^ l^atte er ja einen offenbar
burd^ i^umaniftifd^e ©inflüffe berül^rten Seigrer gelobt, nod^ naiver
traten il^m in Erfurt bie Vertreter biefer SRid^tung. Um 1485
l^atte Äonrab ßelteS, biefer eifrige fjörberer ber l&umaniftifd^en
©tubien, an ber genannten Unioerfität gelehrt; inSut^erg ©tubien^
jeit fiel bie SHJirffamleit beS §umaniften 5P ift oriä oon Sngweiler,
burd^ weld^en Sutl^er bie ^agifterwürbe erl^ielt unb au^ bef[en
©d^ule nid^t wenige Äenner ber Haffifd^en ©prad^en ^eroorgegangen
finb. 3Rxi großem ©ifer warf fic§ ißutl^er auf baS ©tubium ber
lateinif d^en ©d^riftfteller ; ben ©efd^id^tf d^reiber SioiuS, bie 35id^ter
SBirgil, 2^erenj, ^tautuä unb ben Siebner unb ?ß§ilofopl^en ßicero
laä er unb lernte fie oermittelft feines trefflid^en Oebäd^tniffeS
— 42 —
Beinal^e auStDenbig. S)anim jetgt jt(| au(| in feinen Sd^riften
eine gro^e äSettrautl^eit mit benf elben ; nid^t nur eigentlid^e Sitate,
fonbem aud^ Beiläufige 3(nfpielungen auf Ilafjtfd^e älugfptüd^e
foroie SSergleid^ungen, n)eld^e au§ ber ©efd^id^te unb @age beS
3lltettumä l^etgenomnten finb, leieren bei il^m immer mieber. äD&er
oermöge feiner nid^t auf bie tJorm, fonbern auf ben ©el^alt ge?
rid^teten ©eiftedart mar eS il^m nid^t, mie ben eigentlid^en $u-
maniften, um bie SCneignung eines Itaffifd^en ©tileS )u tl^un,
fonbem er brandete bie alten ©d&riftfteffer mit Sorliebe afö fj^nbs
grübe von ©prüd^cn ber SSBeiSl^eit unb SBeifpielen ber 2^ugenb.
3)arum miff er bie S)id^ter unb Siebner in ben ©d^ulen getrieben
mijfen unb empfiel^It befonberä Gicero^ weil er ju guten ©itten
unb el^rbarem SSBanbel SInleitung gebe. 3luS bemfelben ©runbe
l^at er ben 3lcfop für bie Qfugenb überfe|t. SJBä^renb mand^e
Semunbercr ber Sllten burd^ biefelben bem ^oangelium entfrembet
mürben, l^at Sutl^er biefelben mel^r unb mel^r als 3^<^twieifter auf
ßl^riftum lieben unb braud^en gelernt. SIber aud^ meltlid^eS SBiffen
l^at er auS benf elben gefc^öpft, unb jroar nid^t nur Äenntniä ber
alten @e[d^id^te, fonbem aud^ feine politifd^en älnfd^auungen jum
großen SJeil. „2)enn/' fagter, „mer in meltlid^em Siegiment mitt
lernen unb Ilug merben, ber mag bie l^eibnifd^en SBüd^er unb
©d^rif ten lefen." SBaS aber bie formale Silbung betrifft,
meldte mie bamafö, fo l^eute nod^ al3 bie Dorjüglid^fte ^d^t
l^umaniftifd^er ©tubien angefel^en ju merben pflegt, fo legte Sutl^er
jroar auf bie ©prad^e afö auf „bie ©d^eibe, morin baS ©d^mert
be§ ©elftes ftedft" ba§ größte ©emid^t unb mahnte 1524 bie
SlatSl^erren ber beutfd^en ©täbte: „@o lieb unS bad Soangelium
ift, fo ^att laffet unS über ben ©prad^en l^alten", aud^ erregte er
fd^on frü^e Semunbemng burd^ feine SBo^lrebenl^eit; aber bennod^
^atte 3}leland^t^on ju ieiauexn, baf; eS bei Sut^er an SSilbung
ber Siebe unb an ben milbercn ©tubien ber maleren 5ß^ilofopl^ie ge-
fel^lt l^abe, moburd^ oietteid^t bie §eftigfeit feiner 9iatur gefänftigt
morben märe. (5r felbft mar jtd^ biefeä SWangelS mol^l iexon^t,
er nennt jtd^ unerfal^ren in ber SBerebfamleit unb eleganter Sa-
tinität unb erflärt, er fei meber ein Sateiner, nod^ ein ©rammatifer,
nod^ piel meniger ein ßiceronianer. Unb bem entfprid^t ber ©ad^s
— 43 —
vtxf^alt S^ax l^anbl^abt er in feinen lateinifd^en @d^riften bie
©prad^c mit ©id^erl^eit unb Älarl^eit, unb bicS mar für feine
fd^riftfießerifd^e ^ätigfeit wie für bie öffentßd^en S)i3putationen,
in benen er feine Seigre barjulegen unb ju oerteibigen l^atte, tjon
großem SEBerte; aber ciceronianifd^ ift fein Satein feineSwegS. 3)afe
er es ^ieju nid^t brad^te, l^at feinen ®runb nid^t nur barin, baft
il^m bie langjäl^rige Hebung abging unb bafe er mit ben ©ad^en
ju fel^r befd^äftigt mar, aU bafe er auf bie tJeinl^eit ber SJBorte
|ätte ad^ten lönnen, fonbem aud^ in feiner 3Keifterfd^aft berbeutfd^en
©prad^e. Sejeid^nenb ift eS in biefer §infid|t, bafe er in feinen
lateinifd^en ©d^riftauälegungen unb ©riefen, wo er einen ©ebanfen
red^t treffenb auSbrüdfen miff, mitten in bie lateinifd^e 3lu8fül^rung
eine beutfd^e 333enbung einjufd^iebcn pflegt. Sutl^er Dermod^te eä
nid^t, mie bie ©umaniften, über bem Satein bie 3Kutterfprad^e ju
»crgeffen, unb barum ift er lein perfefter Sateiner geworben.
3)cnttod^ ift bie Seftüre ber latcinifd^en Älafjtler in ftiliftifd^er
33ejiel^ung t)om l^öd^ften SBerte für il^n geroefen, fofern er an il^nen
feinen bcutfd^en ©til gebilbet "^at SOSenn mir bebenlen, wie bie
beutfd^e ©prad^e bamals faft nur Sauernfprad^e mar, fofern man
in atten miffenf d^af tlid^en SSBerlen nid^t nur, fonbem aud) im ©rief -
njed^fel ber ©ele^rten au^fd^Iiefelid^ beS Satein fid& bebiente, fo
wirb uns begreiflid^, ba^ baä bamatige 3)eutfd^ bäurifd^ unb un*
gelenf, mortarm unb ol^ne SBo^IIaut mar. ©ottte biefe ©prad^e
jum SEBerljeug werben, mittels beffen dn^ gebilbete Station il^re
tieffien unb ^ßd^fien ©ebanfen wie il^re innigften unb jarteften
(Sefü^Ie auSjubrütfen im ftanbe märe, fo lonnte baä nur burd^
einen 5Wann gefd^el^en, ber, mäl^renb er mit feinem ganzen §erjen
bem beutfd^en 35oIfe angehörte unb mit ber ©prad^e beSfelben oon
Äittbl^eit auf oertraut mar, jugleid^ in feiner Ilaffifd^en SUbung
bie 33cfäl^igung befafe, oerebelnb unb bereid^ernb, regelnb unb
reinigenb auf biefelbe einjumirlen. 2Bie bal^er Sut^er burd^ ben
Qfn^alt ber Älafpler bem ßl^riftentum nid^t entfrembet marb,
fonbem jenen Qn^alt bem le^teren bienftbar ju mad^en raupte,
fo liefe er burd^ bie fd^öne fjorm ber Haffifd^en SRebe pd^ nid^t
oerleiten, feine SWutterfprad^e gering ju ad^ten, fonbem oerftanb
eS, mittete beS Satein baS S)eutfd^c auf eine l^ö^ere ©tufe ju lieben.
- 44 —
Sitten mit nod^ barouf, ba^ er baS Sefen ber ^oeten fo noc^^
brücflid^ empfie^U, unb t)ergleid^en bamit, ba^ er fu§ in einem
@d^rei6en an ben ^umaniften @o6an $e^ ju benen red^net, n^el^e
butd^ bie S)id^ter mt^x ergriffen, erfreut unb feftgel^alten merben,
aU burd^ bie ungebunbene Siebe felbft eines ßicero unb S)e2
moftl^eneS; fo n)erben von n)ol^l annel^men bürfen, ba^ feine
poetifd^e 3lnlage aud^ au^ ber SSertrautl^eit mit ben tlafftfd^en
2)id^tem 9lal^rung gejogen §abe.
SBir l^oben nur t)on ber S3efd^äftigung mit lateinifd^er
Sitteratur gerebet. S)ag Satein mar ja bamold bie meitaud mid^-
tigere ber beiben Haffifd^en Sprod^en, n>ie benn nid^t menige ber
größten @e{el^rten beS Mittelalters be3 ©ried^ifd^en gon^ unlunbig
maren. 9tud^ Sutl^er l^at in @rfurt !ein @ried^ifd^ gelernt, ob-
mol^l ftd^ i§m baju ©elegenl^eit bot, mie er fte !aum irgenbmo
beffer gefunben §(itte. S)aS erfte S3ud^, meld^eS in S)eutfd^Ianb
mit gried^ifd^en Settern gebrudft mürbe, erfd^ien gerabe bamald in
@rfurt, unb an ber bortigen Unioerfität mirlte 9liIoIaud SRarfd^f
als Seigrer ber gried^ifd^en Sprad^e. Sutl^er aber, bamatS oon
ber @d^oIaftiI gan) ^Eingenommen, benü^te biefe ©elegenl^eit nid^t.
®rft nad^ feiner @tubien)eit eignete er fid^ mit oieler SRül^e bad
©ried^ifd^e unb ^ebräifd^e fo meit an, afö er eS für feine ©d^rift-
auStegung unb Ueberfe^ung beburfte. „^d^ lann meber gried^ifd^
nod^ l^ebräifd^,'' äußerte er einft, ^id^ miQ aber bennod^ einem ©ried^en
unb Hebräer jiemßd^ begegnen '\ unb in einem 93riefe anüReland^^
tl&on fagte er in S3ejie§ung auf einen, ber il^m gried^ifd^e Sriefe
gefd^rieben l^atte, „id^ miS il^m türfifd^ fd^reiben, bamit er aud^
etwa^ ju lefen be!ommt, xoa& er nid^t oerftel^t".
S)er Humanismus mar ober nid^t blo^ eine miffenfd^aftUd^e
Stid^tung, fonbem bie 3ln^änger beSfelben bilbeten, inbem fte ftd^
in oome^mer ©elbftgenügfamleit t)om SSoUe jurüdEjogen unb baS-
felbe feinem geiftigen @tenb überliefen, untereinanber eine engs
ücrbunbene SUque ber ©eifteSariftofratie. ©ie ftanben in regem
Sriefmed^fel miteinanber, oerJ^errlid^ten fid^ gegenfeitig in i^ren
Sd^riften, bemül^ten fid^, einflu^reid^e Stellungen i^ren ©efinnungS-
genoffen ju ftd^em, unb fanben ftc^, mo eS anging, im gemäl^lten
Greife gu einem gefeUigen S3erle§r jufammen, ber burd^ geiftreid^es
^ 45 --
SBefctt t)on bcr plumpen ©efettiflfcit hex 3«t fx^ untctf(|tcb, bei
weld^cm aber nid^t fetten, wenn aud^ unter feineren fjormen, ein
leichtfertiger 3;on l^errfd^te. SHefen Rreifen blieb Sut^er ferne,
obwohl er in @rfurt ©elegenl^eit genug gel^abt l^ätte, mit tl^nen
in nähere Serül^rung ju fommen. 3n be,m na^en ®otl^a wol^nte
feit 1501 50lutianuS SRufuS, eines ber Häupter beS ©umaniä^
muS, t)öm ®ei|ie ber italienif(|en ^umaniften angefiedft unb, oh
toofß 3fnl^abcr einer geiftlid^en ?ßfrünbe, ein 3frcigei|i unb Sebemann.
3n feinem gafitß(|en ^aufe Derfammetten fld^ bie bem ^umanidmuS
l^ulbigenben jüngeren Slngel^örigcn ber Unioerfität, barunter Vilxi^
V, ©utten unb RrotuS ShibidnuS. äud^ in ©rfurt felbft befanben
fid^ einflu^reid^e Vertreter biefer SRid^tung, wie ber berühmte §crs
mam SufdJ, bann ®oban §e^, ber 1500 gu^örer ^atte, ber aber
in einem Sriefe von fid^ felbfi gefte^t, ba| et gonje 3;age bamit
jubringe, fd^Iüpfrige Serfe ju mad^en, unb einen großen %e\l feines
©eipeS im ©eine erfäuft l^abe. Äein SBunber, bafe fold^ aRönncr
benen, bie emftercn ©inneS waren, afö ©otteSläfterer unb Reiben
erft^ienen, unb ba^ Sutl^er gegen biefeS „epifuräifd^e" SBefen eine
erttfd^iebene Sttneigung l^atte. @o trat er jmar mit einzelnen,
n^eld^e jenen Streifen angehörten, mie namentlid^ mit JtrotuS,
einem ber Öauptcerfoffer ber SBriefe ber SJunfelmänncr, mit bem
nad^maligcn fä^fifd^en ^ofprebiger ©eorg ©palatin, unb bem
Renner beS (Sried^ifd^cn, Qfol^ann Sänge, in freunbfd^aftlid^e SBer^
binbung, aber ju ben Häuptern ftanb er in feiner näheren 35es
jiel^ung, unb mit mand^en l^erDorragenben ©tubiengenoffen, meldte
für ben Humanismus begeiftert maren, mie mit ^utten, fd^eint
er gar nid^t belannt geworben ju fein.
Sffiäl^renb bie alte unb bie neue Sffiiffenfd^aft, ©d^Iafüf unb
^untaniSmuS, ftd^ um bie $errfd|aft ftritten, mar bie beftc Duelle
ber SSilbung, bie j^eiligc ©d^rift, üerfd^üttet, fo ba^ fie nid^t
nur bem (S^rifienpoBe un jugänglid^ , fonbem oud^ ben ©elel^rten
unbefannt war. Sutl^er fagt von ben 3)oItoren feiner 3cit: „^f)X
ScfteS war, bö^ fte bie l^eilige ©d^rift t)erad^teten unb unter ber
»anfliegen liefen. ffiaS, »ibfia, Siblia? fprad^en fte, SBiblia ift
ein Re$erbu(|; man mu^ bie 3)oftoreS lefen, ba ftnbet man eS;"
]a eS feien viele 2)oItoreS ber Geologie gemefen, bie i^r Seben
— 46 -
lang nie eine 93ibel gelefen, etlid^e nie gefeiten l^atten. 9lud^ von
fx^ felbft erjäl^It er: „^a id^ jroanjig ^af^t alt xoax, l^otte id^ nod^
{eine gefeiten, ^d^ meinte, ed xo&xen leine Soangelia nod^ Spifteln
mel^r, benn in ben 5ßoftUIen fmb." S)a gefd^al^ eS, ba^ il^m eines
Xaged; afö et auf ber UniDerfttötäbibliot^el nad^ Süd^em fud^te,
eine lateinifd^e 93ibel unter bie ^änbe !ant. „^a Demterlte er mit
großem SSerrounbem, bafe t)iel mel^r 3;ejte barin mären, benn man
in ber ^ird^e pfleget augjulegen/' ®g mar bie @efd^id^te t)on
Samuel unb feiner ÜJlutter ^anna, xoai il^m gunäd^ft in bie 9(ugen
fiel. @r burd^IaS fie eilenb mit l^erjlid^er Suft unb ^eube unb
mit bem SJBunfd^e, ,,unfer getreuer ®ott motte il^m bermaleinft aud^
ein fold^ eigen S3ud^ befd^eren''. ®r l^ötte gerne baS ganje ä3ud^
burd^gelefen, attein ba er in bie SBorlefung gelten mu^te, mar baS
nid^t möglid^, unb fo fam eS bamald nod^ }u !einer eingel^enberen
Sefd^äftigung mit ber l^eiligen ©d^rift. ®rft im Älofter liefe er jtd^
micber eine Sibel geben. Sinftmeiten laufte er eine ?ßoftitte, bie
il^m fel^r gefiel, meil fte mel^r @t)angetien entl^ielt, atö bad ^ai)X
l^inburd^ gelefen gu merben pflegten. @o mar Sutl^er auf baä
S3ud^ aufmerifam gemorben, meld^eS mit ber 3^i^ f^i^^ i<^W
2)enlmcife umgeftalten unb für il^n ber f efte (Srunb merben fottte,
auf ben er fid^ bei feinen inneren unb äußeren Äämpfen ftettte.
älber nid^t ba3 mar feine @ntmidCeIung , bafe er ftd^ fofort ber
älutorität ber @d^rift ftatt berjenigen ber S)o!tore§ untermorfen
unb au3 ber @d^rift I^erau3 fein bogmatifd^eg Softem ftd^ gebilbet
i^ätte. Siclmel^r erft nad^bem er burd^ bie fd^roerften inneren kämpfe
}ur ©laubenggemifeleit gelangt mar, mürbe il^m bie @d^rift ium
^rüfftein, an meld^em er bie Seigre ber Äird^e unb feine eigenen
3lnftd^ten mafe. ^arum mar fein (Slaube nid^t ein blofeer ^nto^
ritätSglaube unb feine @tettung gur @d^rift bei atter ®ebunben?
I^eit an biefelbe eine fo großartig freie.
Ueber ba§ äußere £eben Sutl^erS mäl^renb feiner @tubien}eit
ift \m^ nur menigeä belannt. ©ein SBonbel mar ein burd^auS
georbneter, fo bafe aud^ feine bitterften (Segner fpäter in biefer
§infid^t il^m nid^tä üorjuroerfen mußten. Unb menn er burd^ feine
mufilalifd^e SSegabung baS gefettige giif^wwwienfein feiner greunbc
mürjte, fo l^at er fid^ bod^ oon bem leid^tfertigen SBefen ferne
— 47 —
gei^alten, tDeld^ed (ei nid^t tDenigen ©tubenten in @rfutt J^errfd^te
unb im ^inblicf auf tDeld^ed er biefe Unioerfttät nad^mald als ein
$au3 bed S3ietiS unb ber Un}uci^t bejeid^nete. @r ftubiette fleißig,
»etfaumte leine SSotlefung, repetierte mit feinen ©tubiengenoffen
baS ©elemte, l^atte aud^ perfönlid^en SSerlel^r mit feinen Sel^rern.
1503 erlangte er bie SBürbe eines SalfalaureuS, ju Slnfang beS
3[a|reS 1505 bie eine« SKagifterS ber freien Jtünfte, waä jeftt ein
S)o!tor ber ^l^ilofopl^ie l^eigt. @eine ®elel^rfam!eit jeigte fid^
l^iebei barin, ba^ er unter fteb)el^n ftanbibaten ber jmeite mürbe.
SSon-je^t an l^ielt er felbft äiorlefungen über bie ^l^pftf unb (Stl^i!
bed älriftoteleS unb erregte burd^ feine miffenfd^aftlic^e Xüd^tig!eit
bie Semunberung ber Unioerfität.
gmeimal geriet er mäl^renb jener Saläre in SebenSgefai^r.
Site er in Segleitung eines ^JreunbeS feine ®ltern befud^en moUte,
»erlebte er fid^ eine ©tunbe von (Srfurt mit bem S)egen, ben er
an ber Seite trug, am ^u^e. 93iS ber 9Bunbar)t gel^olt mürbe,
brüd^te er bie äBunbe ju, maS eine ftarle älnfd^mellung beS @d^en!ete
jur golge l^atte. $jn ber SobeSangft rief er bie §ilfe ber SWaria
an. ,,S)a märe id^ auf 3Raria bal^in geftorben", fagte er fpäter.
SDie S^i, meldte er infolge biefer SSermunbung ju §aufe ju-
bringen mu^te, benu^te er )ur @rlemung beS SautenfpielS. @o-
bann brad^te il^n eine Jtranll^eit an ben Stanb beS ©rabeS. 3)a
mar eS, ba^ ein alter ^riefter, ober nad^ Sutl^erS eigener älngabe
ein il^m befreunbeter ©tubent ju il^m fprad^: „©eib getroft, il^r
merbet biefeS SagerS nid^t fterben, unfer ®ott mirb nod^ einen
großen 3Rann auS eud^ mad^en, ber mele Seute mieber tröften mirb,
benn men ®ott lieb l^at unb baraus etxoa^ ©eligS jiel^en miS, bem
legt er jeitig baS l^eilige Jtreu) auf, in meld^er Jtreujfd^ul bie ®e-
bulbigen mel lernen." ©old^e emfte ^eimfud^ungen bilbeten ein
©egengemid^t gegen bie älnerlennung, meldte ber junge ©elel^rte je
mel^r unb mel^r f anb, unb bienten baju/ il^n in ber ® emut ju erhalten.
Snjmifd^en mar bie Seit gefommen, ba er feinem etgentlid^en
gad^ftubium, bem ber Sfted^tSgelel^rfamJeit , fid^ jumenben foffte.
3Ran pflegte mit bem ©tubium beS geiftlid^en 3led^teS ju beginnen
unb bann jum römifd^en überkugelten, älud^ Sutl^er l^at mol^l
einige Sefanntfd^aft mit ben geiftlid^en Siedeten fid^ ermorben unb
- 48 --
tfl babutd^ in feiner l^ol^en SBorftettung t)on bet SÖlad^tfüIIe bet
Äird^e ttod^ mel^r Befeftigt roorben. SlBet crft lurge 3rit l^atte er
feine jjuribifd^en ©tubien begonnen unb um teures ©elb ein Corpus
juris fid^ gelauft, afö er, überrafd^enb für jebermann, feine wiffen^
fd^aftlid^e Saufbal^n abbrad^ unb ins 2luguftinerIIofter ju Erfurt
eintrat.
"SniU» SiapM,
Sie färc^ten m{(^ naät tneiifc^engebot
bie fle Iet)ren, 3efaia 29^ U*
(^3 war am SSorabenbe beS S^ageS be§ 1^1. SKcjiuS (15. Quli
1505), afö Sutl^er feine fiebften fjreunbe ju fid^ gelaben l^attc unb
jid^ mit il^nen an ©aitenfpiel unb ©efang ergo^te. Sängere 3^
waren fie fo beifammen geraefen, als er plö^Iid^ feinen ßntfd^Iu^,
ins Älofter ju gelten, il^nen offenbarte, ©ie ftaunen unb fud^en
il^n oon bemfelben abzubringen, aber oergebenS. ,,§eutc feilet t^r
mid^, l^infort nid^t mel^ir." S)abei blieb eS. @r gebadete nie roicber
Ci\x% bem RIofter ber 3luguftiner'®remiten ju gelten, in roeld^em
er fid^ fd^on angemelbet l^atte unb in roeld^eS er anbem 3^agS
eintrat. ^d^tloS war ber SSerfud^ ber fjreunbe, i^n nod^mals ju
feigen unb jur ttmlel^r ju bewegen. Slffe feine $abe l^atte er jurüdf^
gelaffen, oon feinen Sudlern nur ben Sßirgil unb ^ßlautuSmitgenom*
men; aud^ feine roeltlid^e Äleibung unb ben SKagifterring fd^idfte er
jurüdf. SluS bem Älofter f d^rieb er an ^tlanniz unb an feine SItcm
Slbfd^iebSbriefe, worin er für bie empfangene Siebe l^erjlid^ banft.
3BaS l^at il^n )u biefem überrafd^enben ©d^ritte bewogen?
3Ran l^at il^n auS äußeren ®rlebniffen ju erHären ocrfud^t, allein
mod^ten fold^e aud^ bie näd^fte 3SeranIaflung fein, fo ift berfelbe
bod^ aus feiner ganzen geifKgen Sntwidfelung |ert)orgegangen, unb
Jene SBorfälle beS äußeren SebenS l^aben nur baS ju SReife ge?
brad^t, waS innerlid^ längft oorbereitet war. SCßie wir oben |örten,
leitete Sutl^er feinen (Sntfd^Iu^, inS Älofter ju ge^en, t)on bem
ftrengen Seben ab, baS feine ®ltem mit il^m fül^rten. S)ie öngp«
— 49 —
lid^e ®emüi^axt, toeld^e fid^ bomald bei il^m anibiütte, unb Der-
möge »eld^er er in fteter %ux^t vox bem 3onte @oite^ lebte unb
aud^ in Sl^rifto nid^td fal^ al3 einen jontigen Stid^tev, begleitete
il^n aud^ burd^ feine ^ugenbjjal^re; unb aü beim Ueberttitt an^ bem
ftnoben- inS ^[ünglingSalter feine Steligiofität eine ben)u|tete unb
tiefer^ würbe, ba tjerfd^ärfte fid^ nod^ biefeS ©efül^l beS 3o^^8
©otteS, wogu aud^ SBerfud^ungen fleifd^Iid^er Slrt, bie an iS^n l^eran^
traten, baS il^rige beitragen mod^ten. S)a)u !am, ba| bie Saufbal^n
eine« 3led^t8gelel^rten, fo allgemein aud^ ber 3ubrang gu berfelben
fein mod^te, für il^n nid^ts Slnjiel^enbe« l^atte. S)ie Sl^ren unb
SBürben, meldte fie in äludftd^t fteUte, unb um meld^er miUen aud^
fein SSater il^n für biefen Seruf beftimmt ju l^oben fd^eint, maren
feinem emften, bem @n)igen 2Ugen)anbten Sinne gleid^gültig ; von
ben Sted^tdlel^rem fagte er, ba| bie n)enigften berfelben il^ren
@tanb für einen (Sott mol^lgefäKigen gel^alten l^aben, unb bie im
Sted^tdld&en jener 3^it meit verbreitete Korruption mu|te in il^m
ben SSBibermiUen gegen biefen ©tanb unb bie Ueberjeugung bes
feftigen, ba^ man in bemfelben (Sott nid^t mol^lgcf äffen lönne.
S)agcgen gab e§ nad^ bem ©lauben ber Seit unb nad^ ber Seigre
ber Sd^olafti!, meldte il^n ganj bel^errfd^te, einen @tanb, ber ein
vox anbem gottgef äffiger mar, benber SWönd^e. SWand^e, biefid^
im Seben nid^t entfd^lie^en lonnten, inS Älofter gu gelten, fud^ten
bod^ boburd^ fid^ einen Anteil an ben SSorred^ten be3 SDlönd^Slebeng
gu fidlem, ba| fie fid^ im SKönd^Sgemanbe begraben liefen unb
bie Älöfter mit reid^cn SBermäd^tniffen bebad^ten. ©o oor bie &nU
fd^eibung geftefft, ob er ben ®lanj ber SBelt ober bie ®nabe
©otteg unb bie Slettung feiner ©eele roäl^len fofftc, lonnte Sutl^er
nid^t lange jroeifell^aft fein. Slud^ ber ©pott, mit meld^em bie
9R8nd^e oon ben §umaniften überfc^üttet mürben, lonnte il^n nid^t
irre mad^en, l^atte er ja bod^ baS „epifuröifd^e Seben" ber le^teren
ju genau leftnen gelernt, als bafe er in fittlid^er §infid^t auf il^r
Urteil etmaS gel^alten l^ätte; mar er bod^ auf ber anbem @eite
in @rfurt mit 3Jtönd^en be!annt gemorben, meldte nid^t um beS
Saud^ed unb äBol^llebenS miffen inS Klofter gelaufen maren, fon-
bem burd^ il^r ftrenged 2cUn unb il^re Kafteiungen, infolge
beren pe fd^on in jungen Salären wie ©reife ausfallen, feine 83c=
»utf, Sut^er. 3. ^uf[. 4
- 50 —
routtbcrung erregten. Sitte Sebenlen übertDog bie ©orge für fein
©eelenl^eil. ,,3^ ging inS Älofter unb »erlief bie SEBelt, weil id^
an mir oerjroeifelte." „gd^ badete, roenn id^ in ein Älofter gel^e
unb in ber Rappe unb platte ®ott biene, fo wirb er mir lol^nen
unb mid^ miffJommen l^ei^en." „3d^ raupte nid^t anberS, afö id&
mü|te mit meinen 9Ber!en au^rid^ten, ba^ id^ ber @ünbe unb bed
S^obeS loS mürbe. äBarb aud^ berol^alb ein 3Rond^ unb liefe mir*S
blutfauer werben.'' „^i) l^atte mid^ überreben laffen, id^ mürbe
in bemfelben ©tanbe unb mit fold^er l^arten fauren Strbeit ®ott
einen grofeen JDienft t^un.'' 3n fold^er äBeife äufeert fxd^ Sutl^er
oft unb oiel über feinen (Sintritt inS Älofter. S)afe il^m aber bod^
biefer ©d^ritt nid^t leidet mürbe, läfet fid^ beulen, ^^r einen be-
gabten jungen 3Kann mar eS fürmal^r feine Jtleinigfeit, mit feinen
bisl^erigen @tubien )u bred^en unb auf glän^enbe äluSfid^ten ju
Derjid^ten. 9tud^ ber ©ebanle an feined äiaterd SBünfd^e unb
Hoffnungen, mit meldten er fid^ burd^ feinen (Eintritt inS Jtlofter
in SBiberfprud^ fe^te, mod^te il^n bebenflid^ maä^en. 2)a traten
äußere (Sreigniffe ^inju, meldte feinen ßntfd^lufe pix SluSfül^rung
brad^ten. ®iner feiner greunbe mar burd^ einen UnglüdESfaff plö^-
lid^ meggerafft morben, ma§ il^n tief erfd^ütterte. S)ann mürbe er
felbft, als er oon einem Sefud^ bei feinen Sltem jurüdSel^rte,
na§e bem S)orfe ©totternl^eim bei Srfurt von einem l^eftigen ®es=
mitter überfaffen. ©in furd^tbarer Sli^ mirft il^n ju S3oben. ,,§ilf,
liebe ©anft Slnna, id^ mitt ein 3Rönd^ merben," rief er im ©d^redfen
au§, unb burd^ biefeS SBort afö burd^ ein ©elübbe erad^.tete fid^
ber gemiffenl^afte Jüngling für gebunben, aud^ als eS i^n nad^l^er
mieber reuen moßte. £)h ju bief en Srlebniffen nod^ frembeS ^nxthen
getreten ift, mie man fd^on t)ermutet l^at, unb ob bem Eintritt in
baS Sluguftinerflofter ein SBerfud^, fjranjisfaner ju merben, voran-
ging, mufe bal&ingeftefft bleiben. 2BaS il^n beftimmte, gerabe bei ben
Sluguftinem einzutreten, miffen mir nid^t. 3Sieffeid[)t mar eS ber
ttmftanb, bafe er fein ®elübbe ber 1^1. Slnna getl^an l^atte unb mit
bem Sluguftinerflofter in ßrfurt eine Slnnenbrüberfd^ft in SBer^
binbung ftanb; oietteid^t aui) baS Seifpiel feines Sel^rerS Ujtngen,
ber biefem Drben angcl^örte.
®S f ann auffatten, bafe Sutl^er ju feinem SBorl^aben, inS Äloper
- 51 —
einjutreien, bte S^f^^tnung feiner @Item ntd^t nad^gefud^t, ja
biefe nic^t einmal im voraus benad^rid^tigt f)at Dl^ne 3n)eifel
mar er ftd^ barüber Kar, ba| fein SSater biefe Sufti^i^u^B ^^^
geben merbe, unb bod^ mu^te bad @elübbe erfüllt merben. @o
befd^Io^ er benn, ben Jtnoten burd^ einen rafd^en @d^ritt gu i^^
l^auen. 3Bar er bod^ bamals gan) erfüllt von ber Ueber^eugung,
meldte er fpäter aü eine anti(|riftlid^e bejeid^net, ba^ Won^ unb
5Ronne nid^t mel^r unter bem SBater fte^en, fonbem in ber ©eifts
Ud^f eit unb im ©otteSbienft, meSl^alb fie nid^t mel^r fd^ulbig feien,
ben (SU&cn )u bienen. 9lfö er )ur evangelifd^en Jtlarl^eit fid^ burd^-
gerungen l^atte, fal^ er er aud^ bie aSermerflid^Ieit jenes ©d^ritteS
ein unb fd^rieb feinem SBater: „SDlein ©elübbe mar nid^t eine ©d^lel^e
mert, benn id^ 30g mid^ bamit auS @exoalt unb äBiUen ber (Süexn,
bie mir von ©ott geboten maren, unb maS mel^r: eS mar ganj
ungöttßd^." Sä|t fid^ fomit vom epangelifd^en ©tanbpunit auä
2utl^erS SBerfal^ren nid^t red^tfertigen, fo gilt bod^ oon bemfelben
,,®ott gebadete eS gut ju mad^en''; mie er aud^ felbft nad^malS
in feinem ©ntritt inS Älofter eine göttlid^e ^Jügung erfannt
l^at. 9{ie märe er )u fold^ freubigem ©lauben an bie ©nabe
©otteS burd^gebrun'gen, nie ein fo begeifterter §erolb ber ^eil^eit
eines ßi^riftenmenfd^en gemorben, nie für bie SSered^tigung ber
natürlid^en ©otteSorbnungen gegenüber t)on einer felbftermä^lten
©eiligteit fo nad^brüdflid^ eingetreten, menn er nid^t bie ttnfrud^t=
bar{eit mönd^ifd^er äBerlgered^tigleit an fid^ felbft erfal^ren l^ätte.
älber aud^ in bem ©d^ritte felbft jeigt fid^ uns fd^on bie ganje
Energie beS SBiUenS, mit meld^er er fpäter baS für red^t @r!annte
rüdEfid^tSloS burd^fe^te, unb bie Uebergeugung, ba| „in geiftlid^en
Sad^en jjeber fein eigen unb frei fei".
2)a| Sutl^erS SSater mit bem @d^ritt feines @ol^neS im i^öd^ften
©rabe unjufrieben mar, ift erflärlic^. 3)ie 33eftimmung beSfelben
fd^ien oerfel^lt, bie auf il^n gefegten Hoffnungen vereitelt, bie
fd^meren Opfer, meldte feine SluSbilbung getoftet, oergeblid^ ge-
brad^t. 9Rönd^ l^ätte er aud^ ol^ne geleierte 93ilbung merben lönnen.
^aiu iam bie @ntrüftung über bie ^id^tad^tung beS oäterlid^en
älnfel^enS unb bie 93efürd^tung, baS äJlönd^Sleben möd^te feinem
©ol^ne bei beffen l^eifeer 3>wftc«i> jww^ Unl^eil bienen, mie benn
— 52 —
„Wön^ü Dielen gar unfelig gelungen'^ 5Darum tooQte ber
SSater ,,gar toU werben'' ; er tünbigte feinem @ol^n bie väiexlx^t
Siebe auf unb rebete il^n lieber mit 5Du an, mcü^renb er il^n, feit
er 3Jtagifter gen^orben, burd^ bie Slnrebe ^f^x geeiert l^atte.
3m Jtlofter l^atte Sutl^er junäd^ft ald 9lot)i)e feine ^robejeit
)u beftel^en. 9Rit großer ^eierlid^Ieit t)or oerfommeltem Aonoente
gefd^al^ bie Sinfleibung, mobei bem 9tot}i)en ber Jtopf gefd^oren
unb bag meltßd^e Jtleib mit bem Jtloftergemanb Dertaufd^t mürbe.
5Da3 @elü6be; meld^eS er bobei abzulegen l^atte, lautete: „^üf,
S3ruber 3Rartinu§; tl^ue ^^rofeffion unb t)erl^ei|e ©el^orfam ®ott
bem älSmäd^tigen unb ber l^eiligen SJlaria, aUejeit i^ungfrauen, unb
bir Sruber M. ^Priori biefeS Drt§ im 5Ramen unb anftatt beS ge^
meinen 5ßrior8 beS DrbenS ber 33rüber Sinfiebler ©t. SlugufKni beä
93ifd^ofS — )u leben ol^ne @igened, in Jteufd^l^eit nad^ ber Siegel
beSfelben l^eiligen SKuguftini bid in ben Xob." älfö Drben^Ileib ber
3luguftinermSnd^e mar von ^apft SCle^anber IV. eine fd^marje ftutte
mit meinem @Iapulier beftimmt morben, mop eine lebeme ^ppt
f am. 5Dag mar bie Äleibung, meldte Sutl^er fünfgel^n Qlal^re lang trug.
2)ie 93el^anblung, meldte er afö 9tom)e erful^r, mar nid^td
weniger afö freunblid^. Slid^t nur fud^ten bie SWönd^e für baS,
wa^ fie einft ald Stovi^en erbulbet, burd^ 93ebrüd(ung ber neu @in-
tretenben fid^ fd^ablog )u l^alten, mie Sutl^er erjal^lt: «^fie fprad^en
gu mir, als id^ inS Älofter fam: mie mir gefd^el^en ift, foU bir
aud^ gefd^el^en", — fonbem ber junge ©elel^rte, von bem fie mol^l
mußten, ba^ er mit @pöttem bed äJlönd^tumS Derlel^rt l^atte, be^^
lam il^re äJli^gunft nod^ befonberd iu füllten. „@ie maren mir
gram barum, ba^ id^ ftubierte. @ie Derad^teten bie ©elel^rten.
©ie meinten, ftubiert ber Sruber, fo mirb er un^ bel^errfd^en."
@o mu^te benn Sutl^er bie i^ärteften unb niebrigften älrbeiten
Derrid^ten, bie Xl^üre lauten, bie ftird^e reinigen, ja bie gel^eimen
©emäd^er augleeren. Slber fd^merer afö bieg mar eg il^m, ba^ er,
ben SettelfadE auf bem 9lüd(en, bie ©trafen ber @tabt burd^man-
bem foUte, meldte er früi^er alg angef eigener junger (Selel^rter
burd^fd^ritten l^atte, unb mo il^m nod^ fo mand^e ©enoffen frül^erer
Xage begegneten, älud^ bie ttnioerfitat empf anb bag @ntmürbtgenbe
einer fold^en SBel^anblung eineg il^rer ehemaligen 2)03enten unb
— 53 —
DertDenbete ftd^ für iJ^U; unb aud^ ©taupi^, ber ©eneraloilar bed
DrbenS; foK ftd^ feiner angenommen l^aben. @o 'n)urbe il^m menig^'
fieng einige Srleid^terung ju teil. @in älterer W6n^ vonxie ben
9lot)i)en )um Sel^rmeifter ober ^räjeptor befteUt. (Sx l^atte il^r
Seben gu übermad^ unb fte im Jtird^enbienft, im ©efang unb
in ben mand^erlei @a^ungen bed JtlofterlebenS ju untermeifen.
' Sutl^er l^atte bag ®lüi, ati ^^mönd^ifd^en ^äbagogen'^ einen 3Rann
oon ed^t d^riftßd^er f^ömmigleit ju erl^alten.
9(Ig ^önd^ ^attt er an ben fteben täglid^en ^oren (©ebetSs^
ftunben) teiljunel^men, nad^ SKittemad^t, beim §al^nenfd^rei, bann
um f ed^S, neun, jmölf, brei unb fed^S Ul^r ; baju f amen bie oor^
gefd^riebenen einzelnen ®eUte unb baS 2^erminieren, b. 1^. SBetteln
auf ben benad^Barten SDorfem, mo Srot, Ääfe unb anbre SebenS^
mittel für baS Jtlofter gefammelt mürben.
Sllle biefe DbKegcnl^eiten oerrid^tete er mit JJreubigleit, benn
er mar ja inS Jtlofter gegangen, um fromm )U werben. „^^
mar äJlSnd^ ol^ne Jtlage.'^ $ja er t^at meit mel^r, alg bie ^(ofter?
regel verlangte. ®r faftete, roaä)te, fror unb qn&lU feinen Seib,
,,ba^ er eS auf bie Sänge nid^t l^ätte ertragen fönnen", unb liefe ftd^
aud^ burd^ ben Slat ber Senioren feines DrbcnS t)on biefer „©ingu^
larität" nid^t abbringen. 33alb galt er als SRufter eines SKönd^S,
mie benn ein $ater feines RlofterS bei ber 35ifitation eines Jionnens
IlofterS in SWül^ll^aufen auf biefen „munberbar jur ®eiftlid^!eit
befel^rten anbem ^Paulus" als auf ein SSorbilb Ilofterlid^er Strenge
linmieS. ©o fonnte er mit Siedet fagen: „^\t je ein SWönd^ gen
^immel fommen burd^ 3Rönd^erei, fo mollt xä) aud^ l^ineingelommen
fein." 3Rit meld^em Sifer er ber Jtird^e unb il^ren Seigren ergeben
mar, miffen mir gleid^fallS aus feinem eignen S^wgnis. „3)en
^Papft betete id^ aufri^tig an, nit um 5ßfrünben ober SBürbcn,
fonbem maS id^ tl^at, baS tl^at id^ auS einfältigem ^er^en, auS
reblid^em ®ifer unb jur ßl^re ©otteS." „©o grofe mar beS
^apfteS Slnfei^en bei mir, bafe id^ meinte, nur im affergeringften
Slrtilel von x^m abmeid^en märe ©ünbe, ewiger SSerbammung
mürbig, unb biefe gottlofe SReinung oerurfad^te, bafe id^ ben $uS
für einen fo oerflud^ten Äe^er l^ielt, bafe id^'S für eine fd^mere
©ünbe ad^tete, aud^ nur an il^n ju beulen, unb bafe id^, beS ^apfts
- 54 —
Slnfe^cn ju ocrtcibigcn, fclBft ^cuer l^ättc mtjünbcn mögen, beti
Jte^er ju vtthxtnntn, unb l^atte geglaubt, (Sott ben j^öd^ften ©e-
|orf am bamit ^u ermeifen." 2tte er einfi in ber ÄIojier6ibIiot|d
einen S3anb von §ufen8 ^rcbigten fanb unb „auS t5ünoi| lüjiem
mutbe, )u feigen, mad bod^ ber @r)Ie|er gelehrt l^ötte'^ , ba iam
il^m ber ©ebanle, marum bod^ biefer 3Slann vexixcami raorben
märe, ber fo d^riftlid^ unb gewaltig bie ©d^rift fül^ren lonnte.
Slbcr er entfette fld^ vox biefem ©ebanfen, fd^Iug baS 33ud^ ju
unb eilte l^inauS „mit t)ern)unbetem $erjen", unb fanb nur barin
eine Serul^igung, ba^ er vexmutete, $u8 ^abe biefe 5ßrebigten
n>ol^l gel^alten, el^e er ein Jte^er gemorben.
3m ^ja^xe 1507 fottte Sutl^er jum 5ßriefier gemeint werben.
3u biefer großen ^Jeicrlid^Ieit lub er bie SÖäol^It^ater feiner S^genb,
ben SBifar S3raun von Sifenad^ unb ben Jtüfter Äonrab bafelbft
ein. SDer lateinifd^e S3rief, ben er an^ biefer Seranlaffung an
SSraun fd^rieb, ift baS ältefte, maS mir von feiner $anb bejt^en.
2lud^ fein SBater, mit SRüdffid^t auf meldten ber 2. 3Rai jum ä^ag
ber ^ßrieftermei^e beftimmt mürbe, war gelaben. S)erfelbe erfd^ien,
um feinen ©ol^n jum erstenmal feit feinem Eintritt inS Äloper
wieber gu feigen. ®r Iam* geritten mit jwanjig 5ßferben — wal^r-
fd^einlid^ waren fjreunbe unb SSerwanbte von SKanSfelb in feiner
^Begleitung — unb befd^enlte ben ©ol^n mit jwangig ©ulben.
älfö ber äBeil^bifd^of nad^ DoUjogener Drbination mit ben
SBorten: „5Rimm l^in bie ©ewalt gu opfern für Scbenbige unb
2^ote" Sutl^er ben Äeld^ übergeben l^iatte unb biefer nun feine erfte
aReffe l^alten foffte, ba würbe er burd^ ben ©ebanf en an bie 2Ra|eftät
®otte§ unb gugleid^ burd^ bie ^^urd^t, er möi)ie in SBorten ober
§anblungen irgenb etwas oerf eitlen unb baburd^ f d^werer ©ünbc fid^
fd^uftig mad^en, fo geängftet, ba^ er oon bem SKtare weggelaufen
wäre, wenn nid^t fein 5ßrögeptor il^n baoon abgel^alten ^&üe.
S5ei bem auf bie l^eilige §anblung folgenben STOal^Ie fud^te
Sutl^er mit feinem SSater jtd^ auSguföl^nen. „Sieber SBater," fprad^
er, warum l^abt Ql^r ®ud^ fo l^art bawiber gefegt unb wäret alfo
jomig, ba^ ^f)x mid^ nid^t gern einen SWönd^ woCtet werben laffen
unb eg vieKeid^t nod^ je^t nid^t aUgugeme tl^ut? ift'd bod^ ein fo
fein gerul^fam göttlid^ Seben." SDorauf erwiberte ber Sater nor
- 55 -
ben anroefenben 2)oItoren unb äJlagifteni : „^^x ©elel^rten, l^abt
il^r nid^t gelefen in ber J^eiligen ©c^rift, bag man SBater unb
3){utter eieren foU?'' unb old t)on ben älnwefenben auf ben Stuf
Dom Fimmel, ber an Sutl^et ergangen fei, l^ingen)iefen n)urbe,
entgegnete jener: „äBoQte ®ott, ba^ eS lein Xeufeldgefpenft
n)äre;'' ein SBort, n^eld^eä Sutl^er tief )u ^erjen ging.
älld ^riefter l^atte er nun ^effe )u lefen, l^in unb wieber
aud^ in ben benad^barten 2)orf ürd^en ; er tl^at baS nid^t mit ber
Seid^tfertigleit n)ie anbre SRönd^e, Dielmel^r „f^dlx^ unb anbäd^^
tig", ja mit gurd^t t)or ber ^eiligleit beS ©aframentä. @r l^atte
fid^ einunbjmanjig ^eilige ermäl^U, von benen er je brei mäl^renb
einer aJlefJe anrief, fo bafe er jebe SBod^e an allen l^erumf am.
Seim S3eid^tel^ören mad^te er forgfältig über fein eigenes §erj;
^ouenSperfonen moKte er bal^er bie S3eid^te nid^t abnel^men, nur
einmal in (Srfurt unb breimal in äBittenberg l^at er eS getl^an unb
bobei ftets t)ermieben, il^nen ing ©eftd^t )u fd^auen. ©eprebigt l^at
er ju (Srfurt nur vox ben 3Rönd^en im ©peifefaal beS ÄlofterS.
3Rit gri)|tem ®ifer fe|te Sutl^er im Älofter feine ©tubien
fort. äSomel^mßd^ mar eä bie fd^olaftifd^e Geologie, momit er
{td^ befd^äftigte, unb morin er ttftngen )um Sel^rmeifter l^atte. 93e^
fonberg bie ©d^riften t)on DIfam, Siel, 5ßeter b'äliff^ unb ^ol^ann
©erfon lad er, ol^ne ba| er burd^ bie @inmenbungen gegen tird^-
lid^e 2)ogmen, beren biefe SRänner l^äufig ©rmäl^nung tl^un, be-
unrul^igt morben märe. 2Bie fte, fo fd^lug aud^ er mit ber äluto-
rität ber Äirdje alle Sebenfen nieber. 3lud^ baS ©tubium Slugu-
ftinS begonn er in Srfurt. Slnfänglid^, fagt er, fei berfelbe bei
il^m nid^t in ©unft geftanben. 2iro^bem, ba| ber Drben il^n als
©d^u^patron eierte unb nad^ ber DrbenSregel über Xifd^ an^ feinen
©d^riften oorgelefen werben follte, fd^einen biefelben boc§ im Älofter
pi Erfurt jiemlid^ unbelannt unb baS ©tubium äluguftinS burd^
baä ber ©t^olaftifer t)erbrängt gemefen ju fein. 2Bar eS \a über-
l^aupt bad ©d^idEfal biefed großen ßird^enoaterS, ba^ bie römifd^e
Äird^e jmar feinen Slamen l^od^ eierte, aber feiner Seigre oon ber
freien ©nabe ©otteS ftd^ in i^rer äBerlgered^tigleit mel^r unb mel^r
entfrembcte. Srft in SBittenberg ift Sutl^er gu einer genaueren
Setanntfd^aft mit ben ©d^riften äluguftinS gelangt.
— 56 -
S)ad SBid^tigfte ober war, ba^ er im ftlofter ju @rfurt bie
l^eiligeSd^riftju ftubieren Begann, ©leid^ bei feinem (Eintritt
würbe il^m auf fein 93ege]^r ein in roteS Seber gebunbeneg (Ssem-
plar ber lateinifd^en S3ibel übergeben, unb obwol^I t)on ben übrigen
SKönd^en leiner bie Sibcl lag, obrool^I fein „^Präjeptor" Ujingen
i^m ftatt bed @tubium§ ber S3ibel ba§ ber fc^olafüfd^en Xl^eologie
empfal^l, fo l^at er bod^, von @taupi^ ermuntert, bie Sd^rift
immer unb immer mieber gelefen unb fte fo genou lennen gelernt,
ba^ er oon ben einzelnen @prüd^en ju fagen mu^te, auf meld^em
SSlatte feiner SBibel fie ftanben. ©einen ®ifer, eine felbftönbige,
von ben gebräud^lid^en ®lof(en unab^ngige @c^rifterlenntni§ fid^
ju ermerben, bemied er baburd^, ba^ er ein l^ebräifd^eg äBSrterbud^
fid^ laufte unb ba3 Stubium biefer Sprad^e, mie eg fd^eint ol^ne
ßel^rer, begann. äBenn fid^ il^m bei biefem ©d^riftftubium bie
SBal^mel^mung aufbrängte, ba^ biefeS unb jjeneg in ber £e|re unb
im Seben ber Äird^e mit ber ©d^rift nid^t übereinftimme, fo fe|te er
ftd^ barüber ^inmeg, inbem er ftd^ oorl^ielt: „foltteft bu allein
flug fein?" ©0 brad^te er eS tro^ aller 3Kül^e nid^t gu unbefans
gcnem SBerftänbniS ber ©d^ift, um fo weniger, als er nod^ gang in
ber bad Mittelalter bel^errfd^enben aUegorifd^en ©d^riftauSlegung
befangen mar unb bal^er ben oon il^m fjJäter oiel benu^ten Slifo-
Im^ oon S^ra wegen feiner nüd^temen, bud^ftäblid^en Metl^obe
ber (Srilärung gering ad^tete. @o lag, wenn er in ber SSibel
lag, eine S)ed(e auf feinen älugen, unb barum lonnte il^m bie
©d^rift für fein innere^ Seben bamalg nod^ wenig Sid^t geben.
^Dagegen erlangte er burd^ feine ©tubien einen 9lul^m ber
Oelel^rfamleit , ber nid^t geringer war als ber 3lul^m feiner
iJrömmigfeit. ®r galt als ber gelel^rtefte Sluguftiner in ganj
2)eutfd^lanb.
Sn feinem Qnnem bagegen fal^ eS wäl^renb feines Älofier?
lebenS red^t trübe auS. äBol^l mod^te il^n anfangs bie oiel ge^
rül^mte $errlid^!eit beS SDtönd^SlebenS begeiftem, wenn il^m baS?.
felbe als eine neue Xaufe, burd^ bie man ein unfd^ulbig Ainb
werbe, oorgefteUt würbe; wol^l mod^te er mand^mal auf feine
Äafteiungen, woburd^ er nid^t nur für fid^ felbft ©otteS fSioffU
gefallen oerbiene, fonbem aud^ SSerbienfte erwerbe, bie er anbem
— 57 —
jutoenben lönne, mit @el6ft)ufriebenl^eit l^inblidfen; n>ol^I tnod^te
er in Slugenblidctt bcr Scgeiftctung , wie et fcttft fagt, meinen,
unter ben Sl^ören ber @ngel gu fein ; ober bie SJlönd^erei voax xf)m
,,ein- l^öttifd^ ©iftlüd^lein, baä mit S^dfer überwogen iff' ; fein iaxie^
®en)iffen lie| il^n nid^t lange bei jenen fü|en ®efül^(en Dermeilen.
@r voax ind Klofter gegangen, um fromm unb @ott mol^Igefällig
iVL werben, unb nun blieb, wie er felbft fagt, bod^ affejeit ein
groeifel in feinem ©emiffen l^aften: „SBer roei^ eS, ob eä (Sott
gefällig ift ober nid^t?" „^e faurer id^ eS mir werben Ue^, mein
©emiffen jufrieben gu ftcllen burd^ JJaften, SBad^en, Seten, befto
weniger Slul^e unb ^rieben id^ füllte." Unb nid^t nur bcr alte
ttnf riebe bauerte fort, fonbem eS lamen nod^ neue (Semiffenä^
Dorroürfe baju. SBenn er eine ber gal^llofen flcinlid^tcn SSorfd^riften,
meldte bie Jtloftenegel entl^ielt, übertreten l^atte, fo red^nete er fid^
c8 jur ©ünbe. SBenn er feine S^tte ol^ne ©fapulier oerliefe,
meinte er eine ^obfünbe begangen ju l^aben. 5Da erful^r er, ba^
„ber Xeufel <mi bem, ba3 gar teine ober nur bie geringfte @ünbe
ift, eine $ölle mad^t, ba^ einem bie weite SBelt gu enge wirb".
3Dber nidjt bie ©frupel mönd^ifd^er SBerfgered^tigleit, fonbem baS
tiefe ©efül^l ber SSerberbniS be3 menfd^lid^en ^erjeng bereitete
il^m bie fd^werften Slnfed^tungen. „^d^ meinte, id^ mü^te oerloren
fein, wenn id^ eine fleifd^lid^e 93egierbe fül^lte, baä ift ttnleufd^l^eit,
3om, $a^, 5Reib unb bergleid^en wiber einen Sruber. 2)a oer-
fud^te id^ mand^erlei, beid^tete alle Sage; unb l^alf mid^ bod^ nid^td.
2)enn biefelben fleifd^lid^en SSegierben famen immerbar wieber.
S)arum fonnte id^ nid^t aufrieben fein, fonbem marterte mid^ für
unb für mit f old^en ©ebanf en : ©iel^e , ba l^aft bu bie unb bie
©ünbe getl^an, bift neibifd^, ungebulbig, barum ^ilft bid^'S nid^t,
ba| bu ben l^eiligen Drben angenommen l^aft, aUe beine guten
SBerle finb oerloren." ®S waren nid^t fo fel^r bie Slnfed^tungen
ber fieifd^lid^en Suft, mit benen er }u lämpfen l^atte, afö oielmel^r
©ünben me^r geiftiger Slrt, §od^mut, Sorn, 3leib, Ungebulb. SDa=
neben fd^eint aud^, namentlid^ feit bem oben erwäl^nten ©efpräd^
mit feinem SSater, ber ©ebanfe, ba| er gegen biefen burd^ ben
Eintritt ind Alofter fid^ oerfünbigt unb baS ©ebot ber Siebe über«
treten l^abe, il^n beunrul^igt )u l^aben. ©o fonnte er oon ber
— 58 —
3eit feines Wön^ileim^ fd^eiben: „$j^ l^atte einen jetbrod^nen
(Seift uttb war immer betrübt."
®egen fold^e Betrübnis xoaxm bie 3JlitteI^ meldte il^m bie
Jtird^c aniot, roirfunöSloS. Sr ietcte, aber ba blieb immer ber
Sweifel, ob ber ftarfe, eifrige (Sott fein (Sebet in ©naben an-
nel^me. (Sr feierte baS @a!rament be3 älltarg, aber baS ©eJ^eim^^
niS ber ©egenroart ß^rifti, in roeld^cm er nur ben jornigen
Stid^ter erblicfte; übermältigte il^n burd^ bag ©efü^ feiner eigenen
ttnmürbigfeit, fo ba^, als er einft in einer ^onleid^namäprojeffion
einl^erging, ber Sd^mei^ an il^m auSbrad^ unb er oor Slngft oer^^
gelten ju muffen glaubte; er blid(te auf baS S3ilb beS ©elreujigten,
aber es war il^m mie ein fd^redfenber Sli^; er beid^tete, aber ber
3n)eifel barüber, ob feine SI^^^M^^ng l^inreid^enb gemefen unb
ob er bei ber Slufgäl^lung feiner ©ünben feine oergefjcn l^abe, liefe
il^n ber empfangenen Slbfolution nid^t frol^ merben; er laS in ber
©d^rift, aber er oerftanb fie nid^t, unb fo bientcn. i|re SBorte nur
jur SSerfd^ärfung feiner Änfed^tungen. „2)a id^ erftlid^ in ben
$f almen laS : ^eine ©ered^tigleit errette mid^; ba erfd^ral id^ alle^
mal; benn id^ tonnte nid^t anberS, als ©ered^tigleit ©otteS l^iefee
fein ftrengeS ©erid^t. ©oUt 'er mid^ nun mit feinem fbengen ©e-
rid^t erretten, fo mar id^ emig oerloren." 3)ie S^röftungen ber
©d^rift magte er fid^ nid^t ju^ueignen, bagegen il^re Srol^ungen
unb bie Stempel beS gottlid^en 3oniS, von bencn fie berid^tet,
ftanben il^m immer oor 2lugen.
äBenn alfo meber gel^äufte S3ufen)er!e nod^ bie lird^lid^en
©nabenmittel il^m bie SSerfid^erung ju geben oermod^ten, io% er
SSergebung ber ©ünben l^abe, mufete ba il^m, ber oon ber objjef-
tioen Äraft biefer ©nabenmittel auf S feftefte überzeugt mar, nidjt
bie gtage fommen, ob nid^t am ®nbe nur er an biefer ©nabe
leinen Slnteil l^abe, ob er nid^t burd^ einen emigen Slatfd^lufe
©otteS oon ber ©eligfeit auSgefd^loffen fei. ©o mad^te er fid^
benn ©ebanfen über bie verborgenen Statfd^lüffe ©otteS, mobei bie
nominaliftifd^e ©d^olaftil, beren Slnl^änger er mar, mit il^rer Seigre
oon einer unumfd^ranften göttlid^en 9BiQ!ür bie ^anbl^abe bot 3)ie
traget gel^örftbu ju ben äluSermäl^lten? bereitete i^m bie fd^redt-
lid^fte älnfed^tung. (Sr fagt baoon, bafe bie ©eele burd^ fold^e
I
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@ebanlen gleid^fam in ben ^öSenfd^lunb l^inabgefto^en toerbe, fo
ba^ tDenig baten fel^Ie, ia% fte fd^on in ber ^öKe wol^ne. 2)arum
l^at er fpälcr fo l^äufig gewarnt, man foffe nid^t nad^ ber ^^SBerfel^ung"
beS üerborgenen ®otteS f orfd^en. 2)ief e Slnfed^tungen fteigerten fid^
mand^mal )u einer f o großen unb 1^ öKif d^en $etn, n)ie ed leine 3^^^^
f agen unb feine ^eber f d^reiben unb feiner ol^ne eigene (5rf al^rung glau=
ben fönne, fo ba^, wenn pe aud^ nur eine Sel^nteföftunbe gebauert
l^ätte , er gan) unb gar Dergel^en unb oQe feine ©ebeine l^ätten ju
Slfd^e werben muffen. Sin Slnfall fold^er iBergmeiflung fd^eint aud^
bem iVL ®runbe ju liegen, voa^ Sutl^erS ®egner erjä^Iten, ba^ er
einft, als in ber Jtlofterfird^e baS ßoangefium r>om SSefeffenen ge^
lefen würbe, niebergefaffen fei unb wie ein Sefeffener getobt l^abe.
@oId^e SHnfed^tungen mürben oermel^rt burd^ bie (Sinfamfeit
ber engen, fal^Ien Jtlofterjeffe mit il^rem einzigen, gegen ben rings
umfd^Ioffenen Jtloftergarten gerid^teten genfter. S)arum warnt er
oft unb oiel oor ber ßinfamf eit : „SBer mit bem ®eift ber S^raurig^
feit geplagt wirb, ber foQ aufS l^öd^fte fid^ lauten ünb oorfel^en,
ba^ er nid^t allein fei." Jtlagte er aber feine 5Rot feinen Älofter^
brübem, fo fanb er fein SSerftänbniS, benn baS waren „gute,
fidlere Seute, beS fanften 5ßfaffen- nnb JtlofterlebenS wol^l gewol^nt,
bie niemals il^r Seben lang eine redete geiftlid^e Slnfed^tung ge^^
fd^medft". 3)od^ fiel baS crfte Sid^t in feine umnad^tete ©eele
burd^ einen biefer SBrüber, einen alten SWönd^, wie SKeland^tl^on
berichtet, ber ben angefod^tenen Sutl^er auf baS SBort: „3[d^ glaube
eine SBergebung ber ©ünben" l^ingewiefen unb il^m gejeigt l^abe,
©otteS ©ebot fei eS, ba^ ber einzelne (Sl^rift glaube, aud^ il^m
werbe feine ©ünbe »ergeben. Sutl^er felbft erjäl^lt, fein 5ßräjeptor
l^abe, ba er il^m feine Slnfed^tungen geflagt, geantwortet: „2BaS
mad^ft bu, ©ol^n? wei^t bu nid^t, ba^ ber §err felbft uns geboten
l^at, ju l^offen?" ®in anbermal fott ein Sruber, bem er beid^tete,
ju il^m gefprod^en l^aben: „S)u bift ein 3^or, ©Ott jümt nid^t
mit bir, bu gümft mit il^m. §ab nur bu feinen 3otn gegen il^n,
er f)at ml weniger 3orn gegen bid^." S)ie größte §ilfe aber warb
il^m burd^ feinen DrbenSoberen, ©eneraloifar Qoi^ann ©taupi^.
9luS abelid^em ©efd^led^t flammenb, aud^ in feiner duneren
©rfd^einung unb in feinem Senel^men ben ®belmann oerratenb, l^atte
— 60 —
bicfer ftd^ auf Derfd^iebenen Unbetfttäten bie fd^olafttfd^e SBiffen^
fd^aft angeeignet; war in ben Sluguftinerorben eingetreten, ^riot
beS SKuguftinerHofterS in 3JüBingen (ba8 je^igc ©tift) unb 1500
S)o!tor ber Xl^eologte gen)orben. Di bie beiben Tübinger Xl^eo^
logen Jtonrob @umntenl^art unb $aul @criptorid, n}el(i^e, bai
SSerberben ber 5tird^e tief empfinbenb, auf baS @tubiunt ber l^eiligen
©d^rift großen 2Bert legten, auf feine tl^eologifd^e Sftid^tung @in?
flu^ l^atten; ift nid^t }u ermeifen. @id^er aber ifl, ba^ er, oon
ber @d^oIafti{ abgefto^en, fid^ einer mpftifd^en Slid^tung iuxoanhie,
inbem er bie ganje S^l^eologie auS bem SBegriff ber Siebe ableitet.
2)ie Siebe ©otted, n)omit er und liebt, mu| in unfer ^erj gebilbet
werben burd^ @|riftum. Surd^ il^n ift bie auderwäl^Ite @eele ®ott
alfo freunblid^ jugetl^an, ba^ il^r aud^ bie @ünbe nid^t aQein un-
fd^äblid^ ift, fonbem jum SBeften l^ilft. Sie an ß^riftum glauben,
bürf en il^rer SJerfel^ung gur ©eligJeit gewi^ fein, gur SBergebung
ber ©ünben ^ilft weberSSeid^te noi) SReue nod^ irgenb ein 3Renf d^en^
werl, fonbem aSein ber ©laube an ßl^riftum. SBer aber burd^
ben ©lauben in ßl^rifto ift, ber befleißt fid^ aud^ feiner 9lad^foIge
im Seben wie im Seiben unb Sterben. 2)aS finb bie ©runb?
gebanfen ber 3^eologie biefed SRanneS, ber, mie Sutl^er von il^m
rül^mt, „nid^t allein in @d^ulen unb ßird^en ftd^ l^ören lie^ mie
ein ©elel^rter, fonbem er galt aud^ al3 ein 3Rann in ber 3Belt, )u
§ofe unb bei großen Seuten". QlnSbefonbere fd^enfte il^m Äurfürjl
^ebrid^ ber äBeife fein SSertrauen unb bebiente fid^ feined Sflotg
unb feiner Vermittlung bei Stiftung ber Unioerfität Wittenberg.
@taupi$ fd^eint bei einer SSifitation, bie er im Jtlojler )u
(Srfurt Domal^m, auf Sutl^er aufmerifam geworben )u fein unb
bef(en SSertrauen gewonnen }u l^aben. Sut^er beid^tete il^m feine
älnfed^tungen , al3 aber @taupi| bag nid^t gu rerftel^en er!lärte,
„ba," fagtSutl^cr, „warb id^ afö eine tote Seid^e". 2)od^ beml^igte
il^n @taupi^ über wandle ber t)on il^m gebeid^teten @ünben, bie
blofe eingebilbete ©ünben feien, unb riet il^m, er folle „nid^t mit
fold^em §umpelwcrf unb 5ßuppenfünben" umgel^en. Qm weiteren
3SerIel§r mit bicfem feinem Drbenäobern empfing er von bemfelben
nod^ mand^en tröftenben Su^ptn^, ol^ne ba^ fid^ ermitteln lö^t,
wann iebeS biefer äBorte gefprod^en warb. @inft, als er nieber^'
— 61 —
gefd^Iagcn bei3itf(§c ^a% fprad^ ©taupi| ju x^m: „3&xt fcib Ql^r
fo traurig, Sruber SKartin?" unb auf bic ©rroiberung: ,,S!lcl^, tüo
foll id^ l^in?" ful^r jener fort: „3<^ l^abe fold^c ^nfed^tung nie
erfal^reit nod^ empfunben, fo t)iel id^ aber ocrftel^e, ip fie bir
ttötl^igcr afö ©ffen unb S^rinfen. ©ott fd^idft fie bir nid^t t)ergeben§
ju. @3 n)ürbe nid^tg ®uteS auS bir ol^ne fie; bu n)irft feigen,
ba^ er bid^ gu großen ©ingen braud^en wirb." 6in anbemtal,
aU x^m Sutl^er feine Slnfed^tungen, betreffenb bie giSttlid^e ©naben^
toaf)l, flagte, tröftete er il^n mit ben SDBorten: „SBarum plageft
bu bid^ alfo mit biefen Spelulationen unb l^ol^en ©ebanlen?
©d^au an bie SSBunben ßl^rifti unb fein für bid^ t)ergoffeneS Slut;
barauS mirb bie 93erfel^ung l^eroorleud^ten. 5De§l^aIb foU man
ben ©ol^n (SotteS l^ören, ber SWenfd^ roorben unb barum erfd^ienen
ift, ba| er bie SBerfe beg S^eufelS gerftijre unb bid^ ber SBerfel^ung
gemife mad^e. Unb barum fagt er aud^ ju bir: 5Du bift mein
©d^äflein, unb niemanb wirb bid^ mir auS meiner §anb reiben."
Sei anbrer ©elegenl^eit rief er il^m ju: „ßl^riftuS fd^redft nid^t,
fonbem tröftet." 2)ann ermal^nt er il^n mieber: „Silbe bir Sl^riftum
tDol^l ein, fo bift bu fd^on Derfel^en (ermäl^It). 3)enn ©ott l^at'§
georbnet, ba^ fein ©ol^n leiben fottte nid^t nur um ber ©ered^ten,
fonbem um ber ©ünber mitten. 2Ber baS glaubt, ber fott baS
liebe Äinb fein. 3)arum fott man in biefem 2lrtifel alfo beulen:
©Ott ift mal^rl^aftig unb lügt unb trügt nid^t, baS mei^ id^.
SJerfelbige l^at mir feinen eingebomen ©ol^n gefd^enlt mit atten
feinen ©ütern, l^at mir gegeben bie ^^il. S^aufe, baS ©aframent
beS maleren SeibS unb 33lut§ feines lieben ©ol^nS unb atterlei
®üter, jeitlid^e unb emige. SBenn id^ alfo bebenfe bie großen,
unauSfpred^lid^en SBol^ltl^aten, bie mir ber l^immlifd^e 3Sater um
ßl^rifti mitten a\x^ lauter ©nabe unb SSarm^erjigfeit gegeben l^at
ol^ne otte meine SBerbienfte, gute SBBerle unb SBBürbigfeit, mie fein
SBort bejeugt, unb bleibe bann babei; fo ift bie SBerfel^ung lieblirf;
unb tröftli^.'' ^nä) fid^ felbft ftettt ©taupi| bem »ruber SKartin
als Seifpiel oor. „3d^ l^abe, fprad^ er, unferm §erm ©ott mel^r
benn taufenbmal gelobt, id^ mottte fromm werben, l^abe eS aber
nie gehalten. ^^ mitt nid^t mieber lügen, l^abe j|a unfern $erm
©Ott ju oft getäufd^t, mitt il^n bitten um ein feligS ©tünblein."
— 62 —
S)ad roax Salfam für Sutl^erd oemunbeted ^ev). SeBendlang
war er feinem „lieben S)oItor ©taupi^'' banibar für bad, was er
an feiner @eele getl^an. @r ftanb mit il^m in brieflid^em SBerfel^r,
unb ald Staupi^^ ber nid^t ein 3Rann entfd^iebenen ^eroortretenS
war^ fpäterl^in t)on Sut^er unb feiner @ad^e ftc§ 2urüd!}og^ ba tl^ot
biefer noffi, einige 9leu|erungen bed Unmutd über il^n, ober nod^
lange nad^ bef(en Xobe legte er bad Selenntnid ob: ,,3Bo mir
S)oItor Staupi^ ober oielmel^r ®ott burd^ S)o!tor Staupi^ nid^t
au3 ben 9lnfed^tungen l^erauSgel^oIfen l^ätte^ fo wfire id^ brinnen
erf offen unb längft in ber $ölle."
älber nid^t nur für feine $erfon mar Sutl^er aud ber ^öQe
ber Slnfed^tung J^erauSgeriffen, eS mar il^m aud^ unter biefen 9lm
fed^tungen mit ^ilfe ber SEBorte bed ©taupi^ bie erfte äll^nung
baoon aufgegangen, ba^ ber redete 9Beg )ur 33ergebung ber @ün::
ben unb gur ©emi^l^eit bed QexU ein anbrer fei ald berienige,
auf meld^em bie römifd^e 5tird^e il^re ©laubigen fül^rte. 3^ bem-
felben SRenfd^enalter, in meld^em jener S)oml^en )u ^om, 5to^
pemiluS, bie feit Qal^rl^unberten l^errfd^enbe Slnfid^t oon ber S)rel^ung
beS Fimmels um bie @rbe gerabe}u umlel^renb, jenen ©ebanlen
t)on großartiger ®infad^l^eit erfaßte, baß um bie ftiQftel^enbe ®onne
bie @rbe fid^ bemege, unb baburd^ über bie Probleme, an beren
©rflärung bie Slftronomen jener 3eit mit allerlei erfünftelten SBer^
mutungen fid^ oergebenS abarbeiteten, mit einem @d^Iage ftlarl^eit
verbreitete: l^at im 5tIofter ju Srfurt ein anbrer ©eiftlid^er ju einer
9luffaf(ung bed 93erl^öltnif(ed gmifd^en ^immel unb @rbe, jmifd^en
©Ott unb SRenfd^ fid^ burd^gerungen, meldte aud^ ba}u angetl^an mar,
biebigl^er für l^eilig gel^altenen 33orfteIIungen auf ben Stopf jufteQen,
meldte ober eben baburd^, baß fie bie freie göttUd^e ©nabe oIS ben
unt)errüd%aren SRittelpunIt unfrei ©laubenS jur 9lnerlennung brad^te,
baS ganje ©emirre f^olaftifd^er @f)i|finbigleiten gerriß unb einen
einf ad^en, für jebeS angef od^tene $er j einleud^tenben SBeg jur ©eligs
leit geigte, t^eilid^ mar ed erft eine 911^ nun g ber SBal^rl^eit, mad
i§m gu teil gemorben mar, unb eS beburfte nod^i oieler äußerer
unb innerer Jtämpfe, bi3 biefelbe gur l^eUen ®Iauben3er(enntnid ftd^
entfaltet l^atte. @el^en mir benn, in meld^er SSSeife bied gefd^ol^ !
63 —
^uxU» ikapifef.
Der (Serec^te lebet feines Glaubens«
^urfürft gricbrid^ bcr SlBcifc oon ©ad^fcn l^attc 1502 jur
görbcrung bcr SBiffeufd^aften in feinem Sanbc bic Unioerfttöt
SSäittcnbctfl flegtünbct, bcnn ©rfurt, obwol&I mitten in bcm Äur*
fürftentum ©ad^fen gefegen , gel^ötte bod^ nid^t ju beffen ©ebiet,
fonbern, »ie xoxx gefel&en, ju bem beS ©rjbifd^ofS oon SKainj.
63 waren fd^wierige SBerl^ältniffe, unter benen bie neue ©tiftung
ins 2e(en trat. SSie foEte {te gegenüber ben (eiben in ber Ställe
gefegenen blül^enben Unirerfitäten , Seipjig unb Srfurt, empor^
fommen? 38a3 lonnte bie öbe^ unfrud^tbare ©egenb, bie, tibxotliji,
fie neben Morgan lurfürftlid^e SReftbenj war, ärmlid^e, faft einem
3)orfe äl^nlid^e ©tabt, bie unlultioierte, unl^öflid^e 93et)öIIerung für
^rofejforen unb ©tubierenbe 2lnjiel^enbe3 l^aben? SBaS lonnte bie
t)on bem fparfamcn Äurfürften bei feinen befd^ränlten SRitteln nur
bürftig audgeftattete neue Unit)erfttät gegenüber oon ben reid^en
Stiftungen ©rfurts aud^ in öufeerlid^er Sejiel^ung il^ren Singer
i^örigen bieten? SBaren bod^ bie UniüerfttätSfebrer als foldje
größtenteils ol^ne ©ehalte unb auf bie ^^frünben angen)iefen, meldte
fie als ßl^orl^erm ber SBittenberger ©tiftslird^e begogen. a)al^er
TDar eS bie n)id^tigfte; freilid^ aber aud^ fdSin)ierige älufgabe, al3
3)oienten ÜRänner ju gen)innen, n)eld^e burd^ il^re S^üd^tigleit bie
alabemifd^e 3ugenb anzogen. ä3ei il^rer äludwal^I lamen aber nod^
onbre Slüdffid^ten in Setrad^t. a)er Äurfürft war ein l^ell unb
billig benlenber aJlann, jugleid^ aber ein geinb jeber Ueberftürjung
unb ein treuer ©ol^n feiner Äird^e, er l^atte eine SBattfal^rt inä
l^eilige Sanb gemad^t unb bie t)on il^m gegrünbete Unirerfität mit
einem ©d^a^e t)on 5000 9ieliquien ausgestattet, n)eld^e aUjäl^rlid^
unter B^fi^^ntng reid^er 9lbföf(e jur ©d^au gefteQt mürben. @r
fonnte nid^it münfd^en, baß äSittenberg ein ©i^ ber S)unle[männer
iDerbe, ebenfomenig dber, baß eS ber 9luSgangSpunIt merbe für
. bie Angriffe ber ^umaniftifd^en ^ufllärer gegen baS beftel^enbe
— 64 —
Jtird^entum. @o galt ed, SRSnner ju finben, tDeld^e, einer ge^
mäßigten Sltd^tung gugetl^an^ leiner ber (eiben ftd^ befel^benben
^arteten in auggefprod^ener SBeife angel^örten. @oId^e ÜRänner
fd^ienen am el^eften im Sluguftinerorben Dorl^anben ju fein. S)iefer
^atte ftd^ nid^t n)ie bie anbem äSettelorben, n)eld^e fonft bie meiften
UntDerfttätSlel^rer lieferten, grunbfä^Iid^ ber ^umaniftifd^en Se-
n)egung entgegen gefteUt, unb nomentUd^ bie in feiner äJtitte burd^
@taupi| beförberte biblifd^-m^ftifd^e, an äluguftin fid^ anlel^nenbe
Stid^tung fd^ien bem, n)a§ ber Aurfürft im @inne l^atte, am meiften
gu entfpred^en. SBar ja bod^ bie UniDerfttät bei il^rer ©rünbung
näd^ft ©Ott unb ber 1^1. Jungfrau bem 1^1. Sluguftin genieil^t
unb gum Patron ber tl^eologifd^en ^alultät ber Slpoftel $auIuS
gen)ö^It n)orben. S)a2U lam eine ixoax du^erlid^e, aber bei ben
ölonomifd^en 3$erl^dltnif(en ber Unioerfttät nid^t )u überfel^enbe
Stüdffid^t. 3^ äSittenberg befanb {td^ ein äluguftinerllofter > l^ier
!onnten 3)o)enten, n)eld^e biefem Drben angej^örten, tierforgt n)er-
ben, ol^ne ba^ fie ber Uniperfität irgenb n)eld^e 5toften oerurfad^iten.
S)arum n)urben l^auptfäd^Iid^ ä(uguftiner unb }n)ar in Tübingen
gebilbete an bie neue Uniperfität atö Se^rer berufen, namentlid^
aber vermittelte @taupi| bie S3erufung Sutl^erg, meld^er biefem
Stufe afe einem SSefel^I ^olge leiftete, im ^erbfte 1508 nad^ SBit=
tenberg überftebelte unb bort in bad 1502 oom 5turfürften neu
gebaute S(uguftiner!Iofter eintrat, um ald ^Slönä) gu leben, o^ne
einen ©el&alt ober ein Honorar für feine äJorlefungen ju bejiel^en.
Unter ben äßännem, mit meldten er bort in berufltd^e ®e^
meinfd^aft trat, mar ber angefel^enfte Dr. SRartin ^ßollit^, als
„Sid^t ber SBelt" von feinen S^itgenoffen gcpriefen, ein JJrcunb
ber ^umoniften unb ©egner ber @d^olaftiI, frül^er ^rofeftor an
ber juriftifd^en unb mebi}inifd^en ^aluItSt ju Seipjig, bann neben
@taupi^ S3erater beS fturfürften bei ©rünbung ber ^od^fd^ule gu
SBittenberg, afe 38ater unb erfter Sfteftor berfelben in feiner ©rabs
fd^rift geeiert. S)iefer SKann erlannte balb, maS in Sutl^erS ®eift
nod^ im Aeim fd^Iummerte. Dft rebete er baoon, ba^ biefer äßönd^
bie auf ben Unioerfitäten ^errfd^enbe Sel^rmeife umftürgen merbe.
„®iefer Sruber, l^at tiefe Slugen, er wirb munberbare 5ßl^antafteen
l^aben,^ fo lautete eine feiner S(eu|erungen. 3(ber aud^ bie @d^oIaftiI
— 65 -
l^atte einen naml^aften SSertreter in Sutl^erd frül^erem Seigrer %vuU
oetter, ber einem Stufe oon Srfutt nac§ SBittenberg gefolgt roax.
9le6en il^m ftanben jmei iüngere Xl^eologen; xodä)e fpöter in
Sutl^erd Seben eine Stolle fpielen foQten, 9lnbreaS Sobenftein,
nad^ feinem am 3Rain gelegenen ©ehtttdort 5tarlfitabt genannt,
ein gen)anbter unb (en)eglid^er 3Rann, 9lnl^änger ber fd^olaftifd^en
Xi^eologie bed %f^oma^ t)on älquino, aud^ bed ©ried^ifd^en unb
^ebräifd^en !unbig, ber aber erft ad^t 3al^re, nad^bem er Soltor
gemorben, bie l^eilige @d^rift )u ftubieren begann; unb 9liIolaud
ämdborf , fromm unb aufrid^tig, bem ©^ftem beS 3)un ScotuS
jugetl^an, fpäter Sutl^erS oertrauter ^eunb. 2)a)u lam 9Ben)e3lauS
SinI, Sutl^erS ^eunb unb Drbendbruber, fortmäl^renb auf« innigpe
mit il^m oerbunbcn. Sutl^er felbft trat nid^t fofort in bie tl^eologifd^e
^alultät ein; er mar ald Seigrer ber ^l^ilofopl^ie berufen morben
unb l^atte 33orlefungen über bie 2)ialeltil unb ^l^^ftl bed 9lriftoteled
ju l^alten, mobei er fid^ freilidj fel^nte, jur 3^l^cologie übergel^en ju
bürfen. ®iefer SDBunfc^ mürbe i§m aud^ balb erfüllt, unb fd^on
am 9. 3Kärj 1509 erl^ielt er ben erften ®rab in ber tl^eologifd^en
^alultät; ben eine« biblifd^en S3a!!alaureud, mobei ed, mie er ein«
mal anbeutet, an 3)emütigungen nid^t fel^lte. S)a^ eS il^n nid^t
geringe SWül^e gefoftct, in ben neuen Seruf fid^ einzuarbeiten, lä^t
fid^ beulen. 9leben feinen SSorlefungen l^atte er aud| bie Obliegen::
^eit, in ber Stxx6)t feines Älofter« ju prebigcn. Diefelbe mirb als
eine alte baufällige JtapeEe gefd^ilbert, auS $ol) unb Sel^m ge^
baut, nur 30 gufe lang unb 20 breit, mit einem $rebigtftul^l oon
ungel^obelten Brettern; fo ba^ ein ^eunb Sutl^erS biefen Ort,
mo bas (Soongelium juerft mieber geprebigt mürbe, mit bem @talle
oergleid^en !onnte, barin Sl^riftuS geboren marb. äSalb aber mürbe
feine Xl^ätigfeit in SQSittenberg unterbrod^en. Ol^ne ba^ mir ben
®runb anzugeben müßten, mu^te er, mal^rfd^einlid^ auf ©el^ei^
feiner DrbenSoberen, im ©erbft 1509 nad^ Erfurt jurütf leieren, mo
er bie äBürbe eines „@ententiariuS^' unb bamit baS S^led^t erl^ielt,
über bie „Sentenjen" beS Sombarben, bicfe ©runblage ber fd^olafti«
fd^en Xi^eologie, ^orlefungen )u l^alten. 2)ai er als 93(dIalaureuS
äSorlefungen über bie l^eilige @d^rift gel^altenf l^abe, ift nid^t mal^r^
fdjeinlid^. — Qn feinem 3««^^ l^atten ftd^ injmifd^en bie burd^
— 66 —
@taupt| in il^n gepf[an)ten 5tetme unter eigenem ^^orfd^en in ber
@d^rift »euer entwidelt. Slamentlid^ (efd^äftigt il^n baS- Sßort
beS ^ropl^eten ^obolul ,,ber ©ered^te wirb feined @Iau6end leben^^
wenn il^m aud^ ber M6lifd^e Segriff ber @ered^tigleit unb bad wal^re
3Sefen bed ©laubenS nod^ Derl^iiEt voax, wad leidet erllarlid^ %
wenn man (eben!t, ba^ er, ba i^m bie Jtenninid ber ©runbfprad^en
abging, beim ©tubium ber l^eiligen ©d^rift immer mieber auf bie
äludlegungen ber 5tird^ent)öter unb Sd^olaftiler angewiefen war.
3m t^rül^ja^r 1511 fd^eint er wieber nad^ äSittenberg ju^
rüdgelel^rt ju fein. äBal^rfd^einlid^ im^er(ftebedfeÜen ^al^red erl^ielt
er ben 9luftrag, in 9lngelegenl^eiten feinet Drbenä nad^ 3tom )u
reifen. S)ie S3emül^ungen t)on @taupi|, im Sluguftinerorben bie
emfte Drbnung frül^erer 3^it ^^^ fogenannte Dbfcroanj, wiebet
eingufül^ren, waren auf mand^erlei SBiberftanb gefito^en. Um nun
jtt oerJ^üteU; ba| ber OrbenSgeneral unb ber ^apft ton ben @eg:s
nttn gewonnen werben, fd^idte @taupi$ )wei il^m treu ergebene
äluguftiner, Sutl^er unb mit il^m wal^rfd^ein^id^ ben 3^l^ann von
SRed^eln, nad^ diom. 3^^^ ©olbgülben (elamen fte mit, um einen
älnwolt il^rer @ad|e bamit ju bejal^Ien. 93on Steifeloften war
leine 9tebe, benn ber äSeg würbe pi %n^ jurüdCgelegt unb in be^
treff ber S^^^H v^d^^^^ ^(^^ ou^ ^i^ ©aftfreunbfd^aft ber Alöfter.
äBeld^en SBeg bie beiben SDtönd^e einfd^Iugen, ift nid^t genauer be^
lannt; bie Slngabe, ba^ fte über ^eibelberg gelommen, fd^eint auf
einem 3^um ju berul^en, wal^rfd^einlid^ ging bie 9leife burd^
äSapem, wo in mand^en Orten bie Ueberlieferung oon einem Se^
fud^e £tttl^erd ftd^ finbet. ^n Italien bewunberte er bie @d^on§eit
ber Sombarbei unb lie^ ftd^ burd^ bie au^ ben f^elfen wad^fenben
Delbäume an ba3 ^falmwort mal^nen: ^,3Rit $onig auS bem
tJelfen will idj fte fättigen." Sinft, wal^rfd^einlid^ in ber 9läl^e
oon $abua, fd^Iiefen fte bei offenen f^enftem, wad eine Srlrontung
)ur f^olge §atte, oon ber fie auf ben Sftat il^red SBirted burd^ ben
©eitu^ oon ©ranatäpfeln wieber l^ergefteKt würben. @inen l^ef^
tigeren Jtranll^eitdanfall l^atte er in Sologna gu beftel^en. %sf
bem Aran!en[ager erllang il^m in feinem Innern befonberd nod^«
brüdlid^ ber @prud^, ben er auf ber gangen italienifd^en Steife im
bergen bewegte: ^,ber ©ered^te lebt feined ©laubenS''. Slud^ boS
— 67 -
geben um il^n l^er beobadjtctc er. @r wei^ ©on reid^en Älöftem,
t)on betn üppigen Sebcn in benfelben, oon ber Siid^tad^tung ber
lird^Iid^en gaftengebote ju crjäl^Ien, unb bic ©ogc berid^tet, baft
bie aRönd^c eines ÄlofterS, welchen er barüber Sorroürfe gemod^t,
il^m nad^ bent geben geftellt l^aben. 2lnberfeit8 §atte er aber aud^
offene äugen für baS (Sute, baS er in Italien fanb. Son ben
TOol^l eingerid^tetcn ©pitälem unb fjinbell^äufem, wie er fte in
gloreng gefeiten, fprid^t er mit änerfennung, bie 3lüd^teml^eit ber
Italiener rül^mt er im ©egenfa^ gegen bie 3:runf liebe ber S)eutf d^en,
rebct aber aud^ von il^rcr fjalfd^l^eit unb il&rem ^od^mute.
2Kä er bie ©tabt erblirfte, fiel er jur 6rbe nieber unb rief
mit emporgehobenen ^änben: „Sei mir gegrüßt, bu l^eilige« Slom,
breimal l^eilig oon ber aWärtprer 33Iut, baS ba oergoffen ift."
©eine ©cf d^äfte fd^einen fd^nell erlebigt gemefen ju fein, worauf
er oicrgel^n 2:age lang bie ©tabt in Slugenfd^ein na^m. SBenn
er babei aud^ ben 3Ronumenten beS antuen Stom, bem AoIof(eum,
bem fapitolinifd^en ^ügel, ben S3äbem S)ioIIetian8 SJead^tung
fd^enfte, fo gogcn bod^ begreiflid^ermeifc bie fird^Iid^en 3)enlmäler,
wie fie famt ben an fie ftd& anlnüpfenben Segenben in bem bamate
meit verbreiteten S3üd^Iein: Mirabilia Eomae oerjeid^net maren,
feine Slufmerffamfeit auf fid^. 9tamentUd^ fül^Ite fid^ fein frommes
@emüt von ben ©rabftätten ber oielett tauf enb SJlärt^rer angezogen.
w3<$ lief burd^ alle Äird^en unb Äluften (bie Äatalomben), glaubte
aSeS, maS bafelbft erlogen unb erftunlen ift/' S)a^ er bie mand^erlei
9lbläf[e, bie in 9tom ju l^aben maren, fid^ ju nu^e mad^te, oerftel^t
fid^ Don felbft. Stamentlid^ mirb erjäl^lt, ba^ er bie ad^tunb^manjig
©tufen ber 2^reppe, oon ber eS l^ie^, fie fei einft oor bem $aufe
beS Pilatus geflanben, l^inaufrutfd^te, um ben l^ierfür oerl^ei^enen
älbla^ ju oerbienen. älber mäl^renb er bied t^at, l^obe er in feinem
Snnem mit übermältigenber SWad^t bie ©timme oemommen : ,,-3)er
©ered^te lebt feines ©laubenS." @r laS in Slom mehrere 3Wef{en,
o^ne 3w>eifel mand^e berfelben in ber furj juoor erbauten Älofter?
lird^e ber Sluguftiner^^remiten. ®aburd^ wollte er bie ©eelen oon
greunben auS bem fjegfeuer erlöfen, unb fo gro| mar fein ßifer^
ba^ eS il^m, wie er felbft fd^rieb, „fd^ier leib mar, ba^ fein SBater
unb feine 3Wutter nod^ lebten".
— 68 —
Unb toeld^e Sinbrüde nal^m er nun oud fHom mit? Z)ie äußere
Drbnung, xodä)Z bie pöpftlid^e ^olijei aufredet erl^ielt, bemunbert
er; ber @ieg bed Sl^riftentumd über bie @ottl^eiten ber Reiben
unb über ba9 SBüten il^rer Sprannen, n^opon i^m fo oiele 2)ent
male, befonberd in bem in eine 5tirci^e umgen)anbelten ^antl^eon
entgegentraten, ftärlt feinen ®lau6en. 3^ übrigen aber war bad,
n)ad er fal^, ben SSorfteSungen nur gar nid^t entfpred^enb, bie
er ftd^ Don ber l^eiligen @tabt gemad^t l^atte. Ttnfiie ed feinen
^atriotidmud fränien, n)enn er einen römifd^en SHönd^ rül^men
l^örte, ba^ ganj 2)eutfd^[anb famt aSen feinen t^ürften bie p&pp
ßd^e ftrone nid^t bejal^Ien fönnte; fo waren bie 9lnftö^e, vodäit
fein fittlid^ed unb d^riftlid^ed ©efül^I l^ier nel^nten mu^te, nod^ un^
gleid^ fd^roerer. SBad i^n vor aKem empörte, war bie greulid^e
Unjud^t, meldte ©on ben aSomel^mften unb Dberften ber ©tabt
f d^amlod getrieben mürbe, fo ba^ einige 5tarbinäle, bie ftd| an eim
fad^cr Unjud^t genügen liefen, „als §eilige geeiert mürben", ^ann
ift er entrüftet über ben Sröbelmarlt, ber mit bem SKcffelefen um8
(Selb getrieben merbe. „@S ift ein fold^ ©cbränge mit bem ©d^anbs
greuel ber Dpfermeffe, bafe ixoeen 5ßfaffen jugleid^ über jeinem
SHtar gegcneinanber ftcl^en unb l^alten SWeffe, finb mäd^tig fertig
mit il^rem ^anbmerf, l^aben eine SKeffe in einem §ui gefd^micbet."
SBäl^renb er felbft langfam unb anbdd^tig bie SReffe lad, mürben
an einem anbem Slltare fteben SKeffcn cerrid^tet, el^e er fertig mar,
unb bie ^Priefter riefen il^m ju: „SSormärtS, Dormärtö, fd^idfe unfrer
flauen il^ren @ol^n balb mieber f)tm/' @ine öl^nKd^e Stud^Iofig«
feit l^örte er bei SDifd^e unter anbem SBi^en erjäl^Ien, ba^ nämlid^
etlid^e in ber 5Keffe über bem Srot unb SBcin fpred^en: „®u btft
»rot unb wirft SBrot bleiben, bu bift SBein unb wirft SBJein bleiben";
baju bemerft er: „3d^ war ein junger unb rcd^t frommer ÜRönd^,
bem f old^e SBorte wel^e ti^aien. SßaS foHt id^ bod^ benf en ? SSäa«
fonnte mir einfallen, benn fold^e ©ebanlen: rebet man l^ie }u 3lom
frei öffentlid^ über Sifd^ alfo; wie? wenn fie aüiumd 5ßapft,
Äarbinal famt ben Äurtifanen alfo 3Keffe l^ieltcn?'wie fein wäre id^
betrogen, ba id^ oon il^nen fo ©iel SWeffe gebort l^ötte?" 3lud^
ftber bie fred^en Sügcn, weld^e ju 3lom mit erbid^teten SReßquicn
getrieben würben, war er entrüftet. SBenn er femer bie Untl^aten
— 69 —
bct legten ?Päpfte, rote cincS Sllejanbcr VI., auSfül^riid^ erjagten,
wenn er fclbft einige päpftlid^e Äurtifanen (Höflinge) auSfpred^en
l^örte: „@3 ift unmögli^ ba^ eS fo foUe länget ftel^en, eS mufe
brcd^cn," unb t)on anbetn baS ©eftänbniS oetnal^m: „3[ft eine§öllc,
fo ift dioxti barauf gebaut!" wie mußten ba feine ©nbilbungen
t)on ber ^eUigleit beS, ^^^öpfttumS fd^roinben, »ie mufete fid^ fein
el^rlid^eS ^erj empören roiber ben 2^rug, bet unter j^eitigem ©d^ein
il^m auf alten ©eiten entgegentrat! SEBenn i^n fpäter bie SoS-
xei^ung t)on 9lom einen fo l^arten inneren Äampf foftete; wie
fd^TOer wäre fie il^m erft gefallen, wenn er baS Seben in ber l^eiligen
©tabt nid^t mit eigenen 2lugen gefe^en l^ätte! S)arum müjfen
wir eS ate eine göttlid^e fjügung anerlennen, ba^ er nad^ 9lom
gefül^rt mürbe. Sutl^er felbft fa^te eä fo auf unb erllärte, er motte
nid^t l^unberttaufenb ©ulben barum nel^men, ba^ er nid^t in SRom
geroefen märe. Stud^ äußerte er mieberl^olt: „3^ mollte nur
münfd^en, ba^ ein jeglid^er, ber ^rebiger foBte merben, juoor ^u
SRom märe gereift unb l^ätte gefeiten, mie e§ ba jugel^t."
Sluf feiner Slütfreife mad^te er in 3Kailanb bie SSJal^rncl^mung,
ba^ in bicfer ©tabt ber römifd^e 9Re^Ianon nid^t in ©ettung fei,
wa^ feinem ©lauben an bie älQgemeinl^eit ber römifd^en Aird^e
einen ©to^ gab.
Heber Slugäburg nad^ SBittenbcrg jurüdf geleiert, trat Sutl^er
wieber in baS Sluguftincrfloftcr ein. äSon feiner S^l^ätigfeit biä
jum ^erbfteil512 miffen mir nid^tS. SBal^rfd^einlid^ beftanb pe neben
ber Seforgung t)on Äloftergefd^äften, ^Prebigten im RIofter u. bgl.
in ber SBorbereitung auf bie il^m beoorftel^enbe Doftorpromotion.
3)afe er fid^ um biefe l^öd^fte alabemifd^e SEBürbe, bie eineä 3)of torS
bcrS^l^eologie bemarb, baju oermod^te i^n nur bie entfd^iebene
Slufforberung feineä SSorgefe^ten ©taupi^. Unter einem Simbaum,
ben Sutl^er nod^ lange nad^l^er jcigte, fteßte ©taupi| biefeS Slns
finnen an il^n. „$err ©taupi^, Qll^r bringet mid^ um mein Seben,"
rief Sutl^er auS, erfd^rodfen über bie neue 2lrbeit, bie il^m aufgelegt
werben follte, morauf jener ermiberte: „^n ©ottcä SRamcn! unfer
$err ®ott l^at gro^e ©efd^äfte; er bebarf broben and) Ituger Seute,
menn 3^r nun fterbet, fo mü§t 3^r bort fein SRatgeber fein."
3m ©el^orfam gegen ben DrbenSoifar mißigte Sutl^er ein, bafe am
— 70 —
18. DItobcr bic 5ßtomottott ftattfittbc. S)iefcI6c würbe unter ben
l^ergebrad^tcn fjeierlid^leitcn üorgcnommen. 2lm 5ttad^mtttag bed 18.
fanb bie öffentlid^e S)idputatton \tatt, am 19. ein @ottedbten{i,
bei »eld^em Sutl^er eine Siebe gu Italien l^atte, n)orauf il^m SBarett
unb Sting afö 3^i^^^ ^^ ^^^ äBürbe überreicht würben. 9(u(i§
l^atte er jtd^ gu oerpflid^ten, leinerlei eitle, von ber Stird^e Derbomntte
unb frommen Citren anftö^ige Seigren vorzutragen.
Uns mag biefer SSorgang aU bIo|e f^örmlid^Ieit erfd^einen.
%üx Sutl^er l^atte er eine l^öl^ere Sebeutung. @r war ftd^ bewußt,
einen göttlid^en S3eruf baburd^ erl^olten gu l^oben, unb nid^t feiten
l^ot er ftd^ fpäter mit biefem Semufetfein getröftct unb aufgerid^tet,
wenn er in feinem Äampf matt werben wollte. @o fd^reibt er:
f,S^ einem guten SBer! gel^ört ein gewifjcr göttlid^er SSeruf unb
nid^t eigene Slnfd^läge. ^i), S)oItor SRartinuS, bin baju berufen
unb gezwungen, ba^ id^ mu^te S)oItor werben ol^ne meinen 3)an!
aus lauter ©el^orfam. Sa l^ab id^ bad S)oftoramt muffen an-
ncl^men unb meiner aUertiebfien l^eiligen ©d^rift fd^wören unb
geloben, fie treulid^ unb lauter ju prebigen unb gu lehren." ©o
t)erftanb SJutl&er feinen ©oltoreib, ein ®oItor ber l^eiligen ©d^rif t
wpKte er fein unb bemgemä| l^at er aud^ gel^anbelt. SEBar fonft
bad ©d^riftftubium an ben Univerfitäten gang oemad^läffigt, beud^te
€ä inSbefonbere bie S)oItoren ber ^^eologie gu gering, über bib^
lifd^e Sudler ju lefen, fo war Sutl^erS ganje Sel^rtl^ätigfeit, nad^-
bem er 3)oftor geworben, ber ©d^rifterflärung gewibmet. 3«^*
erllärte er bie $ßfalmen, bie il^m t)on Sugenb auf bis an fein
Gnbe lieb waren. 3)ie oon il^m in ben S^l^ren 1512—1516 ge«
l^altenen SSorlefungen über bie 5ßfalmen, oon feiner eigenen $anb
niebergefd^rieben, würben 1874 auf ber Sibliotl^ef ju DrcSben
oufgefunben, nad^bem oorl^er fd^on ein ®jemplar bcS lateinifd^en
5Pfalmente£teS bclannt gewefen war, in weld^em Sutl^er jwifd^en
ben Sinien erflärenbe Slnmerlungen eingefd^rieben l^at. Sei^ biefer
feiner älteften Auslegung ber 5ßfalmen l^ält er fid^ jwar an bie lateis
nifd^e Sibelüberfe^ung, bie fogenannte SBulgata, nimmt aber bod^
fd^on üielfad^ SRüdfftd^t auf ben (Örunbteit. ©eit 1515 laS er über
ben SBncf an bie Slömer. SEBeitere SBorlefungen in biefen Salären bc^
l&anbelten bie Sriefe an bie (Salater, an bie Hebräer unb an a:ittt8-
— 71 —
äKS (Utefte Sd^rift Sutl^etd toirb uns aud bem ^al^re 1518 ein
vpraeceptorinm'' genannt, bad n)ir obev nid^t mel^r Seft^en, toofjH
eine lurje 3(u8legung ber jel^n ®e6ote unb bann aud^ bed ©laubenS
tmb SBatetunferd mit (efonberer 93e)iel^ung auf bie oerfd^iebenen
®en)tf[endfälle, wie {te namentlid^ bem SSeid^tiger ootlommen.
Sutl^erä (Stllärung ber ^falmen bietet mele @d^n)äd^en in
ioif[enfd^aftUd^et ^tnjtd^t. @d !onnte bied nid^t onberd fein bei
feiner fel^r mangell^aften Spvad^Ienntnid, bei ber SDteinung, von
n>eld^er er mit ber gefamten Xl^eologie feiner S^t bel^errfd^t roox,
cU mären bie Se^ren bed d^ftlid^en ©laubend im Sllten Xefta::
ment fd^on gan} fertig aufjufinben, unb bei bem auSgebel^nten
®ebrauc^e, melden er infolgebef(en oon ber fpater von il^m
Dermorfenen, aOegorifierenben 3Retl^obe ber Sludlegung mad^te.
9(ber eben meil er in ben ^falmen überall bad mieberfanb, mad
il^m ald dpriftlid^e 38al^rl^eit galt, ift biefe 9lu3legung ein treuer
Spiegel feines bamaligen tl^eologifd^en @tanbpun!te3. ®r rang
banad^, bie ®Iauben§gered^tig!eit, meldte, aU il^n @taupi$ }uerft
auf {te l^ingemiefen §atte, mie ein Sid^tftral^l in fein nmnai^eie^
®emüt J^ereingefoEen mar, meldte bann, insbefonbere mäl^renb ber
itaßenifd^en S^leife, il^n beftänbig befd^äftigt b^tte, aud^ in ber
l^eiligen ©d^rift ju finben unb il^r SBefen auf ®runb ber @d^rift
tiefer )u erfaf(en. ^ieju biente il^m Dorjüglid^ feine äSefd^äftigung
mit ben Briefen beS 9(pofteIS $aulud an bie SR ö mer unb ® ala ter,
meldte l^inf ort bie ©runbpf eiler feiner d^riftßd^en @rlenntnid bilbeten.
©eine SluSlegung berfelben mar nid^t eine bIo|e äSerftanbeSarbeit,
fonbem ein 3Sert, an meld^em bad J^eifoerlangenbe ^erj ben leben-
bigften 2lnteil nal^m, unb in biefer §infidjt einSBorbilb ma^rJ^oft
tl^eologifd^ien Sd^riftftubiumS. ®r Iä|t nn^ in biefe 9lrbeit feines
inneren SRenfd^en einen 93Ud tl^un, menn er fd^reibt: „^^ f^atte
baS ^erjlid^fte SSerlangen, ben SBrief $auli an bie Slömer red^t
ju rerftel^en, moran mid^ aber immer ba§ SBort „®ered^tig!eit^'
^inberte, Slap. 1, 17, mo ^auIuS fprid^t, bie ®ered^tigleit ®otted
merbe im Soangeßum geoffenbart. 3d^ ^<^'^ ^^^ äBorte ^,®otteS
®ered^tigleit^' fel^r feinb, benn nad^ bem S3raud^ aUer Se^rer mar
i^ nid^t anberS unterrid^tet, als ba| id^'S oon fold^er ®ered^tigleit
»erftel^en mü^te, monad^ ®ott geredet ift unb bie @ünber ftraft.
— 72 --
Dbgleid^ id^ nun ein unfträflid^er SRenfd^ war, fül^Ite td^ ntid§ bod^
als großer @ünber t)or ®oit, baju n)ar td^ furd^tfamen ®emif(en&
unb traute ntid^ ntd^t, ©ott burd^ meine ©enugtl^uungen unb SSer«
bienfte ju Derföl^nen. ^ä) liebte ballet ben geredeten unb jornigen
@ott burd^aug nid^t, fonbetn iüxntt l^eimlid^ auf i^n. 2)a er<
grimmte id^ oft in meinem Dermitrten ©emiffen unb fann Xag
unb 3lad)i ber n)al^ren SJteinung $auli nad^, moburd^ id^ benn
jule^t erlannte; fie fei fo gu f äffen: burd^S Evangelium wxxi bie
©ered^tigleit geoffenbart, bie vox ®ott gilt, in meld^er un^
©Ott and ©naben unb äSarml^erjigieit red^tfertigt, mie gefd^rieben
ftel^t: ber ©ered^te lebt feineil ©laubeng. 9ll3balb fül^lte id^
mid^ mie neu geboren, e3 beud^ite mir, id^ l^abe bie offene
Pforte beS ^arabiefeS gefunben. ^un fal^ id^ bie l^eilige @d^rift
gang anberS an, burd^lief il^ren ganjen ^nf^alt, foroeit mein ©e-
bäd^tniS reid^te, unb fanb, ©otteg ©ered^tigleit l^ei^e um fo ge^?
miffer, ba^ er ung geredet mad^t, ba aEeg fo mol^l ftimmte/'
SBir l^aben biefe SBorte augfül^rlid^ mitgeteilt, meil un3 Sutl^er
in benfelben an bie OueUe filiert, aud meld^er ber gange @trom
ber ^Deformation gefloffen ift, ja au§ meld^er jebeS mal^rl^aft eoan::
gelifd^e Sl^riftentum aud^ l^eute nod^ fliegen mu^.
5IKit jenem Slingen, ben ©el^alt ber biblifd^en Segriffe ju
erfafjen, ging §anb in $anb baS angeftrengtefte ©tubium ber
gried^if d^en unb l^ebräif d^en Sprad^e, benn £utl^er lernte immer
beutlid[ier einfel^en, ba^ man ol^ne ßurüdgel^en auf ben ©runbtejt
bie Sd^rift nid^t red^t auggulegen t)ermöge. ä3ei (Srlemuug bei
©ried^ifd^en l^at il^m mol^l fein ^reunb unb Orbengbruber Sänge,
ber 1515 nad^ SBittenberg ge!ommen mar, ^anbreid^ung getl^an.
3leben ber ©d^rift mirften nod^ gmei anbere ^Jaftoren gur 3[ugs
geftaltung feiner tl^eologifd^en Uebergeugung mit, ber Stird^enoater
äluguftin unb bie m^ftifd^e ^^l^eologie beg fpöteren ^Dtittel«
alterg. 3^^ ©tubium beiber ift er mol^l burd^ ©taupi^ veranlagt
morben. $atte er aber mit äluguftin fd^on in Erfurt {id^ bdfannt
gu mad^en angefangen, fo gel^ört bie Sefd^äftigung mit ben ^ßrebig^
ten beg S)omini{anermönd^g Spanier erft ber Sßittenberger 3^
an. S)erfelbe ift tl^m ein erleud^teter S)oItor, ber mel^r malere
S^l^eologie l^abe alg bie ©d^ultl^eologen ber Unioerfitäten alle mit
— 73 —
etnanber. älud^ eine Heine @(l^nft unbelannten SSerfafferS, in
loeld^er ftd^ bie ®runbgeban{en ber 3laulerfd^en SR^ftü hiebet-
finben, l^at Sutl^er fennen gelernt unb J^etaudgegeben unter bem
Xitel: ,,@in beutfd^ Xl^eologia, b. i. ein ebled Süd^lein vom
redeten SBerftanb, xoad 3[bam unb Sl^riftud fei u. f. »/ ®r 6e?
jeugt t)on biefent Süd^Iein, näd^ft ber Sibel unb Sluguftin l^dbe
er lein 93ud^ gefunben, cmiS n)e(d|em er befier gelernt l^obe, xoad
®ott, Si^riftuiS^ ÜRenfd^ unb aSe 3)inge feien. @d n)ar gen)i| für
£utl^er non l^ol^er Sebeutung^ ba^ er gerabe ie^t mit biefen ebelften
Slüten ber mittelalterlid^en ÜRpftil belannt n)urbe^ in n>eld^en
bie in frül^eren Srjeugniffen biefer Stid^tung oft ftarl j^erüortreten::
ben ®eban!en einer jum ^antl^eidmud neigenben ©pelulation lount
nod^ burd^tlingen. S)ie Beteiligung bed $er}enS am tl^eologifd^en
3)enfen, bie greil^eit von ben ^effeln beS ft^olaftifd^en fjormalids
mud, bie ftarfe äSetonung ber göttlichen £iebe, bie S3em)erfung
aQer äSerlgered^tigleit mu|te il^m biefe @d^ften befonbend roext
mad^en, unb fo finben wir, ba^ er in feinen ®eban{en unb 3(ud«
brüden n>efentlid^ t)on benfelben beeinflußt n)urbe. älber eS märe
irrig }u meinen, Sut^er l^obe feine Xl^eologie ben SR^ftitem ent-
nommen. @d befleißen bod^ mefentlid^e Unterfd^iebe. 3luf einige
berfelben aufmerifam ju mad^en l^alten mir um fo mel^r für an$
gejeigt, ald m^ftifd^e Stid^tungen innerl^alb ber eoangelifd^en Jtird^e
immer mieber oon Qüi gu ^eit l^eroortreten. 3ft für bie SR^ftiler
bad redete 33erl^alten bed SRenfd^en )u ®ott ein burd^aud pafftoed,
ein 9BirIenlaf(en ©otteS, ein Untergel^en ber eigenen ^erfönlid^Ieit
in 3^^/ f<> if^ bagegen ber ©laube, ben Sutl^er forbert, eine
energifd^e %f)at, moburd^ ber SRenfd^ bie SSerJ^eißungen ®otted
ergreift unb fid^ )U eigen mad^t; rebet bie äß^ftil mit SBorliebe
Don einem inmenbigen Seben ßl^rifti in ben ©eelen, oon einem
Sergottetmerben beS SRenfd^en, mobei bie gefd^id^tlid^en Xl^atfad^en
bed Sebend 3^u, namentlid^ %oi unb Sluferftel^ung faft nur als
SBorbilber biefer @eelent)orgänge in unS in Setrad^t !ommen; fo
rid^tet Sutl^er fein äluge j^auptfäd^lid^i auf baiS, mad Gl^riftud
m&l^renb feined SrbenlebenS für uns noUbrad^t l^at, unb ermartet
booon fein ^eil; finb enblid^ für ben SR^ftifer gegenüber oon bem
unmittelbaren @ingmerben mit ®ott bie Mittel ber ®nabe, 3Bort
- 74 -
unb @alramente nur ton untergeorbnetet SSebeutung , f o ift bo^
gegen für Sutl^er bie Xeilnal^me an ber ®nabe 6§rißi immer
Don bem ®e(raud^ ber ©nobenmittel obl^ängtg. SDtod^ten biefe
Unterfd^iebe t)on il^m felbft bomold nod^ nid^t erlannt werben, fo
ftnb fte bod^ in ber »eiteren Sntmidelung feined @tanbpun!te9
immer beutlid^er l^eroorgetreten.
!Re(en ben SBorlefungen unb ben eigenen @tubien ging bei
Sutl^er bie X^ätigfeit als ^rebiger l^er unb ycoax nid^t mel^
bIo| in ber AlofterKrd^e, fonbem feit 1515 in ber @tabtlird^e, wo
il^m bad ^rebigtamt miber feinen SEBiQen übertragen morben mar.
^and^mal prebigte er 2^g für %ai, in ber t^aftenjeit 1517 fogar
täglid^i gmeimal. @r l^atte gro|e natürlid^e 93ega(ttng jum ^rebiger^
beruf. Sd^on fein 9Ceu|ered, ©eftalt, äluge unb Stimme mar bofür
mie gefd^affen, ba}u lam fein trefflid^ed ©ebäd^tnid, fein fd^atfer,
bioleltifd^ gefd^uUer SSerftanb, feine Selefenl^eit in ber Sd^rift mie
in ben Sllten, fein offener Staturftnn, bie ®abe DoQdm&^iger Siebe
unb plaftifd^er S)arftellung feiner ©ebanlen, bie mel^r unb mel^,
namentlid^ aud^ burd^ baS Sejen in %a\det, fid^ auSbilbenbe ÜReifter^:
fd^aft im beutfd^en 9ludbrud religiöfer SSal^rl^eit, enblid^ gan) be^
fonberd baiS ^ingenommenfein feined ^erjend Don bem, toa^ er
rebete. 3)ie ölteften feiner ^rebigten, bie und nod^ vorliegen,
{eigen il^n nod^ jiemlid^ befangen im fd^olaftifd^en f^ormalidmud;
bie praltifd^-erbaulid^en ©ebanten treten mand^mal gegen ab^dtt?
biale!tifd^e Sludfül^rungen nod^i )urüd(, SCriftoteled fpielt nod^ eine
StoSe, aber ber neue ©eift l^at fd^on begonnen, bie alte f^orm )u
jerbred^. älnflänge an %mlex laf(en {td^ immer mieber bemerlen,
unb bie ©ebanlen, meldte in ben fpäteren ^rebigten Sutl^erd ben
!DlitteIpun!t bilben, treten fd^on red^t bebeutfam l^eroor: bie in
Sl^rifto erfd^ienene, red^tf ertigenbe ©nobe, wdd^t ben Sünber ol^ne
SBerle geredet mad^t, unb ber ©laube, ber an Sl^riftum fid^ l^äft
unb l^erjlid^e äJergebung oon il^m empfängt. S)agegen mirb bie
fd^olaftifd^e Seigre oon ber @ingie^ung ber ©nabe belSmpft; bie
28erle ber SCSlefe: f^aften, äBad^en, Seten merben aliS für ben
äCnfangenben notmenbig be^eid^net, für ben SSoHIommenen aber
feien fie baä größte ^inbernid. S)arum mirb oor l^od^ütiger
®tnbi(bung auf biefelben gemamt unb bie äBerle ber Siebe il^nen
— 75 -
gegenüBer l^eroorgel^oben, aud^ bie bed irbifd^en Setufd old gott^
gefällig in @d^u^ genommen. Eingriffe auf bie lird^Iid^e 9[utorität
ober einzelne Seigren bet Jtitd^e finben ftd^ nirgenbd.
3)iefe ^rebigten, bie nur nod^ in loteinifd^er Ue6erfe^ung oor?
I^anben finb, mad^ten großen @inbrud. S)ad SSoII mürbe nament::
lid^ burd^ bie 1516 unb 1517 über bie }el^n ©ebote in einfad^
populärer f^orm gel^altenen ^rebigten angejogen, fomie burd^ feine
3(udlegung bed 33aterunferd, meldte er in ^rebigten mäl^renb ber
^aftenjeit 1517 gab. 3)od| fel^lte eS oud^ an äBiberfprud^ nid^t^
eineiSteilS oerargte man bem iungen SDtann bie Strenge feiner
ftttlid^en älnforberungen; er l^abe^ fagte man il^m, einen )u gelben
Sd^abel, um alte Sd^älle fromm )u mad^en, anbrerfeitd nanxtU
man es eine irrige unb falfd^e Siebe, menn er oon Sl^rifto ol^ bem
einigen $eilanb geugte.
Slu^er ben ^rebigten fud^te er ber ©emeinbe ju bienen burd^
eine 1517 erfd^ienene Ueberfe|ung unb lurje Sludlegung ber fieben
SSu^pfalmen. @d ift bie erfte oon il^m l^eraudgegebene @d^rift,
bie auf und gelommen ift. 2)ie @prad^e berfelben ift nod^ ungelenl,
unb menn mir fie mit ber $ßfalmenüberfe^ung oergleid^cn , mit
meld^er er fpäter bie S^riftenl^eit befd^enft l^at, fo mirb es unS red^t
beutfid^, mie er aud^ in fprad^lid^er ^infid^t ftd^ meiter entmid(elte.
^agen mir aber, meldte ©teUung ßutl^er in biefen Qal^ren
ju feiner Äird^e eingenommen l^abe, fo finben mir, baft er tro^
ber @inbrüde ber italienifd^en Steife nod^ immer ber treue @ol^n
berfelben ift. S)ie ftird^e lann nid^t irren, bad fte^t il^m feft, bie
SRauem ber 5tird^e aber finb bie Prälaten, unb menn er aud^ bei
nid^t menigen berfelben fd^mere 9lergerniffe mal^mimmt unb bedl^alb
bebauem mürbe, rocnn fein lieber @taupi| bie oerfud^ungSooHe
bifd^öflid^e SBürbe erl^ielte, fo el^rt er fie bod^ als baS Sid^t bes
SeibeS. 9lud^ mit ben einzelnen lird^lid^en Seigren mei^ er ftd^
cinoerjianben, benn menn er in betreff beS §eifömegeS anberS
Icl^rt als bie ©d^olaftifcr feiner Seit, fo beruft er fid^ für feine
Sluffafjung auf 2luguftin unb ben 2lpoftel ^Paulus unb ift ftd^
bal^er bemüht, nid^t nur biblifd^ fonbem aud^ fird^lid^ ju leieren.
6benf omenig greift er bie f ird^lid^en ®inrid^tungen unb ©itten an ;
nur aRi^räud^e, meldte mit benfelben in aSerbinbung ftel^en, ftraft
— 76 —
et, }. 99. ba| man bie ^eiligen nur um leibßd^er SSol^Itl^aten
miDen anrufe, ba^ {td^ mit ben Stiftungen für fie fo oiel ©efud^
eigener ®l^re unb eigenen 9lu|eng oerbinbe, ba| bie SßaEfal^rten
oiele ju trägem herumlaufen, 33erfäumntd ber J^auSlid^en ^flid^ten
unb beS otbentK^en (Sottegbienfted oeranloffen, ba^ mit Segenben
unb Steliquien mand^er 93etrug getrieben merbe u. bergl. 9lid^ bie
Aird^e, fonbem bie Sd^ultl^eologie mar ed, gegen meldte er mie in
Sriefen, fo in SSorlefungen unb 3)idputationen feine Singriffe
rid^tete. Stamentlid^ in ben S^efen, me(d^e Sd^üler Sutl^erS }um
3med( ber ®rlangung einer alabemifd^en äBürbe auf ®runb feiner
Sorlefungen aufarbeiteten, mürbe aufd Sd^örffte gegen bie @d^os
laftil vorgegangen. Sod^ oermarf Sutl^er nid^t bie gange Sd^olaftil;
er mu^te bad 3Bal^re, xoad in ben ©entengen bed Sombarben, in
ben äBerlen eines Dllam unb 93iel entl^alten ift, mol^I )u mürbigen,
nur bie fd^o(aftifd^e Seigre vom ^eildmege, bie il^m fo oiel ©eelen-
qual bereitet l^atte, griff er aufS nad^brüdKid^fte an, unb bieg oer-
anlaste il^n, ancS) gegen SlriftoteleS fid^ gu menben, bef|en ^l^^fif
il^m eine unnü^e Ba^t )u fein fd^eint, mäl^renb er feine @tl^il atö
ber Seigre oon ber (SlaubenSgered^tigfeit miberfpred^enb oermirft*
gm ^aijx 1512 mar ber befannte ©treit jmifd^en ben ©d^o^
laftifem unb ^umaniften, bie fogenannten 5ßfefferfomfd^en §änbel,
audgebrod^en, inbem ber berühmte Sleud^Un fid^ gegen bie äJer-
brennung ber jübifd^en ©d^riften audfprad^ unb bedl^alb non bem
übergetretenen Subcn 5ßfefferIom unb ben 3)ominifanem in Äöln
aufä ^eftigfte angegriffen mürbe, morauf oon beiben ©eiten fd^arf e
©d^riften erfd^ienen, namcntlid^ aber in ben 1515 oeröffentlic^ten
„S3rtefen ber ©unfelmanner" bie 3)ominifaner, üBerl^aupt bie SSer^
fed^ter beä SKtcn, mit nemid^tenbem $ol^n übergoffen mürben.
@S ift bemerlenSmert, mie ftd^ Sutl^er ju biefem Äampfe fteHt.
3« gtoei ^Briefen an ©palatin, ber il^n um fein Urteil gebeten,
fprid^t er ftd^ entfd^ieben für 9leud^(in au3, meldpen er aU ben
emftcften unter ben ^umaniften a\x^ f onft l^od^l^ielt. 3lber öffentlid^
auf bie ©eitc ber ^umaniften fxä) ju fteHen, lonnte er fic^ nid^t
entfd^Iiefeen. @8 mar fein rcligiöfeä Qntcreffe, für baö fie fämpften,
unb in il^ren „S5riefen ber ©unlelmänner'' fanb er ju menig
SBal^rl^eitSernft unb gu oiet ©d^mäl^fud^t. gn einem S3riefe an
- 77 —
benfel6en @palattn fprid^t er feine Sebenlen gegen ben 6erül^m'
teften unter ben $umantften, SraSmud t)on Stotterbam, an^,
6ei bem er ben rid^tigen begriff ber ®Iau6en8gered^ttQ!eit, eine
titfere ^(uffaflung ber (Srbfünbe, ü6erl^aupt eine ben inneren @el^alt
erfaffenbe ©d^rifterKcirung Dermi^t. @r (etrad^tet il^n nid^t alft
@egner, nDünfd^t i^m pielmel^r 9(nerlennung, (efürd^tet aber bo<i^
ungünfiige SBir!ungen t)on i^m. äBurbe fomit Sutl^er in. bie lit^
terarifd^e ^e^be, weld^e in jenen 3<^)^^^n ^^ t'i^I ©taub aufmarf^
nid^t l^ineingejogen, fo al^nte er bod^, wie bie 9(nl^änger bed äUten
i^m mel^r unb me^r feinb n)urben. ©ein früherer Seigrer Xrut^
üetter feierte von SBittenberg nad^ ©rfurt jurüdf, ol^ne S^eifel
Derftimmt burd^ £utl^erd n)ad^fenben @influ^ an ber Unioerfttöt;
in @rfurt felbft n)urben ungünftige ©erüd^te über Sut^er verbreitete
beren ^nf^alt und jebod^ nid^t betannt ift. ^aS lonnte aber feiner
SEBirlfamleit feinen (Sinl^alt tl^un. SSiele ftrebfame junge SJlänner
namentlid^ an^ bem 9luguftinerorben jog fein 9tame nad^ äBitten^
berg, bie bebeutenbften feiner 2tmtägcnof[en, roie namentlid^ Äorl*
ftabt, traten auf feine Seite, fo bafe bie biblifd^e Sel^rart unter
allen Unioerfttäten allein in SBtttenberg l^errfd^enb rourbe. 9lm
lurfürftlid^en $ofe waren ©taupi^ unb ©palatin feine fjürfpred^er,
unb ber iturfürft felbft ben)ieS i^m bei mand^en 9Seranlaf(ungen
feine $ulb, fo wenn er bie Soften feiner 2)ottorpromotion auf
ftd^ nal^m, wenn er il^n ein anbermal mit Xnt!^ )U einer Aleibung
befd^en!te, weld^e Sutl^er freilid^ für mel ju fein für einen 3Röni)
^ie(t. 9(ud^ au^erl^alb ©ad^fenS würbe fein 9lame fd^on genannt ;
fo waren in 9lümberg burc^ ben fünften ©d^eurl, ber Sutl^erd
iRoHege in Wittenberg gewefen war, unb burd^ feinen f^reunb Sin!,
ber ans bortige 3luguftinerKofter berufen würbe, einige einflu^«
reid^e 3Rönner für il^n günftig geftimmt worben.
©ein SBirlungdtreid erweiterte fid^ baburd^, ba^ ©taupi^, als
er ju einer Steife in bie Slieberlanbe oeranla^t war, i^m als feinem
©teKoertreter bie älufftd^t über bie Stuguftinerflöfter in ©ad^fen
unb ^l^üringen übertrug, ^n biefer ©teKung mad^te er einige
SBifitationSreifen, fo 1516 na(^ ©rimrna, 2>reSbcn unb ßrfurt, fowie
in anbre tl^üringifd^e itlöfter, im folgenben 3<^^re wieber nad^
2)reSben, wo er in ber ©d^lopird^e feines nad^maligen l^eftigen
— 78 —
%mie^, beg $et)ogd ©eorg, ptebigte unb 6ei feinem fpöteten
litterorifd^en @egner @mfer ju 2^ifd^e xoax. ^ber aud^ brieflid^
l^atte er mand^eg in biefen Alöftem )u otbnen. Salb xoaxen ed
ö!onomif(i^e älngelegenl^eiten, bolb ^agen mönd^ifd^er ^leiber^
orbnung, balb %ixUe ber jtloftetbidgiplin, balb n)ieber tl^eologifd^e
S3ebenlen, bie vox il^n gcbrad^t würben; unb wenn wir in feinen
9(ntn)orten lefen, mit meld^ eüangelifd^er äJlilbe er' ber Gefallenen
fid^ annimmt, mte er bie SSorfte^er )ur S)emut unb Sanftmut
ermal^nt, n)ie er in aKem auf ®otteä 3Sa(ten l^inmeift, ber oft
burd^ @ünben von ben @ünben l^eile; fo 6en)eifl und bad, n>ie
feine tl^eologifd^en Ueberjeugungen bei il^m frud^tbar gen)orben
maren fürä Seben. S)ie ©efd^äftslaft, bie auf il^m lag, mar eine
beinal^e erbrüdtenbe, fo ba| er bie für bie Aorrefponbenj mit feinen
greunben erforberlid^e S^xi laum pnben unb nur feiten bie oon
ben Siegeln feineä Drbend geforberten Slnbad^tdübungen in ber
SBod^e gan3 oerrid^ten lonnte. SBie ftrenge er aber ben DrbenS^
regeln ju folgen bemül^t mar, jeigt fid^ barin, ba| er bann am
©onntage bag SSerfäumte nad^jul^olenfud^te, mobei er freilid^ mand^^
mal im jtopfe bämifd^ unb )ur Arbeit für lange unfähig mürbe.
$ie)u !am, ba| im ^erbft 1516 bie $eft in äBittenberg au§^
brad^. ©einem f^eunb Sänge, ber il^m )ur t^lud^t riet, fd^eb
er: „^^ bin l^iel^er gefegt unb barf bed @el^orfamd megen nid^t
fliel^en, bis berfelbe ©e^orfam eS mir gebietet. Sie SBelt, IJoffe
id^, mirb nid^t einfallen, menn S3ruber SRartin bal^inföHt." @o[d^e
5IRül^en fd^mäd^ten feine ©efunbl^eit, fo ba§ er 1517 fd^rieb: „^^
belenne bir, ba| mein Seben fid^ oon 3^ag px %a% bem 2^obe näl^ert.''
®abei aber ift il^m mo^, meil ber 2)rud, meld^er frül^er auf
feinem ®emif|en laftete, meggenommen ift. äSol^I ift aud^ in feinem
fpäteren Seben nod^ mand^mal oon älnfed^tungen bie Siebe; aber
bie ®emi|l^eit ber göttlid^en @nabe lönnen fie il^m nid^t rauben,
fonbem nur oorübergel^enb oerbunleln. S)ad 9Bort bed 9(pofteld:
„9lun mir benn finb geredet morben, fo l^aben mir griebe mit
©Ott", bejeid^net am beften feinen bamaligen@ee(en)uftanb, unb
im Semu^tfein biefeS ^Ji^ebenä lann er feine S^^^nft getroft in
©otteS $anb legen.
1517-1521.
örf!e« üiapifef.
2äi glanbe , barum fo rebe ic^ ; it^
foerbe aber fef^r geplaget. pf. U6/ 10.
3)ic alte d^riftlid^c Ätrd^e l^attc fold^e SWttgliebcr, weld^c iDcgcn
gegebener Sletgemtfle auSgefd^Ioflen rootben waten, er|i nad^bem
fie bic Slufrid^tiglcit i^ret SReue tJ^atfäd^lid^ beriefen l^atten, roteber
in il^re ©emetnfd^aft aufgenommen, unb eS waren balb geroifle
äußere ^anblungen mie Saften, Sllmofengeben u. bergl. afö ^r^
weifuttgen fold^er ©tnneSänberung betrad^tet morben. SßS fpäter
bei bem ©inbringen meltlid^ gefinnter 3Waf[en in bie Äird^e eine
fold^e (Semeinbejud^t jtd^ nid^t mel^r burd^fül^ren lie|, b^tte man,
um baS Heiligtum ber itird^e bod^ einigermaßen vox Sntmeil^ung
ju fd^ü^en, an bie ©teile ber unmöglid^ geworbenen ©emeinbejud^t
bie priefterlid^e SJeid^te gefegt, burd^ meldte ber Sleumütige STb^
folution erhielt, nod^ e^e er bie äSußmerle DOÜbrad^t l^atte, aber
jo , baß biefelben t)om S3eid^tiger al3 ^JDtittel )ur Slbbüßung ber
©ünben aufgelegt mürben, fo baß berjenige, meld^er biefe SSuß-
TDerle Derfdumte, bie 9(bbüßung im f^egfeuer nad^^ul^olen l^atte.
@o waren bie ^önitengen au3 3^^^^ ber aufrid^tigen Sleue ju
Mitteln geworben, 9lad^laß ber ©ünbenftrafen ju oerbienen. 2)enn
war aud^ ber ewige 3!ob burd^ ba8 SBerbienft ßl^rifti weggenommen,
fo blieben bod^ bie jeitKd^en ©trafen ber ©ünbe, gu weld^en aud^
baS fjegfeuer gered^net würbe, nod^ übrig, unb fie fofften eben
burd^ jene Seiftungen abgebüßt werben. 3ll3 nun infolge ber S[u8-
breitung beS ßl^riftentumS unter ben beutfd^en ©tämmen bie alt^
germanifd^e Sled^tSanfd^auung, wonad^ alle nid^t unel^rlid^en SBer-
bred^en mit ®elb ober ©elbeSwert gebüßt würben, aud^ in bie
Surf, Sut^er. 3. Sufl. q
- 82 —
jlitd^e einbtang; fo fing man an, bte frül^er gen)öl^n(id^en 9u|-
xoexU in anbte Seiftungen ju vexxoaxiitln, xooiuxd^ bem 9ü|enbea
feine 33u|ü6ung etteid^tett unb jugleid^ für ben äSorteil ber Stirbt
geforgt n)urbe. 9lamentli(i^ roirtten bie ^reu)}üge baju mit, bie
3(6Ia|pra^d in biefer Stid^tung meitet )u entroicfeln, ba für bie
Xeilnal^me an einem 5lreu3)uge t)ölliger äl6la| in ^(ugfid^t geßeUt
mar. 9lun lam ed balb bal^in, ba| nid^t nur burd^ ben 93efud^
^eiliger Drte, baS anbäd^tige Stnfd^auen lird^lid^-t^eatralifd^er 9luf-
fü^rungen, fonbem aud^ burd^ baS Seifteuern oon (Selb gu lird^s
lid^en S^^^^^f ^^^ i^ Äreujjügen unb 3!ürlenlriegen, ium Sau
t)on Äird^en unb Älöftem 3lbla| ermorbcn roerben lonnte. a)ie
©d^olaftif begrünbete biefe 3lbla^praji3 burd^ bie Se^re »om ©c^a^e
ber Rird^e, meld^er, au8 bem überfd^üfpgen SSerbienft ßl^rifti un\>
ben guten SBerlen ber ^eiligen beftel^enb, ber Äird^e jur SBer-
maltung anvertraut fei unb von i^r in mütterlid^er 3)lilbe il^ren
fd^mad^en Äinbem aufgefd^lofjen merbe. Sa fclbft für bie fd^on
im ^egfeuer befinblid^en Seelen follte mittele ber ^ürbitte ber
Aird^e ber burd^ bie Seiftungen eines anbem ermorbene W>la%
mirifam gemad^t merben lönnen. @o mar an^ !leinen, unfd^ulbi^
augfel^enben Slnfängen ein @reue( an 1^1. ©tätte ^erangemad^fen,
ber mie lein anbrer ber ürd^Iid^en SDli^bräud^e emften S^riften iuvx
^ergemil gereid^en mu^te. 2)enn mochte aud^ bie ^ird^enlel^re
jmifd^en ber 38ergebung ber ©ünbe, meldte im ©alramente ber
93eid^te empfangen merbe, unb bem 9lad^Ia^ ber jeitlid^en ©trafen,,
meld^er burd^ ben älbla^ t)ermittelt fei, unterfd^eiben, mod^te fte
au6) einen reumütigen ©inn alä 93ebingung ber SBirffamfeit be&
2lblaf[e8 forbem; bie SDlafle beS ißolU fragte nid^tS nad^ biefen
Unterfd^eibungen, eS fül^Ite ^erauS, ba| eS ben §äuptem ber Äird^e
felbft nur um bie äußere Seiftung, nid^t aber um bie ©efinnung.
JU tl^un fei, unb fo glaubte bie ÜRenge gerabeju SSergebung ber
©ünben erlaufen ju tonnen, unb bie itird^e tl^at nid^tS, biefen
9Bal^n )u jerftören, bie Slbla^prebiger indbefonbere nährten i^n
auf jebe SEBeife.
Sut^er mit feiner tiefen @mpftnbung be§ 3^^^^ ®otte3 !onnle
burd^ ben 9lbla^ „t)on bem furd^tfamen flüchtigen @emiffen nid^t
erlöfet werben", er jä^lt fi^ unter biejenigen, „bie auf folgen
— 83 -
Rauf unb Sodgeben bed ^apfted nid^t l^ätten ^tiautt, unb toann
fte bie Sßelt foQten Detbienet l^aben/' 2)a^ et abet bod^ nid^t
fiüi^et gegen ben 9(bla^ aufttat, ertlärt ftd^ nid^t nur aud feiner
@rgebenl^ett gegen bie jlitd^e, in beren 3tamzn unb älufttag ber-
felbe geprebigt n)urbe, fonbem aud^ baraud, ba| er butd^ bie
fd^olaftifd^en @pi^finbigteiten, n)eld^e gut Sled^tfettigung bedfelben
Dotgebtad^t nmtben, ftd^ tdufd^en (ie^, wie et felbft gefielet, bag
et anfänglid^ ,,ben @reuel nid^t oetftanb nod^ anjugteifen xon^W*.
ä(lg et abet bad Seben beffet iennen letnte unb \af), xoxe bog ^oli
ben 9lb(a| anroanbte, ba etgtiff i^n eine l^eilige @nttü[tung, n)eld^e
{td^ fteilid^ guetft nut gegen baä !el^tte, wad et aU 3Jli|brau(^
beg älblajieg bettad^tete, bid et burd^ ben äBibetfptud^, n)eld^en et
etfu^t, unb babutd^, ba^ |ene 3Ri^btäud^e t)on litd^lid^et @eite in
®d^u$ genommen n)utben^ fid^ n)eitet unb meitet getrieben fal^,
nid^t nut gut SSermetfung beS ^Ibla^eS an fid^, fonbetn fd^lie^Kd^
aud^ biä gum Stud^ mit bet itird^e. @o l^at et bei feinem etften
9(uftteten leine äl^nung von bem gel^abt, maS batauS fid^ ent-
wideln foKte. älbet barin geigt fid^ eben @otteä i^anb im äBette
bet Sieformation, ba| biefelbe nid^t nad^ itgenb eines SRenfc^en
$Ian etfolgte, ba^ Dielmel^t bet|enige, meldtet baS ^auptmetlgeug
babci mat, gegen feinen SBillen ©d^titt füt ©d^ritt einem S^de
gugefül^tt n)urbe, an baä er anfänglid^ nic^t von ferne gebadet ^atte.
S)aS älbla^unmefen mat, |e mel^t baä ^apfttum entattete,
immet unetttaglid^et gemotben, unb oetgebenS l^atte baS 5tongiI gu
5tonftang baSfelbe eingufd^ränlen gefud^t. 3^ niel^r bie köpfte ald
Sanbedl^erren auftraten unb in politifd^e $önbel oermidelt mürben^
beflo mel^r brandeten fie @e(b, unb um fold^eä l^etbeigufd^affen^
gab eä lein bequemereil 3JlitteI aU bie ^bla^prebigt. S^Kud II.
I^at, um feine Kriege gu fül^ren, Seo X., angeblich um bie ^ßetcrS^
lird^e gu bauen, in äSal^r^eit aber um für feine übermäßige ^rad^t-
liebe unb 93erfd^n)enbung bie 3)litte( ftc^ gu oerfd^affen, W>la%
prebigen Iaf[en. @ang als t^inangoperation mürbe bie @ad^e be-
trieben, ^m ^a^xe 1515 ^atte Seo X. eine Suffe crlajfen, worin
er benen, meldte 3lblaß laufen mürben, 3#^^^*^Ö^« ma^te, bie
affeS biäl^er 3)agen)efene meit l^inter fi^ ließen; oon äffen ©ünben,.
mie groß fie immer fein mod^ten, oon allen fird^Iid^en ©trafen
• ► o
.^^
- 84 -
n)utbe Befreiung t)etl^ei|en. 3^ il^re ^^dufUngdun^d^uIb foQten
bie Jlaufenben toieber eingefe^t toerben, fo ba^ x^nm, toenn fie
ftürben, bie Pforte beS ^atabtefed offen ftünbe. 3tebtn bem Sau
ber ^etetStird^e fei eä bem 1^1. äSater etnjtg um bad $eil ber
Seelen ju tl^un, barum i^abe et, n)ie ber $en: Sefud feine älpoftel,
bie 5tommtfföre für ben %bla^ audgefanbt. Unter ben br^i Storni
miffären, jn^ifd^en benen 2)eutf d^Ianb geteilt würbe, xoax ein beutf(|er
jtird^enf ürft, einem ber erften f^ürftengefd^led^ter 3)eutf(!^Ianbd znb
fproffen. ^Ibred^t, ÜRarlgraf t)on Sranbenburg, @r)Mf(!^of t)on
SRagbeburg, älbminiftrator bed 93i§tumg ^alberftabt, roax aud^
gum ®r)(if d^of t)on SRaing gen)ä^lt n)orben ; baburd^ xoctt er jtur-
fürft unb Steid^der^IanjIer, ber erfte ^ann in 2)eutfd^Ianb. älbec
er l^atte bail erjbifd^öflid^e ^aUium, biefen aud Sämmem^oQe Der«
fertigten, mit jtreujen burd^roirlten, über bem ®rabe beä 3lpo^zU
fürfken geroeil^ten iud^ftreifen, befjen S3efi§ erft jur gül^rung beS
erjbifd^öfUd^en 9(mteS )u bered^tigen fd^ien, um teures @elb nom
Zapfte getauft. S)aburd^ ünb burd^ fein t)erfd^n)enberifd^eS Seben
roax er fel^r Derfd^ulbet, namentlid^ gegen bad $au§ t^gger in
9lugdburg, n)e(d^eS baS ®elb jum 5lauf beS Radium DorgeftredCt
l^atte. ®r voax ein fein gebilbeter 3Rann> 93efd^ü$er ber ^u-
maniften, f^eunb beä @ra§mu§, Pfleger ber 5tünfte unb SBiffen?
fd^aften, fo ba| er t)on Butten burd^ eine Sobrebe t)erl^errli(!^t
würbe. SDicfcr SDlann paifteU nun, um fid^ au3 feinen Selb-
Derlegenl^eiten }u l^elfen, unter bem 3^itel aU apoftolifd^er ®enera(-
lommiffär ben ä(b(a|l^anbel in einem großen Seile von 2)eutfd^«
lanb gegen bie ^älfte bed SieinertragS unb fanbte bann feine
9lbla|prebiger uml^er. Sie oorfic^tigen tjugger aber fteHten ben«
felben il^re jtommid an bie Seite, um baä ®elb, meld^eS fie an
ällbred^t )u forbem l^atten, fofort in @mpfang )u nel^men. @ä
ift bead^tenSwert, bag bie beiben 3ßänner, meldte in 3t<t(ien unb
S)eutfd^lanb aU bie Häupter ber 9(uf![drung gepriefen mürben,
Seo unb ^Ibred^t, bie Hauptrolle bei biefem fd^md^Ud^en ^anbel
fpielten. @8 ift bieS jugleid^ ber beutli^ftc SJemeiS bafür, baft
bie 3luf!lärung niemals eine Sieformation l^erbeigefül^rt l^ätte.
Slfbred^t gab feinen 3lbla|prebigern eine, fpäter in bie Dcffentlid^Ieit
gelangte S^ftruftion mit, in roeld^er il^nen nid^t nur für il^r per*
- 85 -
fönlt(|ed 33erl^Qlten SBorfd^riften gegeben tDUtben, bie il^te ftttlid^e
3ut)etläfftglett in fel^t )n)eifell^aftem S^te erfd^einen laffen, fonbem
in n)e(d^er 6efonbev8 aud^ bie @naben, n)el(l^e bet WAa^ genialsten
foDte, audeinonbetgefe^t n)UTben. @d jtnb beren riet, ^ie etfte
tft noDIomntene Sünbenoergebung, SBiebererlongung ber ®nabe
®otted unb Befreiung vom ^^egfeuer unter ber Sebingung, ba^
man ein ^erlnirfd^teS ^erj l^abe, (eid^te, ober eS n)enigftend 6e-
obfid^ge, baS älbenbrnol^I genieße, bie fteben Altäre ber Aird^e
befud^e nnb fünf 33aterunfer nnb älpe 3Raria bete. @ine Xa^e
von fünfunbjn^anjig big )u einem l^alben ©olbgulben, je nad^ ®tanb
unb SSemtögen, ift beigefügt. S)ie )n)eite ©nabe befielet in einem
Seid^tbrief, ber bie SBottmad^t gibt, fid^ feinen Seid^toater felbp
3U niäl^len, vaü^tt t)on aUtn jtird^enftrafen unb einmal im Seben,
fowie in ber SlobeSftunbe von bcn fd^merften SBerbred^cn abfofoieren
barf. S)ie britte ©nabe beftel^t im 3(nteil an aQen ©ütem ber
Aird^e, an ben Fürbitten unb äBallf alerten aKer jtird^engßeber;
bie mertc enbfid^ gilt ben ©eelen im gegf euer. Sebe biefer ©naben
mugte befonberä bejal^It merben, bei ben brei legten mar, mie
audbrüdHid^ bemer!t mirb, Sleue unb äSeid^te nid^t erforberlid^.
Unter ben 2lbla^prebigern mar ber betriebfamfte ber marlt*
fd^reierifd^e ©ominilanermöndj %z^d, ber fd^on feit 1502 äblafe
geprebigt, ein fittenlofer SKenfd^, ber in SnnSbrudf megen ©J^e«
brud^ä )um Xobe t)erurteilt, bann auf f^riebrid^S beS Steifen f^ür^
bitte ju lebenSlängtid^er, in Seipjig ju oerbüfeenber ©efängnisftrafe
Derurteilt, balb aber burd^ ben @influ^ J^od^gefteKter 3Ränner,
namentlid^ aud^ beS (Srgbifd^ofg ällbred^t, in ^eil^eit gefegt
morben mar.
SJBenn %t^el eine ©tabt befud^en mollte, melbete er juoor
feine Slnhmft, bamit il^m ein feiertid^er ©mpfang bereitet merbe.
3)ie ȟrgetfd^aft ftettte ftd^ in SBaffen auf, ber fHat unb bie
©d^üler gogen il^m entgegen unter bem ©eläute ber ©lodfen, mit
Salinen unb brennenben Aerjen. @r jog in reid^em 3Re|gemanbe
einiger; ein roteä Areu) mit bem päpftlid^en äSappen unb bie
pöpftlid^e Srmäd^tigung jur älbla^prebigt auf einem ©amttiffen
mürbe il^m t)orangetragen. 3)er gug ging in bie Sitd^e. 2)ort
prebigte er in ben überfd^menglid^ften Sluöbrüden t)on ber Äraft
— 86 —
beg 9l6(af(e3. 2)a§ Slbla^reuj mit bem päpftKd^en äBappen Der-
mö^e fo »icl als ß^tifti Ätcuj; fobalb bct ©tofd^cn im Äaftcn
flingc, fei bie ©eck frei unb falzte an^ bem fjegfcuer. 3)urcl^
fold^e kleben lodte er bie betl^örte ÜRenge an, unb n)enn er aud^
ber Sleue unb äSeid^te @rn)ä]^nun(; tl^at, fo gefd^al^ eä bod^ in einer
aSeife, ba^ ben 3ui^örern baä Raufen be8 9(blaf[e8 als baS SBefcnt-
lid^fte erfd^einen mu^te. ©aneben brol^te er, et wolle bcnen, bie
TOibet ben Slblafe rebeten, bie Äöpfe abreißen laffen unb fie blutig
in bie ^ötte fto^en. 3la(!^ ber ^ßrebigt t)crla8 er bie päpftlid^e
SSoIImad^t unb ftellte fid^ bann am Slbla^Iaften auf. 2)ie Seutc
lamen mit brennenben Äerjen l^eran, belanntcn il^re ©ünbcn, jal^lten
bie angefe^te %aie unb erl^ielten barauf ben „Onabenjettel".
Sutl^er l^atte t)on biefem treiben Xe^eld gel^ört, aU er im
Slpril 1516 fid^ auf einer ^nfpettionSreife in ©rimma bcfanb.
3n einer ^Prebißt am 10. S^rinitatiSfonntag fprad^ er fid^ juerft
öffentlid^ über bie Slbläffe auS, „meldte, obgleid^ fte ß^rifti unb
feiner ^eiligen SBcrbienft ftnb unb befel^alb mit aller ©l^rfurd^t
aufgenommen werben follen, bod^ jum ärgften SEBerljeug ber ^ab-
fud^t finb Qtma^t morben." SQSieberum prebigt er über ben 3lbla|
am 24. ^ebtuar 1517, lurj t)or ber großen SleliquienauSfteffung
in SQSittenberg. 2lud^ auf bem ©d^lo^ l^abc er wiber ben 3lbla^
geprebigt, bamit aber „bei feinem fjürften fd^led^te (Snabe ©crbient,
ba biefer fein ©tift aud^ fel^r lieb l^atte". 3m ^erbft beS S^l^te«
fam 3;e|el mel^r in bie Sfiäl^c t)on SBittenberg. SDie ©tabt felbft,
überl^aupt bie lurfürftlid^en Sanbe, burfte er nid^t betreten, bamit
bemjenigen 3lbla^, meld^er mit bem S3efud^ ber com Äurfürften ge^
fammelten Sleliquien cerbunben mar, fein 2lbbrud^ gcfd^el^e. 3lbcr
nad^ bem nal^e gelegenen 3iüterbodf eilten bie Seute ju il^m. %xer>eU
l^aftc 3leu^erungen beäfelben famen ju Sutl^erä D^ren, j. S. ba§
er fid^ gerül^mt l^abe, mit feinem 3lbla^ mcl^r ©eelen erlöft ju
l^aben als ber Slpoftel 5ßetruS mit feiner 5ßrcbigt. ^n ber SJeid^tc
bcfonberS mürbe JSutl^cr auf ben oerberblid^en ®influfe ^Je^clS auf«
merffam, inbem unbufefertige ©ünber, benen er bie Slbfolution'
t)ern)eigertc, fid^ auf bie gefauften Ablaßbriefe beriefen. 3lußcrbcm
ergingen an il^n Diele münblid^e unb fd^riftlid^e 3lnfragen, maS er
Don ben unerl^ orten 2luäbrüdfen, mit meldten ber 5lbla| gerül^mt
- 87 -
wctbc, benfc. 2)enn baS 2^rci6en Icftclä war fo fred^, ba^ in
dUctt ©tänbcn Sebcnicn ftd^ ctl^obcn; aber öffentlidj bagcgen auf*
gutreten tDagte ntemanb. Sutl^er aber trieb fein ®en)iffen, aSe
tnenfd^Iid^en ^tüdfid^ten, bie aud^ il^n l^ätten )um @d^n)etgen Der-
anlaffen lönnen, l^intan )u fe^en unb gegen ben ®reuel an l^eißger
©tdtte S^wgniS abzulegen. SKn ben Sifd^of von Sranbenburg,
}u beffen Sprengel SBittenberg gel^örte, fomie an anbre Sifd^öfe,
f^atte er fid^ in Briefen gen)enbet. S)en entfd^eibenben ©d^ritt
ober ti)at er am 31. DItober. ^ ber !Rad^t juDor foK ber itur-
furft fjfriebrid^ im SIraum einen 3Könd^, el^rbaren Stngefid^t«^ einen
€ol^n beä $aulu8, bem aUe ^eiligen als einem @efanbten ®otted
3eugnid gaben, gefe^en l^aben, ber ehoai an bie @d^lo^Iird^e )u
2Bittenberg fd^reibe mit fo langer %eiet, ba| pe bis Slom reidjtc,
einem Sömen, ber bort fa^r burd^d D^r ging unb an bie breifad^e
jtrone ftad^, fo ba^ biefe Don bem Raupte beS ^apfteS )U fallen
anfing. 95er SKond^ l^abe auf Sef ragen erllärt, biefe ^eber fei
t)on einer J^unbertjäl^rigen ®anS unb einer feiner @d^ullel^rer l^abe
fte i§m tjerel^rt. 35iefen ^Jraum l^abe ber Äurfürft fofort nad^
bem Srmad^en niebergefd^rieben unb erllärt, er merbe il^n nid^t
t)ergef[en, unb wenn er nod^ taufenb ^a'^xe leben foKte. Dbmol^I
aber biefer Serid^t angeblid^ auf Spalatin, ben vertrauten $ofs
prebiger beS Äurftirften, jurüdEgel^t, fo finb bod^ gegen feine ©e«
f d^id^tlid^Ieit fo mand^e Sebenicn gettenb gcmad^t roorben, ba| mir
biefel6e nid^t )u bel^aupten magen.
68 mar ber Xa^ t)or Stllerl^eifigen. 3(n biefem f^efte beging
man bie Jtird^mei^e ber @d^Io^fird^e in 3Bittenberg, mit beren
geier aud^ 3l6Iäffe perbunben maren. SKod^te auä biefem ®runbe
tine öffentlid^e 93elel^rung über ben 3(6(a^ ]e$t gerabe am $Ia|e
gu fein fd^einen, fo fd^ienen Stüdffid^ten ber Ätugl^eit fie eben jeftt
am meiften ju mibcrraten, meil baburd^ nid^t nur ber 3!e|elfd^e,
f onbem aud^ ber SBittenbergfd^e 91blafe beeinträd^tigt unb baburd^
bie Sürgerfd^aft, bie Unioerrität unb ber Rurfürft cor ben Äopf
geftofeen werben fonnten. a)ieä mar mol^l ber ®runb, roeSl^alb
Sutl^er feinen Umgebungen nid^ts von bem ©d^ritte mitteilte, ben
f r ju tl^un im SSegriffe mar. SBol^l aber ging er mit feinem ®ott
ju State: „311« id^ gu fd^reiben begann, fagte id^ ®ott mit großem
- 88 -
(Smfte; xoüUie er je ein Spiel anfangen ntit mir, ba^ er e9 oDein
für {td^ tl^dte unb 6el^üte nti<i^ hctoox, ba| er mid^ nid^t barein
menge, bod ift meine eigne SSeidl^eit/' !ßid^t unmittelbar and
aSoH woütt er ftd^ menben, benn obmo^I ein 3Reifter pof^ulärer^
Siebe, mar er bod^ nid^td meniger aU ein Agitator. SSielmel^r im
Streife ber ®elel^rten moKte er bie S3efpred^ung ber äldagfrage
anregen, unb IJieju maren lateinifd^e 2il^efen bie IJerlömmlid^e gorm.
2)abei 6eab{td^tigte aber Sutl^er nid^t eine Uo^ geleierte @rörterung,
fonbem fein 3id w^r ba« praltifd^e, bie fd^reienben SRifebröud^
beim älbla|l^anbel )u befeitigen. @o l^ielt er ed für eine ^flic^t
ber @l^r(id^Ieit, nid^t an bie Deffentlid^Ieit )u treten, ol^ne bem::
jjenigen feiner lird^Iid^ SBorgef e^ten, ber bei ber älbla^fad^e am
meiflen beteiligt mar, bem @r)bifd^of 3(Ibred^t, ÜRitteilung bat)on
)u mad^en. SKm 81. D!tober fd^eb er il^m einen Srief in Sluä^
brüdCen mönd^ifd^er Untermürfigleit gegen ben l^ol^en jtird^enfürften,
in meU^em er il^n bittet, bie ben Slbla^prebigem unter bed Sr)^
bifd^ofd Flamen, aber mol^I ol^ne fein 2Bif|en gegebene ^tiftruftion
gurüdEjunel^men, f onft tonnte ed gefd^el^en, ba| biefelbe jum ®(!^impf
für ben @r)bifd^of öffentlid^ miberlegt mürbe. 3)iefem @d^reiben
legte er feine 3;i^efen ^ur 5lenntni3nal^me bei.
2Bad er bem @rjbifd^of in 9(u8fid^t gefteHt, tl^at er nod^ an
bemfelben 2^age. SSor bem älbenbgottesbienft, nac^ anbern fd^on
mittags 12 Ul^r, fd^Iug er an ber 2^l^üre ber @d^Io|Iird^e 95 latei-
nifd^e Xl^efen an unter ber 9(uffd^rift: „3)iSputation bed
2^l^eologen Dr. 3Rartin Sutl^erg gur @rllärung ber
Äraft ber abiäffe." SBir teilen bie beaeid^nenbften biefer ©ä^e
in beutfd^er Ueberfe^ung mit: 2:i^efe 1 fagt: „Unfer §err —
miO, ba^ baS gange Seben ber ©laubigen S3u|e fei." Xbefe 2:
„©old^ SBort „8u|e" fann nid^t — t)on ber Seid^te unb ©enug«
tl^uung t)erftanben merben, meldte burd^ ber 5ßriefter Slmt geübt
wirb." 3;i^efe 5: „3)er 5Papft will nid^t unb lann ni^t irgenb
eine anbre 5ßein (©träfe) erlaflen au^er berjenigen, welci^e er
— auferlegt l^at." 2;i^efe 6: „SJer 5Papft lann leine ©djulb
»ergeben, aufeer fofem er erflärt unb beftätigt, fte fei oon ®ott
»ergeben." a;i^efe 22: „®er 5ßapji erlaßt ben ©eelen im geg*
feuer leine 5Pein, bie fie nac!^ ben lird^Iid^en ©a^ungen in biefem
- 89 -
£e6en l^ätten erleiben muffen/' Xlfe^e 26: „3)er$apft tl^ui fel^r
n)ol^I baran, ba^ er nic^t aud (9en)alt bed @d^lüffete, bie er (in
(etreff ber im t^egfeuer Sefinblid^en) gar nid^t l^at, fonbem bur(|
gürbitte ben ©eelen Mai g^t." Xljefe 27: ^©itel SWenfd^*
{el^re ift'd, ba§, fobolb ber ©rofd^en im itaften Hinge, bie @ee(e
oug bem gegf euer fliege/' 3$efe 33: ,,®el^r lauten mug manftd^
t>or benen, meld^ fagen, bed $apfted älbla^ fei jeneg unfd^ö^bare
®efd^enI®otteS,babur^beraRenfd^ ©ottDcrföl^nt werbe." %f)e^UO:
^äBal^rl^afte Sleue fud^t unb liebt bie $ein ber 93u^e, ber SHeid^«
tum bed 9(blaffed aber mad^t fte leidet unb ben)irlt, ba^ man i^v
gram merbe." 2^l^efe 41 : „SSorfid^tig foll man ben 9lbla| ))rebigen,
bomit baä äSolI nid^t meine, er merbe ben anbem guten SBerten
ber Siebe corgcjogen." 3;i^cfe42: ,3Kan foU bießl^riften leljren,
ed fei nid^t ber ®inn be3 $ap[teS, ba^ 9(bla^tauf ben äSerfen
ber SBarml^erjigfeit irgenb )u »ergleid^en fei." 2^H^ 49 : „SDlan
foa bie ß^riften lehren, ba^ bie älbläjfe beS $apfte3 ntt^Uc^
feien, fofeme man nid^t fein Vertrauen auf pe fe§e, ba| fte aber
gar fd^öblid^ merben, menn man bie ^rd^t ©otted burd^ fte t)er'
liere." 21^efe 50: „3Ran foH bie ß^riften leieren, wenn ber 5ßapft
ber älbla^prebiger ©d^inberei lennte, fo mürbe er lieber l^aben,
ba^ ®t. Cetera Jlird^ )u ^fd^e merbe, als ba^ fte mit feiner
@^afe i^aut unb S3ein gebauet merbe." ^^I^efe 60: „3)ie ©d^lilffel
ber Jlir(|e, burd^ Sl^rifti SSerbienft il^r perliel^en, ift ber ®d^a|,
oud meld^em ber $apft 9lbla| gibt." S^^efe 62: „3)er malere
&^aii ber ilird^e ift baS ^od^l^eilige @t)angelium von ber i^err?
Kd^Ieit unb ®nabe ©otte«." Sl^efe 71 : ;,2Ber miber bie aSBal^t^cit
ber apoftolifd^en Slbläffe rebet, fei oerflud^t." 3;§efe 72: „SßSer
loiber bie lofen äBorte eines SS[bla^prebigerS @orge trägt, fei
gebenebeit."
SSir feigen, ba^ Sutl^er in biefen S^^efen von bemjenigen
93egriffe auSgel^t, beffen ÜRi^oerftanb bem ganjen Slbla^mefen )u
©runbe lag, com Segriff ber 33u|e. 2)a unterfd^eibet er nun
bie Su|e im biblifd^en ©inne von ber Seiftung gemiffer Su^roerle,
maS man im lirc^tid^en ©prad^gebraud^ unter bem SSort 93u|e
©erftanb. 3P 1^^ biblifd^e Su^e baS für alle jum $eil 3lot'
menbige, fo l^at e§ ber 3lbla| augfd^lie|lid^ mit biefen SSu^merlen
— 90 -
)u tl^utt. @oIcl^e aufzulegen unb ballet an^ fte nad^julaffen, fielet
bem $apfte ju vermöge feinet ©d^lüffelgemalt, n)elcl^e {td^ ober
nur über bic Sebcnben erftrecft, roeSl^alb er auf baS ©d^itffal ber
aScrftorbencn nur mittete ber gürbitte ßinflu^ üben fann. Slber
aud^ bie Sebcnben bürfen auf beS 5ßapftc8 2lbla| roebcr il^r SSer*
tränen fc|en, nod^ meinen, pe feien burd^ benfelben von ben SBerfen
d^riftlid^er Siebe befreit. ®o mirb ber 3lblafe ni(|t oerroorfcn, aber
er wirb aa^ einem Seftanbteil ber ^eitSorbnung ju einem bloßen
©ttid ber äußeren Äird^enorbnung gemad^t, wobei Sutl^er »orauSs
fe^t, ober menigftenS rebet, ate f e^te er t)orau§, ba^ bieg aud^ be§
?JJapfie8 3Keinung t)om Stblaffe fei. 3lud^ in einer ^rebigt, meldte
Sutl^er nad^ ber gemö^nlid^en Slnnal^me an bemfelben 31. Dftober^
t)ielleid^t aber aud^ fd^on frül^er, in ber ©d^lopird^e l^ielt, lommt er
auf bie Slbtäfle ju reben. 6r f prid^t baoon in fel^r rul^iger SEBcife,
mobei er aud^ jene Unterfd^eibung mad^t ^mifd^en ber $er}en§bu^e
unb ber falramentUd^en mit il^ren Suferoerlen unb in betreff ber
le^teren befennt, er miffe nid^t, wo bie ©d^rift t)on i^r rebe.
Sutl^er l^atte nid^t beabfid^tigt, feinen 3!l^efen eine weitere SBers
breitung }u geben; waren eS ja bod^ nid^t feftftel^enbe 9ief ultate,
fonbem ©ä|e, bie nad^ feiner ^npd^t erft nod^ weiterer Srörterung
bebürftig waren. 2lber fie gaben bem SluSbrudf, wa3 fo t)iele
§ergen erfüllte, „barum tiefen pe fd^ier in pierjcl^n 3kigen burd^
ganj 95eutfd^tanb, unb in t)ier SBod^en l^atten fie fd^ier bie ganje
ei^riftenl^eit burd^Iaufen, ate wären bie ®ngel felbft SBotenläufcr/
Sei nid^t wenigen fanben fie l^erjlid^en SeifaH, fo rief Dr. %Ui
im Älofter ju ©teinlaufig, ate er bie 3^efen laS: „^ol^o, er ifi
fommen, ber eS tl^un wirb/' unb fd^rieb an Sutl^er einen ^ermun«
t^mben Srief. Se^el erntete je^t an wandten Drten ^tait be«
©elbeS ©pott. SCber gerabe in Sutl^erS Umgebung war man
crfd^rodEen über ben lül^nen ©d^ritt. ,,9BaS woHet il^r mad^en?
man wirb'S nid^t leiben", fprac^ ju il^m fein juribifd^er fj^eunb
unb ÄoHege ©d^urf. SDie Sluguftinermond^e infonberl^eit, bie
pd^ l&ol^er päpftlid^er ®unft erfreuten unb bal^er bem ?|iapfhum
fel^r ergeben waren, entfetten fid^ über bie Rül^nl^eit il^re« DrbenS*
bruberg unb fürd^teten, wenn er brennen mti^te, fo möd^te ba«
bem ganjen Drben ^wm ©d^impf gereid^en unb ben S)ominifancni
— 91 -
9SetanIaf[ung ju fd^abenftol^em $ol^ne geben. 3lnä) auf bie ^ilfe
feines Äurfürften lonnte er nid^t red^nen, benn mod^tc e« bicfem
aud^ emünfd^t fein, ba^ bem 9tb(a^l^anbel Xe^efö, burd^ n)eld^en
fo Diel (Selb feinen Untertl^anen abgenommen mutbe, Slbbrud^
getl^an morben mar, fo lonnte bod^ ein Stngriff auf ben 9(blag
überl^aupt, mie er oon Sutl^er ausgegangen mar, einem f^rften,
ber felbft ben 3lbla^ in feinem fianbe beförberte, nid^t crmünfd^t
fein. @o ftanb Sutl^er, menn aud^ im ^erjen i^m nod^ fo oiele
juftimmen mod^ten, allein auf bem Jtampfpla|. 3^^ 3)idputation
über feine 3)^efen lam eS nid^t, ba lein ©egner bie ^erauSfor-
berung annal^m; nur um fo mel^r aber mürben biefelben SBer«
anlaffung ju anbermeitigen Singriffen auf il§n. 6r felbft mar
über baS äluffel^en, bad fein SBort gemad^t, erfd^rod(en, baju burd^
leibftd^e @d^mäc^e l^eruntergeftimmt. 9iid^t bad ®efül^l ber eigenen
Äraft, mie eS bie SBelt oon i^ren gelben erwartet, unb mie man
eS mol^l aud^ Sutl^er angebic^tet l^at, erfüllte il^n, oielmel^r ift
aud^ il^m bie @rfal^rung nid^t erfpart geblieben, meldte ber 9lpoftel
Paulus mad^en mu^te, ba ber ^err ju i^m fprad^: „2ai bir
an meiner ®nabe genügen, benn in ber ©d^mad^l^cit oollenbet fid^
meine Äraft." Slber fein ©ottoertrauen balf i^m burd^: „3ft*8
in ©einem 5Ramen angefangen," fprad^ er gu feinen DrbenSs
brübem, „fo lafet benf eibigen mad^en." 3)iefe8 ©ottoertrauen gab
il^m ben 9Rut, fid^ um biefe S^xi aU ©ruber ®Ieutl^eriu§ , b. 1^.
ber fjreie, in feinen ©riefen ju untcrgeid^nen. 3^^^ Erläuterung
feiner S^l^efen fd^rieb er für baS SBolI feinen ©ermon oon 31 b-
la§ unb ©nabe, beffen SBeröffentlid^ung er aber auf ben SBunfdJ
feines Sifd^ofS J^inauSfd^ob, fo ba| er erft im ^üj^jal^r 1518 oer^
breitet mürbe. 3n populärer SBeife geigt er l^ier, bafe bie gött-
lid^e ©ered^tigleit !eine ©enugtl^uung begehre, benn allein ^erglid^e
unb malere Steue mit SSorfa^, baS Slreuj Sl^rifti }u tragen unb
gute SBerle gu üben. @8 fei ein großer ^rrtum, fo jemanb meine,
er motte genug t^un für feine ©ünben, fo bod^ ©ott biefelben
umfonft avL^ unfd^ä^lid^er ©nabe oergci^e. 2)er Slblafe fei nid^t
geboten, fonbern nur gugelaffcn um ber faulen ß^riften mitten,
bie ftd^ nid^t motten fedftid^ üben in guten SBerfen. SBor atten
Singen f ott man feinem armen Jläd^ften geben ; ift niemanb mel^r
- 92 —
in bcr ©tabt, tDcId^cr bcr ©ilfc bebatf, fo fott man geben für bte
ftivd^e in bet eigenen @tabt, unb wenn baS nid^t mel^t not ift,
bann erft }u bem @e6ftube @t. $eterd, unb oud^ bad nid^t um
9(bla^ n)illen. „3&ex anberS fagt, bet Detfül^tt bid^ unb fud^t beine
®eel in beinern Seutel, unb fänbe er einen Pfennig brinnen,
bad n)äre i^m lieber ald aEe @eelen!''
3n)n)ifd^en n>aren t)on feiten ber 3)ominiIaner bie erften
Eingriffe auf Sutl^er« erfolgt. ÜBaren jte aü 9(nl^änger bed ^eiligen
Xf^oma^ t)on 3(quino, ber t)on ber ®etoalt bed ^apfted unb oon
ber Jtraft beS älblafteS bie überfd^n>engltd^ften älnjtd^ten aud^
gefprod^en l^atte, an fid^ fd^on im entfd^iebenften ©egenfo^ gegen
Sut^erS Xf^efien, fo fül^Iten jte jtd^ burd^ i^re @iferfud^t gegen
bie 3(uguftiner unb bie ®d^mad^, n>eld^e il^rem Orbendbruber
2^e^el n>iberfal^ren max, nod^ befonberd aufgeforbert , gegen il^n
aufzutreten, ^e^el felbft l^atte in ^^antfurt a. D. jtd^ bie tl^eo-
logifd^e 3)oItom)ürbe enoorben unb auS bief er SSeranlojfung 3^efen
über ben älbla^ oeröffentlid^t, in n)eld^en jene älnfd^uung beS
1^1. Stomas ium älugbrudt tarn, oon n)eld^en aber, n>ie Sutl^er
vermutete, nid^t Xeijd fonbem ber ^^anffurter $rofef[or jtonrab
ÜBimpina ber 93erfaf[er mar. 3(ud^ bie 3)ominifaner am pöpft-
lid^en $ofe nal^men fidf) ber ©ad^e an. ©iloefter ^PrieriaS,
3)Iagifter be$ ^eiligen $aIafteS, meldten ber $apffc )um ^nqui-
fttor befteEt ^otte, bel^anbelt in feinem „Dialogus" bie @ä$e
Sutl^erd in abfpred^enbem 3^one t)om ©tanbpunfte ber päpftlid^en
Unfel^Ibarleit au^. Sutl^er erfd^radt, als er fa^, ba^ fein 9luf'
treten aud^ am päpftlid^en $ofe äluffel^en erregt ^atte; als er aber
bie ©d^rift gelefen unb bie 9lid^tigfeit i^rer Darlegung ertannt
l^atte, berul^igte er fid^ mieber.
@r badete nid^t baran, bie literarifd^e f^el^be fortgufe^en, benn
um ©treit mar eS il^m fo menig }u tl^un, ba^ er ed in einer
$rebigt mißbilligte, als bie ©tubenten in SBittenberg S^e^elS
il^efen öffentlid^ oerbrannten. 3n ber ©tille arbeitete er weiter.
Snjmifd^en mar ein neuer @egner aufgetreten in ber $erfon
beS geleierten Dr. 6d( in ^ngolftabt. @rft oor turjem f^aiie eS
gefd^ienen, als ob gmifd^en il^m unb Sut^er ein freunbfd^aftlid^eS
Serl^ältniS jtd^ bilben moSe, unb nun verbreitete er unter ber
— 93 —
$anb feine ,,06eltdlen'' (ba« 98ort bebeutet bie fleinen Pfeile, mit
betten man in Süd^em auf bie Derb&d^tigen SteDen aufmetffont
machte); b. 1^. 3(nmerfungen }u Sutl^erd 3^^efen, n)orin er i§m
oonoitft; ba^ er bad ®ift Bö^mif d^er fte^erei ausbreite , unb i^n
als einen SRann bed Umfturjed l^infteOt. (Segen biefen Sonourf
vexxoafjxi fx^ Sutl^er in feinen 3(fteridfen (b. 1^. Stemd^en,
bad S^^m, burd^ n)eld^ed im Sud^brudt auf eine älnmerlung Der«
toiefen mirb), in meldten er bem fd^olaftifd^en ©tanbpunft @d(iS
gegenüber auf bie l^eilige @d^rift unb auf bie ^eiligen SSäter jtc^
beruft. @tma um biefelbe S^it, b. 1^. im 3(uguft 1518 erfd^eint
feine augfül^rlid^fteSd^riftüber bie Slbla^frage, bie Stefolutionen.
$ier merben bie 95 Xl^efen eingel^enb erläutert unb begrünbet.
93ei genauerer Setrad^tung aber geigt ed fid^, ba^ Sut§er feit älb«
faffung berfelben an e^angelifd^er @rlenntnig unb illarl^eit ge«
toad^fen ift. ^ti^t mirb, maS in ben 3^§efen nod^ nid^t gefd^el^en
toar, ber ©laube in Segiel^ung }ur 9lbla^frage gebrad^t. $atte
Sutl^er in ben ^efen aU 93ebingung ber göttlid^en SSergebung
bie emftlid^e Sleue geforbert, fo n)irb ^ier ber größte 9lad^brud^
barauf gelegt, ba^ ber @Iaube SSergebung ber @ünbe erlange,
unb biefer (Slaube n)irb in ed^t eoangelifd^er üBeife befd^rieben,
nid^t aH baä ^ürmal^rl^alten ber f ird^Iid^en Seigre, fonbern als bad
SSertrauen bed reumütigen SünberS auf ©otted SSerl^ei^ung unb
bie äBunben 6§rifti. 9lur auf biefem 3Bege gelange man )ur
©eroi^l^eit ber Vergebung, benn bie eigene 3^wM<$wng laffe
immer mieber bem S^^if^ 9laum, ob fie genügenb fei. ^benfo«
menig fei bie 9luf)öl^lung ber einzelnen @ünben in ber 93eid^te
S3ebingung ber göttlid^en SSergebung, ba biefelbe ja unmöglid^ fei.
SBenigcr cntfd^iebcn lauten feine 9Borte in betreff beä SSerJ^öIt?
niffed ber priefterlid^en älbfolution )ur göttlid^en SSergebung. SHe
9(bfolution, auf bieg fommt er in ber ^auptfad^e l^inaud, foS uniS
ber Vergebung, meldte ber @Iaube mirlt, gemi^ mad^en. Sie
erfolgt permöge be$ 3Borted ber SSerl^ei^ung : ,,38a3 bu auf @rben
löfen mirft u. f. m.," unb nur wenn mir biefer SSerl^ei^ung trauen,
fann bie fird^Iid^e Slbfolution und etmaS l^elfen. Dl^ne @Iauben
l^elfen bie ©alramente nid^t )um $eil. — $atte Sutl^er femer in
ben ^efen einen aud ben 9$erbien{iten Sl^rifti unb ber ^eiligen
— 94 —
befte^enben, ber Stxx^e )uv 9}erf ügung überlaffenen ®nabenfd^$ an-
erlannt, fo ift baS in bev 9lefoIution nid^t mel^r bet %aU, ;,benn/'
fagt er, „lein ^eiliger f^ait bie ©ebote ®otte$ ganj erfüQt, nod^
weniger lonne ba^er von übetflüfftgen guten äSerlen ber ^eiligen
bie SRebe fein/ — Ict päpftlid^c äbla^ an ftd^ wirb oud^ l^ier
nod^ nid^t nerrootfen; aber nur cax^ fd^ulbigem ©el^orfam, n)ei[ man
bet päpftlid^en älutoritöt el^rfurd^töooll n>eicl^en muffe, feien bie
ftommiffäre beS päpftlid^en 3(6laf[e8 )u)ulaffen. ©d^lie^lid^ tommt
er )u bem SrgebniS, ba| bie jtird^e einer Sieformation bebürfe,
meÜ^e l^erbeijufü^ren aber nid^t bie @ad^e eined ^apfted ober
eined Jtonjifö fonbern ©otted felbft fei, ber aud^ bie redete 3^^
baju lenne. 9lid^t blo^ burd^ bie rid^tigere, fonfequentere ^ffung
einzelner Se^rpunlte bejeid^nen übrigend biefe SRefoIutionen einen
Sortfd^ritt, fonbern namentlid^ aud^ baburd^, ba^ bie Slbla^frage
gu ber gangen d^riftlid^en ^eitele^re in Sejie^ung gefegt n>irb
unb f d^on bie 3(l^nung aufbämmert, bief elbe lönnte gur SRef ormation
ber Aird^e überhaupt fül^ren.
9lod^ aber badete Sut^er fo n)enig an einen 93rud^ mit bem
5ßapfte, ba| er bemfelben biefe ©d^rift mibmete, fte i^m burd^
@taupi^ überreid^en lie^ unb eine 3ufd^rift an il^n beifügte. @r
vmval^xi {td^ barin gegen bie SSerleumbungen, bie aud^ nad^
9lom gebrungen feien, als märe er ein @r)Ie^er; bann geigt er,
mie er gu feinem 2luftreten genötigt morben fei, unb erflärt,
ba^ er nid^t miberrufen fönne. 3ug(eid^ aber begeugt er: „@ure
Stimme merbe id^ al3 Stimme S^rifti, ber in eud^ regiert unb
rebet, anerlennen. Qaie id^ ben %o\> oerbient, fo meigere id^
mid^ nid^t, gu fterben, benn bie @rbe ift bed $erm unb mad
barin ift."
9Bie finb biefe SSorte Sut^erd gu oerftel^en? Sprid^t aud
il^nen eine Ileinmütige Untermürfigleit, mie man oon ber einen
@eite bel^auptet ^at, ober enthalten fie eine trügerifd^e 3uf^S^f
meldte Sutl^er nad^l^er gebrod^en l^ätte, mie i§m anbre oormerf en ?
9Bir glauben leined oon beiben. 3)a^ Sut^er bie äSo^r^eit feiner
Seigren oon bem päpftlid^en Urteil §ätte abl^ängig gemalt, booon
fte^t ^ier lein 98ort, baS mürbe aud^ bem miberfpred^en, maS er
oon ber Unmöglid^feit beS 3Biberruf§ fagt. 3l\xx fein Seben über-
— 95 —
lägt ex ber päpftUd^en Sntfd^eibung. Senn et toax ü^erjeugt;
ba| £eo X., ber ftd^ Sieud^Knd angenommen l^atte, ben Stimmen
ber ^anatifet, mie beS Jte^evtid^terg ^oogftraten in Stöln, lein
©el^ör fd^enlen merbe, meS^alb Sutl^er aud^ auf eine Sd^rift beS
leiteten, morin er bie Einleitung beS jte^erpvojeffeiS gegen i^n
verlangte, nur lur) unb im 3^one tieffter @ntrüftung antmortete.
@egen ^^e^el, ber feinen @ermon Don 9lbla| unb ®nabe
angegriffen ^atte, rid^tete er, ol^ne jebod^ bef(en 9iamen ju nennen,
bie in berbem 3^one abgefaßte @d^rift: „^eil^eit be$ Sermond
päpftlid^en 9lbla| unb ©nabe belangenb'^ morin er nid^t nur bie
fed^S Don 3^e^el Dorgebrad^ten ©rünbe n>iber[egt, fonbern aud^
ben ^e^emamen jurüdfiDeift, ba ein jte^er nur fei, ber bie ®tüd(e
nid^t glaubt, bie gu glauben not unb geboten fmb, mö^renb bod^
bie ©egner felbft gefte^en, bag ber 9lbla| nid^t geboten, aud^ nid^t
not fei jur ©eligfeit. S^m ©d^Iu| nimmt er Rurfürft griebrid^
gegen ben SSormurf in ®d^u$, ba| er d^riftlid^er 3Sa§rl^eit )um
giad^teil Sut^er fd^ü^e.
SOSäl^renb biefer @treitigfeiten über ben Slblag mar Sutl^er
Deranlagt, einer 3SerfammIung ber beutfd^en 3luguftiner in Reibet
berg anjumo^nen. %xoii ber Sefürd^tungen feiner fj^eunbe
untemal^m er im ©e^orfam gegen feine Drbendobem bie Sleife,
Derfel^en mit einem ©eleitfd^reiben beS jturfürften. 9iad^ bem
11. aipril reifte er ju gug in Begleitung cineS 35oten t)on SBitten-
berg ab, mit fo menig ®clb cerfel^cn, bag er nid^t einmal ben
Soten be^a^len fonnte. SSon äBürjburg au3, mo er am 17. älpril
angelangt unb oon bem S3ifd^of aufg freunblid^fte aufgenommen
morben mar, fe^te er bie Sleife in ©efettfd^aft anberer 2luguftiner=
mönd^e ju 3Bagen fort unb fam etma am 21. älpril in Reibet-
berg an. ®roge ®unft erfuhr er l^ier t)on bem 5ßfaljgrafen SBolf^
gang, ber, weil er in SBittenberg ftubiert l^atte unb 1515 lum
Steltor ber bortigen Unioerfität gemault morben mar, ju ben
SBittcnbergem eine befonbere Swneigung l^atte. Slm 26. 3lpril^
als bie SSerl^anblungen beS 3luguftinerIont)ent3 gefd^lofjen maren,
fanb, mie baS aud^ fonft bei Rapiteläoerfammlungen gefd^a^, eine
3)iäputation im ^örfaale beä ÄlofterS \iatt Sutl^er i?erteibigte
eine älngal^l Don 2^l^efen, meldte er über bie oon il§m geleierte
— 96 -
^^eologie abgefaßt, unb benen er einige @ä$e aud ber $l^ilo«
fop^ie angel^ängt l^atte.
Diefe 3)idputation tDurbe baS ÜRittel, aud^ in Sfibbeutfd^-
lanb feiner Ba^e ©ngang ju cerfc^affen. gaft olle gul^örer
würben t)on Serounberung fortgeriffen, fo bafe ber 5PfaIjgraf in
einem ©einreiben an ben Äurfürften bezeugen fonnte: „Dr. SWar^
tinud l^at ftd^ alfo gefd^idt gel^alten, ba| er nit ein ftein Sob
@uer Siebben Uniüerfttät gemacht ^at. @9 n)urbe il^m auc§ groger
$reiS t)on Dielen geleierten Seuten nad^gefagt". ^Ramentlid^ bie
ölabemifd^e SwQ^^b l^orte i^n mit Segeifterung. Unter berfelben
toaxen t)ier junge SRönner, n^eld^e infolge ber bamafö erl^altenen
Slnregung f pöter ^Mitarbeiter Sutl^erS gen)orben ftnb, nSmlid^ 3 ^'
f)ann Sren), nad^mafö Sleformator von &ä)wäbi\if'QQXi unb
um bie S3egrünbung ber eoangelifd^en Jtird^e im $er)ogtum SBürttem?
berg j^od^oerbient; ßrl^arb ©d^nepf, weld^er bei ber erften @xn^
fü^rung ber Sieformation in SBürttemberg bie lutj^erifd^e Se^re
oertrat; Sll^eobor SiUican, ber ^Reformator oon 9lörblingen,
unb üJlartin Su^er, einer ber erften ^rebiger beg @DangeKum3
in Strasburg.
3(uf ber 9Uid^eife fud^te Sut^er mit feinen beiben alten
Seigrem Ufingen unb Xrutoetter, n)eldee in ben oon i^m einge-
fd^Iagenen 3Beg ftd^ nid^t gu finben mußten, fid^ )u oerftänbigen,
aber oergebenS. 9lm 15. üJlai traf er mieber in 3Bittenberg ein.
2mt\U» üiapifef.
Sie benfen nnv, wie fit i^n bdmpfen.
Pf* 62, 6.
'^apft Seo X., ein ©ol^n beS ^od^gebilbeten, für baiS
gried^ifd^e SCItertum fd^märmenben gürften oon Slorenj, Sorenjo
oon SKebici, unb fd^on oermoge biefer Slbftammung ein Sln^änger ber
l^umaniftifd^en (Seiftedrid^tung unb ^^reunb ber ©elel^rten, l^atte aud^
gegen fel^r freiftnnige t^eologifd^eälnfideten nid^ts eingumenben, menn
nur baä papftßd^e Slnfel^en unangetaflet blieb. 3)ie $o^eit feiner
— 97 -
@teDung red^t ju getrieben, log il^m am meiften am ^erjen. 3)ie
SBal^rl^eit toar il^m nur ein ©egenftanb geiftreid^en @piels, ntd^t
eine ÜRad^t über bie ®en)i{fen. IXeSer bie ^^ef en Sutl^erd öu^erte er
fid^ ieiü Deräd^tlid^ aU über baS äSerl eineiS trunfenen 3)eutfcl^en,
teils erlannte er bie Begabung Sutl^erS an unb fal^ im ganjen 9(bla^s
flteite nur einen S^xd neibifd^er 3RBnd^e, bem er baburd^ meinte
ein @nbe mad^en }u f önnen, ba^ er bem gum DrbenSgeneral ber
^ugufHner bestimmten (Sabriel von SSenebig ben 9(uftrag gab, ben
^önd§ gum @d^n)etgen }u bringen. %Ü aber Sutl^er in feinen
Sel^auptungen n)eiter ging, bie 9en)egung in 2)eutfd^lanb ftd^ auS$
breitete unb bie ®egner a\x^ bem 3)ominiIanerorben, namentlid^
$rieria3, )u entfd^iebenerem Siorgel^en aufforberten, ba lie^ er
gegen il^n ben förmlid^en jte^erproje^ einleiten* ^n ber mit
^ü^rung begfelben beauftragten Aommiffton l^atte ^rieriaS bie
mflu^reid^fte ©timme. Sut§er erl^iclt am 7. 3lugufk bie Sluf?
forberung, fx6) binnen fed^jig S^agen in SRom ju fteffen. Sluf jebe
SBeife fud^te man ben fturfürften )u bemegen, ba^ er il^m feinen
B^uij entgiel^e unb il^n )ur Unterfud^ung feiner @ad^e nad^
Stom abfül^ren laffe. Um il^n miEiger )u mad^en, lie^ man ben
Jturfürften unter ber iganb n)if[en, ba^ il^m ber $apft bie golbne
dtofe )u überfenben gebenle, ein t)on ben ^rften l^od^gead^teted
Seid^en papftfid^er ©cmogenl^eit. Der Äurfürft aber münfd^te, ba^
£utl^er3 @ad^e in 3)eutfd^Ianb entfd^ieben xoexiz, unb n)U^te ben
pöpftßd^en Segaten bal^in ju beftimmen, ba^ er benfelben nad^
kugSburg Dorlub.
@d^on im ^l^jal^r 1518 nämßd^ l^atte ber $apft ben jtar-
t>inal Xffoma^ SSio t)on ®acia, gen)öl^nlid^ Sajetan genannt, als
feinen Segaten nad^ 2)eutf(^Ianb gefd^idCt, um ben jtaifer unb baS
Sleid^ jum Xürlenirieg )u ben^egen, bie S3ö^men DoDenbä in ben
®^o^ ber jtird^e )urüd(}uf ül^ren unb benad^barte ®ebiete oom @ift
ber Äe^erei ju reinigen. 3)a^ bieä auf Sutl^er 35ejug l^atte, ift
Ttid^t gu bejmeifeln. 3luf bem Sleid^Stag, meldten Äaifer SDlajimilian
itad^ 3Cuggburg berufen l^atte, um roegen beS S^ürlentriegeS )u
t)erl^anbeln; fanb ftd^ aud^ (S,a\etan ein unb fud^te ben Itaifer gegen
Sut^er einzunehmen. 3Ra£imiItan aber beobachtete eine gumartenbe
Haltung unb Iie| , »äl^renb er Sutl^erS „fürroi^igeS 3)i8putiercn"
Surf, Sut^er. 8. %u% 7
- 98 --
mifbiKigte, ben jturfürften t)on Sod^fen n)if[en, er foKe ben äRond^
fleißig ittoaf^xtnf toeil man feiner meSeid^t einmal bebürfe.
äB&l^renb fo baiS ®en)itter über feinem Raupte ^ )ufammen«
)og, ging Sut^er ffciU feines SBegeS. 3^ einer je^t erft oeröff entlid^ten
Entgegnung auf ben 2)ialog bed ^rieriad fprid^t er 6ä^e oud, n>eld^e
geigen, ba^ feine Stellung gu ber jtird^e unb i^rer älutorität fxd) )u
änbem begonnen ^atit. Smax gefte^t er gu, ba^ bie totl^olifd^e^
römifd^e jtird^e ben redeten ®lauben l^abe, nad^ tod^tm fid^ bet
(Slaube aSer Si^riften rid^ten foSe, unb ba^ er felbft ein fte^er
fein n^erbe, votnn er, nad^bem bie Jtird^e entfd^ieben ^aben werbe,
ftd^ nid^t baran l^alte; aber er fd^reibt boc^, unter Berufung auf
äluguftin, nur ber l^eiligen Sd^tift Unfe^Ibarleit )u, ja er fprid^t
gerabe)u au^, ba^ fon)ol^l ber^apft olg ein jtongilirrenlö nne.
3m Sßorgefü^I beffen, roaS il^m beoorftanb, t)eröffentlid^te er ba^
mafö aud^ eine fd^on früher gel^altene $rebigt über bie ftraft
bed SanneS. @r fül^rt barin au3, ba| ber 93ann nur aud ber
äu^erlic^ Itird^engemeinfd^aft auSfd^Iie^e, bie innere geijitKd^e ©e^
meinfd^aft mit ©Ott unb ben ©laubigen aber fönne nur ©ott
ent}iel^en, n)ie aud^ er aSein fte geben lönne. 3)er tird^Iid^e 93ana
f)at bemnad^ feine S3ered^tigung nur atö Sludbrudt ber fd^on ein-
getretenen Trennung t)on ber ©emeinfd^aft mit ©ott. Ueber mea
er bagegen um einer geredeten @ad^e miSen oudgefprod^en mirb,
ber ift nid^t oerbammt, fonbem feiig, ift aber oerpflid^tet, benfelben
mie ein anbreS Unglüdt gebulbig )u ertragen.
S)emgemä^ l^anbelte er aud^, als er nad^ älugSburg t)orgeIaben
mar. ©eine greunbe befürd^teten für il^n ba8 ©d^Iimmfte. ©taupi^
fd^rieb an il^n t)on ©aljburg auS: ,;3<$ f^^^ nid^tS, maS beiner
roartet, als baS Ärcug. 3Dleine SKeinung ift, bu foffteft SBittcn*
berg jur 3cit »erlaffen unb ju mir fommen, bamit mir miteinanbet
leben unb fterben." §ielt man il^n nid^t einmal in SBittcnbcrg
für Mer, fo nod^ oicl weniger, wenn er nad^ SlugSburg reijic»
äSon aUm ©eiten mürbe il^m abgeraten, ber SSorlabung ju folgen,
benn ©d^mert unb ©ift brol^e il^m fd^on unterwegs. Unb er felbft
war nid^t ol^ne ^rd^t. 6r geftel^t fpöter, baft ber ©ebanle „nun
mufe id^ fterben" il^n erfüllt l^abe, ber ©d^iterl^aufen unb bie
©c^anbe, weld^e er burd^ einen fold^en S^ob feinen „lieben ßltem^
— 99 —
ant^uc, xf)m immer vox bcr ©cclc flcftanbcn fei. SBSie »iel ®ntnb
iu fold^en 93efütd^tungen xoax, feigen n)it barauS, ba^ fd^on om
25. Sluguft ber Drbcnäöeneral ber STuguftiner, ©oBriel SenetuS,
mit Berufung auf ein päpftlid^ed 93ret)e bem fäd^ftfd^en ^rooinjial
§ecfer bei SSerlufi aUet feinet SBtirben befol^Ien f)atte, ben Sruber
SKartin 2ut§et einferlem ju laffen unb an ©änben unb %ü%m
gefeffelt bem ^apfte jut Verfügung im ©emal^rfam )u l^alten.
äSon ©d^ritten, meldte $eder batauf l^in gegen Sut^er getl^an l^ätte,
ift und nid^tä belannt. 3)iefer felbft )og im ©el^orfam gegen ben
Jturfütften unb im SSertrauen auf ®ott gen 9(ugg(urg. Untev:;
wegS prebigte er am SKid^aeßfitage (29. ©eptember) vox bem Äur^
fürften in ber Sd^Io^IapeSe ju 3Beimar unb mürbe von biefem
mit bem nötigen Sleifegelb Derfe^en. ^n ^Begleitung beS Slugus
ftinerbruberS i8eon§arb Saier manberte er ju gul meiter über
Slümberg, wo er t)on feinem greunbe Sinf eine beffere Äutte ent^
leJ^nte, mu^te bann aber einige Stunben vox 9lugSburg megen
(eiblid^er ©d^mäd^e einen 3Bagen nehmen, ©d^mere ©ebanlen
peinigten il^n, SBarnungen von ^reunben famen i^m )u. SBieberum
trat er nid^t in l^elbenmä^iger Ocftalt auf ben Äampfpla^, aber
;,aud^ in SlugSburg, aud^ inmitten feiner geinbe l^errfd^t 3^«^
ßl^riftuS. ßl^riftuS lebe, 3DlartinuS fterbe." 3)amit fc^Iug er alle
Sebenfen nieber.
am 7. Dltober langte er in STugSburg an. ©eine 3lnlunft
erregte Sluffel^en, affeS l^abe ben §eroftratu§ feigen motten, ber einen
fo großen Sranb angeftiftet ^(Jb^, erjäl^lt er fclbft. Uebrigend
fel^Ite e§ aud^ nid^t an einflu^reid^en 9Rännem, meldte il^m günftig
gefinnt maren. S)iefe rieten il^m, ftd^ nid^t jum Äarbinal ju be*
geben, cl^e er einen faiferlid^en ©eleitsbrief l^ätte. 3)al^er t)erjögerte
ftd^ bie äubienj um einige Sage. Sin itafienifd^er Begleiter
ßajjetanS freilid^ gab Sutl^er ben dtat, fofort vox bem Äarbinat
ju erfd^einen unb burd^ bie fed^ä Sud^ftaben „revoco", b. 1^. id^
miberrufe, affeS inS Sleine ju bringen; benn unmal^re ©ä^e bem
38olfe »orjutragen, menn fte (Selb eintragen, fei nid^tS Unred^teS.
3ugleid^ fud^te er il^n gu fd^redfen, inbem er il^m t)orl^ieIt, er fotte
\a nid^ meinen, ber Äurfilrft werbe um feinetmiffen gu ben SBaff cn
greifen. 3ttS Sutl^er entgegnete, ba^ er baS nid^t einmal münfd^c^
- 100 —
fo fragte jener: „SBo wollt il^r bann Metben?" — „Unter bem
^immel", erroibcrte Sutl^er,
Stad^bem er am 11. DltoBcr ben laiferüd^en ®elett«6ricf cts
l^alten, erfd^ien er am 12. t)or Sajetan. 3)er ilarmeliterprior ^ofd^
mit }mei feiner ^önd^e unb fein f^reunb SinI famt einem anbem
äCuguftiner begleiteten i^. Wit größter Untermürftgfeit fiel er t^or
bem jtarbinal auf 3 9(ngeficl^t nieber unb erl^ob fid^ erft auf bie n^ieber^
l^olte 9luf forberung bedfelben. Sajetan empfing il^n freunbUd^^ Der?
langte aber ben SBiberruf feiner 3n:tümer, inbem er erllärte, aufd
2)idputieren fid^ nid^t einjulaffen. Darauf bejeid^nete (Sajetan mit
SBeifeitelaffung aSeS anbern aH jmei fold^e 3^^^nter, ba| Sut^er
im SEBiberfprud^ mit einer SBuIIe beS ^ßopfteä ßlemenS VI. baS
SBerbienft ß^rifti von bem ©d|a^ beS SlblaffeS untcrfd^eibe, unb
ba| er ben @egen beS @aframentd vom ©lauben abl^dngig mad^e,
mäl^renb bod^ jcber, ber baS ©aframent empfange, ungewife fei,
ob er ®nabe erlange. 3)iefcr jmeite ^Punft mar für Sutl^er, bem
bie ©emi^^eit beS $eil§ oor aÖem am ^erjen lag, ber mid^tigere.
älber feiner Berufung auf bie l^eilige ©d^rift l^ielt Sajetan bie
fd^olaftifd^en 93el^auptungen entgegen unb geriet in nid^t geringen
3om, als Sutl^er erllärte, jene SSutte oerbrel^e ben ©inn ber
l^eiligen ©d^rift. ©o lam man ju feinem Ergebnis. S^le^t erbat
fid^ Sutl^cr 3rit gu weiterer Uebcriegung. Slbcr fd^on am folgenben
^ge erfc^ien er mieber oor bem ^arbinal, bieSmal in ber Se-
gleitung oon ©taupil, ber ingmifd^en in äluggburg eingetroffen
mar. ßajetan erf lärte il^m, er motte nid^t mit il^m ftreiten, f onbem
i^n avL^ StüdEjtd^t auf ben Äurfürften oäterlid^ l^ören, belel^ren unb
ermal^nen, geftattete bann aber auf bie ^ilrbitte be§ ©taupi^, ha%
Sutl^cr ftd^ in betreff jener beiben ?ßunlte fc^riftlid^ rechtfertige.
3)iefe Sled^tfertigung, in mcld^er er oon feinen Behauptungen nid^t
baS ©cringfte jurüdEnal^m, ja fid| nod^ entfd^icbener über bie SWög*
lid^feit, ba^ ber $apft irre, unb über baS Siedet jebeS S^riften,
bie päpftlid^en @ntfd^eibungen an ber ©d^rift gu prüfen, auSfprad^,
überreid^te er bem Äarbinal am 14. DItober. S)iefer oerfprad^,
fie nad^ dtom ju fd^idfen, mieberl^olte aber feine f^orberung bed
SBiberrufS unb fud^te Sutl^er in einer langen Siebe ju miberlegen.
S33enn biefer ein SQSort ermibem wollte, bonnerte er i^n nieber
- 101 —
unb erllätte, nad^betn nod^ mand^e Sieben in erregtem Xone ge^
tot^^elt roaxen, xotnn Sutl^er nid^t fogleid^ miberrufe ober in 9tom
ftd^ fteKe, fo n)erbe er über il^n unb feine 3(nl^änger ben Sann
unb über aUe, }u benen er jtd^ tttoa n)enbe, bad S^terbift an^^
finred^en, n>o)u er vom päpftlid^en @tul^Ie fd^on ben 3(uftrag l^abe.
@nblid^ fd^Io^ er mit ben äSorten: „®ef)\ n)iberrufe, ober lomm
mir nid^t n)ieber vor bie SKugen.^ 9lm 9tad|mittage berief Sajetan
ben @taupi$ unb n^oSte burd^ biefen Sutl^er ivm 3Biberruf ben)egen
laffen, @taupi^ aber lehnte ben Sluftrag ab unb fd^lug vor, ber
jtarbinal möge felbft nod^ einmal mitbemfelben Derl^anbeln, n)orauf
^ieian bie befannten SEBorte erroiberte: „3><$ roitt nid^t weiter mit
biefcr SSeftie reben, benn er ^at tiefe Slugen unb munberbare ©pe?
fulationen in feinem Äopfe." SSerfud^e einer SJermittelung, meldte
Staupi^ unb SinI ma^Un, l^atten feinen @rfoIg, unb am 16.
Derlie^en beibe älugSburg, ba fte gen)amt morben maren, ba^ aud^
il^nen @efal^r brol^e. 3ut)or aber entbanb @taupi^ Sutl^er Don ber
Drbenäregel, bamit il^m ber ^jJapft nid^t mit Berufung auf ben oon i§m
gelobten Stönd^Sgel^orfam @tiQf d^meigen auferlegen lönne, unb bamit
Sutl^erS äluftreten bem äluguftinerorben nid^t jur Saft gelegt n)erbe.
Sutl^er blieb in älugSburg gurüdC. 3^ großer @tärfung in
biefer gefäl^rlid^en Sage gereichte il^m baä SQSort beä ©taupift, ba8
er afö ©timme t)on oben aufnal^m: „©ebenfc Sruber, bafe bu
bicfe§ im Flamen unfreä ©cnn Qefu ßl^rifti angefangen l^aft."
@r legte in feierlid^er SBeife oor einem 9lotar unb S^Q^n eine
älppeÖation oon bem übel unterrid^teten Zapfte an ben beffer ^u
unterrid^tenben nieber, morin er bat, ^taii in 3lom, mo er feines
Sebend nid^t fidler möre, unb vor 9lid^tem, meldte teils bie ©ad^e
nid^t »erftel^en, teifö im »orauS miber il^n eingenommen feien,
oielmel^r an einem fid^ern Drte burd^ rcd^tfd^affene päpftlid^e Rom*
miffäre uemommen ju werben, unb fd^Iic|Iid^ bem 5ßapft feine
oöBige Untermürfigfeit bezeugte. Slud^ an ben Äarbinat rid^tcte
er gmci 8riefc, morin er um SSerjeil^ung bittet mcgen ber §cftigleit,
jtt mcld^er er fid^ l^abe l^inrei^cn laffen, babei aber auf feiner
ÜReinung be^arrt. 3)er Itird^e erflört er folgen gu moSeU; unb
bittet ben Sajetan, bie ©ad^e bem ^apfte oorjutragen, bamit bie
Sntfd^cibung ber Äird^c erfolge. SBir feigen, er ift immer nod^
— 102 —
in einet gemiffen ^albl^eit unb Unllarl^eit: 3)er ^nf^alt feiner
Seilte ftel^t il^m unbebingt feft, gugleid^ ober ift er, n>enn er gleid^
fd^on auSgefprod^en f^ai, ba^ köpfte unb Jton}iIien irren lönnen,
$&pfte aud^ n)irf[id^ fd^on geirrt l^oben, bod^ nod^ ber Suoerjtd^t,
ba^ ber $apft, n)enn er über feine Batike nur erft ber äBol^rl^eit
gemä^ unterrid^tet fei, il^nt rec^t geben n)erbe. S)iefe Hoffnung
l^atte il^ren ©runb teild in ber feften Ueberjeugung , ba^ jjeber
äSal^rl^eitSKebenbe feine @ä^e aU mol^r erlennen muffe, teils in
ber guten SDleinung, bie er immer nod^ Don Seo X. ^egte.
9tad^bem Sutl^er bis )um 20. Oltober üergebKd^ auf eine
Slntmort SajetanS gemattet l^atte, t)erlieg er bie @tabt nöd^tUc^er
98eile, bamit er ben nad^fteHenben ^einben nic^t in bie $änbe
faSe. 3)er il^m befreunbete 9latSl^err Sangenmantel l^atte i^m ein
^förtlein burd^ bie ©tabtmauer öffnen lafjen, ber Slat ber ©tobt
einen mit ben äSegen vertrauten Segleiter mitgegeben. @o ritt
er in ber SRönd^Slutte ol^ne $ofen unb @tiefel am erften Sage
ad|t 3ReiIen meit big SDlonl^eim; aU er im Stall abftieg, lonnte
er nid^t mel^r [teilen unb fiel auf bie @treu.
3n 9lümberg traf et ein @d^reiben von Spalatin, morin il^m
berfelbe ein päpftlid^eS äSteoe mitteilte, batiett vom 23. äCuguft,
in meld^em Sajetan beaufttagt mitb, ben fd^on füt einen jte^et
et!(ätten 3RattinuS mit $ilfe beS meltUd^en 3(tmS feftjunel^men
unb in fid^tet $aft )u l^alten bis auf meitere päpftlid^e äBeifung.
älud^ foSe er von aSen meltlid^en unb geiftßd^en ©tänben, ben
Jtaifer aSein ausgenommen, unter älnbrol^ung beS äSanneS ver-
langen, ba| fie feine Slnl^änger gefangen nel^men. 9Bie fd^mer eS
Sutl^er fiel, bem Zapfte Seo X. etmaS @d^limmeS gu^utrauen,
jeigt ftd^ barin, ba| er biefeS 93reve füt eine böSmiUige, von feinen
f^einben in 3)eutfd^lanb l^ettül^tenbe ^dlfc^ung ^ielt.
9lm 31. Oltobet, getabe ein 3ct^t, nad^bem et butd^ baS äln-
f dalagen bet 21^efen feinen Itampf begonnen, ttaf et in SBittenbetg
miebet ein. 9ln bemfelben älbenbe nod^ benad^tid^tigte et ©palatin
Don feinet Slnlunft. 3)abei fd^tieb et: „SKit meinet ©ad^e fte§t
«S f 0, bafe id^ jugleid^ fütd^te unb l^offe. 3<^ Kn voll ^eube
unb triebe, fo ba^ mid^ munbett, mie bie übet mid^ gelommene
tßtüfung vielen als etmaS GJtofeeS etfd^eint."
— 103 —
5Dte SSerl^anblungen mit Sajetan unb bad päpffclid^e Sreoe
l^atten il^n in feiner innent (SntwidCelung um einen bebeutenben
©d^ritt n)etter geffll^Tt. 2)ad feigen wir ouiS ber Sted^tfevtigung,
loeld^e er feiner 2)arfiteIIung jener SSerl^onblungen beifügt. $ier
Denoirft er bie UeBertrogung beS $rie^ertumd oon Sl^riftud auf
^etrud unb ben $apft; jja bie SReinung vom göttlichen Siedete
bed $apfttumd unb von beffen Unentbel^rlid^feit für bie Aird^e ift
il^m eine Sll^orl^eit, meldte mit bem 9EBort bed $erm, \>a% baS
9teid^ ®otted nid^t mit du^erlid^en ®e6ärben lomme^ {Ireite. Sin
SinI ober fd^reibt er: ,;9Iod^ t)iel ©rögered miO meine f^eber ge-
bären. 3^ xoexf^ mä)t, mo^er mir biefe ©ebanten lommen. —
6iel^ }u^ ob id^ mit 9%ed^t vermute, ba^ am römifd^en ^ofe ber
toal^rJ^aj^ge Slntid^rift l^errfd^e/'
3n Srmartung, ba^ ber Sannflud^ n>iber il^n bemnäd^ft
erfd^nen merbe, mad^te er ftd^ barüber ©ebanlen, mo^in er fid^
in biefem %G!He begeben moKe, benn feinem Jturfürften moKte er
ben SBormurf, ba^ er einen ©ebannten befd^ü^e, erfparen. @r
badete boran, bei ber Unioerfität in $aris, meldte ftd^ mit bem
^apfie in 3n)ietrad^t befanb, eine 3^11^4^ }u fud^en. 3un^<^f^
ober arbeitete er eine älppeSation vom ^apftt an ein allgemeine^
ftongil aus, mie lur) juvor bie Univerfitöt in $arid eine fold^e
erlaben l^atte, unb mad^te biefelbe am 28. !Rooember in ber KapeQe
3um Seid^nam Sl^rifti in 9Bittenberg feierlid^ belannt.
3n 9{om aber )ögerte man nod^. ^n einer SuDe vom
9. Slooember oerbammte ber $apft ^Irrtümer, meldte btrrd^ gemiffe
^rebiger unb 3Rönd^e in betreff beiS 9lblaf[e8 verbreitet morben
feien. Stber Sutl^erg 3tamt mürbe, mol^I au$ SRüdtfid^t auf ben
Jturfürfiten, nid^t genannt, vielmehr an ben {enteren ber päpfti^id^e
jlammerl^err Jtarl von 3RiIti^ als Unterl^^bler gefd^idEt. @r
l^atte für il^n bie golbne 9lofe bei ftd^ unb }ugleid^ o^ne S^^^U^
ben äluftrag, ben „vom SIeufel ausgegangenen ®o^n bed SSer^
berbend'' gefangen nad^ 9lom ju bringen. 9(ber er mad^te fd^on
untenvegd bie SBa^mel^mung , ba| in 3)eutfc^lanb unter fünf
äRenfd^en laum no/i^ jmei ober brei römifd^ ge^nnt feien.
ajiefe ©ad^Iage bemog il^n, bei feinem S^fammentreffen mit
Äutljer ju Slltenburg in ben erften 2:agen beS S^^reS 1519
— 104 —
gro|e 3Rö^i0ung )u }eigen. ®r erfldrte ftd^ bamit einoetßanben^
ba^ bie Sod^e einem beutfd^en Sifd^fe )ur ©ntfd^bung üiet^
geben n>erbe, n)ogegen Sutl^er üerfptec^en n>oQte, ba| er ,,biefer
3Raterie l^infürber ^He ftel^en unb bie @ad^e ftd^ felbft ju tote
bluten lajfen n^oEe, fofem ber SBibetf^art oud^ fd^n^eige^; bed^^
gleid^en Derfprad^ er, beim $apfte ftd^ )U entfd^ulbigen unb ba9
Soll }um ®el^orfam gegen bie römifd^e Jtird^e }u ermal^nen« 3RiItt^
lub il^n bann nod^ )um @ffen unb oerobfd^iebete jid^ oon i^m mit
einem Jtujfe. Sutl^er aber traute il^m nic^t unb begeid^nete jenen
Au^ aü Subadlu^. 3)od^ erfüKte er fein SSerfpred^en unb fd^rieb
am 8. SRär) an $apfl Seo in ber untermürfigften f^orm. S)abei
aber erllärt er ed für unmögKd^, ba| er feine 2;^ef en miberruf e ;
bod^ moSe er bie ^age oom 3(bla^ rul^en laffen, menn feine
(Segner fd^meigen. 3)ie Sbla^prebiger l^aben ber römifd^en ftird^e
ben größten Sd^aben gugefügt, er aber l^abe bie jtird^e unb ben
$apft nid^t antaften moEen, \a ber Jtird^e ©emalt gel^e i^m über
aQed, ausgenommen ben $erm Sl^rifhtd. 9(ud^ bie oerfprod^ene
@rmal^nung and SSolI erlief er in ber ^lugfd^rift: ,,Unterrid^t auf
etlid^e älrtifel, bie il^m oon feinen äCbgönnem aufgelegt unb gu-
gemef{en werben," ©o furg biefe ©d^rift ift, fo begeid^nenb i|i
fie für feinen ß^aralter unb für ben bamaligen ©tanb feiner Sr-
tenntnis. ^i^bem er geigen miK, ba^ er in ben älrtileln oon ber
^ürbitte ber ^eiligen, t)om ^egfeuer, W>laf^, oon ben lird^Kd^
®eboten, ben guten 98erlen unb oon ber römifd^en ftird^e nid^t
oon bem aOgemeinen Sl^riftenglauben abmeid^e, verleugnet er feine
Uebergeugung unb bie frül^er auSgefprod^enen Sel^auptungen burd^^
auiS nid^t. Slber einesteils l^ält er mand^e Seigren, mit benen er
fpäter gebrod^en f^at, nod^ feft, 3. S3. bie oom t^egfeuer nebft ber
9leinung, ba^ @thet unb äRmofen ben in bemfelben befinblid^en
©eelen gu gute lommeU; anbemteilS rniU er nad^ bem i^m eigenen
lonferoatioen 3^9^ tird^Iid^e Drbnungen, aud^ menn jte für il^n
bie S3ebeutung oerloren l^aben, meiere man il^nen gemöl^nlid^ gu^
fd^rieb, bod^ befleißen laffen; fo ben älbla^, jebod^ nur als Se^
freiung oon ben fird^Iid^en Su^en unb als tief unter ben SBerlen
ber d^riftlid^en Siebe fte^enb ; bie f^aftengebote, aber als ben gött-
lid^en ©eboten toext nad^ftel^enb; bie guten SBerle, aber fo, ba^
- 105 -
man fein SBettrauen ntd^t auf fte, fonbetn ein}ig auf ©otteiB ®nabe
fe^e; bie ©ewalt beS tömifd^en Stülpte, aber nur fo, ba^ man
um d^tiftlid^et Siniglett xoiUcn oon ber tömifd^en Aird^e ftd^ nid^t
abfonbeve, nid^t aber aliS n&re iene (Smclt )ur Seligleit not«
»enbig. @nblid^ bejetd^net er mand^e ber oon Ujm in frül^eren
Sd^riften be^anbelten fünfte als fold^ed, wad man ben ®ele^rten
überlaffen foQe. @r miK $aberfac^en nid^t vor bad SSoIt bringen.
3RiIti$ l^atte in}n)ifc^en bem S^e^el emftlid^en SBorl^alt über
fein Senel^meU; moburd^ er }u ber ganzen Semegung 9(nla^ ge-
geben l^atte, über feine Unreblic^Ieit unb fonftige ftttlid^e SSergel^en
gemacht. 3)ieg in SSerbinbung mit ber SSerad^tung, ber er fid^ üon
aSen ©eilen preisgegeben fa^, mar biefem fo brüdfenb, ba^ er ftd^
ins 2)ominiIanerIIofter }u Seipjig jurüdCjog unb bort im Sommer
1519 flarb. ®d ift begeid^nenb für Sut^erd guted ^er), ba^ er
bem frül^eren @egner nod^ einen 3^roftbrief fc^rieb.
3um Sflic^ter in Sut^erS @ad^e ^atte miüxii ben (Srabifd^of
oon Xrier erfe^en, aber biefer zögerte, ftd^ mit einer fo l^eifeln
ätngelegeni^eit ju befaf[en, unb als SRilti^ enblid^ Sut^er nad^
itoblen) voxhA, n>o ber @r)bifd^of il^n oemel^men moDe, fo meigerte
ftd^ jener ju erfd^einen, ba er oom Srjbifd^of felbft nic^t berufen
fei unb bie Steife nid^t magen lönne. 3Rit großer Sel^anlid^feit
fnüpfte bann 9RiIti$ im ^erbfte, nad^bem er ben Späten beS Aur^:
fürften bie für benfelben beftimmte golbene 9lofe enblid^ übergeben
l^atte, neue SSerl^anblungen an unb lub Sutl^er ju einer 3ufammen^
fünft in Siebenmerba ein, n)eld^e am 9. Dftober ftattfanb. @r
moQte il^n burc^auS ben)egen, mit il^m jum Sr^bifd^of ju reifen,
itnb Sutl^er märe, obmol^I er bie il^m brol^enbe ©efal^r erfannte,
barauf eingegangen, menn nid^t ber jturfürft @infprad^e erl^oben
l^&tte. @o führten aud^ bie Semül^ungen beS TlUtüi )u feiner
Sntfd^eibung, obmol^I berfelbe bem Zapfte berid^tet au l^aben fd^eint,
es fei i^m gelungen, t)on Sutl^er bie S^\a%t beS SBiberrufS )u
erl^alten. 3)od^ mar )u 9(nfang beS 3<^^reS 1519 eine $aufe im
itampfe eingetreten, unb Sutl^er äußerte fpäter, menn ber $apft
ben SBeg beS fOlxüiii ein^efd^Iagen l^ätte, fo märe eS )u feinem
fold^en 3^umulte gefommen. ®r §atte ja oerfprod^en ju fd^meigen,
menn feine äBiberfad^er aud^ fd^meigen, unb l^ätten fte baS get^an.
- 106 -
xotx Detmag gu fagen, ob fic^ bie Sad^e nid^t toirflid^ gu %oie
geblutet l^ötte? S)a tDurbe Sut^er abermold ol^ne feinen SBiQen
ium $en)ortveten genötigt, ja }u Sei^auptungen n^eiter gefül^rt,
Dor benen er vor lurjem nod^ felbft erfd^roden to&xt.
Sorget nidit, wit obet omis if}r reben
font^ benn es foQ enc^ jn ber Stnnbe ge«
geben werben^ was i^t reben foQt.
mattl). XO, 19*
'^ieleS l^atte jtd^ um ßutl^er l^er geänbett in ben anbertl^alb
Saluten ; fett et feine 2^l^efen angef dalagen l^atte. 3)amafö l^atte
nod^ ber Äaifcr SKoj^milian gel^errfd^t, t)Ott befl[en jurütfl^altettber
Stellung gu Sutl^erS ®ad^e n^ir fd^on oben gel^ört l^aben. !Rad§'
bem biefer §errfd^er am 12. S^nuar 1519 geftorben voax, würbe,
n^eit man ftd^ über bie 3Sal^I eineiS 9tad^foIgerd nid^t f ofort einigen
lonnte, Sutl^erS Sanbeö^err, ^riebrid^ bei SBeife, »um Sleid^äoers
n)efer, n)enigftenS für baS nörblid^e 3)eutfd^Ianb befteSt. ^Il^ron-
bemerber waren granj, Äonig oon ^ranfreic^, unb Äarl öon
©panien, SWasimilian« ßnfel. SJer ^JJapft war für ben erfkeren,
benn er fürd^tete, baS $au8 ©abäburg möd^te eine für il^n ge=
fäl^rlid^e ÜRod^t erlangen, menn Äarl Äaifer würbe. ®r fud^te
bal^er ^riebric^S einflufereid^e ©timme für fjranj )u gewinnen, unb
baraud erflärt ed ftd^, ba^ er bei bem SSerfai^ren gegen Suti^er
auf bie aBtinfd^e biefeS gürften fo t)iele SRütffrd^t nal^m. ©o
mußten bie allgemeinen äSeltoer^ältniffe ba)u beitragen, ba^ ber
pöpftUd^e S3ann über Sut^er nid^t e§er auSgefprod^en würbe, als
bis biefer in feiner ©laubenSerlenntniS, wie in feiner äußeren
©teUung fo befeftigt war, ba^ er bemfelbeh ^ro^ bieten lonnte.
S)ie päpjilid^e ^olitil erlitt übrigens bei ber Äaif erwal^I eine !Jiicbers
läge. 3lm 28. Suni 1519 würbe Äarl gewäl^It ate ber fünfte biefeS
!RamenS. äBeld^e ©teUung er )u ber reformatorifd^en ^Bewegung
einnal^m, wirb fid^ unS balb geigen.
-^ 107 -
3)ie Unioerfität äSittenberg f^atU, feit Sutl^etiS 9lame burd^ ben
Sblagftrett in ben weiteften Ateifen belannt geworben war, nid^t etwa,
wie er wol^I felbfi befürd^tet l^atte, ©d^aben gelitten, fonbem einen
erfreulid^en äCuffd^wung genommen, unb Sut^er feI6jl wirlte aufiS
Iräftigfte für i^r ®ebeil^en. 3la^ feinem eigenen S^S^i^ ^ob ftd^
baS wiflenfd^aftlid^e ©treben unb namentlid^ bad Sibelftubium bei
ben ©tubierenben. 2>er größte ®ewinn aber war für bie Unioerfität
bie Berufung beS ^l^ilipp SReland^tl^on jum Se^rer bed ®rie«
d^ifd^en. Sutl^er, feiner Sd^wdd^e in Jtenntnid biefer @prad^e ftd^
wol^I bewußt, ^atte längft gewünfd^t, ba^ ein tüd^tiger Seigrer
berfelben gewonnen werbe, unb nun würbe auf Steud^Iind Smpfe^-
lung jener erft 21j|äl^rige ©ele^rte oon Tübingen nad^ SSittenberg
berufen, wo er am 29. 3(uguft feine 9lntrittdrebe l^ielt, in weld^er
er bad ©tubium ber alten @prad^e aU Mittel bejeid^nete, um.ju
6§rifto }u führen. 2)a erlannte Sutl^er, bag in biefem unfd^einbar
audfel^enben, fd^üd^temen i^üngling ber gefunben fei, ben er fud^te,
unb fofort Inüpfte jtdj jwifdjen biefen, wie in i^rer äußeren Sr-
fd^einung, fo aud^ in i^rem 9taturell unb il^rer Segabung fo oer-
fd^iebenen Tlännexn ein S3anb gegenfeitiger $od^ad^tung unb l^er^?
lid^en SSertrauend. Sutl^er rebete mit Sewunberung oon ber
©elel^rfamteit beg SRagifter ^^ilippud unb erweiterte mit beffen
$i[fe feine Aenntniä bed ®ried^ifd^en.
$atte fo ber ^umanigmud in ber $erfon eines ber ebelften
feiner 58ertreter ber SReformation bie §anb gereid^t, fo lag barin
für Sutl^er eine äSeranlaffung, aud^ feinerfeitd ben ^umaniften fid^
3U naivem. 9[uf 3ReIand^t^ond @infiu^ ift eg wol^I jurüd^ufül^ren,
ba^ er nid^t nur an 9leu(|lin fd^eb, fonbem aud^ feine älbneigung
gegen Sradmud überwanb unb in einem anwerft l^öflid^en 93riefe
am 28. SRärj 1519 ^ül^Iung mit il^m ju gewinnen fud^te. @ragmud
aber, ber filr bie geiftlid^en Kämpfe, burd^ weld^e Sutl^er l^in-
burd^gegangen war, unb für bad ^eildoerlangen, bad il^n erfüllte,
lein SSerftänbnid l^atte, unb ber nid^ts fo fel^r fürd^tete, als in ben
fird^Iid^en @treit l^ineingejogen }u werben unb baburd^ bie ®unft
oieler in ber Kird^e l^o^gefteSter unb babei bem ^umanidmud
befreunbeter SKänner ju oerlieren, antwortete in jiemlid^ fü^Ier
3Beif e unb f prad^ ftd^ aud^ gegen britte fo über Sutl^er aud, ba^ er jwar
— 108 -
feinem teblid^en S^atalter ®ered^tigleit mbetfal^ten lie^, bo6et
aber bemül^t war, jebe nähere SSetbinbung mit il^ in Xbrebe ju
ftdlen, ja, um nid^t genötigt ju fein, übet feine @<i^riften ein
Urteil auijufpred^en, er!Iärte, er l^abe leine B^t, biefelben ju lefen.
92eben äReland^tl^on l^atte Sut^er an feinem JtoUegen Jtarl-
ftabt einen ÜRitlämpfer gewonnen, älnfänglid^ l^atte berfelbe ben
6tanbpunlt ber f d^olaftifd^en Xl^eologie Sutl^er gegenüber vertreten,
nad^bem er aber für bie 9[nfd^auungen beS le^teren gewonnen war,
eilte er il^m in Seldmpfung ber ürd^lid^en Slutorität ooran. &^n
möl^renb Sutl^er auf feiner Steife nad^ ^eibelberg oon Sßittenberg
obmefenb war, l^atte itarlftabt Xl^efen gegen @d Derdffentlid^t,
unb fo war ed ju einer litterarifd^en f^el^be ^wifd^en biefen beiben
SRannem gelommen, weld^e biefelben in einer öffentlid^en S)i§))U2
tation )um Slugtrage }u bringen wünfd^ten. ällS Ort berfelben
würbe Seipjig gewäl^lt, unbiro^ ber Sebenlen, weld^e fowo^l oon
ben bortigen $rofe{foren alg ani) oon bem Sifd^of oon SRerfeburg,
gu beffen Sprengel bie @tabt gel^örte, bagegen geltenb gemad^t
würben, warb bod^ auf ben 38unfd^ beg $er}ogd ®eorg oon
@ad^fen bie Slbl^altung ber 3)iSputation an ber Unioerfität Seipjig
geftattet. &i oeröffentlid^te als ©runblage für biefelbe awölf S:^«^^
fpäter auf breijel^n Dermel^rt, weld^e grögtenteild gegen Sutl^erS
Sel^auptungen gerid^tet waren. @o burd^ (Sd angegriffen, glaubte
biefer mit Sfled^t t)on bem SSerfpred^en bed @tiQfd^weigend, bad er
3Rilti^ gegeben, entbunben ju fein; ja ed war fein bringenber SBunfd^,
fid^ aud^ bei ber 3)ijSputation }u beteiligen. @d l^ielt fd^wer, i^ieju
bie SinwiUigung beg ^erjogg ju erlangen; enblid^ fiteKte berfelbe
einen ©eleitSbrief aud für 5tarlftabt unb biejenigen, bie er mit
fid^ bringen werbe, f o ba^ alfo Sutl^erd 9tame abftd^tlid^ nid^t genannt
war. @r würbe bei bem ganzen SSorgang offijieS nur ald Sieben?
perfon neben 5tarlftabt bel^anbelt unb fagt felbft, ba^ er unter
bef(en f^ttid^en nad^ Seipjig gelommen fei. 3Ran l^atte verabrebet,
ba| jtarlftobt über bie Seigre t)on ®nabe unb freiem SBiSen,
Sutl^er über bie Stellung beS $ap{ted unb ber römifd^en ftird^e
}u ben anbem itird^en, fowie über Su|e unb 3lbla^ bilSputieren
foUte. @r fteSte über biefe Se^rpunlte ben breigel^n 2;^efen @dfd
brei}el^n anbre gegenüber unb bereitete ftd^ einge^enb auf bie SiS-
-« 109 —
putotion vox, unb bie Stubien, loeld^e er l^iebei maifU, führten i§n
immer weiter in ber Ueberjeugung, ba^ bie päpfitlid^en Xnfprüc^
auf ^errfd^aft über bie ganje itird^e unbegrfinbet feien. „^^ gel^e/
fd^retbt er, ,,bie 2)elrete ber $äpfte jum 3^^' meiner 2)idputation
burd^ unb bin ungemig, ob ber $apfl ber 3(ntid^rift felbft fei ober
ein älpoftel bed Sntid^rift/'
2)er Anfang ber 3>iSputation mar auf ben 27. i^uni feft^
gefegt ; am 24. jogen jtarlftabt unb Sutl^er mit il^ren Begleitern
f eierlid^ in Seip}ig ein. 2)er Sleltor unb mel^rere Seigrer ber Uni-
oerfttat SBittenberg maren mit i^nen, 200 @tubenten oon SBitten-
Berg liefen mit ©pieken unb $ellebarben neben ben äSagen l^er.
^er erfte SBagen, in meld^em jtariftabt ful^r^ brad^ beim Sinjug,
unb jener fiel in ben jtot, Sutl^er mit 3ReIand^tl^on ful^r an x^m
Dorüber, morin bie Sufd^^^uer eine SSorbebeutung für bie 3>idpu^
tation fallen. S)iefe felbft mürbe mit aK ber ^eierlid^Ieit unb
f^örmlid^Ieit, meldte bamald bei mid^tigen Soften ftattf anb, eingeleitet :
93egrü^ung3rebe in ber %}ila, 37leffe in ber X^omaSlird^e, pomp-
l^after 3ug nad^ ber ^lei^enburg, mo in präd^tig gefd^müdCtem Saale
bie 3)idputation ftattfinben foKte, bann lange lateinifd^e Sröffnungd-
rebe, nad^ meld^er bad ,,itomm l^eilger @eift'' gefungen mürbe. ®rft
nad^mittagd begann bie eigentlid^e 3)idputation oor einer jal^lreid^en
3u^örerfd^aft. 9(ud^ ^erjog ®eorg mar oft anmefenb unb folgte
ben SSerl^anblungen mit 9lufmerlfam!eit. Unter ben Bürgern unb
@tubenten l^errfd^te gro^e Slufregung unb eine ben SBittenbergem
feinblid^e Stimmung, fo ba^ jur SSerl^ütung t)on Unrul^en eine
äBad^e am @d^lof(e aufgefteUt mar.
SSier Xage lang ftritt (Sä mit itarlfiabt über ben freien
SSiSen. @g maren im mefentlid^en bie SBaffen ber alten @d^ul«
tl^eologie, mit meldten fie f ömpften : bie bialeltif d^e itunft unb bie
älutoritat ber alten Seigrer. ^ ^anbl^abung biefer äBafen
mar @d feinem ®egner entfd^ieben überlegen, fo ba^ il^m oon ben
Seipjigem, bie ol^nebem gegen bie SBittenberger eingenommen
maren, ber @ieg }ugefd^rieben mürbe.
äluf Sutl^er mad^te ber ®ang ber SSerl^anblungen einen nieber-
fd^lagenben @inbrud. ®r l^atte gemünfd^t, an ber 3>idputation
teitgunel^men, \xm für ha^, maS er ate l^eilfame 3Bal^rl^eit erfannt
— 110 —
^attC; }u jeugett. Aut) ootl^et ^atte et toieber mit fd^toeren geiß-
H d^en 9[nf ed^tungen ju Idtnpf en gel^t, unb nun mu|te et f el^,
mie mit gto^em ©eptänge ein SDiottgefed^t oufgefül^tt mutbe, bei
meld^em ^bie @^te me^t benn bie Sßal^tl^eit gefud^ tootb". Skttum
fptad^ et tief bettttbt: ,;S)a8 3)ing ijl nit in ®otted Atomen on^
gefangen, ed mirb aud^ nit in ®otte8 Flamen audgel^en/ Slad^bem et
am $etets unb $au(f eiettage (29. i^uni) im 3)id))utationdfaal untet
gto|em 3ubtang übet ÜRattl^. 16, 13—19 geptebigt unb babei bie
$auptpun!te, übet meldte bid^mtiett mutbe, populät befptod^en,
bettat et am 4. ^nlx ben jtampfpla^. $etet SRofeQanuS, bet
^umaniftifd^e $tofef[ot in Seipjig, bet mit feinet lateinifd^en Siebe
bie 3)iSputation etöffnet l^atte, fd^ilbett und bie beiben @egnet,
bie einanbet nun 9(uge in Sluge gegenübetflanben. ,,!Dlattinud Vft
von mittletet ©tatut, fein Seib ift fd^mäd^tig, abgemagett butd^
@otgen unb ©tubien, fo bag man faft aOe itnod^en an i^m jäl^Ien
lann; feine Stimme tönt l^eK unb fd^atf. Seine ®elel^tfam!eit
unb @d^tiftlenntnid ftnb bemunbetndmütbig. @d fielet ü^m ein
au^etotbentßd^et 33ottat t)on ©ad^en unb SSotten )u ®ebot. @t
ift aQjeit l^eitetn Slngeftd^td, fo ba| man glauben mu^, et untet?
nel^me fo mid^tige Singe nid^t ol^ne ®otted Seiftonb. Siemlid^
allgemein legt man il^m abet Übel aus, ba^ et in Sefhafung onbtet
tüdfid^tdlofet unb bifftget fei, als ed einem Geologen mol^l an?
fielet/' Sen Dr. @d bagegen befd^teibt et aü von gto^et, bteit?
fd^ultetiget ®eftalt, mit einet DoKen, au» ftatlet Stuft ^etoot?
tönenben Stimme, bie f üt einen ©d^aufpielet, ja füt einen öffent?
lid^en äludtufet geeignet mäte, übtigeng mel^t taul^ ald beutlid^
fei ; äJtunb, älugen unb ®efid^t feien mel^t bie eineg ^leifd^etS obet
SanbSlned^tg alg bie eines X^eologen. äluSgejeid^net fei et butd^
fein ©ebäd^tniS, meniget butd^ feine UtteilSitaft. 9Rit bet SRenge
feinet ßitate fud^e et ben 3ul§ötet itte ju füllten unb mit gto^et
Steiftigleit unb Sd^laul^eit mifie et bie Sad^e fo )u menben, ba^
et ©ieget ju fein fd^cine.
^ünf Xage lang, t)om 4. bid 8. ^uli, fttitten fid^ bie beiben
®egnet übet bad göttlid^e Sted^t bed ^apfhumd. @dd bteijel^ntet
X^efe, bie fid^ l^ietauf bejog, l^atte Sutl^et ben ©a$ entgegengefteHt:
„2)a^ bie tömifd^e Jlitd^e übet aSen anbetn ftel^e, mitb bemiefen
— 111 -
aus ben ftoftteften, innetl^alb ber letzten 400 Qaf^xt aufgetommenen
päpftlid^en 3)elreten, gegen toeld^e bie beglaubigte ©efd^id^te oon .
1100 ^af)xm, ber S^e^t ber ^eiligen Sd^rift unb bad Sbettei bed
nicäifd^en iton^ild, bed J^etligften t)on oEen, 3^sni^ 8^^«'' ®^
tooUte, toie er audbrüdlid^ erllärte, l^iemit nid^t bie $errfd^aft bei^
^apfted angreifen, er ertannte fie gerabe wie bie ^ext^^aft bed
beutfd^en itaif erd als eine gefd^id^tlid^ geworbene an, nur von einem
göttlid^en Sted^t bedfelben woKte er nid^tS n)if[en. 3(Id nun @dC,
ber überl^aupt bemüht war, ben gel^äffigen @d^ein ber böl^mifd^en
5te|erei auf IButl^er )u werfen, im SSerlaufe ber 3)idputation barauf
l^inwieS, bag bie @ä|e, ber ®Iaube an bie Oberl^o^eit ber römi^
fd^en ftird^e fei nid^t ^ur Seligleit notwenbig, bie jtird^e auf
@rbert bebürfe nid^t eineg ^aupteS u. f. n>., aud^ ju \meti pefti«
lenjialifd^en ;3>^^^^^ ^^^ SBillef unb $ud gel^ören, weld^e bad
jtonjil )u itonftanj Derbammt l^abe; fo erwiberte Sutl^er, ba| er
jwar bie Trennung ber 93öl^men r>on ber jtird^e mißbillige, baß
ober unter ben @ä|en bed Qn^ mand^e f el^r d^riftlid^e unb .et)ange-
lifd^e ftd^ befinben. 38a3 nid^t in ber l^eiligen Sd^rift gegrünbet
fei, bürfe nid^t al3 @Iaubengarti!eI aufgebrängt werben. 3>iefe
@rllärung Sutl^erd enegte großes Sluffe^en. „2)a3 walt bieSud^t,''
rief Qttjo^ ®eorg, aü er l^örte, wie Sutl^er l^ufitifd^e @ä$e für
d^ftUd^ erflärte. ^n ber 2^^at war berfelbe aud^, gebrängt burd^
@d, um einen bebeutfamen ©d^ritt überfeinen bidl§erigen@tanbpunlt
l^inaud bid )u ber 9el|auptung fortgegangen, baß ein allgemeine^
fionjil geirrt l^abe. 3^^^ ^<t^ ^i^^ 93el^auptung in ber jtird^e
leinedwegeS unerl^ört; felbft ber auf bem ^onjil ju ^onftan} fo
einflußreid^e jtarbinal $eter V^iHt) l^atte fie auiBgefprod^en; aber
fie war in S3ergef[enl^eit geraten, unb burd^ il^re 38ieberemeuerung
Derberbte ed Sut^er nid^t nur mit ber pöpftlid^en, fonbem gerabe
aud^ mit ber freifinnigen Partei in ber jtird^e, weld^e ja eben ba§
oon il^m angegriffene ^onftanjer ftonjil für il^r ^allabium erad^tete.
©0 l^atte ®i feinen 3^^* erreid^t, Sutl^er tjon ber liberalen 5ßartei
gu trennen. S>iefer felbft fd^eint über bie SIragweite f eineä aSBortcä
erfd^rodfen ju fein, benn er fudjte im Serlaufe ber 3)i8putation
bie Sd^ärfe begfelben abgufd^wäd^en burd^ bie @rllärung, man muffe
bie Sefd^lüffe ber Äonjilien in bem, wa3 jum Olauben gehöre.
— 112 —
in iebet SSeife annel^men, aber frettid^ mit bem SSorbel^alt, ba^
ein itonjU jumeilen geirrt l^abe unb irren fönne^ Domel^mlid^ in
bem, mag nid^t ©od^e beg ©laubeng fei, bag eS aud^ nid^t bie
ÜRad^t l^obe, neue ©laubendartilel auf}u{leQen. äSir fe^en au^
biefen SBorten, mie er bie neue Ueberjeugung, bie il^m im jtampf
mit @d( mie ein Sli^ aufgegangen mar, mit feiner bidl^erigen SSer^
el^rung gegen bie Jtonjilien in @inllang )u bringen ftd^ bemül^t
SSom 9. big 14. ^ulx mürbe bann nod^ über ^egfeuer, älbla^
unb S3u^e bidputiert. älud^ l^iebei jeigte e8 fi^^ ba^ Sutl^erd
Xleberjeugung fid^ meiter entmidCelt i^atte. 3^<i^ leugnete er baS
f^egfeuer nid^t, aber er mied bod^ borauf l^in, ba^ ftd^ in ber
©d^rift lein KareS 3^0^^^ f^^ baSfelbe finbe, inbem er bad jmeite
Sud^ ber 9)laIIabäer, auS meld^em eine @telle für baSfelbe on^
gefül^rt )tt merben pflegte, ber lird^Iid^en älnnal^me ium Sro$
nid^t alg lanonifd^ gelten lie|. älm 15. ober 16. iguli mürbe bie
3)igputation gefd^loffen.
Unb roa^ mar nun baS @rgebnid ber mit fo md Slufmanb
an 3^t unb Kraft in ©jene gefegten SSerl^anblung? 3)a^ ed
einer Partei gelingen merbe, bie anbre ju überzeugen ober il^r
baS ©eftanbnid, ba| fie befxegt fei, ab^ugeminnen, lie^ ftd^ im
oorauS nid^t ermarten. 9lid^t auf bem SQSege bialeltifd^er Semeid^
fül^rung geminnt jja bie 38al^rl^eit ©otted il^re ©iege, fonbem
baburd^, ba^ fie an einem jerfd^lagenen @emif[en il^re Kraft
ermeift. Sag fül^lte Sutl^er, unb beSl^alb äußerte er ftd^ fo um
befriebigt über jene 2)igputation, mie aud^ SJleland^tl^on alg feine
SDteinung auSfprad^, fold^eg Streiten f^oibe mit S^rifto nid^ts ju
fd^affen. 3)ennod^ aber mar biefelbe t)on größter Sebeutung für
bie ©ad^e ber Steformation. (Sinnutl mürbe Sutl^er fomol^l burd^
feine eigenen @tubien belauf g ber SSorbereitung auf biefelbe, alg
burd^ bie (Sinmürfe feineg ©egnerg )u größerer Klorl^eit unb
@ntfd^iebenl^eit gefül^rt, unb fürg anbre mar bie 2)igputation bad
äßittel, bag S^tereffe für bie reformatorifd^e Semegung aud^ in
meitere itreife )u tragen unb il^r teilg neue älngriffe }U)U}iel^en,
teilg neue f^eunbe ju geminnen. ^n Seipjig freilid^ burfte
£ut§er mit ben ©einen menig f^eunbfd^aft erfol^ren; Dorn ^erjog
fomo^l alg oon ben ^rofejforen ber UnioerfUät mürbe (Sd in
— 113 —
auffaQenber Seife (eoorjugt; bie Segnet lauerten auf aOed, mor-
avL^ fie Sutl^er meinten einen SBonoutf mad^en ju fönnen. 2)a^
ex bei ber ^igputation an einem Slumenftrau^e rod^, n)utbe Übel
oermerlt; \>a% et einen ftlbetnen Sling ttug, an meld^em etn)ad
i^ing, n)utbe bal^in audgelegt, ba| et ben 3^eufel in einem Süd^dd^en
bei m ttage. ^öl^nifd^ wiefen bie ®egnet batauf ^in, ba^ ^il^
färben (b. ^. SRitgliebet bet böl^mif^en Stübetgemeinbe) bet
S)idputation angen)ol^nt l^aben, etfteut batübet, ba^ Sutl^et i^te
©ad^e Detttete. ^a fo fel^t galt et fd^on als oetflud^tet Ae|et;
ba^, old et eine Jtitd^e bettat, bie 3Dt8nd^e, n)eld^e eben SReffe
lafen, bie l^eiligen ©etäte gufammenpadten, bamit baS @altament
nid^t butd^ bie älnwefenl^eit bed ite^etd oetunteinigt metbe.
@d unb bie ©einigen iS)atm aud^ aSed, um bie 3)i8putation
füt ftd^ audgunü^en. Saut tül^mten fle fld^ eined gto|en Sieges.
^ einem ©d^teiben an ben ftutfütften tl^ebtid^ ben SBeifen l^ielt
®i bemfelben x>ox, ba^ Sutl^et butd^ feine Sel^auptung, oiele ©ä^e
bed $ud feien ed^t d^tiftlid^, ben fte^etn bie gtö^te ^eube be-
teitet l^abe, unb fotbette i^n auf, Sutl^etd ©d^tiften gu oetbtennen.
!Rad^ Stom fd^idEte et einen audfül^tlid^en Setid^t übet bie 2)i8'
putation unb üetbanb bamit 3(nbeutungen , mie Sutl^etS Set^
utteilung megen ite^etei am beften inS SßetI gefegt metben lönne.
^onn mad^te et ftd^ miebet gum ©ad^maltet bet fäd^fifd^en
"^angidianetmönd^e, meldte beim Sifd^of t)on Stanbenbutg Hagenb
gegen Sutl^et aufgetteten maten, inbem et mit SSetbtel^ung t)on
be^en SBotten il^n ald gefäl^tlid^en ^e^et J^ingufteKen fud^te. ^n
einet fd^atfen Entgegnung, meldte Sutl^et l^ietauf t)etf a^te, legt
et gegenübet t)on jenen @ntfteQungen feine Se^te bat, ol^ne itgenb
etmad früher ©efagted }urüdC}une^men, [a er bringt l^ier }um
erftenmal einen neuen ©treitpunft gur ©ptad^e, inbem et bie
göttlid^e @infe|ung bet D^tenbeid^te ongteift.
Um bie gleid^e S^t atbeitete et jut ©rläutetung feiner 9)i8ä
putationStH^ ttnb }ur @rgän}ung bed in Seip)ig über fie SSer^
i^anbelten i,9lefoIutionen'' aud, in meldten er ben ©a^, ba^
aud^ itonjilien geirrt l^aben, unb gmat aud^ in ben mid^tigften
fragen bed Glaubend , nad^btüdClid^ l^etDOtl^ebt unb bedl^alb ben
malzten @lauben nid^t butd^ itgenb eined SRenfd^en Slutotität
Surf, Sut^n. 8. Vufl. 8
— lU —
fonbem burd^ ben ®eift ®otted in ben Qtxitn geiDtrtt toerben
lä^t. @o lomtnt il^m ein @tüdC eoangelif^er ^eifömal^rl^eit nad^
bem anbetn )u Harem 9en)u^tfein.
S)er unetmüblid^e @(I l^atte untetbeffen oUed in Bewegung
gefe|t, um eine offizielle 93em)erfung bed t)on Sutl^ev in Seip}ig
Sel^aupteten }un)ege ju bringen. @d^on vor ber 3)idputation l^otte
er mit Jlariftabt vereinbart, ba| bie ällten über biefelbe einer
Unioerfitöt ju fd^iebdrid^terlid^em ©prud^e vorgelegt merben foSen.
Sutl^er «n^ar biefer SSerabrebung , menn aud^ n)iber{ltrebenb , an^
Slüdffid^t auf ben $erjog beigetreten, unb man l^atte fd^lie|Rd^ bie
Unit)erjttöten 5Pari8 unb (Srfurt in8 Sluge gefaxt. 8eibe aber
moDten tro| ber @dfd^en Semül^ungen mit ber ®aö)e unoermonen
bleiben. SDagegen [teilte bie t^eologifd^e ^alultSt in Stöln au^
Sutl^erS @d^riften eine älnjal^I le^erifd^er @ä|e gufammen, auf
®runb beren jte auäfprad^, biefe ©d^riften fottten mit ^cuer cer^
brannt unb il^r Url^eber gum SQBiberruf genötigt werben. ®ie
^aMtat }u SSmen trat biefem Urteil bei. Sutl^er antwortete
lurj, inbem er erllärte, bei feinen ©ä^en ju bel^arren, bis fie
miberlegt mürben. 3^if^^ ®^ ^^^ Sut^er mürben nod^ einige
©d^reiben gemed^felt, in meldten le^terer fd^Iie^lid^ erÜärte, bag
eS il^n reue, ftd^ fooiel mit jenem abgegeben }U l^aben, ba er i§n
afö einen burd^auS unreblid^en ÜRenf^en !ennen gelernt l^abe.
dagegen mißbilligte er eS, baß in Siümberg eine ©pottfd^rift
miber benfelben „ber gel^obelte Sdf" erfd^ien; benn bie ©ad^e, um
meldte eS jtd^ l^anbelte, mar il§m ju emft für eine ©atire. ®df
aber, ber mol^l einfel^en mod^tc, baß er in S)eutfd^lanb feinem
©egner nid^t oiel anl^aben !önne, begab fid^ im ^a^xe 1520 nad^
Slom, um bort teifö bie Sannbulle gegen Sutl^er auäjumirlen^
teils für fid^ eine Selol^nung feiner Seiftungen ^erauSgufd^lagen.
3[njwifd^en aber l^atte ftd^ in Seipjig ein neuer ©egner er-
l^oben. @8 mar bieS ber fd^on genannte ^ieronpmuS Smfer.
ätuSgel^enb oon bem 3^teref(e, meld^eä bie $uftten an Sutl^erS
'Sluftreten nel^men, fo baß fie für feinen ©ieg gu Seipjig öffentlid^e
@ebete oeranftaltet l^aben, ^ebt er in einem ©d^reiben an ^ol^ann
3adf, Slbminiftrator ber fatl^olifd^en Äird^e gu 5ßrag, l^eroor, baß
fid^ jene ganj mit Unred^t auf Sutl^er berufen, ber \a bie ©emein^
- 115 —
fd^aft mit il^nen fo na^ixüdlx^ von ftd^ geiDtefen ^aie. 3)ad
©einreiben tebet in einem fel^t mol^toollenben Xone t)on Sutl^er
ünb mex% feine ©eleJ^rfamleit )u rüi^men. Xtnno^ erregte ed
beflen l^öd^ften Unwillen, benn et burd^fd^aute bie unel^rlid^e Stt^
ftd^t, bie fid^ leintet ben fteunblid^en 38orten Detbarg. @r foKte
genötigt werben, entwebet ftd^ von ben Söl^men lodjufagen ttnb
bamit bem, wag et in Seip^ig bel^auptet, untreu ju werben, ober
abct offen ju befennen, bafe et eS mit jenen l^alte, unb bamit
allen ben religiöfen unb nationalen $a^, ber auf bem Flamen
bct l^ufitif d^en Äe|et tu^te, auf ftd^ ju nel^men. SlamentUd^ in
@ad^fen fd^eint bamalg bie Stimmung beS ganzen SSoIIed gegen
bie Söl^men eine l^öd^ft geteilte unb nid^tS fo oerl^afet gewefen
)u fein, als bie ^ufttifd^e Jte^erei. Sutl^er fül^Ite fid^ an einem
wunben 5ßunltc getroffen. 3!)ic SBorftettung non ben $ujtten ald
üon argen Re^etn teilte aud^ er, unb je^t fottte er felbft ju
il^rem äSortfüi^ret gemad^t werben, unb babei mu|te er ftd^ ge-
ftel^en, bafe er wirllid^ l^ufttifd^e ©ä^e auägefprodjen l^abe. ©d^on
@i l^atte mit unoerl^ol^Iener ©d^abenfrcube wieberl^olt auf biefen
5ßunft l^ingewiefen, unb ©mfcr tl^at baSfelbc, nur ocrftedfter unb
liftiget. 2)iefe Slrglift war Sutl^crg gerabem ©inn aufö tiefftc
guwiber. 6r fal§ in ©mferä freunblid^en SEßorten ^[ubaSlüffe unb
fiel in ben fd^ärfften 9lu3brüdEen über benfelben l^er, inbem er gu-
gleid^ erflärte, er freue pd^, ba| feine Seigren ben Söl^men gefallen.
©0 l^atte er wieberum, burd^ feine fjeinbe genötigt, mit einem
alten Vorurteile gebrod^en! ßmfer antwortete in biffigem Sone
unb war femerl^in einer ber erbittertften ©egner Sut^erS. 3)agegen
fud^ten mit biefem nunmel^r wirllid^ aud^ bie $ufiten eine SBer^
binbung anjufnüpfen. ®ä gab in Söl^men feit ber Slieberlage,
weld^c bie 3laboriten, biefe fanatifd^c ^Partei ber §ufiten, erlitten
l^atte, zweierlei l^ufitifd^e SReligionggemeinfd^aften. S)ie eine waren
bie Utraquiften ober Äali^tiner, weld^e l^auptfäd^lid^ nur in S3c-
)iel|ung auf ben ®ebrau(^ beS fteld^g im älbenbmal^l unb ber
Sanbedfprad^e im @otte§bienft oon ber lird^lid^en Drbnung aU
widmen unb gu weld^en bie ÜRel^rjal^l ber 3?ation gel^örte. Qjl^nen
'l^atte baS Äonjil ju 8afcl 1432 iJ^re befonberen fird^lid^en Sin=
rid^tungen jugeftanben. aber oon Slom au^ war man eifrig be-
— 116 —
tnü()t, i§re ^rioilegien ju befd^ränlen unb bie Söhnten burd^
allerlei üRittel aUmäi^Iid^ loieber ganj jur @inl^eit ber jtird^e ju^
rüdjuf ül^ren , xoa^ anö) jur ^üi bed Seginnd ber Steformation
bei nid^t toenigen gelungen n>ar. Strenger von fRom gefd^ieben
WQX bie ®emeinbe ber böl^mifd^en Srüber, l^eroorgegangen aud
ber längft in Söl^men verbreiteten @e!te ber SSalbenfer, an n)eld^e
ftd^ aug ber S^^^ ^^ S^aboriten nad^ beren 9lieberlage manche
ernftcr (Sejtnnte angefd^loffen l^atten. ©ie würben von xf)xtn
©egnem äBalbenfer unb püarben, aud^ n)ol^l ©rubenl^einter
gefd^olten. 2)a )u il^nen nur ein Heiner Xeil bed 93olIe§ fid^
^ielt unb {te in ftiSer SSerborgenl^eit lebten, fo n>urbe Sutl^er erft
fpäter mit il^nen belannt. S^nöd^ft waxm eS }n)ei utraquiftifd^e
©eiftlid^e t)on $rag, n)eld^e fid^ aud 93eranlaf(ung ber Seipjiger
S)td))utation an il^n n)enbeten unb i^m }u feinem 38ir!en ©lud
n>ünfd^ten. ,,98aS einfi ein $ulS in SSI^men mar, bift j|e^t bu in
©ad^fen," fc^rieben jte il^m. Sl^re ©d^reiben maren oon Oefd^cnfen
begleitet, beftel^enb in 9Ref[em unb ber ©d^rift bed Qn^ über bie
Aird^e, meldte Sutl^er bid bal^in nid^t gelaunt l^atte. ®r fd^idCte
t^nen bagegen feine Heineren ©d^riften unb banite in einem burd^
äJleland^tl^on abgefaßten lateinifd^en ©d^reiben.
9lber aud^ in 3)eutfd^lanb jeigten fid^ neue ^eunbe, nament^
lid^ an^ ben Greifen ber ^umanifien. ^iefe Ratten bidl^er auf
bie Kämpfe Sutl^erd aU auf ein SRond^dgejänl mit i^od^mütiger
SSerad^tung l^erabgefel^en, ftd^ aud^ mol^l burd^ fein ungeftümed
äluf treten unb feine ^erbl^eit abgefto|en gefül^lt; feit ber Seipjiger
Disputation aber ging mand^en unter i^nen bie Srienntnid auf,
baß ed fid^ l^ier um mel^r l^anble als um ein geiftlofed fd^olaftifd^ed
SBortgefed^t. ^n @rfurt, voo ber i^^^^^^^^^uS mel^r unb mel^r
ionangebenb für bie Uniperfität gemorben mar, befc^äftigte man
M i^^ ^i^I ^i^ Sutl^erd ©d^riften, unb ber burd^ bie $erau8^
gdbe ber „Sriefe ber 3)unlelmänner" belannte, burdj t)ielfeitige SBer*
binbungen f el^r einflußreid^e it r o t u g f ud^te ftd^ il^m im ^l^jal^r 1520
3U nähern. 3n feinem ©d^reiben an Sut^er fd^lägt er einen emft
teligtöfen 3^on an, inbem er ftd^ namentlid^ }u ber Sted^tfertigung
burd^ ben Glauben belennt. 3Bir bürfen freilid^ an^ fold^en fromm
f lingenben 9lulSbrüd(en, mie fie uniS aud^ fonft mand^mal in Briefen
— 117 —
ber $untaniften begegnen; nid^t ju t)iel fd^Kelen, ba in i^ren
Greifen bad ÜBortntad^en unb bad gegenfeitige S3eIompIimentieren
Sitte voax. SCDein fomel gel^t bod^ a\x^ biefen Schreiben J^erDot^
ba^ il^nen nad^ unb nad^ bie 3(l^nung lam, bie t)on Sut^er
ausgegangene ä3en)egung fei für bie Befreiung ber ©eifter t)om
S)rudfe bed l^errfd^enben Slberglaubend oon l^öd^fter Sebeutung.
SBäie t)icl freilid^ bie einzelnen $umaniften tjon bem pofitioen ©es
l^olt ber oon Sutl^er t>erlünbigten Seigre ftd^ perfönlid^ aneigneten,
ift eine anbere ^age. i^ebenfaQg aber bilbete ber $umaniiSmud
bi^ äSermittlung ; burd^ weld^e nid^t n^enige einflugreid^e $erfön:s
Kd^Ieiten für bie refomtatorifd^e Scroegung günftig geftimmt würben.
2)a, wie wir gefeiten l^aben, ber ßrjbifd^of 2llbred^t t)on SWainj
unb ÜRagbeburg ein eifriger 2lnl|änger unb l^od^geel^rtcr ©d^u^patron
ber beutfd^en §umaniften war, fo begann aüd^ Sutl^erS Serl^ältniS
gu biefem l^od^geftellten 5Kanne fid^ roiebcr freunblid^er ju gcftaltcn.
2luf einen ©rief, roeld^en 2utl^er au§ einer nad^l^er ju crtoä^nenben
SSeranlafJung m bcnfelben f d^rieb , gab er eine gnabige Slntroort,
ja er fteDtc ben mit Sutl^er befreunbeten Rapito al§ geiftlid^en
Slat unb SJomprebiger an, obrool^I berfelbe in eoangelifd^em ®cifte
prebigte. 9lod^ freunblid^er fteHtc fid^ berSifd^ofS^l^urjo t)on
SreSlaU; ein SBerounberer beS ©raSmuS, gu ben SBittenbergem.
3)erfelbe ftarb jcbod^, el§e er Sutl^erS unb 5WeIand^tl^ong Sricfe
erl^ielt. Sutl^er nannte il^n ben beften Sifd^of be§ 3al^rl§unbcrtä
unb bezeugte, er fei im feligmad^enben Olauben geftorben.
2lud^ unter ber beutfd^enSReid^Sritterfd^aft l^atte ber ^uma^
ni§mu§ feine Slnl^änger. 33ei biefem ©tanbc l^anbelte eg fid^ bamate
um ©ein ober Slid^tfein. ®urd^ bie ©infül^rung ber geuenoaffen
unb ba§ Suflommen beS Sanblned^tSroefenS l^atte er feine miß-
törifd^e Scbeutung oerloren, politifd^ mar er burd^ bie aufftrebenbe
SJlad^t ber SanbeSfürften unb burd^ bie aufblül^enben ©täbte jurüdf-
gebrängt morben, unb bie ölonomifd^en SSerl^ältniffe marcn bei ben
meiften feiner 3lngel^örigen burd^ 9D?ü|iggang unb SBöHerei jerrüttet
unb mürben aud^ bei georbnctem §auSl^alt immer fd^roieriger, ba
ber Orunbbefi^; auf befjen Srtrag biefe SRitter angemiefen maren,
gegenüber bem ^anbel unb ber @emerbtl^ötigleit ber @täbte an
aBert immer mel^r oerlor. S)a^ eS unter fold^en Umftänbcn in
— 118 —
bcr SDlittc bct SReid^Srittcrfd^aft an Unjufricbcnctt nid^t fcl^ftc, batf
und nid^t n>unbem. 3)iefe Unjufriebenl^eit äußerte fid^ bei ben
einen baburd^, ba| fie mit einet ^rt (Satgenl^umor ftd^ burd^ ein
n)üfteS Seben geiftig, pl^^ftfd^ unb ()!onontifd^ ju ©runbe tid^teten,
bei anbem batin, bafe fie 8^9^ bie in günftigeten 38erl^ältnif{en
fid^ Sefinbenben, inSbefonberc gegen teidje Rlöfter unb ©tifte, foroie
gegen bie ftäbtifd^en §anbeföl^erten ©tpreffung unb ©emalttl^at
übten unb babei in feltfamer @elbfttäufd^ung biefeg ®efe^ unb
Drbnung oetl^öl^nenbe Stegteifrittettum alä bad ed^t beutfd^e Seben
rül^mten unb ftd^ bei allen äSebrüdfungen, butd^ n)eld^e fte i^\e
Sauem faft jur SSerjmeiflung trieben, afö bie cigentlid^en SBertreter
ber greil^eit bettad^teten. ^n biefet Oeftalt l^atte Sutl^et baS
Stittertum lennen gelernt, unb barum ftnben fid^ bei il^m mand^e
fd^arfe 2leu|erungen über bie grofetl^uerifd^en, unroiffenben unb
bilbungSfeinbßd^en „©d^arbanfen". 2)aneben aber fd^Iofc biefer
©tanb a\x(l^ mand^e eblere Elemente in fid^, SRänner, benen nid^t
nur ber S^^f^K '^^^ SRitterfd^aft, fonbern au^ bcr bcS 9leidje§
unb beg laiferßd^en 9lnfel^en3 ju ^erjen ging, bie nid^t fon)ol^I
neibifd^ auf ben n)ad^fenben Steid^tum ber jlird^e l^inbUdCten, aU
rielmel^r mit jtttlid^er Sntrüftung baS in il^r l^errfd^enbe 38erberben
beflagten unb jugleid^ mit patriotifd^em 3o^ erfüllt mürben, menn
fie fallen, mie beutfd^e ©utmütigfeit unb grömmigleit t)on ber
römifd^en ©d^laul^eit ausgebeutet unb tjerl^öl^nt mürbe, ©old^e
SWänner fud^ten mol^l burd^ politifd^e unb friegerifd^e Untcme^-
mungen il^rem ©tanbe unb, xok jte meinten, jugleid^ bem Sfteid^e
oufjul^elfen. 3!)er einflufereid^ftc unter il^nen mar ^ranj von
©idEingen. 6r befafe eineSKad^t, mit ber er f elbft ^fürften unb
93ifd^6fen trogen lonnte, unb genofe l^ol^eS anfeilen im Sleid^e mie am
faiferlid^en §ofe. 3)afe ber römifd^e SJruä jebe bejfere GJeftaltung
ber beutfd^en SSerl^ältniffe l^inbere, fal^ er mol|I ein; barum trat
er al§ (Segner ber römifd^en Partei auf. ©o ^atte er bie Kölner
ajominifaner genötigt, bem SReud^Iin bie Soften be8 gegen il^n
flefül^rten 5ßrojef{eS ju erftatten, unb je^t liefe er Sutl^er feinen
©d^u| anbieten unb il^n ju fid^ einlaben. 2)ie 3Rittelgperfon mar
l^iebei fein ©tanbeSgenoffe Ulrid^ t). §utten. 6r l^atte im
Älofter erjogen merben follen, mar aber entflol^en, feitl^er mar er
— 119 -
©egner bet SRönd^e unb bet ^teratd^ie. 9CU er bann in Italien
bie „röntifd^ Slid^tgmürbigleiten^' buvd^ eigene älnfd^auung tennen
gelernt f^aüe, aud^ S^^i^ baoon gemefen war, mit weld^em lieber^
mut bie 9iömer gegen bie 3>eutfd^en, aU to&xzn fte il^re „BtaU-
Ined^te'^ ftd^ benal^men, ba flammte fein ^erj von patriotifd^em
Sotn gegen bie SBelfd^en unb infonberl^eit gegen bie römifd^e
^ird^e mit i^ren ©reuein, unb mit bei^enbem 3Bi| geißelte er bie
SSerberbniffe berfelben in einer burd^ l^umaniftifd^e @tubien ge-
bilbeten ®prad^e. @r badete baran, ba^ ein vom ^aifer berufene^
allgemeines ftonjil ober, menn ein fold^eS nid^t }uftanbe läme,
ber beutfd^e äteid^gtag bie lird^lid^en SSerl^ältniffe orbnen foKte.
@o treffenb er aber bie S3erber6nif[e in ber ^ird^e ju geißeln
wu^te, fo fel^lte eS i^m bod^ an 2liefe ber rcligiöfen (grfenntniS,
unb bal^er brad^te er ed aud^ nid^t ju Haren ©ebanfen in betreff
ber von il^m crftrebten f ird^lid^en unb ftaatlid^cn Sleform. %ixx
Sutl^erS 93eftrebungen jeigte er anfänglid^ menig SSerftönbnid ; aU
er Don bef{en Stuf treten miber ben älbla^ l^örte, rieb er fd^aben-
•frol^ bie §ttnbe unb fprad^: „S^effet einanber, bamit i^r oon
einanber gef reffen merbet/' äBal^rfd^einlid^ aber burd^ ben @influg
bed Jtrotud gemann er balb eine gtinftigere Meinung von xf^m,
unb ba er jtd^ mit i^m in ber Selämpfung 9iom3 n>ie in ber
t^orberung eines Ron^xU einS mu^te unb in ber SSerbinbung mit
bem 9Ranne, beffen SSJort eine fo geroallige SBirlung übU, eine
gro|e tJorberung für feine Sad^e erblidte, fo bcftimmte er ©idfingen,
Sejiel^ungen mit Sutl^er anjulnüpfen, unb manbte ftd^ in beffen
Flamen junäd^ft an 3Reland^tl^on in einem Briefe, morin er Sutl^er
ben ®d^u| @idingen§ anbietet. Später l^at er aud^ an Sutl^er
felbfi einen ermunternben Srief gefd^rieben. Slud^ ber fränfifd^e
SRitter ©iloefter tjon ©d^aumburg liefe bicfem eine Suflud^tS^
" ftätte anbieten unb brüdfte bie i^^'ff^ung auS, ba| l^unbert ^belid^e
für il^n einftel^en werben.
Slber nid^t nur beim 9lbel fonbem aud^ unter bem SS olle
fanb Sutl^erS aOäirleti in immer weiterem Umfang freubige 3^'
ftimmung. ®icä bewirft en namentlid^ feine ^rebigten unb feine
furjen populären glugfd^riften. ^tnn mitten unter feinen Kämpfen
fanb er nid^t nur bie ^üt, fonbem, was mel^r l^eifeen will, audj
- 120 —
bie ©ammlung unb Stulpe bet @eele, um ntd^t nur ben 9(nfotbe?
Hingen jeineS Setuf g ald Unberfitätölel^rer unb ^rebiger in DoDem
Umfange ju genügen, fonbem aud^ für bie @r6auung unb Sele^rung
bed 93oIfd burd^ eine gro|e Safji oon ©duften tl^ätig }u fein.
3[m $rä)igen lonnte er ftd^ nid^t genug tl^un. Sieben ben
fonntäglid^en ^rebigten l^ören mir an^ bem ^oi^r 1519 t)on tag-
iid^en SSorträgen über bie jel^n @ebote unb bad SSaterunfer, bann
t)on Sßod^enprebigten über bag 1. Sud^ 9Rofe unb bad Soangelium
SRottl^äi. 3)od^ finb nur menige ber ^rebigten aud ienen 3<^l^ren
auf und gelommen, ba er nid^t bie 3^i^ f<^nb, fte auf^ugeid^nen.
dagegen l^at er einige populöre 3(bl^anblungen über flogen bed
proftifd^en Sl^riftentumd in ben 2>rudC geg.eben, meldte, obmo^I fte
nid^t )um mfinblid^en SSortrag beftimmt maren, ben !Ramen
,,©ermon'' tragen, fo ben „©ermon t)on ber Setradjtung
beS f)t\l SeibenS 6l^rifti\ ben „non ber Sereitungjum
©t erben" unb ben „uom 8BBud^er'',in meld^em er, entfpred^enb
ben in ber mittelalterUd^en jtird^e l^errfd^enben Slnfid^ten, oKed
3infennel^men als oermerflid^cn SSSud^er auffaßt unb »erlangt,
ba^ ein Sl^rift miUigKd^ ol^ne aH^ 3inS U\f)tn foUe. ^n feine
feelforgerlid^e 3^^ätigleit erl^alten mir femer einen Sinblid burd^
feine „9lnmeifung jum redeten äSeid^ten" unb burd^ bie aud
3SeranIaf[ung einer Äranl^cit feines Äurfürften ucrfafete %xo\U
fd^rift „3;effarafaibela8". Ql^r gried^ifd^er Slame bebeutet
„Dierjel^n" unb meift barauf l^in, ba^ fie bie vom fotl^olifd^en
SSoße gemöl^nlid^ angerufenen oierjel^n Slotl^elfer erfe^en moDe
burd^ 93etrad^tung t)on fieben liebeln beg menfd^lid^en Sebend unb
fteben entfpred^enben SBol^ltl^aten @otted. 3loi^ einfad^er unb po-
pulärer ift bie „für ben gemeinen S^riftenmenfd^en, ber bie ©d^ft
nid^t )u lefen Dermag'', beftimmte lurje äluglegung ber ®ebote,
bed ©laubend unb beS 93aterunferg -— in meld^er und fd^on bie
©runblinien t)on Sutl^erS Keinem fiated^idmuS entgegentreten,
©old^e ©d^riften, benen man !aum anmerft, in meld^ i^eftiger 9e^
megung, jur S^i, ba er fte »erfaßte, fein @eift ftd^ befanb, unb
in benen er bie ©treitfragen, bie il^n befd^äftigten, laum berül^rt,
maren ber SludbrudC beffen, roa^ \f)m felbft am meiften am ^erjen
lag, ber einfad^en d^riftlid^en ^eildmal^rl^eit. 2)arum ftrömten fie
- 121 —
i^m fo tDarm unb frifd^ au8 bem ^erjen uitb oud bet ^eber.
„^^ l^abe eine fc^neSe i^^^nb, fagte et, unb ein fettiges ®ebä(^tnid,
fo ba^ alled, wad id^ fd^teibe, mel^t t)on felbffc fliegt, afö etft l^et-
ootgel^olt roetben ntufe." 3)iefe ©d^tiften mit il^tem baä §etj
etgteifenben Sn^alt, il^tet Ilaten, anfd^aulid^en SatfteQungtoeife,
intern populöten, tteff enben äludbtud wutben benn aud^ aUentl^alben
begierig aufgenommen. 2)ag SSoR fül^Ite ed il^nen an, ba^ bet
SRonn, n)eld^et ben Sliefenlampf gegen Slom auf ftd^ genommen
l^atte, }ugleid^ ein ^etj l^abe füt baS jeitlid^e unb en>ige äBo^I
beiS gemeinen SRanneS; batum manbten fid^ i^m bie ^etjen )u,
et TOUtbe ein SKann beS 3SoHeS wie lein anbtet, unb feine Seilte
trieb, mie jtutfütft ^ebrid^ fid^ auSfptad^, in ben ^etjen bet
2)eutfd^en oEentl^alben fo ftatle SBut^eln, bag eine gemaltfame
UntetbttidEung betfelBen ol^ne bie l^eftigften Äämpfe unb SBoHäs
bemegungen nid^t mel^t möglid^ roax.
Unb immet neue Seiten bet litd^Hd^en Seilte unb bed litd^^^
lid^en Sebend fteOte et in baS Sid^t bed göttUd^en SBotteg. ®o
mat ed namentlid^ bie Seilte r>on ben Saltamenten, meldtet et
im Sollte 1519 fein 9lad^benf en juwenbete. 3[n bem „©etmon
t>on bet S^aufe'' untetfd^eibet et btei @tüdCe bed @a!tament3:
bad äu^etlid^e S^^^^f ^^^ göttlid^e Sebeutung unb ben @lauben,
bet )um ted^ten Empfang nörig, ja bet ©tunb aQeg Xtofted ift.
3He S^aufe ift il^m bie (Stunblage bet ted^ten Su^e, meldte eben
batin beftel^t, ba| bet 3Renfd^ bie fd^on in bet 3!aufe empfangene
@nabe butd^ ben (Glauben n)iebet neu etgteift. ^m Xaufgelübbe,
butd^ meld^ed man fid^ Detpflid^tet , bie @ünbe ju töten unb
heilig }u metben, finb aUe befonbeten ©elübbe fd^on begriffen;
il^t SBett befielt thtn barin, ju jenem ©ttßten bet ©ünbe bel^ilf=
lid^ 3U fein ; f o ftnb pe alf o nut 3Rittcl, um ben ^xoti bet 2xjuf e
gu etteid^en, nid^t abet begtünben fie eine übet bie Saufe l^inaud-
gel^enbe ^eiligleit.
Unmittelbat an bi^fc ©d^rift teilet jtd^ „bet ©etmon oon
bem ^od^mütbigen ©a!tament beg l^eiligen malzten Seid^-
namö ßl^tifti unb oon ben Stubetfd^aften".
SemetlenSmett ift, wie Sutl^et in bicfem ©etmon bagjenige,
wag bet tömifd^en Jlitd^e baS SBid^tigfte am Slbenbmal^I xoax, baS
— 122 —
SRegopfer, mit leiner Silbe ermäl^nt, me er jmar ben 9(u§bru(f
SSertDanblung braud^t, auf bie SSertoanblungdlel^re felbfi aber feinen
98ert legt, n)enn nur bie 3Eßal^rl^eit bed Seibed unb S3Iuted Sl^rifti
feftflel^altctt wirb, wie er gegenüber oon bcr fd^olaftifd^en Seigre,
ba^ beim @alrament fd^on bie öu^ere ^anblung ben ©egen ver-
mittle, auf ber ?totn)enbig!eit beg ©laubeng befielet, mie er enb-
lid^ bie jlommunion unter beiberlei ©eftalt ^toax für nid^t not-
n)enbig, aber bod^ für fad^gemä^er anfielt.
@3 ift bejeid^nenb, ba^ t)on allen biefen fünften nur ber
le^tgenannte , ber bod^ eigentlid^ von untergeorbneter 99ebeutung
ift, SEßiberfprud^ l^eroorrief. Sutl^er fd^ien l^ier bie Seigre ber v&c^
l^a^ten ä3ö^men )u oerteibigen, unb fo mürbe ber feit ber Seip-
giger 3)igputation lautgemorbene äSormurf beS $ufitiSmu3 mit
neuer $eftigleit gegen il^n erl^oben, ja baS ®erüd^t, er fei in
93öl^men geboren unb erlogen, mürbe verbreitet; unb bie äleu^e-
rung, e§ märe !eine @ünbe, menn man il^n gerabeju totfd^lüge,
liefe fid^ vernel^men. S^^^^^P fd^rieb $erjog ©eorg von ©ad^fen,
DieQeid^t burd§ (Smfer auf jenen ©ermon aufmerffam gemad^t, an
ben Äurfürften, um il^n gu $DlaferegeIn gegen Sutl^er, ber faft
„pragifd^" lel^re, aufjuforbem; bann erliefe von ©tolpe auS unb
unter bem ©iegel beS bortigen DffijialS (b. 1^. bifd^öflid^en Beamten)
ber Sifd^of von 3Keifeen ein ^efret, monad^ jener ©ermon mit Se-
fd^Iag belegt unb bag SSoII vox ber in bemfelben entl^altenen Seigre
gemamt m erben foQte. 3lud^ am !urfäd^fifd^en $ofe mar man über
bie @a^t betroffen, unb ©palatin fud^te, mol^l in beS ^urfürften
äluftrag, Sutl^er }u beftimmen, bafe er ^^rieben l^alte. 2)iefer
aber erllärte, er l^abe, feit er bie ©d^riften von $uS gelefen, gc-
funben, bafe er biSl^er bie Seigren beSfelbcn, o^ne eä }u miffen,
vorgetragen §abe. ^e gröfeer frül^er feine SBorurteile gegen ben^
fetten gemefen maren, befto me^r ift er barüber beftürjt, bafe bie
offenbare eoangelifd^e SBal^rl^eit feit mel^r aU l^unbert Qal^ren ver?
bammt merbe. Um aber $Dlifeverftänbniffe gu befeitigen, meift er
in feiner „®r!Iärung etlid^er Slrtilef in feinem ©ermon
vom l^eil. ©alramenf' barauf l^in, bafe er in SSegiel^ung auf
bie beiben ©eftalten beS älbenbmal^IS ni^t eigenmä(|tiged SSor^
gelten eineg einzelnen angeraten, fonbern bie ©ad^e ber (Sntfd^ei^
— 123 -
bung burd^ ein Jtonjil anl^eimgeftelli l^abe. @d ^anble ftd^ über-
l^aupt nid^t um eine 5{e^erei, fonft l^ätte ba8 Jtonjtl ju 9afe( ben
Söi^men ben ©ebvoud^ be8 jteld^ed nid^t geftotten lönnen, fonbern
imt eine @ad^e d^ftlid^er t^reil^eit, barum fei ed an ben 93ö^men
nid^t gu loben, ba^ fte ,,nit bem Raufen gefolgt'', eS wäre aber
aud^ nid^t red^t, il^nen beSl^alb jle^erei oorgumerfen, oielmel^r foKte
man einanber gegenfeitig tragen. 3^ einer lateinifd^ unb beutfd^
l^erouSgegebenen ©d^rift: ,,$roteftation unb @rbieten" oer-
rocdf^xtt er ftd^ gegen ben äSormurf ber 5{e^erei unb überfanbte
bie @d^rift famt einem in untermürfigen äludbrüdCen abgefaßten
©d^reiben an Äaifer Jtarl V., ben er um ©d^u^, nid^t für feine
^erfon, fonbern für bie SBa^rl^eit anflel^te. 3)e§gleid^en fd^rieb
er an Srjbifd^of Sllbred^t unb ben Sifd^of oon 3Werfeburg, inbem
er fte hat, nid^t über i^n }u urteilen, ol^ne feine ©d^riften gelefen
gu ^aben. $errfd^t in biefen ©d^reiben ein gemäßigter Xon, fo
fprid^t er fid^ in ber „Slntmort auf bie Sattel, fo unter
beS Dffijialä gu ©tolpen ©iegel ift ausgegangen"
mit großer Seibenfd^aftlid^Ieit unb bitterem $ol^n über biefeS 2)e'
{ret avL^, inbem er fid^ fteQt, aU !önne er nic^t glauben, baß ed
oon bem Sifd^ofe felbft ^errül^re. 5Dabei be!ennt er fid^ auSbrüd^lid^
nod^ }u ber Seigre, auf meldte man fid^ für bie Jteld^entgiel^ung
gu berufen pflegte, baß unter jeber von beiben ©eftalten ber ganje
Sl^riftuS entl^alten fei. @ine au^fül^rlid^ere lateinifd^e Entgegnung
auf jened bifd^öflid^e 3)elret fd^lug einen etmaS gelinberen Xon
an, unb ber gange ©treit oerftummte allmäl^lid^, ol^ne baß bie
Don ©palatin befürd^teten fd^limmen t^olgen be§ rüdCfid^tdlofen
SBorgel^eng oon Sutl^er eingetreten mären.
3)erfelbe l^atte ingmifd^en nod^ gm ei ©ermone au3gel^en laffen,
auf meldte mir nod^ mit einigen 3Eßorten l^inmeifen muffen, ^m
©ermon oom 99ann fül^rt er aud, baß berfelbe t)on ber maleren
geifUid^en ©emeinfd^aft mit Sl^rifto unb ben ^eiligen nid^t aud-
gufd^ließen vermöge; nur ber ^enfd^ felbft burd^ feinen Unglauben
iann bad, eingig von ber äußeren Jtird^engemeinfd^aft fd^ließt ber
Sann auS, unb in biefem ©inne fott er gegen offenbare ©ünber
geübt merben, aU ein Mittel gur 9iettung il^rer ©eelen. SSiel
auSfül^rlid^er ift ber „©ermon oon guten SSBerlen", für bie
— 124 —
ungele^rten Saien befttmmt, für tDeld^e ju fd^reiben t^m ntd^t )u
gering fei, toenn xf)n aud^ ntand^e barob oerad^ten. @r gel^t l^ier
baoon au^, ba| nur bte t)on ®ott gebotenen 9BerIe gut, unter
btefen aber ber ®Iaube baS l^öd^fte fei. äCud il^m muffen bte ein-
zelnen guten SSerIc fliegen, benn nur bann finb pe gut, wenn fie
int ©lauben, bag fie ®ott gefaOen, oerrid^tet n^erben. 98er ben
wal^ren ®Iauben l^at, bem hxan^i man !eine guten 9BerIe gu be-
f eitlen, er t)oIIbringt fie t)on felbfk. ^m jmeiten 2^eil werben
bann bie einzelnen auS bem ®Iauben ftammenben SSer!e nad^ ber
Drbnung ber }el^n @ebote burd^gegangen. 93eim britten ®ebot
lomntt er auf ben ©otteSbienft , bei bem il^m bie burd^ ^rebigt
unb ©alrament gefd^el^enbe SSerlünbigung ber @ünbenpergebung
um beS Dpfertobed S^rifti millen al3 bie ^auptfad^e erfd^eint;
aud^ bie Hebungen beg ^teifd^eS burd^ Jtafteiung red^net er gum
©ottedbienft; fte f ollen aber nad^ bem geiftlid^en Sebürfnid eined
jeben unb mit SlüdEfid^t auf bie leiblid^e ©efunbl^eit bemeffen merbcn.
2lud^ feine oon jeber puritanifd^en (Sngl^erjigfeit freie äCuffaffung
ber ©onntagSfeier finben mir fd^on l^ier. @r begiel^t bad ©ebot
auf bie geiftlid^e geier, ba| mir ©ott allein in nn^ mirfen laffen.
2)ie leiblid^e ^Jeier fei im bleuen Xeftament nid^t mel^r geboten,
aber um unfrer Unoottfommen^eit mitten unb namentlid^ megen
ber älrbeitdleute eine l^eilfame Orbnung gum 3^^^ ^^^ gemein-
famen ©otteSbienfteS. ä3eim oierten ©ebot mirb ber SSert ber
arbeit im irbifd^en Seruf gegenüber oon bem Saufen inä Älojier
l^eroorgel^oben ; ber ©el^orfam gegen bie geiftlid^e mie gegen bie
meltlid^e Dbrigf eit, f omeit er nid^t gegen ©otted ©ebot gel^e, mirb
eingefd^ärft, babei aber an Äönige, gürften, äCbel unb ©täbte
bie 9lufforberung gerid^tet, bem oon 9{om auSgel^enben SSerberben
(Sinl^alt ju tl^un.
@o l^at Sut^er bie Hoffnung auf eine burd^ bie fird^Iid^en
Organe l^erbeijufül^renbe Seffcrung aufgegeben unb bie Saien ju
§ilfe gerufen.
— 125
9iede0 üiapiter.
^tv Brurfi mit %mn.
Du n»trfi ja nimmer eins mit bem f<^b«
liefen Stuf}!/ bec bas ®efr^ Abel beutet.
Pf. M, 20.
'^om f)aiU nod^ tiid^t gcrcbct; bcr längft crrtartctc SSann
über Sutl^er n)ar immer no(|i nid^t au^gefprod^en. Slud^ er ^atte
fein le^teg SBort no(|i ntd^t gefptod^en. 3^<^^ ^^^^^ i^^ Saufe
roeniger $iaf^xe feine innere ©tettung jum ^apfttum eine geroat
tige 3(enberung erfal^ren, t)on untermürfiger SSerel^rung bedfelben
war er ©d^ritt für ©d^ritt ju ber 3lnfid§t weitergeführt roorben,
bafe in SRom ber wal^rl^aftige Slntid^rift l^errfd^e: aber immer nod^
l^atte er oon bem regierenbcn 5Papft Seo X. eine gute SKeinung,
immer nod^ l^atte er ftd§ gehütet, feine 3weifel an ber Sered^-
tigung bed päpftUd^en ^rimatS unter ba§ $oI! ju tragen, allein
immer mel^r brängte aUed gur legten @ntfd^eibung. @ d mar in 9tom
unermüblid^ tl^ätig, um Sutl^erg SSerurteilung }u ftanbe }u bringen.
3ln einem Sriefe oom 3. 9Jlai 1520 rül^mte er fid^, ba^ man in
^om crft burd^ il^n Sutl^erS Irrtümer red^t fennen gelernt l^abe,
bafe aber je^t bie Sutte ju bef|en Verurteilung bereits entworfen
fei. Slud^ in 2)eutfd^Ianb regte jtd^ bie römifd^e Partei mit neuem
@ifer. 9iid§t nur verlautete allerlei t)on ^nfd^lägen gegen Sutl^erg
Seben, fonbem eä trat aud^ auf bem litterarifd^en Jtampfpla^ ein
neuer (Segner miber il^n auf in ber 5Perfon beä Seipjiger ^anjiS-
fanermönd^g Sluguftinuä Sllf elb. 3n einer lateinifd^en ©d^rift
,,über ben apoftolifd^en ©tul^l" fiel er mit l^ol^em ©elbftgefül^l
imb groben äBorten über Sutl^er l^er, inbem er jeben, ber ba$
göttlid^e 9{ed^t bed $ol^eprieftertumS ^etri unb beä pöpftUd^en
©tul^leS nid^t anerfenne, feierlid^ für einen t)erlel^rten Jte^er er^
Hörte. Um biefelbe Seit (3Rai 1520) lam Sut^er eine ©d^rift
bed ©plDefter $rieria3 in 9tom ju, in meld^er bie päpftlid^e
Obergemalt in einer nod^ überfpannteren SBeife geltenb gemad^t
unb bem ^ap^e bad Siedet beigelegt mirb, ani) o§ne ein 5{on}it
- 126 -
mit göttlid^er Slutorttät aü unfel^Ibarer Üttd^ter aller Streitfragen
in ©ad^en beS ©laubend unb Seiend )u entfd^eiben. Sllle geift-
lid^e ©emalt in ber jlird^e gel^e von 'xf)m aud. @d war bieS bie
t)on bcn Äonjilien ju Äonftanj unb Safel oerroorfene, oom papft^
lid^en $ofe aber ftctS feftgel^altene fogenannte lurialiftifd^e Stuf-
faffung t)om SBefen beS ^ßapfttumS.
3)iefe Sel^auptungen ftanben nun freiließ im fd^roffften (Segen-
fa^ ju ber Ueber^ieugung , in voel^ex Sut^er in ber legten S^t
mel^r unb mel^r befeftigt raorben war. SDie von $utten neu l^erauS^
gegebene @d^rift bed SaurentiuS SSaKa über bie @d^enfung
jtonftantind mar il^m t)on einem f^eunbe jugef anbt morben. $ier
fanb er ben ^Wad^meiS, bafe bie römifd^e SSel^auptung , ber Jtaifer
Jtonftantin l^abe bei feiner Ueberfiebelung na^ Konftantinopel bem
römifd^en SBifd^of ©^loefter I. bie §errfd^aft über SRom unb bcffen
®ebiet gefd^enlt, eine Süge fei. 3^ gläubiger er frül^er jene Se-
l^auptung angenommen f^atte, befto mel^r entfette er fid^ über biefe
ßnt^üllung. „(Suter ®ott/' fd^reibt er an ©palatin, ,,n)eld^eginper^
niff e unb 5Wid^tSmürbigIeiten ber SRömlinge ! 3^ ^w fo in
Slengften, ba^ id^ faft nid^t mel^r jmeifle, ber $apft fei im cigent*
lid^en ©inne ber 3lntid^rift, ben bie SBelt ju erwarten l^at." §ieju
lamen bann bie ©d^ilberungcn beä empörenben SJreibenä in SRom,
meldte mit beifeenbem ©pott oon Butten unb feinen greunben in
S)eutfd^Ianb verbreitet mürben. 3)a mod^tc in Sutl^er bie ©rinnen
rung an badjenige mieber aufleben, maS er bereinft felbft in 3iom
gefd^aut, aber bei feiner bamaligen SSerel^rung bed ^apfttumd in
fid^ nid^t Mte gum SBorte fommen laffen. ©enaucreS über bie
römifd^e $abfud^t l^at er t)on bem mit ben SSerl^ältniffen beS
römifd^en §ofe§ mol^I vertrauten Dr. aSidt „auSgelunbfdJaftet".
33on nun an mirb feine ©prad^e gegen SRom l^eftiger unb rüdf-
fid^tSlofer, unb er trägt fein Sebenfen mel^r, bie ©runblofigleit ber
päpftUd^en Slnfprüd^e aud^ bem SSoIfe gegenüber geltenb )u mad^en,
mie er ba§ fd^on in bem oben ermäl^nten „©ermon von guten
SBBerlen" tl^ut. ^a gerabe baS SBoII von biefem Setruge, unter
bem eg am meiften ju leiben l^atte, gu (efreien, erad^tet er nun
für feine eigentlid^e aufgäbe, ©o lange bie ©d^rift älfelbS
nur in lateinifd^er ©prad^e vorlag, l^atte er fie einer Slntmort
- 127 —
ntd^t getDütbtgt^ als abcx berfelbe ,,fein Sffenbüd^Ie inS ^eutfd^e
gab, bie atmen Seute ju Dergiften'^ ba trat il^m Sutl^ev entkeim
mit ber audfül^rlid^en Sd^rift: ,,S3on bem ^apfttum ju Slom
mtber ben l^od^betül^mtenSlomaniften ju Setpatg". $atte
jener baS göttliche SRec^t beS ^apfttumS mit 3$ernunftgrünben unb
aus ©d^riftfteHen ^u ermeifen gefud^t, fo ermibert Sutl^er: „9Rit
SSemunft fx^ unterteilen, ®otteä Drbnung ju grünben ober
fc^ü^en, jte fei benn mit ©lauben üorl^in gegrünbet unb erleud^tet,
fo ift^S, als xoenn id^ bie l^cHe ©onne mit einer finftem Satem
wollt erleud^ten unb einen ^ete auf ein SHol^r grünben." $attc
jener an^ ber Slnalogie irbifd^er ©emeinfd^aften auf bie Slotmenbigs
feit eines fid^tbaren $aupteS ber 5{ird^e gefd^Ioffen, fo l^ält il^m
Sutl^er ben erangelifd^en Segriff ber Jtirc^e entgegen, roonad^ bie
Äird^e ober Gl^rijlenl^cit nid^t eine leiblid^e Serfammlung, fonbem
eine geiftige @inigleit ijl unb barum au(^ eined leiblid^en ^aupteS
nid^t bebarf. $atte jener au8 ©d^riftpeUen, inSbefonbere auä alt^
teftamentlid^en SSorbilbern bag göttlid^e Siedet beS ^apfttumS )u
begrünben gefud^t, fo mad^tSutl^er geltenb, man bürfe über ©laubenS-
roal^rl^eiten nid^t mit „manfenben ©d^riften", b. 1^. jmeifell^aften
Slllegorieen ftrciten, übrigens merbe mit jenen SSorbilbem in SRom
felbft nid^t ßmft gemad^t: fo folle Slaron ein S8orbiIb auf ben
5Papft fein, Staron aber unb jeber ^ol^epriejier l^abe eine 3i««9'
frau gur @^c nel^men fotten, ber 5ßapft bagegen verbiete ber ganjen
^Priefterfd^aft ben el^elid^cn ©tanb miber ®ott, SRed^t, SSemunft
unb 5Ratur. ®S ift bieS baS erfte 3Jtal, ba| Sutl^er gegen ben
Gölibat fid^ auSfprid^t. UebrigenS miff er nid^t, baft man bem
5ßapfte miberftrebe ; meil berfelbe oielmel^r ju feiner ©emalt nid^t
ol^ne göttlid^en 9lat, menn aud^ auS jomigem SHat ©otteS, ge^
lommen ift, fott man biefelbe ©emalt in ®l^ren l^aben unb mit
aller ©ebulb tragen, gleid^ als menn ber ^ürl über unS märe.
5Rur foll man auS ber päpftlid^en ©eroalt feinen ©laubenSartifel
mad^en unb foII geftatten, baft attcS, roaS ber ^apft fe^e unb tl^ue,
an ber ^eiL ©d^rift geprüft roerbe.
2luf beS ^rieriaS ©d^rift gab Sutl^er feine eigentlid^e Slnt-
roort, fonbem oeröffentlid^te biefelbe mit einem fc^arfcn SSor^ unb
9lad§roort unb furgen Slnmerfungen. Slber au^ l^ier, roie in ber
— 128 —
©d^rift gegen äUfelb, !ommt er auf ben @eban!en jurüd, \>ai
Könige, t$M^^^ unb aQer älbel foKte baju greifen, ba| ,,ben
S3uffcn von SHorn bie ©tra^ nteber roerb gelegt".
9(ud biefem ©ebanlen entfprang bie um biefelbe 3^^^ ^^'
öffentlid^te Sd^rift: „3ln ben d^riftUd^en 9lbel beutfd^er
^Ration von beS d^riftlid^en StanbeS Sefferung." SQäiebie
crjle ^te biefer für bie SReformation fo wid^tig geworbenen ©djrift
in Sutl^erä ©eift aufbli^te, barüber ift nod^ eine Slad^rid^t auf unS
gelommen. (5r reifte mit feinem früheren (Srfurter Äloftergenoffen
@ü| über Sanb. UntermegS fniete er vor feinem SBagenlaften nieber,
betete längere 3cit mit großem ®rnft unb rief bann an^: „3tun
l^abe id^ meine 93üd§fen gelaben, gel^t mir bie red^t ab, fo foQ fte
gemi^ burd^bringen. ^^ roxü an ben beutfd^en Slbel ein Süd^Iein
fd^reiben. ®elingt mir^d bamit, ba^ fie jum SBort ®otted treten,
fottt il^r feigen, roaS folgen wirb." Sr gel^t in biefer ©d^rift ba^
oon and, ba| bie Steformperfud^e ber 5{on}iIien üergeblid^ maren,
„je^t aber l^obe @ott uniS ein eb(eS junges S9lut jum $aupt ge$
geben unb bamit oiel $erjen ju großer guter Hoffnung ermeit.
S)iefe 3^t unb @nabe follen mir nü^lic^ braud^en. 9lber ob aSer
3BeIt ©emalt unfer mdre, foQen mir bod^ nit anheben mit SSer-
trauen auf unfre üJlad^t ober SBemunft. 3lu3 bem Orunb, forge
id^, fei ed Dorjeiten fommen, ba^ bie teuren f^ürften Aaifer
^ebrid§ ber @rfte unb ber ätnbre unb t>iel mel^r beutfd^er 5taifer
fo jämmcrlid^ ftnb von ben 5ßäpften mit gü^en getreten, ©ie
^aben fid^ oieUeid^t Derlaffen auf i^re SDtad^t mel^r benn auf ®ott,
barum l^aben fte muffen faden. Tlan mu^ l^ier mit einem 93er^
jagen leiblid^er ©emalt in bemütigem SSertrauen ®otted bie ©ad^e
angreifen unb mit emftlid^em ®ebet $ilfe bei ®ott fud^en. 3Bo
baS nid^t, fo foQ ftc^d ©piel mol^I laffen anfa^en mit großem
©(^ein; aber menn man l^inein lommt, f ollen bie böfen ®eifter
eine fold^e 3^ung jurid^ten, ba^ bie ganje SSelt mü^te im 93Iut
f darneben nnb bennod^ nid^tS bamit auSgerid^tet." 3)1 ödsten bod^
aSe ©taatdmönner , meldte römifd^e 9lnma|ungen ju belämpfen
unternehmen, biefe 98orte Sutl^erd bel^erjigen!
3uerft rebet er nun von ben brei 3Ramtn, l^inter meldten
bie SRomaniffcen fid^ nerfd^anjen. & jinb bie brei Sel^auptungen
— 129 -
1) loeltlid^e ®exoalt fyiie nid^t Siedet über {te; 2) e9 gebül^re
memanb, bic ©d^rift auSjulcgcn, bcnn bcm ^ßapft; 3) eS möge
niemanb ein Konsilium berufen benn ber ^ap\t
5Dte erfte biefer 3Rauem ftürgt er baburd^ um, ba| er bie
Unterfd^eibung eined geiftlid^en unb n)eltlid^en @tanbed überl^aupt
t)em)irft. 3)urd^ ^auf e, Spangelium unb ©lauben ftnb aSe SJ^riften
geijilid^. 2)arum ift beg Sifd^ofd 98eil^en nid^td anberd, benn
n>enn er au8 bem gangen Raufen, bie aQe bie gleid^e @en)alt
l^aben, einen näl^me unb il^m befäl^Ie, biefelbe ®emalt für bie
anbem audgurid^ten. 3^if^^ ©eiftlid^en unb 9BeltKd^en ift bal^er
nur ein Unterfd^ieb beg SlmtS unb SSerled, nid^t bed @tanbe$.
QebcS äCntt aber ift jum SJienft ber ©emeinbe eingefe^t, alfo aud^
baä obrigfeitlidje. Neffen Slufgobe ift, baS Söfe ju ftrafen, un^
gel^inbert burd^ ben ganjen Äörper ber Gl^riftenl^eit, niemanb an-
gefeiten, eS treffe ^ßapft, Sifd^öfe ober roaS eS ift.
SDie groeite SKauer wirft er um burd^ ben 9lad^ei8, bafe
fPttpfie oft geirrt l^aben, ba^ aud^ 5ßetru8 fid§ von 5ßaulu8 ftrafen
(offen mu|te.
®egen bie britte SRauer enbtid^ mt\> geltenb gemad^t, ba^
bad SlpofteRongil gu 3^^uf^^in »i^t burd^ $etruS, baS nicäifd^e
nid^t burd^ ben $apft fonbem burd^ ben jlaifer jlonftantin be-
rufen morben fei, barum foll aud§ je^t bie meltlid^e ©emalt ein
Äonjil berufen. 3Rit ber SKufforberung, baS Sannen unb SJonnem
beä ^apfted als baS S3enel^men eines toQen 3Jienfd^en gu ver-
ad^ten, fd^Iie^t ber erfte %e\l.
hierauf werben bie fünfte betrad^tct, „bie man billig in
jtonjilien follte l^anbeln'^ @3 mirb auSgefül^rt, bie meltlid^e
^rad^t be§ ^apfteS, ber eS !ein Rinx^ ober jlaifer gleid^ tl^ue, fei
^gerlid^; er foSte il^m ^iatt ber breifac^en Jtrone an einer gemeinen
Sifd^ofglrone genügen laffen. ^ie jlarbinäle, burd^ meldte äOSelfd^-
lanb fd^on auSgefogen fei, unb meldte eä mit Sieutfd^Ianb ebenfo
mad^en möd^ten, follten nad^ S^^^ «tib ®inIommen befd^ränlt
werben. Sin gmölf, beren jeber taufenb ©ulben ®inIommen l^atte,
wäre e§ übrig genug. SDer päpfttid^e §of foHte auf ben l^unbertften
3:eil befd^rdnlt werben. Slffe päpftlid^en ©d^reiber unb ämtleute
warten auf bie ©tifter unb Selben S)cutfd^IanbS wie ber SBBoIf anf
»url, Sut^er. 8. 9Cufl. 9
— 180 —
bte ©d^afe. @tlid^e meinen, ba| jäl^rlid^ me^r benn 300000 ©ulben
von SDeutfd^lanb nad^ Stont fontmen, bafür n)ir nid^td benn Bpott
unb Sd^mad^ erlangen. $ie foSten Sifd^öfe unb dürften bad SSolf
Dor fold^en rei^enben äBölfen befd^irmen unb ben mand^erlei $raf^
tilen bed römifd^en ®ei)ed, weld^e im einzelnen oufgegäl^lt merben^
n>el^ren. „$öngen n^iv mit SRed^t bie 5Die6e unb löpfen bie Staubet;
matum fottten mir frei laffen ben römifd^en ®eij, ber ber größte
ajieb unb SRäuber ift?"
SBeiter jeigt er, wad }u fold^ed greulid^es äBefeng Sefferung
too^ gefd^e^en möd^te unb feilte üon meltUd^er ©ewalt
ober gemeinem Itongilium. $ier merben 27 fünfte oufge^
jä^It. SBr. 1— 7 werben bie Derfd^iebenen SKittel, burdj meldte man
in Ütom bie beutfd^e Station ausbeute, naml^aft gemad^t unb oer^
langt, ba| il^nen burd^ SBerbote entgegengetreten merbe. Sflr, 8.
Sie fd^meren greulid^en @ibe, fo bie Sifd^öfe bem $apft )u tl^un
gejmungen fmb, foUen aufgel^oben werben. 3tx. 9. 5Der ^apft
foQ über ben Kaifer {eine ©emalt l^aben, ol^ne ba^ er il^n auf bem
Stttar falbe unb fröne. 5Rr. 10. SDer ^ßapft fott ftd^ ben SCitel be§
Jtönigreid^S Sleapel unb Sizilien nid^t anmaßen; au(li — Str. 11 —
ftd^ bie ^|e nid^t lüffen, nod^ bad Saframent burd^ einen Inieen^
ben jtarbinal reid^en laffen. 3tt. 12. 5Die äSaSfal^rten nad^ älom
fon man obif^un. 3lx. 13. Keine neuen 93ettel!lö{ler foQen gebaut^
bie beftel^enben oerminbert werben, ben 99ettelmönd^en baS ^rebigen,
93eid§tl^ören u. f. w. nur auf S3ege^ren ber Pfarrer ober ®emetnben
geftattet fein, jebem frei ftel^en, im jllofter ju bleiben, fo lange
es il^n gelüjiet. 9lr. 14. J)en 5ßfarrl^erm ift bie ßl^e ju gejiatten.
3tx. 15. 3tt ben Jtlöftem foU geftattet fein, bie l^eimlic^en @ünben
}U beid^ten wem man wiK, nur bei groben öffentlid^en @ünben
foS bie Slbfolution bem Prälaten oorbel^alten bleiben. 9lr. 16.
^al^rtage. nnb ®eelenmef[en foQen abgetl^an ober bod^ oerminbert
werben. 3lt. 17. @tlid^e Strafen bed romifd^en Sled^td, fonber^
lid^ baS S^terbilt, ftnb abjutl^un, ber S3ann foll nur wiber un-
gläubige ober fold^e, bie in öffentlid^en @änben leben, nid^t aber
um jeitlid^en ®utd willen oerl^ängt werben. 9lr. 18. ÜRan foK
alle tiefte abtl^un unb nur ben @onntag beibel^alten , bie ftirc^-
weisen aber gang austilgen. 3tx. 19. 3)ie SSerwanbtfd^aftSgrobe^
— 131 —
in tDeld^en ber el^elid^e @tanb verboten toirb, foHten eingefd^r&nlt,
bad Soften jebem freigegeben n^erben. 3tx. 20. Sie wilben Sla?
petten, ba bie neuen SfBofffal^tten ^ingel^en, foHen niebergettffen,
aud^ feine netten ^eiligen ntel^r gemad^t, leine 3l61a|primlegien
erteilt n^erben. 9ir. 21. Wit 93ette[ei foll abgetl^an n^erben unb
jebe @tabt il^re armen 2evite oerforgen. 3tt. 22. 3Ran follte feine
neuen SWeffen ftiften, fonbem ber geftifteten oielc abtl^un, ba man
jte^t, n)ie fte nur als Opfer unb gute fü&cde gel^alten werben, fo
fie bod^ ©aframent ftnb. 5Rr. 23. Srüberfd^aften, W>la% J)i8s
penfation unb xoa^ baS S)ing gleid^ ift, nur alled erfäuft unb um^
hxai^t, ba ift nid^ts ®utd! Sie päpftlid^en 93otfd^aften mit il^ren
SSoQmad^ten, bie {te und um gro^ ®elb verfaufen, foSte man au3
beutfd^en Sanben verjagen, ^r. 24. @g ift l^ol^e 3^t, ber Söl^men
@ad^e Dorjunel^men unb fid^ mit il^nen }u Dereinigen. Senn mir
müjfen befennen, ba| man ben $uS mit Unred^t unb miber ®ott
Derbrannt l^at. 5lr. 25. Sie Unioerfitäten bebürfen einer guten,
ftarfen äleformation. 93or aSen Singen follte in ben l^ol^en unb
nieberen Sd^ulen bie Domel^mfte Seftion fein bie l^eilige ©d^rift
unb ben jungen jtnaben baS @t)angelium. Unb moQte ®ott, eine
jeglid^e @tabt l^ätte aud^ eine SJlaibfd^ule, barinnen bed 2^g8 bie
SDtägblein eine ©tunbe baS @t)angelium prten. 9lr. 26. Ser
Sinmanb, ber $apft l^abe bad römifd^e 9{eid^ von bem gried^ifd^en
5{aifer genommen unb auf bie Seutfd^en gd&rad§t, unb ^abe bed«
l^alb Untertl^änigfeit oon biefen ju forbem, wirb gurüdEgemiefen.
9lr. 2 7. älud^ in meltlid^en Singen märe eine 9ief ormation not,
oor allem ein gemein ®ebot miber ben überfd^menglid^en Ueberflu|
unb Itoft ber Jtleibung, bann SSerminberung ber ©pegerei (b. 1^.
auSlänbifd^er ©emürge), SBerbot bed 3in8fauf§ (98ud^er§), 9lbtl^un
bed Reffend unb ©aufend, bat)on mir Seutfd^en alg einem fonbem
Safier nid^t ein gut ®efd^rei l^aben in fremben Sanben; enblid^
älufl^ebung ber öffentlid^en f^rauenl^äufer.
®r fd^lie^t: ®ott gebe un8 allen einen d^riftlid^en S8erftanb
unb f onberlid^ bem d^riftlid^en Slbel beutf d^er Station einen redeten
geiftlid^en aWut, ber armen Äird^e ba8 Sefte gu tl^un!
©d^on bie Slufjäl^lung. ber t)on Sutl^er befprodjenen 5Punfte
geigt, mie meit feine reformatorifd^en ®ebanfen greifen. Stuf baS
— 132 —
ganjc lird^Iid^c, roiffenfd^aftlid^e, fittlid^c, türgctlid^c unb mrtfd^aft^
K(|ic Scben bcr Station crfttcdfen ftc fx^. Slbcr nid^t afö Unju-
friebener, ber aOeS SRögltd^e 3U tabeln ^at, nid^t aU ibealtftifc^er
©d^wärmer, ber naä) feinen 3^räumen bie SBelt meint umgcftalten
ju lönncn, rcbet er. SBielmel^r ftnb bie oon il^m aufgcfteHten
gorberungen, fo l^od^ fie gelten, fo weit fie greifen mögen, nur
Äonfequenjen be§ großen ©runbgebanfenS, ba^ ber 3Kenfd^ oHein
burd^ ben ®Iauben an ßl^rifti SSerbienft vor (Sott geredet raerbe,
jtonfequengen, gu n)eld^en il^n nid^t logifd^e ^Folgerungen, fonbem
fd^roere innere Jtämpfe unb mannigfaltige (Srfal^rungen oon ber
auf bem SSoHe laftenben äußeren unb inneren Slot gefül^rt l^aben.
fjreilid^ l^at oon bem, maS Sutl^cr forbert, pi feiner QÄt nur
weniges feine SBermirllid^ung gefunben; anbreS ift feitl^er erft ncid^
langem Äampfc inS Seben eingefül^rt morben, miebcr anbreä ift
©egenftanb ber Slrbeiten unb Kämpfe unfrer ^At ©ingcIneS
mag aud^ einfeitig unb unpraltifd^ erfd^einen; aber baS mirb lein
Unbefangener leugnen, ba| Sutl^er in biefcr ©d^rift mit mal^r-
l^aft propl^etifd^em 33Iii bie 3i^I^ bejeid^net l&at, benen bie fird^?
lid^e unb ftaatlid^e SntmidFelung unfreS SSoReS )U}uftreben ^at.
@r l^at mie als (Sl^rift, fo als 2!)eutfd^er gerebet. 3)aS l^erjlid^e
©rbarmen über „ber elenben ß^riftenl^eit gcmtmer unb SRot" unb
bie @ntrtiftung barüber, baft feine lieben S)eutfd^en „oor ollen
©Triften auf ßrben muffen beS römifd^en ©tul^IS ©aufelnarren
fein", l^at il^m bie geber gefül^rt.
@r überfanbte baS Süd^Iein an SlmSborf mit einer gufd^rift.
©eine ^eunbe erf duralen über bie Äü^nl^eit beSfelben, ©taupi|
unb Sinf voatnien oor 35eröffentKd^ung, aber fd^on waren (ju 3[m
fang SCuguft 1520) 4000 ßjemplare in bie SBelt l^inauSgegangcn,
bie mit fold^er Segicrbe aufgenommen mürben, ba| man na^
wenigen 3^agen an eine neue Sluflage benfen mu^te!
gaft JU gleid^er S^^ erfd^ien fein „©ermon oon bem
5?euen 3^eftament, b. i. oon ber l^eil. SKeffe", worin als
ikiS ^auptftüdE ber 2Jleffe baS in il^r entl^altene neue ^^eftament,
b. 1^. baS SBort oon ber Vergebung l^eroorgel^oben wirb, ©iegel
ober aSSal^rjeid^en biefer SBerl^eifeung ift Srot unb SEBein, barunter
fein waljrer Seib unb Slut. 3)ie befte Sereitung jur SIReffe ift ein
— 133 —
fefter, frö^lid^et @lauU bed ^etjeng, fold^ %t\iaxmnt anjunel^men.
SlbcT gcrabe bicfe 2^cftamentön)ortc l^at man bcn ßaien cntjogcn,
inbcm man fte lateinifcli lieft. SBBarum fottten ofcer wir SJeutfdJcn
nit 9Rc|Iefcn auf unfre ©prad^? Sobann f)at man auä biefer
SBol^Itl^at ßl^rifti ein gut aScrl gemad^t, bomit pc oermeincn, bcm
aUmäd^tigcn ®ott einen großen 3)ienft ju tl^un; ja ein Dpfer,
welche« ber ärgfte SIKipraud^ ift, fofern wir unS oenneffen, ®ott
etoaä ju geben im ©aframent, ba er bod^ un8 alle 3)inge gibt.
SBSo^I fotten wir geiftlid^ opfern im ©alrament, aber unS felbft
mit fleißigem ®ebet, unb baS lann unb fott jeber ß^rift, nid^t
aHein ber ^rieftcr.
3n biefem Sertnon ocmel^men mir nid^t bie gel^amifd^te
©prad^e feiner ©trcitfd^riften, fonbem bie SDäorte feelforgerlid^er
Siebe, meldte auf baä @ine, mag not ift, l^inmeift unb babei gegen
bie beftel^cnben lird^Iid^en ©ebräud^e nid^t ftürmifd^ oorgel^t, fonbem
il^nen fo t)iel afö möglid^ eine mit ber eoangelifd^en 3Bal^rl§eit über-
einfkimmenbe Deutung gibt, ©c^on aber l^atte er eä unternommen,
biefelben ©ebanfen nur in weiterem 3ufammenl^ang, mit eingel^en^
ber Segrünbung unb fd^ärferer ^inweifung auf bie Ronfequenjen
aud^ ben ©elel^rten oorjufül^ren. @g gefd^a^ bieg in ber ju %n^
fang DItober in lateinifd^er ©prad^e erfd^ienenen, balb aber aud^
oerbeutfd^ten©d§rift: „35on ber bab^Ionifd^en ©efangniä ber
Äird^e". ^atte Sutl^er in ber ©d^rift an ben d^riftli^en 5CbeI
l^auptfäd^Iid^ bie äu^erlid^ l^eroortretenben 3ni|bräud§e be§ ürd^lid^en
SebenS bargelegt, fo war bod^ il^m felbft biefeä äußere feineäwegg
bie ^a\x\>t\a^e, fonbem bafe bie ©eelen oerberbt werben burd^ SJer?
fälfd^ung ber Don ®ott oerorbneten ®nabenmittel ober©aIramente,
baS ift i^m ber tieffte ©d^aben, unb l^iegegen rid^tet fid^ nun biefe
©(^rift.
3u Anfang berfelben oergleid^t er feinen je^igen ©tanbpunft
mit bem, auf weld^cm er beim SSeginn beS 2lbIa^ftreiteS fii) bc^
funben, unb banit feinen ^Jeinben, bafe fie i^n afe feine Sel^rmeifter
wetteifcmb weiter treiben unb üben. 6r Iä|t fofort t)on ben
fieben römifd^en ©aframenten nurbiebrei: 2^aufe, Su^eunb
äbenbmal^I beftel^en imb witt geigen, wie avL^ atten ber römifd^c
$of eine ®efangenfd^aft für bie Jlird^e gemad^t l^abe.
— 134 —
Seim Slbenbrnal^I jeigt fid^ biefc ©cfangeufd^aft jucrft in
ber Jtcld^entjicl^unö, weld^c er jeftt für eine Sl^rannei etllärt;
fobann barin, ba^ aud ber SBermanblung be3 S3rote3 unb SBetnS
in Seib unb 93Iut Sl^rifti ein ©laitbenSfa^ gemad^t n)irb. Sutl^er
ift überjeugt, ba^ im Slbenbmal^I S9rot unb 3Eßein n)ir!lid^ ba fei
unb in biefen ber toaf^xe Seib unb baS malere 93Iut 6§rifti, miS
ober aud^ bie SSern^anblungSlel^re bulben, n)enn man nur leinen
©laubenäartilel barauS mad^e. 3)er gottlofefte $DliPraud§ bei bief em
©alrament ift aber ber, ba^ man aus ber 3Ref[e ein gutes SBBerl
unb ein Opfer mad^t. 3war »erlangt er nid^t, bafe fofort bie
gorm ber SKeffe geänbert werbe, aber er gibt ben ©eiftlid^en Slns
meifung, in eoangelifd^em Seifte, menn aud^ in ber l^ergebrad^ten
f^orm, 3J2ef[e )u Italien.
3)a^ bie ^auf e ber Jtird^e unperfel^rt erl^alten geblieben, ift ein
großer SemeiS ber göttlid^en SSarml^erjigleit ; aber bie Sebeutung,
weld^e fie aud^ für bie ^rmad^fenen l^at, ift oergeffen, unb man fud^t
anbre Stiege gum $immel, ndmlid^ bie 93u^n)erle, mal^renb bod^
bie n)al§re S3u|e nid^ts anberS ift, aU Um! e^r }u ber in ber %m^z
gegebenen unb für baS ganje 2ehm gültigen @nabent)erl^ei|ung.
Sa baS ganje ßl^riftenleben ift nur Erfüllung beffen, maS in ber
^aufe begonnen l^at, bag mx abfterben unb leben burd^ ben ®lauben
an ßl^riftuS. 3)amit ift bem ßl^riften eine l^errlid^e greil^eit ge«
geben, fo bafe il^m weber $apft nod^ Sifd^öfe eine ©ilbe bürfen
auflegen. Slud^ bie mönd^ifd^en ©elobnif fe finb fold^er ^eil^eit
jumiber.
3)ie 93u^e mit ber Sünbenoergebung mirb aud^ als Balxa-
tnent auf gefül^rt, bann aber bemerlt, im cigentlid^en ©innc fei jte
{eines, n)eil baS äußere 3^^^ f^W- ^^ ^^ ^^^^ ^^^ ^^
Wirten ©ei) greulid^ gen^ütet n)iber bie @d^afe S^rifti; ftatt bie
©eelen auf ben ®lauben an bie göttltd^e ®nabent)erl^ei|ung ju
weifen, l^abe man bie 3^J«i^^ung, Seid^te unb ©enugtl^uung
geforbert; auS ber 3crf^Mt^wng aber l^abe man ein SBerl ober
3Jerbienft gemad^t, auS ber Seid^te, bie mol^l nü^lid^ unb not-
wenbig fei, eine S^^rannei, unb bei ber ©enugtl^uung werben bie
Seute jämmerlid^ mit ^rpA^dn gemartert.
3)ie übrigen ©alramente ber Äird^e Derbienen biefen SRamen
— 135 —
nid^t, bettn bie f^irtnelung l^oBe leine 93erl^ei|ung gottlid^et
®nabe^ ebenfotoenig bte@l^e, vozlife \a aud^ au^er^alb beS (SJ^Ttften^
tumS beßel^e. $iet lommt er toteber, n)ie in bev Sd^rift an ben
d^tiftlid^en 3lbel, auf bie S^el^inbemiffe }u reben, n)o6ei er eS
namentlid^ verwerflich finbet, ba^ bie oud ber ^atenfd^aft ent-
ffcanbene fogen. geiftlid^e SSenvanbtfd^aft bie @^e l^inbem foHe.
Sud^ ber $rieftern)eil^e fel^It bie göttliche Sinfe^ung. ^aaüe
©etaufte ^riefterpnb, iftfte nur eine feierlid^e UeBertragung be8
SmteS, ol^ne ba^ aber burd^ fte ein unoerlierbarer (S^oralter Der^^
Kellen würbe. @nblid^ ift aud^ bie Delung nid^t von (Si)xx^o
eittgefe^t; benn wenn man fid^ auf ben Srief 3<^Io6i 5, 14 ff.
beruft, fo iffS einmal gweifell^aft, ob biefer ©rief com Slpoftel
3a!obud l^errül^rt, aud^ ^ätte ein %po\td nid^t 3Rac^t, ein ©alra^
ntent }U ftiften ; bad gel^öre allein (Sl^riflo )u ; enUid^ aber fei in
ber ©teile gar nid^t von einer Delung afö SBeil^e jum Sterben,
fonbem ate SIRittel ber Teilung bie SRebe.
äte er biefe Schrift Deröffentlidjte, ^atte Sutl^er fd^on oers
nommen, ba^ bie päpftlid^eSS an n bulle wiber il^n erfd^ienen
fei. ©d^on im 3uß l^atte ber Äurfürft von SRom au8 bie bringenbe
äufforberung erl^alten, gegen Sutl^er eingufd^reiten. Siiefer ^atte
hierauf erlKrt, ber Äurfürft folle ftd^ um feine ®a^e nid^t« an=
nel^mcn; fo lange er fein Sel^ramt l^abe, wolle er eä an^ an^-
rid^ten unb fid^ nid^t eines gottlofen ©d^meigenS fd^ulbig mad^en;
wenn man il^n au§ SDäittenberg oertreibe, fo finbe er nid^t nur in
Söl^men, fonbem mitten in S)eutfd^Ianb S3efd^ü^er unb werbe
bann bie änl^änger SlomS nod^ fd^ärfer angreifen, hierauf ^atte,
wal^renb bie SannbuBe fd^on unterweg« war, 3WiIti^ nod^ einen
SSermittelungäoerfud^ gcmad^t. Stuf einem am 28. Huguji, ate bem
S^age beS l^eil. SCuguftin, in Sislebcn abgel^altenen Äonoent ber
Stugufüner bewog er biefe, bei Sutl^er bal^in ju wirlen, ba^ er
einen oerföl^nfid^en ©rief an ben ^ßapft fd^reibe unb benfelben oer^
fidlere, er f^abe feine ?Perfon nie angreifen wollen, ©taupi^, Sinf
unb anbre greunbe reiften beSl^alb felbft au Sutl^er. Um biefelbe
Seit aber erl^ielt berfelbe einen ©rief oon Butten , worin biefer
crllärte, ba ber Srgbifd^of oon SRainj ben »efel^l erl^alten ^abe,
il^n gebunben nac^ Slom ju fd^idfen, unb ba feine Sudler verboten
— 136 —
TDorben feien, fo werbe er je^t nid^t nur mit ber ^ber, fonbem
aud^ mit bem ©d^merte bie ^riefterfd^aft angreifen. @oUte
fid§ nun Sutl^er an $utten anfd^Iie|en, ober foQte er jener 9(uf?
forberung ber 9(uguftiner folgen? S)a er in geiftlid^en 3)ingen
oon ®en)alt nid^tä mif(en moKte, fo entfd§to| er ftd^, ben le^teren
9Seg einjufd^Iagen, obmol^l er oon ber @rfoIg[ofigIeit im oorauS
überzeugt toax.
3ln}n)ifd^en mar aber bie 93annbul[e erfd^ienen. @d^on am
16. :3uni mar in 9lom ber 93annflud^ gef proben morben, bann
l^atte Qi bie S9uIIe nad^ ^eutfd^Ianb gebrad^t unb @nbe ©ep^
temberS in ben ^^iöjefen S3ranbenburg , 3Rei^en unb 3Rerfeburg
angefd^lagen. aWit ben ^falmmorten (5ßf. 74, 22): ^SRad^e öid^
auf, ®ott, unb filiere aud beine ®a^c ; gebenle an bie @d^mad^,
bie bir täglid^ oon ben 33^oren miberfä^ret", beginnt bie SuIIe.
@ie beÜagt bann, ba^ mannigfaltige, töngft oerbammte ^trtümer,
meldte jum ^^eil eine Erneuerung ber böl^mifd^en Ae^erei feien,
oon l^od^mütig fürmi^igen, gefd^mä^igen unb gottlofen ÜRenfd^en
in ber eblen beutfd^en 5Wation, ju meld^er ber 5ßapft bod^ ftctS eine
befonbere Siebe gel^egt, unb melier er bad römifd^e jlaifertum ju^
gemenbet l^abe, oerbreitet merben. @tlid^e biefer ;3[rrtümer merben
fobann in 41 au3 bem 3ufammenl^ang geriffenen ©ä^en Sutl^er^
}ufammengefa|t, namentlid^ in folgen, meldte gegen bie Kird^en-
gemalt gerid^tet finb. ©eiftlid^en unb äSeltlid^en mirb bie ^n^
nal^me unb 33erteibigung biefer @ä^e unter älnbrol^ung bed Sanned
oerboten. S)em (Sr^ie^er Sutl^er felbft bietet ber^apft, menn er in ben
©d^o^ ber jlird^e umlel^re, in 92ad^a^mung ber göttlid^en SRilbigfeit
®nabe an. (Sr foH binnen fed^jig 2^agen feine S^^tümer miber«
rufen; binnen meiterer fed^jig SJage fott bie Urlunbe beS SEBiber^
rufS in beS ^apfteS $anb fein. 98o nid^t, fo foll er mit feinen
9lnl^(ingem bem S3ann unb aSen ©trafen ber Jte^erei oerfaSen
fein, ©eine ©d^riften merben oerboten. Sitten Dbrigleiten, ja
aud^ allen 93ürgem mirb unter 9lnbrol^ung aSer lird^lid^en ©trafen
geboten, il^n unb feine älnl^änger gu fangen unb an ben $apft ju
überfenben. ^ä>ex Drt, an ben fie fid^ begeben, foll, folonge fie
fid^ bort aufl^alten, unb nod^ brei S^age nad^l^er mit bem Qinterbilt
belegt fein.
— 137 —
3lad)iem bief e äSuSe etf d^ienen mar, meinte Sutl^er, bad B^xü^
Ben an ben ^ap% bad er Derfprod^en l^atte, fei je^t jwedloS, allein
9RiIti$ beftimmte il^n bei einer ßufammenlunft in Sid^tenberg, bod^
ein fold^ed beutfd^ unb lateinifd^ )u oeröffentlid^en. @o fd^rieb er
benn junt brittenmal an ben $apft. @r vetmaf^xt fid^ l^ier gegen
bie 9lad^rebe, afö l^ätte er bie $erfon Seo3 oerad^tet, me(mel^r ^abe
er immer nur bad @l^rlid^fte unb 93efte von il^m gefagt unb i^n
einen S)aniel )u SSab^lon genannt, aud^ fei ja bef[en guted Seben
2U belannt, ald ba^ eS lönnte angetaftet n)erben. 3)a| er etlid^e
und^riftlid^e Seigren fd^arf angegriffen, bereue er nid^t. 3(ud^ belennt
er, ba| er ben römifd^en $of frifd^ angetaftet l^abe, „meldten aud^
bu felbft, nod^ niemanb auf @rben anberd belennen mn^, benn ba^
er fei ärger unb fd^änbßd^er benn je lein Soboma, ®omorral^ ober
äSab^lonien gen)efen ift. Unb fo vxd xi) merl, fo ift feiner äSod^eit
l^infort Weber )u raten nod^ )u Reifen. — ^nie^ fi^eft bu, l^eißger
SSater £eo, n)ie ein @d^af unter ben 9Bölfen unb gleid^ mie S)aniel
unter ben Seuen. 9Bad lannft bu einiger n)iber fo vxd n>Uber
SBunber ? — 2)ie Äranll^eit f pottet ber Sir jnei, 5ßf erb unb SBagen
geben nid^td auf ben ^^ul^rmann. 3)aS ift bie Urfad^, n^arum ed
mir aUejeit ift leib gen)efen, bu frommer £eo, ba^ bu ein $apft
morben bift in bicfer 3cit, ber bu mol^l mürbig märcft, in befjem
Seiten ^ßapft ju fein.'' ®r fagt bann weiter, bafe er ju feinen
, angriffen auf ben römifd^en §of nur burd^ (Sdf oeranla^t roorben
fei, an bem xtxan feigen lönne, bafe lein fd^äblid^erer geinb fei benn
ein ©d^meid^ler. hierauf bittet er ben 5ßapft, ben ©d^mcid^tcm,
bie bcä griebenS fjeinb pnb, einen 3<Jwm anzulegen. „3)afe id^
aber follt miberrufen meine Seigre, ba wirb nid^td aug.
2)a}u mag id^ nid^t leiben Stegel ober EDla^e, bie Sd^rift auSjulegen.
SBo mir biefe jmei @tüd bleiben, foQ mir fonft nid^tg aufgelegt
»erben, baS id^ nid^t mit allem SBiUen tl^un unb leiben miH. —
2)arum, mein l^eiliger SSater, moKeft ja ntd^t l^ören beine filmen
Ol^renfinger , bie ba fagen, bu feieft nid^t ein lauterer 3Rm\i),
fonbem gemifd^t mit @ott, ber alle 3)inge )u gebieten unb )u
forbem l^abe. @3 wirb nid^t fo gefd^el^en, bu mirffd aud^ nid^t
§inau3fül^ren. 2)u bift ein Aned^t aller ^ned^t @otte3 unb in
einem fäl^rlid^em, elenberen ©tanb benn lein 3Jlenfd^ auf @rben.
— 138 —
— 3c^ bin oieKeid^t unoerfd^ämt, ba^ id^ eine fo(c^e gto^e ^öl^e
ju leieren n)erbe angefel^en, Don n)e(c^ev bod^ jebermann foK geleistet
werben, aber id^ folge ^ierinnen ©t. Seml^arb in feinem SudJ
au bcm 5ßapft gugcniuS." 3um ©d^lufe übetreid^t er bem ^apfl
)u einem guten SSunfd^ unb 9(nfang bed f^riebend ,,ein Hein Süd^Ie,
fo bag $a|)ier n)irb angefel^en, aber bod^ bie ganje Summa beS
d^riftlid^en 2eben8 barin begriffen, fo bcr ©inn »erftanben mirb''.
3)iefe3 ä3üd^(ein n>ar bad ,,93on ber f^reil^eit eines
Gl^riftenmenfd^en". $at bie ©d^rift an ben d^rifttid^en Slbel bie
Umrifle eines eoangelifd^ jlird^enred^td gejeid^net, bie vom bab^-
lonifd^en ©efängnid bie ©runblinien ber eoangelifd^en ©laubenä?
lel^re gegeben; fo erl^alten n)ir l^ier einelurje S^arßeEung ber ^rin-
ixpien ber d^riftUd^en ©ittenlel^re. 2)iefelbe fd^ßegt ftd^ aber
aufs engfte an Sutl^erS Seigre Dom ®lauben an. ®S merben nämlid^
in ben beiben 3^ei(en beS Süd^CeinS bie jmei ©ä|e auSgefül^rt:
1) (Sin ßl^riftenmcnfd^ ift ein freier $err über alle 3)ing unb nie^
manb untertl^an, unb 2) @in @§riflenmenfd^ ift ein bienftbar Aned^t
aEer Sing unb jebermann untertl^an.
2)aS erftere ift er nad^ bem inmenbigen geiftlid^en SRenfd^en.
2)iefer aber mirb frei unb fromm meber burd^ leiblid^eS äBoJ^I-
befinben, nod^ burd^ priefterKd^e JUeibung unb S3efd^äftigung mit
l^eißgen S)ingen, fonbem nur burd^ baS l^eiUge Soangelium. ^n
biefem 2Bort l^ä(t bir Qioit feinen l ©ol^n oor unb (ä^t bir fagen,
bu foKeft an benfe(ben mit feftem ®Iauben bid^ ergeben; fo foSen
bir um beSf e(ben ©laubenS miEen aEe beine ©ünben vergeben unb
bu geredet, befriebet unb aEe ©ebote erfüEt unb bu von aSen
2)ingen frei fein.
2)ie ganje l^eißge ©d^rift ift geteilt in jmeierlei 3Sort, bie
@ebot ©otteS unb bie d^f^SU^d^- ^i^ ®Aot leieren mol^l, »aS
man tl^un foE, geben aber feine ©tärl baju. SBenn fo ber 2Renfd^
aus ben ©eboten fein Unoermögen empfunben l^at, fo ift er red^
gebemtitigt unb junid^t morben in feinen Slugen. SJann lommt
baS anber SBäort, bie göttlid^ S»fö9W«8/ ««*> fprid^t: SBäiEft bu aEe
®ebot erfüEen, bcincr bofen Segierb unb ©ünb loS werben ; fie^e
ba, glaub in ßl^riftum. ©laubft bu, fo l^aft bu. 3)enn mer
bem SSort ©otteS mit red^tem ©tauben anl^angt, beS ©eele mirb
— 139 —
mit xf)m t)ereimgt fo ganj unb Qax, hai alle Xugenben beS äBorted
aud^ eigen toerben ber ®eele. ^a ber ®(auben vereinigt bie ®ee(e
mit @§rifto a(3 eine S3raut mit il^rem Sräutigam, fo ba^, road
G^riftud l^at, ber gläubigen @eeCe eigen mitb, unb maS bie ®eele
J)ai, mitb ßl^rifti eigen. ßl^riftuS aber ift Äönig unb 5ßriefter,
bod teilt et mit aüm feinen Sl^tiften, ba^ fie burd^ ben ®(au6en
oud^ alle muffen Jtönige unb ^rieftet fein. @o ^at ein S^rift
eine geiftlid^e ©errfd^aft, bafe il^m aud^ a;ob unb iJeiben muffen
bienen unb nü|fic5 fein jur ©eligleit; baju ift er ein ^ßriefter,
ber mürbig ift, vor ®ott ju treten unb für anbre ju bitten. SBaS
ift aber bann für ein Unterfd^ieb jmifd^en ben ^Prieftem unb Saien
in ber ßi^riftenl^eit? ©ie l^eilige ©d^rift gibt feinen anbem, benn
ba^ fie bie ©elel^rten unb ©emeil^ten S)iener nennet, bie ba foQen
ben anbem Si^riftum, @[au6en unb d^riftlid^e f^^ei^eit |)rebigen.
3m jmeiten S^eil lommt er bann auf ben äu^erlid^en ÜRenfc^en.
$ier miU er benen antworten, meldte fid^ ärgern an ben vorigen
SReben unb fpred^en: „(Si, fo benn ber ®Iau6 gilt allein fromm
}u mad^en, marum pnb benn bie guten SBerl geboten?" @r meift
barauf l^in, ba^ aud^ ber ® laubige nod^ nid^t ganj geiftKd^ ift,
fonbem in feinem ^Jleifd^ einen wiberfpenftigen SBitten finbet.
$ie lieben pd^ nun bie SQBerfe an. 3!)a mufe ber Scib mit haften,
SSad^en, Slrbeiten unb mit aQer mäßiger 3ud^t getrieben unb geübet
fein, ba^ er bcm innerlid^en SKenfd^en unb bem ®Iauben gleid^^
förmig unb gel^orfam werbe. Slber biefelben SBerl muffen nid^t
gefd^el^en in ber ^Reinung, ba^ ber SRenfd^ baburd^ fromm merbe
oor ®ott, fonbem nur in ber SDlcinung, bafe ber Seib gel^orfam
merbe unb gereinigt oon böfen Süften. 2)arauS fann ein jeber
fetbft nel^men bie 3Jlai, ben Seib ju fafteien; er faftet, mad^t,
arbeitet, fo oiel er fielet, ba^ bem Seib not ifi, feinen 3Dlutmitten
ju bämpfen. — älfo nid^t bie guten SBerf e mad^en einen frommen
SKann, fonbem ein frommer SKann mad^t fromme SBerf. S)ie
?Perfon aber mirb fromm nid^t burd^ ®ebot unb SQBerl, fonbem
burd^ ®otte§ SSerl^ei^unggmort unb ben ®[auben.
S)er aWenfd^ lebt aber nid^t für fid^ allein, fonbem unter anbem
9Renfd^en; bamm lann er nid^t ol^ne 38erl fein gegen biefelben,
obmol^l i^m berfelben 3SerI leinS not ift }ur @elig!eit. ©eine
— 140 —
3Reinung in allen 9BerIen foK aber nur ba^in 9erid^tet fein, ba^
et ben anbern Seuten biene. 3!)ad l^et^t bann ein n)al^tl^aftig
6§riftenle6en, unb ba gel^t ber ®(aub mit Suft unb Sieb ins SSer!.
®o ntad^t ein S^tift, otool^l er ganj frei ift, fid^ n)illiglid^ }u
einem 2)iener, feinem 9läd^ften )u l^elfen. Siie und ©ott f^cA burd^
ß^riftum umfonft gel^olfen, olfo fotten mir burc^ ben 2eiB unb
feine SSäerf nid^tS anberä benn bem Släd^ften l^etfen.
9Ber biefen SSerftanb l^ätte, lönnt fid^ leii^tlid^ rid^ten in bie
ungä^igen ®ebote unb ®efe^e beä ^ßopfteS. 3)enn ein freier 6l^tift
f prid^t alf : ^Üi miK f aften, beten, bied unb baS tl^un, maS geboten
ift; nid^t ba^ id^^g bebarf ober baburd^ moKt fromm ober felig
werben; fonbem id^ mill'S bem $apft, Sifd^of ober ber ©emein
unb meinem äßitbruber gum %empel unb 3!)ienft tl^un unb (eiben.
Unb obfd^on bie S^^rannen unred^t t§un, fold^ed gu forbem, fo
fd^abet'S bod^ nid^t, biemeU eg nid^t miber ®ott ift.
älu3 bem allem folgt ber Sefd^lu^: ,,3)urd^ ben &lav(bm
föl^ret ein Sl^riftenmenfd^ über ftd^ in ®ott; au^ @ott fäl^rt er
mieber unter fid^ burd^ bie Siebe unb bleibt bod^ immer in ©ott
unb göttlid^er Siebe".
SKittcn unter ben l^eifeeften Äömpf en, in ben S^agen, ba Sutl^erä
ganje irbifd^e S^i^t^f* ^^^ "^^^ ©piele ftanb, ba eben oon bem
^öd^ften Siid^ter in geiftlid^en 3)ingen ber @tab über i^n gebrod^en
mar, l^ot er bicfe ©d^rift gefd^riebcn. Slber ba ift feine ©pur
meber von ^urd^t nod^ oon Erbitterung, ba atmet aOeä ben tiefften
©celenfrieben, ba werben bie innerlid^ften Sßorgängc beä d^riftlid^en
$eilöleben§ mit einer Älarl^eit inS Sid^t gefteßt, mie pe nur au^
ber eigenften ©rfa^rung l^croorgel^cn lonnte, unb in einer ©prad^e,
meldte rul^ig unb f)eU bal^inflie^t unb in mand^en ©teilen ju
munberbarer ©d^önl^eit pd^ erl^ebt. greilid^ jum „Slnfang beä
griebenS'' mit bem ^Papft ift bag SBüd^lein nid^t geworben unb
lonnte eS nid^t werben, oielmel^r l^atte ber jtampf feinen un^
gel^emmten t^ortgang.
2Benn wir bebenlen, mit wcld^er ©l^rfurd^t man in S)eutfd^5
lanb päpftlid^e Sutten auf junel^men gewöhnt war, fo werben wir
ung nid^t wunbem, ba^ bie 93annbuKe gegen Sutl^er unb feine
2lnl^änger nid^t ol^ne SBirlung blieb. 2)ie geinbe triumpl^ierten.
— 141 —
!3[ng6efonbere freute Itd^ @d beS gewonnenen @ieged. ^erjog
®eotg von Sad^fen lie^ il^m einen oergolbeten Sedier üoD ©ulben
fd^enlen. ^ 2'dxotn, Roln unb ÜRainj n)urben Sutl^erd Sd^riften
öjfentlid^ vexixannt älud^ ntand^e feiner ^reunbe würben wanlenb,
unter il^nen namentßd^ @tauf)i|. @r l^atte ftd^, um bem j{am|)fe
ferne ju fte^en, ju bem Srjbifd^of tjon ©aljturg jurüÄgejogen.
ä(ber man ße^ il^m leine Siul^e. ©ebrängt, ftd^ gegen bie (utl^erifd^e
jte^erei ju erllären, fd^rieb er an Sinl: ,,9Rartinu3 l^at Sd^mereS
unternommen unb l^onbelt mit großem ©eific, id^ aber ftammle
unb bin ein jlinb, baS Wlxl^ braud^t'^ 3(I3 Sutl^er erful^r^ ba^
berfelbe ftd^ bem Urteil bed $apfte8 unterworfen l^abe, fd^rieb er
il^m einen mel^mütigen Sricf. „^^ l^abc", l^ei^t eS l^ier, ,,mit
^eubigleit meine $ömer miber ben römifd^en ®ö^en erhoben.
SEBiEft bu nid^t folgen, fo lafe bod^ mid^ ge^en unb fortgeriffen
werben." 3)ie oon mand^en, namentlid^ oon ©idfingen unb feinen
^eunben gel^cgte Hoffnung, ber Äaifer werbe fid^ ber ©ad^e
£utl^er§ annel^men, erwieg fid^ alg unbegrünbet. 9lud^ oon ben
Sleid^Sfürften trat feiner entfd^ieben auf beffen ©eitc, unb
mod|ten aud| mand^e berfelben, wie ^ergog äQiil^elm Don ^ar^em,
baS @rfd^einen ber Bannbulle bebauem, fo nal^men biefelben bod^
im günftigften ^alle nur bie Stellung ein, weld^e ber ^erjog
Samim von 5ßommem in einem Sriefe an Sut^er mit ben be=
jeid^nenben SSorten auSfprad^: ,,2Senn wir ®ud^ fo viel wüßten
ju l^elfen, alg wir @ud^ feiere geneigt fein: fo würbet ^f^x ol^n
grofee unfere ^Jötberung nid^t bleiben. SHBir wollen baS Spiel
unb (Sn^ unferem lieben Ferren ®ott bef eitlem" 9lod^ weniger
natürlid^ wagte ein Sifd^of ftd^ für Sutl^er }u erllären, wenn
aud^ mand^er berfelben mit bem t)on ^reifingen wünfd^en mod^te,
,,ba^ bie ©ad^e mit mel^r Sebad^t ge^anbelt worben wore".
3lm wid^tigften war eS, wie Äurf ürft griebrid^ gu ber
Sannbulle pd^ fteHte. ®r befanb pd^ gu Äöln auf ber SlüÄreife
von ber Äaiferlrönung Äarö V. in Stadien. S)a übergaben i^m
bie päpftlid^en Segaten 9lleanber unb Saraccioli ein ©d^reiben beiS
$apfteS mit ber äufforberung, Sutl^erS ©d^riften verbrennen ju
laflen unb an il^m entweber felbft bie ©träfe ju DoUjiel^en ober
il^n bem ^ßapfte auSjuliefem. S)er Äurfürft gog, el^e er eine Slnt^
— 142 —
xüoxt iob, @radmud ju State, weld^er bei biefem 9(nla^ bad ge«
flügelte 98ort fprad^, Sutl^ev l^abe in jtoei @tüden gefünbigt, ba|
er nämlid^ bem $apft an bie Arone unb ben 3Rönd^en an bie
SSöud^e gegriffen l^abe. hierauf liefe ber Äurfürft ben Segaten
erUären, er l^abe ntit Sutl^erS <Ba^^ leine ©emeinfd^aft, ober beffen
©d^riften feien nod^ nid^t fo n)iber(egt, bofe fie bad $euer vex^
bienen; eS foUte bal^er burd^ un|)arteiifd^e Slid^ter an einem für
Suti^er nid^t gefäl^rlid^en Orte bie @ad^e unterfud^t n^erben. ä(ud^
befd^n)erte er fid^, bafe Sutl^er ungel^ört verurteilt unb bie SuKe
in feinem Sanbe be!annt gemad^t n^orben fei, ni&l^renb er felbfl ab-
roefenb roax. 3)ieSegaten xooxtn mit biefem 93efd^eib menig aufrieben
unb äußerten ftd^ in l^öd^ft übermütiger SEßeife über ben Aurfürften,
ja felbfl über ben jlaifer. S)er jlurfürfl ober em)iberte nad^ feiner
SRüdEIe^r feinem 9leffen, bem $ergog Sol^ann griebrid^, ber für
Sutl^er t^ürbitte bei il^m einlegte, er moKe fid^ beffen ©od^e „fo
Diel möglid^ unb fid^ leiben miU'' befolgten fein laffen. 2)ad mar
aud^ ber Stonbpunlt, auf meldten bie Sutl^er geneigten
UniDerfitäten fid^ fteUten. $rin3i))iell lonnte man bie Sered^-
tigung bed $apfled, ben Sannflud^ über Sutl^er )u fpred^en, nid^t
in S^^f^I sielten, aber man fud^te nad^ formellen ©rünben, auf
meldte l^in man bie äSuQe jurüdhoeifen !onnte. 3^9Bittenberg
weigerte man ftd^, biefelbe anjuf dalagen , inbem man ftd^ auf bie
mangelnbe Legitimation @dd unb bie gu befürd^tenben Unrul^en
berief unb eine SSemel^mung Sutl^erä burd^ unparteiifd^e 3R&nner
in SJeutfd^lanb forberte. 2)iefelbe Stellung na^m bie ttnioerfitat
®rfurt ein.
äSeiter aber al3 bie offijieSen Jtorporütionen gingen einzelne
Bürger unb Stubierenbe. ©elbft in Seipgig mürbe eine Spott^^
unb S)rol^fd^rift gegen ®d angefd^lagen , unb er lonnte eis nid^t
wagen, pd^ öffentlid^ feigen gu laffen. 3« ®^f wrt mürbe Sffentlid^
aufgeforbert, bie päpftlid^e äSuQe, menn fie angefd^lagen, in StüdEe
}u reiben. 3)ie ©tubenten nal^men bie gebrudften @£emplare ber-
felben bem Sud^^änbler mit ©emalt meg unb warfen fie inS
aSajfer mit ben aSorten: „®ine SuKe (SBaffertlafe) iji'ä; fo
fd^wimme fiel'' 2)ie Unit)erfität )u Siittenberg würbe }war infolge
ber Sülle von einigen ©tubierenben oerlaffen, bafür aber lam
— 143 —
neuer S^J^g, fo bafe 3DleIcmd^t^on 5—600, Sutljer flcgen 400
Sui^örer f)atie. älud^ bei ben ^rebigten bed leiteten ftrömte baS
3$oII fd^orenmeife }u.
Steilid^ ober lonnte et ton ben 93tttgem unb Stubenten,
xoel^e il^m anl^ingen, !eine $Ufe erwarten. @d n)ar il^m aud^ unt
fold^e nid^t ju tl^un, n)ollte er ja bod^ felbft t)on feinem Jturfürften
feine Unterftü^ung, unb al3 ^utten ben ©ebanlen audfprad^, ben
Seinben mit 3Saffengen)a(t entgegenzutreten, äußerte Sutl^er gegen
®pa(atin: „3^ möd^te nid^t, ba^ man mit ©emalt unb 2:otfd^(ag
fär baS (Soangelium ftritte. S)urd^d 3Sort ift bie SBelt über::
niunben morben, burd^d 38ort bie jtird^e errettet; burd^d 98ort
wirb pe aud^ mieber l^ergeftettt werben." ©o griff er benn mieber
2um3Borte. ^n ber @d^rift ,,t) o n benneuen @d(ifd^en äSul-
len unb Sügen" bellagt er ftd|, ba^ mand^e ber le^erifd^en 93e'
^auptungen, bie man x^m fd^ulb gebe, SSerleumbungen t)on @d
feien. 2)ie SBuKe, meldte biefer, mie er l^öre, au3 dtom mitgebrad^t
l^obe, lönne er nid^t für ed^t l^alten. ^ 9lot)ember erfd^ien bann
lateinifd^ unb beutfd^ feine @d^rift „äBiber bie äSuUen beg
ßnbd^riftä" unb einige Seit nad^l^er, ebenfalls in beiben ©pra^
d^en, auf ben äßunfd^ beg ^urfürften eine audfül^rlid^ere Erläuterung
unb SSerteibigung feiner ©ä^e unter bem 3^itel: ,;@runb unb
Urfad^ aller 9(rtilel, fo burd^ bie römifd^e 93ulle un-
red^tlid^ oerbammt finb". 3n ber lateinifd^en Sludgabe ber
erfteren ©d^rift ermal^nt er ben ^apft unb bie ©einen Iraft ber
SSoQmad^t, mit meld^er er in ber 2^ufe ein ^inb ®otte3 geworben
fei, fd^Ieunig in pd^ ju gelten; „mo i^r aber in eurem SBüten
bel^arret, oetbammen mir tn^ l^iemit burd^ biefe ©d^rift unb über-
geben eud^ famt jener 93uKe unb famt aSen 3)e!retalen bem
SSerberben beS ^leifd^eS, bamit euer ®eift am 3^age bed $errn
mit uns befreit werbe".
2)iefen SBorten lie^ er bie 3^l^at folgen, junäd^ft eine feierlid^e
Erneuerung feiner SlppeUation an ein ßonjil, bann ben 9l!t, burd^
weld^en er ftd^ öffentlid^ unb feierlid^ nid^t nur oom ^apfttum,
wie eS bamals war, fonbem von ber ganzen lird^lid^en 9{ed^td^
anfd^auung bed äßittelalterd loäfagte. @3 ift bied bie f eierlid^e
Verbrennung ber Sannbullc unb ber päpftlid^en S)efre5
— 144 —
taten am 10. S^ejember 1520. @cl^on im ^Ix f^aüe er aa
€palatin gefd^rieben: ,,2)te SBürfel ftnb gefallen, id^ oerad^te SlomS
98ut unb ®unft. ^Otogen fte immerl^in baS SReinige t)erbammen
itnb verbrennen, ^inmieberum miU id^, id^ mü^te benn lein ^euer
l^aben, oerbommen unb verbrennen bad ganje päpftlid^e ^tä^t"
iflnn waren feine ©d^riften mirflidl verbrannt morben, fo befd^Ioft
tt benn, ben angebrol^ten @d^ritt ju tl^un. @r l^abe bobei, bezeugt
er felbft, juerft gegittert unb gebetet, bann aber fei er fröl^Iid^
geworben aU j|e in feinem Seben.
3)urd^ dffentlid^en 3(nfd^(ag mad^te er belannt, bag bie onti^
i^riftUd^en S)elreta(en um 9 Ul^r vormittags werben verbrannt
werben. (Sine gro^e S<^^ ^'^^ ©tubierenben fanb fid^ vor bem
@Ißertl^or l^inter bem ®piial jufammen, ein 3Ragifter errid^tete
ben ©d^eiterl^aufen, auf weld^en Sutl^er bie pä)){lt(id^en Selretalen
legte. Slad^bem jener angejünbet, warf er aud| bie SuHe inS
f$euer mit ben SSorten: ,,38ei( bu ben ^eiligen bed $erm betrübet
l^aft, fo betrübe unb verjel^re bid^ bad ewige f^euer". hierauf
{eierte Sutl^er mit ben 2)oItoren unb ÜRagiftem wieber in bie @tabt
jurüd. SSiele ©tubenten aber trieben nod^ allerlei SRutwillen.
©ie fangen Seid^engefänge für bie ®elretalen, vcranftalteten einen
pofjenl^aften Umjug burd^ bie ©tabt unb warfen nod^ Sudler von
®df, ®mfer unb anbcm ^ßapiften inS geuer. Slnbem tagä l^ielt
Sutl^er in feiner 38orIefung eine emfte Slnfprad^e an feine 3ulJ5ter,
worin er i^nen vorl^ielt, bie Verbrennung ber S)efretalen fei nur
«in Äinberfpict, notwenbig aber fei, ba^ ber ?ßapft, b. i. ber
römifd^e ©tul^I mit dUtn feinen ®reueln verbrannt werbe.
3ur SRed^tf ertigung feiner lül^nen 2!l^at beruft er fid^ in feiner
©d^rift: ,,SSarum bed ^apf^ted unb feiner jünger SSüd^er
verbrannt finb'' auf ben alten ®ebraud^, böfe S3üd^er )u ver^
brennen; auf bie 33erpflid^tung , falfd^er Seigre ju meieren, bie er
aU getaufter Si^rift unb gefd^worner S)o!tor l^abe; auf bie SSer-
ftodt^eit ber ^opfttid^en; barauf, ba^ bie verbrannten Sudler wol^l
bem $apft Seo felbft nid^t gefallen; enbUd^ barauf, ba^ bie 9Biber«
fad^er burd^ il^r äSüd^erverbrennen beim SSoße falfd^en 28al^n er-
regen. 3)ann l^ebt er 30 ©ä|e bed päpfUid^en Sted^S l^ervor, um
berentwiffen baSfelbe baS geuer verbient l^abe.
— 145 —
@o roat benn jtoifci^en Sutl^er unb ber römifd^en jlitd^e baS
Ie|te Sanb getriflen, unb nad^ bem geltenben 9ted^te toar bie
toeüli^t ®etDaIt t)etpf(td^tet, ber Jlird^e il^ten Slrm )ur Sefha-
fung bed Jle^erS )u leiten. äBorauf tooUU er ftd^ nun ftü|en?
Unter beut Soß l^atte er n)ol^l nid^t n)enige älnl^änger, allein
biefelien waren nid^t organiftert unb barum nid^t n)iberftanbdfäl^ig,
unb n)enn fte ed gen)efen n)ären, fo tooUte ja Sut^er t)on ^ttoaü:
famer äluflel^nung nid^td n)iffen. ^eSfjalb lä^t er {td^ aud^ mit
einem ^utten unb beffen ®enof(en nid^t meiter ein. ^a er münfd^t,
ba^ ©Ott bie äSut biefer 3Ranner jurütf^alte, meldte ber eigenen
®a^e verberUid^ ju merben breite. @o l^atte er in ber ganjen
@id^t6arleit leine ^ilfe. S)a^ er ba6ei bod^ getroften 3!HnM blieb,
bad }eigt ung, mie feft er in bem ®(au6en ftanb, ber eine ge-
miffe 3^^^^^ ift beg, baS man l^offet. Unb bag er bamit nid^t
)u fd^anben gemorben ift, mirb ber gfortgang ber ©efd^id^te jeigen.
Xnititx auf irem Ketj^|0ia0 %n Wtfvm^.
Cs fi^en andf bie ^ftrflen unb rebcn mibet
mi(^; dbtt Dein "Knedtt cebet Don Deinen
Kedjten. pf, U9, 23.
pa Äurfürft gricbrid^ fid^ nid^t bafür gewinnen liefe, ber
päpftlid^en äSannbuSe gemöfe gegen Sutl^er aü gegen einen ile^er
einjuf d^reiten , fo fud^te bie römifd^e ^Partei ju bem geroünfd^tcn
3iele }u gelangen mit $Ufe beS neugemöl^Uen JtaiferS Raxl V.
SBir l^aben gel^ört , mie £ut§er in Uebereinftimmung mit
©idRngcn unb §utten auf biefcS „ebte junge Stut" grofee $off^
nungen fe^te. @inen tl^atföd^Iid^en älnl^altgpunlt für biefelben
l^atte er freilid^ nid^t; vielmel^r jeigt er l^ier mieber jjened ebenfo
grofel^er}ige ald lurjfid^tige SSertrauen, meld^eS er benen, in meldten
er SSertreter ber göttUd^en Drbnungen erblidte, unb mod^te ed
aud^ ein Seo X. fein, entgegenjubringen pflegte, unb bamit oer«
banb fid^ oieEeid^t etmag oon ber SSerei^rung, meldte bad beutfd^e
»utf, Sut^et. 3. «ttfl. 10
— 146 —
äSoII für ben lütjßci^ üerftotbenen jlaifer äRasimiltan l^atte unb
nun auf beffen @ntel üBertrug.
Staxl Y., als er jum Äaifcr gefrönt würbe, ein ctnunbjwanjigs
iäl^riger ^^[üngling, l^atte in feinem ganjen SEßefen fd^on bie 3(rt
beg gereiften 3Kanne8. ®r war bered^nenb in feinen ©ntfd^Iie^ungcn,
gemeffen in feinem Senel^men, »erfd^loflcn gegen feine Umgebungen^
bobei Don emfter 9teUgiofit&t , n)el(i^e ober fd^on infolge feiner
ff)anifd^en @rjiel^ung gern} baS ©epräge ber mittelalterlid^en Jtird^e
an fid^ trug. Unb j|e älter er mürbe, befto mel^r trat bei il^m
eine fd^on in feinem ererbten SlatureQ begrünbete, burd^ bie melen
3!äufd^ungen unb 3DlifeerfoIge feines SebenS Derftärltc, btiftere
9Be(tanfd^auung l^ert^or. 2Bie Sutl^er burd^ feine geiftige @nt::
mtdelung an^ bem Älofter in bie SBelt gefül^rt mürbe, fo bct
Äaifer burd^ bie feinige and ber SBSelt ins Älofter.
%üx bie rcformatorifd^e SSemegung fel^Ite il^m j[ebeä SScrftänb«
ni§. @r fal^ in il^r nid^tS a(3 äluflel^nung gegen bie Autorität
ber Äird^e unb lie^ fid^ leidet einreben, ba^ boburd^ audj feine
eigene 9(utorität bebrol^t merbe.
S)ennod^ aber mar er meit entfernt, fid^ gum miffenlofen
SBerlgeug beä päpftUd^en @tul§Id l^ergugeben. @r ron^te, ba^ ber
5ßapft feine SBal^t jum römifd^en Äaifer auf jebe SßJeife ju l^intcr«
treiben Derfud^t l^otte unb nod^ fortmäl^renb im 38erein mit %xmh
reid^ barauf bebad^t mar, ber ^Rad^tentmidfelung bed l^absburgifd^en
$aufeS §inbemifje ju bereiten. 2lud| maren bie in Spanien
l^errfd^enben ürd^ßd^en 9(nfd^auungen, in benen er erjogen mar,
fo ftreng latl^olifd^ fie fein motten, bod^ feineSmegS bie beS Rvl^
riatiSmuS. Safe ber 5ßapft nid^t unfel^Ibar fei unb bafe ein off^
gemeines Äonjtl über bemfelben ftcl^e, galt il^m als ungmeifell^aft.
S)ie lird^lid^en 5Kifebroud^e unb bie ©clberpreffungen beS römifd^cn
ßofeS fannte er. S^ax l^atte er pd^ beftimmen laffen, in feinen
®rblanben bie SSerbrennung ber ©d^riften Sutl^erS onjuorbnen,
aber für baS beutfd^e Sleid^ baSfelbe ju gebieten, trug er bod^
Sebenlen; benn er fonnte pd^ nid^t Derl^el^Ien, ba| bei ber meiten
Ausbreitung, meldte bie Wtl^erifd^en Seigren in SJeutfd^lanb fd^on
gefunben l^atten, ein gemaltfameS ©nfd^reiten l^öd^ft mal^rfd^einfid^
JU Unrul^en fül^ren mürbe; unb auf bie SBünfd^e beS Äurfürpen
- 147 -^
t^riebtid^ Stüctfid^t gu nel^tnen, gebot x^m nid^t nur bie 2)anI6at:s
leit bafür, ba^ biefer ]^au|)tfäcl^lici^ tl^m bie ^tone perfd^afft l^atte,
fonbem axnidi bie politifd^e ^lugl^eit.
f^ebtid^ ober lieg ben jtaifer bitten, nid^ts gegen Sutl^er
t>ot)iine]^men, ol^ne bag er jUDor Derl^ört fei. 2)araufl^in machte
ber Jtoifer ben SSorfd^Iag, f^ebrid^ felbft foKe Sutl^er auf ben
Sleid^dtag, ber in SSormd abgel^alten n)erben foSte, mitbringen.
Ser jturfürft lel^nte bad ab, Sut^er aber erllärte : ,;98enn id^ ge::
rufen werbe, fo roitt id^, foüiel auf mid^ anlommt, mid^ Iranf
l^infül^ren lafen, n)enn id^ gefunb nid^t !ommen lann; benn id^
barf nid^t gweifeln, bag eä ein Stuf be8 $erm ift, roenn ber Äaifer
mid^ ruft. Sraud^en fie bann, wie eS waH^^tttid^ ift, Oeroalt,
— benn um ntid^ ju belehren, laflen fic mid^ nid^t rufen — , fo
mug id^ beut $erm bie ©ad^e befel^(en; benn nod^ khei unb
regieret ber, roeld^er bie brei Knaben im geuerofen bes ÄönigS
ju Sabel erl^alten l§at. SEBiE er mid^ aber nid^t erl^alten, fo ift
an meinem Äopfe wenig gelegen, t)ergKd^en mit ßl^rifto. $ier
barf man nid^t nad^ Sefal^r ober Slcttung fragen, fonbem mufe
bafür forgen, ba| mir nid^t baS Soangelium, mit bem mir einmal
begonnen ^aben, ben ®ottlofen gum ®eff)ött merben laffen unb
ben SBiberfad^ern Urfad^e geben, fid^ miber unS ju rül&men, als
magten mir nid^t baS }u belennen, xoa^ mir gelehrt l^aben, unb
fürd^teten un8, unfer 33lut bafür ju oergiefeen. $Rur bie
eine ^flid^t liegt unS nod^ ob, ben §erm ju bitten, ba| nid^t
Äaifer ÄarlS ^Regierung gleid^ jum 2lnfang mit meinem ober eines
anbem Slut jum ®6)nii ber ©ottloftgfeit bcflcdft merbe. 3d^
moHte, xok id^ oft gefagt, oiel lieber allein burd^ bie $änbe ber
SRomaniften umfommen, bamit nid^t jener mit ben ©einigen in
biefe ©ad^e Derflod^ten merbe. gK^^^ witt i^ «ici^t, nod^
weniger miberrufen. S)aS l^elfe mir ber $err 3efu§."
aSic ärmlid^ nel^men jid^ gegenüber ron biefer ®röfec beS
©laubenS unb biefer 3<i^^cit, mit meld^er Sutl^er für feines ÄaiferS
Sl^re bcforgt ift, bie Sntrigucn auS, meldte in ber Umgebung beS
ÄaiferS in feiner ©ad^e inS SBerl gefegt mürben. S)a mar oor
allem bie ftreng^päpftlid^e ^Partei, an il^rer ©pi^c ber Segat 21 Ic^
anbcr, ;,eine unjittlid^e 3Kifd&ung oon SScrfdjlagenl^eit, geig^eit,
— 148 —
$od^mut, falfd^ct 2)eootion uvb ©ud^t cmporjufommen" (Slanfc),
ein fanatifd^er, übermütiger gcinb ber Seutfd^cn unb inäbefonbcrc
beS jlurfürften ^riebrid^. 3ta^ feiner älnfid^t l^atte ber 9leid^3tag
in Sutl^erS ®ad^e nid^tg ju t)er^anbe(n, fonbem einfad^ ben päpft^
lid^en 93efel§( ju voQjiel^en. @ine anbere 9luffaf{ung ober mad^te
fid^ am laiferlid^en $ofe geltenb. 98ie bem Jtaifer fein ®efanbter
in Slom ben fRat gegeben l^atte, bem SKartin Sutl^er, ber burd^
feine ?ßrcbigten bem römifd^en $of SeforgniS einflöße; einige
®unft 3U ermeifen; fo meinten aud| anbere, man lönnte benfelben
alg SBerljeug ber faiferKd^en $o(iti{ gegen 9tom benü^en. 3)arum
fud^te man jmifd^en ben eigentlid^ le^erifd^en, ber attgcmcin an?
erlannten Äird^enlcl^re miberfpred^enben ©ä^en Sutl^crä unb ben?
jenigen, n)e(d^e gegen bie lird^Ud^en 3)li^bräud|e unb römifd^en
tlebergriffe gerid^tet maren, ju unterfd^eiben unb meinte, menn jtd^
Sutl^er nur jum SBiberruf ber erfteren bewegen ßefte, fo fönnte
feine ©ad^e n)ol^( nod| gütßd^ beigelegt merben. ^m\i^m biefen
beiben 3luffaf|ungen fd^manlte ber Äaifer. 3)arauS crflärt jtd^,
bafe er in einem jroeiten ©d^reiben an ben Äurfürften bie Stuf?
forberung, Sutl^er nad^ SBormS mitzubringen, gurüdfnal^m, ba aus
einer 93err)anb[ung mit bem ©ebannten bem Sleid^ ein merflid^er
SSorrourf bei anbern Stationen erroad^fen lönnte. 9iur menn er fid^
gum DorauS jum SHBiberruf bereit erftäre, foffte er erfd^cinen bürfcn.
Sngroifd^en mürbe in SBormS l^in unb l^er oerl^anbelt vox
unb nai) Eröffnung beS SReid^StagS, meldte am 28. Qfanuar 1521,
ÄarlS 5RamenStag , ftattfanb. Sie römifd^e Partei fe|te atteS
baran, ben Äaifcr il^ren aSünfd^en bienftbar ju mad^en. SKeanber
tl^at bie brol^enbe S[eufeerung: „SBenn il^r SDeutfd^e baä römifd^e
3od^ abmerft, werben mir bafür forgen, bafe il^r eud^ unter einanbcr
morbet, bi§ il^r in eurem eigenen Slut untergel^t", unb t)on 9lom
aus traf eine neue SSuffe miber Sutl^cr ein, meldte, ba bie 120tägige
§rift ungenü^t abgelaufen fei, bcfinitio ben 33ann über il^n auS?
fprad^. ©ie mar begleitet tjon einem Sreoe an ben Äaifer, morin
auf fd^Ieunigen SSoKjug beS päpftlid|en Urteils gebrungen mürbe.
3>er Äaifer lie^ baSfelbe im SReid^Stage »ortefen, unb babei l^ielt
Stteanber eine brciftünbige 3lebe, morin er bie SReic^Sftänbe na?
mentlid^ burd^ 8SergIeid|ung Sut^erS mit $uS unb $inroeifung
- 149 —
batauf, bag er bad jtonjil t)on jtonftan), tDeld^eS ber @to(} ber
beutfd^en Station voax, (äftere, gegen benfelben einjunel^men fud^te,
tnbent er nad^brüdlid^ ftd^ bagegen vexroa^xit, ba| ber verurteiUe
Ae^er nod^ weiter gel^ört n)erbe unb ba^ Säten ed ftd^ l^eraudnel^men,
in bief er Sad^e mit ju entfd^eiben. £)er jlaifer gab aud^ bem S)rängen
ber pctpftKd^en Partei fo totxt na^, ba^ er bem Sieid^dtag ein Sbüt
vorlegte, monad^ Sutl^erS Sudler, 'oi^ne ba^ man il^n weiter l^örte,
Derbrannt unb er felbft gefangen gefegt werben foQte. S)ie Slnt^:
wort ber Sieid^dftänbe aber ging bal^in, ba^ bei ber unter bem
SSolfe verbreiteten ®ärung Unrul^en )U befürd^ten wären, wenn
man fo fd^arf vorginge. SRan foKe bal^er Sutl^er unter ©ewä^rung
freien (SeleiteS oorforbem unb burd^ geleierte SKänner vernel^men
laffen. S)er Aaifer er!(ärte fid^ l^iemit einoerftanben unb fo
erging am 6. 3Rar) bie 93or(abung. @ie lautete: ,,@l^rfamer,
Sieber, 9lnbcid^tiger! 9lad^bem wir unb beS l^eiUgen Sfleid^S @tänbe,
j[e|o l^ier verfammelt, vorgenommen unb entfd^Iojfen, ber Se^re
unb Sudler l^albcn, fo eine 3«t l^er von bir auägangen, ©rlun«
i>iöww8 jw empfal^en, l^aben wir bir, l^erjulommen unb von bannen
wiebcrum an bein fidler ©ewal^rfam, unfer unb bc8 Sleid^S frei
gefbradN; @id^erl^eit unb ®e(eit geben, baS wir bir l^temeben gu-
fcnben. Unb ift unfer emfttid^ Segel^r, bu woEeft bid^ förberlid^
crl^eben, alfo bafe bu inwenbig einunbjwanjig 3^agen, in fotd^em
unfern ®eleit beftimmt, gewifelid^ l^icr bei unS feift unb ja nid^t
au^en bleiben woUeft, bid^ an^ leineg ©ewalt ober Unred^t be-
forgen. S)enn wir bid^ bei bem gemclten unferem ®eleit feftig^
lid^ l^anbl^aben wollen, unS aud^ auf fold^e beine 3ulunft enblid^
verlaffen. Unb bu tl^uft baran unfre emftlid^e 5Dleinung."
Sutl^er erhielt am 19. 3Rärj burd^ ©palatin bie ajlitteitung,
hai er vorgelabcn werben follc, worauf er gegen benfelben in
voller Stulpe ber ©eele ben Siitfd^lufe auSf prad^, er wolle, f o 6^riftu§
il^m gnäbig fei, nid^t fliegen, nod^ bem SBort ®otte8 im Äampfe
untreu werben, älm ©icnStag vor Dftem, ben 26. aJlärj, traf
ber $erolb beS Sleid^ä, Äafpar ©türm, in SEBittenberg ein unb
überbrad^te bie SSorlabung.
Sut^er würbe baburd^ au3 einer vielfeitigen S^l^ätigleit l^erauS«
gerifjen, benn tro| ber il&m brol^enben ®efal^r war er in feinet
— 150 —
amtlid^en mi fd^riftftellerifd^en aBirIfamIcit fo tn^xi fortgcfal^rcn,
als ob bie SJetl^anblungcn in SBormS il^n nid^tS angingen. 9lut
infofern trat um biefe 3^'t eine Slcnberung feiner SebenSweife
ein, atö er ftd^ infolge ber Sannfeutte oon ber Seobad^tung ber
flöfterlid^en Hebungen loSgefprod^en erad^tele, wenn er aud^ bie
äBol^nung im Jt(ofter unb bag 30^önd^3l(eib nod^ beibel^ielt. SBie
vielerlei auf il^m (ag, erfel^en n)ir an^ einem Sd^reiben an ^elilan
in 93afe(, n)0 e§ l^ei^t: „^^ l^alte täglid^ gmei ^rebigten, id^
mül^e mtd^ mit bem $f alter, id^ arbeite an ^oftiUen, id^ antn)orte
ben SBiberfad^ern , id^ belämpf e bie SSuHe, in 2)eutfd^ unb Satein
ntid^ Derteibigenb; nid^t gered^net bie SSriefe, bie id^ an meine ^reunbe
fd^reiben mufe, unb bie Unterrebungen, meldte gu $aufe ober an-
berämo »orlommen. " 6r l^atte nämlid^ auf ben SBunfd^ bcS Äur=
fürften fd^on im ©erbft 1519 angefangen, 5{5oftiIIen, b. 1^. SluS^
legungen ber fonntäglid^en ©oangelien unb (Spifteln ju 'Oerfaffen,
^unäd^ft in lateinifd^er ©prad^e jum ©ebraud^ ber ©ciftlid^en.
S3on biefer ^oftille erfd^ien je^t ber erfte 2!eU. ^n ber SBibmung
an ben Äurfürften fprid^t Sutl^er aus, ba^ er nad^ bem 33orbiIbe
beS Slel^emia mit ber einen $anb iamn motte, mäl^renb er in ber
anbern baS ©d^mert l^alte. Unb biefeS ©d^mert gegen alte unb
neuegeinbe ju braud^en, fel^Ite.eS in ben ber Steife nad^ SBäormS
Dorangel^enben SKonaten nid^t an Stnlafe. S^Sbefonbere fam e§
ju einer neuen fjel^be mit (Smf er, in meld^er „ber SBoÄ ju Seip^
aig" unb ber „©tier ju SÜBittenberg'', roie fte einanber betitelten,
in fd^arfen unb fpöttifd^en SBorten einanber entgegentraten. 6s
l^anbelte fid^ l^iebei inSbefonbere um baS t)on Sut^er bel^auptete
geiftlid^e ^rieftertum aller ßl^riften, unb meil @mfer bei SSeftreitung
beäfelben ftd^ auf ben geiftlid^en, b. 1^. allegorifd^en ©d^riftftnn
berufen l[>atte, fo fül^rt Sutl^er an^, bafe bie SBorte be§ l^eiligen
©eifteS nid^t mel^r benn einen einfältigen ©inn l^aben lönnen,
„meldten mir ben bud^ftäblid^en gwngenfinn nennen". SJamit ift
eine für bie proteftantifd^e Sibelerllärung mid^tige ®rlenntnis ge^
toonnen unb ber SBillfür, mit meld^er im 9RitteIalter bie ©d^rift
bel^anbelt mürbe, ein ßnbe gemad^t. Sin ®mfer fd^tofe fid^ S^l^o-
was SKurncr an, ein ^JwnjiSf anermönd^ , ber frül^cr burd^ fa^
tirifd^e ©d^riften gegen bie SJ^orl^eiten unb 2lergemiffe ber 3^^^
— 151 -
unb inSfccfottbcte gegen bie Sünbcn beS ÄlcruS bie Slufmerffamleit
üuf ftd^ gebogen l^atte (S. 7), nun ober in einigen ©d^tif ten gegen
Sutl^er ouftrat, namentlid^ ben d^riftlid^en 9lbel aufforberte, ben
@(au6en gegen benfelben )u fd^ü^en. Sutl^er antwortete il^m lurg
am ©d^tuffe ber ©d^rift „3luf baä üBerd^tiftlid^e, übergeifHid^e unb
überlünftUd^e Sud^ SSodfS @mferä ju Seipjig Slntmort", inbem er eä
ölS einen 3Sorjug SDlumerS t)or Smfer anerlannte, ba§ er jtd^ wenig-
ftenä ber Sügen entl^alte. Sluf weitere Singriffe ÜRurnerS fd^wieg er.
2118 britter (Segner trat ber römifd^e ©elel^rte 3lm6rofiuS
^atl^arinuS auf ben $Ian. ^aüe 3Rumer über Sutl^er« Slufs
faflung ber Jtird^e ate einer „geiftlid^en SSerfammlung" gcfpottet,
als wäre ba§ eine ©tabt $latoS, bie nirgenbS wäre; fo wieberl^olt
£ut^er gegenüber üon Aatl^arinud bie S3el^auptung, ba^ bie ^ird^e
unjtd^tbaren SBefenS, beäl^alb aber bod^ wirllid^ in ber SBelt oor-
l^anben unb on ben ©alramenten unb ber ^ßrebigt beS SoangeliumS
«rlennbor fei. 3n ber ^ßapftlird^e bagegen erbtidEt er ba8 in ber
©d^rift geweisfagte Sleid^ beS Slntid^riftS. 2)iefelbe werbe ba^er aud^
nid^t burd^ Seien (burd^ §utten§ unb feiner ®enoff en SBeftrebungen)
jerftört werben, fonbem erft burd^ bie SDSieberlunft 6§rifti.
9lber wie frül^er, fo l^at Sutl^er aud^ in jenen Sagen bed
SBartenS ouf bie Sntfd^eibung nid^t unterlaflen, burd^ feine ©d^riften
aud^ ber (Semeinbe ju bienen. ®r lie^ einen furjen „Untere
tid^t für bie Sei^tfinber" erfd^cinen, worin er fie belel^rte,
wie jte pd^ vexf^alten - f offen , wenn i^r SSeid^toater wegen beä
SefenS feiner SSüd^er fie befrogen unb beren 2luSKeferung oerlangen
foffte, unb eben arbeitete er an einer 2luSlegung beö Sob-
gef angS ber SKaria, als er bie SSorlabung nad^ aSomtS erl^ielt.
Slm SJicnötag nad^ Dftem, ben 2. äpril, mad^te er pd^ auf
ben 38eg. 3^ 33egleitem l^atte er feinen SlmtSgenoffen 2lmSborf,
einen pommerfd^en @belmann namenS ©waoen unb, gemä^ ber
SRegel feines Drbeng, ben 2luguftinermönd^ S^l^cinn 5ße|enfteiner.
3n einem t)om State ber ©tobt SBittenberg gegebenen bebeÄten
SBagen mad^ten jte bie Steife; DorauS ritt ber laiferlid^e §eroIb.
Unterwegs jeigte eS pd^ red^t, wie »iele ^Jteunbe unb Sln^änger
Sutl^er in (iSi^xi Äreifen l^atte. ^aS SSoII ftrömte in Xl^üringen
wie in ber ©egenb Don ^ranlfurt gufammen, um ben SBunber^
— 152 —
mann )u f e^en ; bie UnberfUät Srfurt empfing i^n mit ber grölen
t^eierlic^tett, inbem ein großer 3^0 f barunter 40 Serittene, 6id
)ur (Srenje bed ftäbtifc^en ®e6iete8 i^m entgegenlam ; in 9taums
bürg beroirtete i^n ber Sürgermeifler, in äBeimar burfte er ber
®aft bed $er)ogS So^^^^n fein, in t^anlfurt fanbte il^m eine oÜt
abiige 2)ame )mei 9Ra| SDlafoafiermein )ur Störfung; awib ein
$riefter SemieB i^m feine t^eunbfd^aft, inbem er il^m bad Silb
bed italienifc^en äflärti^rerd Saoonarola fd^idte unb il^n )ur Stonb-
l^aftigteit ermal^nte. ^ @rfurt, mo er ftc^ jmei Xage auffielt,
fomie in ©otl^a unb @ifenad^ prebigte er. ^ SBeimar ^örte er^
ba| in äSormS über il^n unb feine Sudler bad Urteil bereits ge^
fprod^en fei, unb auf ber SBeiterreife traf er bad betreffenbe laifer?
lid^e ÜRanbat fd^on angefc^Iagen. S)ennod^ aber bel^arrte er bei
feinem @ntfd^Iu|, ber laiferlid^en Berufung )u folgen, unb fd^eb
an @palatin : „^ix werben in SffiormS einjie^en tro^ allen Pforten
ber ^öOe unb ben böfen ©eiftem, bie in ber Suft l^errfd^en/'
@o feines SBegd gerabeaud ge^enb, vereitelte er bie Sered^nungen
feiner ^einbe, metd^e fd^on gel^offt l^atten, er merbe burd^ fein
SBegbleiben ©elegeni^eit geben, il^n bed Ungel^orfamd gegen ben
ftaifer anjullagen unb burd^ ^inmeifung auf feine S^gl^eit bad
SSolt an il^m irre )u mad^en. @eine ^eunbe aber erfüllte bange
Sorge; nad^bem il^n ber ftaifer oor feiner Snfunft oerurteilt
l^atte, befürchteten jie für il^n bad 6d^idlfal bed $ud.
Seinal^e aber märe ed il^m unmöglid^ gemorben, feinen @nt^
fd^Iul audjufül^ren. ^ (Sifenad^ erfrantte er, unb obmol^I ed
auf angemanbte SJlittel befjier mürbe, fo blieb er bod^ leibenb, bid
er had^ ^antfurt iam. ®r fal^ barin ein Sierf bed @atand, ber
il^n am Jtommen l^abe l^inbem moHen. SSon innertid^ Snfed^tung
aber l^ören mir nid^td an^ ben Xagen jjener Steife, oielmel^r lä^t
bie äingabe feined bittem f^einbed fioc^Iäud, bag untermegd 3Ru{iI
getrieben morben fei, ja ba^ Sutl^er felbft einmal bie Saute ge?
fd^Iagen l^abe, auf eine freubige ©emütdftimmung fd^Iie^en.
@o mar er bid Oppenheim gelommen, menige Stunben oon
SBormd entfernt. 92ur nod^ jmei Sage maren ed, bid ber S^ermin,
ba er in 9Bormd eintreffen foKte, oerftric^en unb bamit aud^ bad
fidlere ®eleite ^u ®nbe mar. ^a fam ju il^m, oon Sidingen
— 158 —
({efanbt, ber il^m fd^on oon ^eibelberg l^et (efreunbete Su^er (6. 96)
mit ber @inl(d)ung, aufbie®6em(urg gu @icfingen ju tommen, um
bort mit bed fiaiferd Seic^tpater ©lapio fid^ )u unterreben. ®(apio
mar f elbft )u @icfingen getommen, l^atte mit vieler 9(nerf ennung von
Sutl^ier gerebet, ben ©ebanlen biefer 3ufammenlunft angeregt unb
©idingen baf ür gemonnen. 3»^bem brängt fid^ bie t^roge auf; meldte
3(b{td^t er baSei gel^a6t l^aben tonne, fttar ift, ba| ed ftd^ barum l^an^
belte, Suti^er nid^t nac^ äBormd f ommen )u lofien. 98ar bieiS aber nur
bie 3l6{td^t oon ®(apio, metd^er, einer lird^lid^en 9lef orm nid^t abge^
neigt, biefelbe el^er erreid^en )u lönnen l^offte, xoenn eine öffentliche
SSerl^anblung oermieben mürbe, ober mar er t)om Jtaifer beauftragt?
älber marum foHte ber Jtaifer, ber Sutl^er f elbft üorgelaben
l^otte, fein Jtommen nic^t gemünfd^t ^aben? SRad^te il^m bie 93ol(g-
bemegung, meldte Sutl^erd @rfd^einen überall l^eroorrief , bange,
unb moHte er il^n ferne l^alten, um Unrul^en juoorjulommen ?
Dber mar bie Unterrebung mit ©lapio emftlid^ gemeint? hoffte
man nod^, Sutl^er fo meit )ur 92ad^giebigfeit ju bemegen, ba^ {td^
bie f aiferlid^e ^olitü feiner bebienen lonnte ? Dber mar bad ©anje
eine ^aUe, bie man il^m fteHte ? SSoKte man, voa^ man burd^ bad
@d^reämittel ber SSerurteilung nid^t erreid^t l^atte, nun burd^ freunb-
lid^e Sinlabung jumege bringen? il^n )urüd(l^alten, um il^n bann
bed Ungel^orfamd anjuflagen ? Dber f oKte gar bie 3sit beS freien
®eleite3 oerftreid^en, bamit man, ol^ne bem äBortlaut beS laifer^
lid^en ^eibrief« juroiber ju l^anbcln, fid^ feiner bemächtigen lonnte?
SBir magen nid^t }U entf(|eiben, xoa^ bie mirflid^e älbfid^t gemefen.
Sutl^er felbft l^at fpäter bad Se^tgenannte geargmöl^nt unb in ber
ganzen 6ad^e bie $anb bed (Srjbifd^of 3 ällbred^t }u eidCennen gemeint.
9Bad es aber antl^ fein mochte, er blieb bem gefaxten @nt-
fd^luffe treu. 9lad^ Siormd mu^ie er, be3 Jtaiferg Stuf mar il^m
jja ©otted Stuf, „^at bed Jtaiferd SSeid^toater ^ixoa^ mit mir )u
reben,'' fprad^ er, „fo !ann er fold^eg }u SBormS mol^l tl^un,'' unb
bem @palatin ermiberte er auf feine äBamung: „SSenn fo oiel
3:eufel }u SBormS mären als 3i^0^t <tuf ben ^äi)exn, bennod^
mottt id^ l^inein." „3)enn id^ mar unerfd^rodEen," erjäl^lte er furj
oor feinem Xobe, „furd^te mid^ nid^tS. ®ott lann einen mol^l
fo toH mad^en. 3<$ ^^i| n^t, ob id^ j|e^t aud^ fo freubig märe.''
- 154 -
Dienstag, bcn 16. Slptil, motgenS 10 U^r, traf er in SEBormä
ein. 2)ic Sürgct; weld^c jid^ eben beim ^rül^mal^I Sefonben, eilten,
ald ber %VLvmxoä^ttv feine Slnlunft burd^ einen S^rompetenftol
anlünbigte, l^erbei; eine gro^e SSoltdmenge brängte fid^, il^n }tt
feigen. 2)a ful^r er ein im SKönd^ägeroanbe mit feinen brei Se^
gleitern, cor bem SBagen ber laiferlid^e $eroIb, l^inter bemfelben
3uftu3 ^ona^, ber il^m von Erfurt an^ gefolgt n)ar, nebft anbem
93erittenen; bie teild untenoegd fid^ angefd^Ioffen l^atten, teils au8
SBormS i^m entgegengefommen toaxen. 93om SBagen fteigenb
blidfte er um ftd^ unb fprad^: „®ott wirb mit mir fein." ^en
gangen ^ag brängten fid^ Seute jjebed @tanbed l^erbei, il^n ju be-
grüben. Slm anbem SKorgen marb er auf obenbS 4 Ufjßc oor ben
9tetd^gtag gelaben; ba lamen bann ber Steid^derbmarfd^oK Ulrid^
Don ^appen^eim unb ber 9leid^gl^ero(b @turm unb filierten il|n,
um bem (Sebränge be3 SSolIS auSgumeid^en, auf ©eitenmegen in
ben bifd^öfUd^en $alaft, mo beS Jtaiferd Verberge mar, unb wo
ber Sleid^ätag fid^ oerfammett l^atte. 2)ie fid^ l^erbeibrängenbe
3)tenge mu^te mit ®exoaÜ }urüdgel^atten merben. 3)a mar ed,
wo ber belannte laiferlid^e ^elbl^auptmann, ®eorg von ^runbd-
berg, il^n auf bie ©d^ulter Köpfte mit ben SßJorten: „SKönd^Iein,
3Rönd^Iein, bu gel^ft j|e$t einen ®ang, einen fold^en @tanb )u
tl^un, bergleid^en id^ unb mand^er Dberfte aud^ in unfrer oUer^
crnfteften ©d^Iad^torbnung nid^t getl^an l^aben. SSift bu auf red^ter
3Keinung unb beiner ©ad^e gemi|, fo fal^re in OotteS 3tanmi fort
unb fei nur getroji, (Sott mirb bid^ nid^t oerlaffen."
älld er tttoa um 6 UI§rt)orge{aj|en mürbe, mad^teil^m Rappen-
l^eim bemerflidj, ba| er nid^ts reben bürfe, aufeer menn er gefragt
merbe. 3)ann legte il^m ber Dffijial beS ®rgbifdJof8 oon Syrier,
Qol^ann @i (nid^t ber un8 fd^on befannte Oegner Sutl^erS) in be8
ÄaiferS 5Ramen bie beiben S^agen vox, ob er bie l^ier oorliegens
ben Sudler atö bie feinigen anerlenne, unb ob er il^ren ^nfjolt
miberrufen ober auf bemfelben bel^arren motte. S)arauf rief fein
älmtggenoffe ^ieronpmug ©d^urf, ber il^m ald 9ted^t3beiftanb
gur Seite gegeben mar: „9Jlan geige bie Sudler mit SRamen an."
älfö bieg gefd^el^en mar, gab Sutl^er feine älntmort lateinifd^ unb
beutfd^. @r ernannte bie SSüd^ec alg bie feinigen an, erbat fid^
— 155 -
bann aber jur S3eantn)0ttung ber }n)etten %xaQe, f,roexl e§ eine
tjrage t)om ©lauSen unb ber ©celen ©eligleit tft unb OotteS
SSort belanget'', eine SSebenfjeit, „bamit er nid^tg Unbebäd^tigeS
anzeige". ®in 3^g njutbe i^m bewilligt unb er roieber in feine Qet-
berge geleitet/ n)äl^renb baS SSoK unter 93eif aUruf en ftd^ ^erbeibrängte.
„©elig ift ber ißeib, ber bid^ getragen l^at", rief eine Stimme.
3[m Sieid^Stage aber fd^eint biefeS erfte Sluftreten Sut^erd
nid^t eben einen günftigen @inbrud gemad^t }u l^aben. 2)ie einen
tjermi^ten bei il^m ben redeten $elbenmut unb nal^men il^m übel,
bafe er nid^t fofort geantwortet, fonbem fid^ Sebenigeit erbeten,
unb bafe er mit fo fd^üd^terner, leifer Stimme gerebet, „aU ob
er erfd^rotfen unb entfe^t wäre"; anbem mipel, bafe il^m bie feis
neren formen ber ^öftid^feit abgingen; ber Äaifer felbft meinte,
biefer merbe i^n nid^t jum Ae^er mad^en, unb lonnte eS nid^t
glauben, ba| er ber SSerfafJer fold^er ©d^riften fei.
Slm folgenben 2^age, 3)onner8tag, ben 18. SÄpril, fanb er
fid^ wieberum um 4 U^r im bifd^öfli^^ ^JJalafte ein unb mufete
abermals }n)ei ©tunben im ©ebränge beS Zolles warten, älfö
er t)or ber Sleid^goerfammlung ftanb, würbe i§m wieber bie ^Jrage
t)orgeIegt: „SBottt Ql^r bie SSüd^er, bie ^^x für bie Rurigen ers
lannt l^abt, aUe t)erteibigen ober wollt ^f)X etwas jurüdfnel^men?"
3)arauf gab er bie 2lntwort mit befd^eibener, aber fefter unb lauter
©timme in lateinifd^er ©prad^e. 5Rad^bem er wegen etwaiger
SSerftö^e gegen bie l^öfifd|e Sitte um ßntfd^ulbigung gebeten,
unterfd^ieb er brei 2lrten feiner SSüd^er. 3)ie erften feien bie, in
weld^en er oon ©lauben unb ©itten fo fd^lid^t unb eöangelifd^ ges
l^anbelt l^abe, ba| aud^ feine SBiberfad^er fie als beS SefenS wert
aneidCennen. „3Benn id^ nun biefe }u wiberrufen anl^öbe, waS tl^äte
td^ anberS, als ba^ id^ allein bie äSal^rl^eit t)erbammte, weld^e
greunb unb geinb jugleid^ belennen ?" 2)ie jweitc Slrt feien bie
gegen baS ^apfttum gerid^teten. ®urd^ biefeS feien ja bie ©e«
wiffen ber ßl^riften aufS jämmerlid^fte gefangen unb gemartert,
au^ werbe §ab unb ®ut fonberlid^ in ber beutfd^en 5Ration burd^
unglaublid^e Si^prannei oerfd^lungen. „SBenn id^ nun biefe Sudler
wiberrüfe, würbe id^ bie S^prannei ftärfen." 2)ie britte 2lrt SSüd^er
feien bie wiber einzelne ^ßrioatperfonen gefd^riebenen. „5ßJiber
- 156 —
biefelben Setenne id^ heftiger getoefen gu fein, benn ftd^ jiemte.
Sffiiberrufen !ann ic^ auc^ biefe Sucher nid^t, bieroeil ©efa^r tD&ie,
ba| i(^ baburd^ bet X^rannei unb ©otttofigleit SSorfd^u^ gäbe/
SEBeiterl^in erltärt er, toenn et mit propl^etifc^en unb eoangelifc^en
@d^riften übenounben werbe, fei er aufg n)iKigfte bereit, ieglid^en
3trtum ju wiberrufen, unb werbe ber crfte fein, feine Sudler
ind treuer 3U werfen. S^m ®(^Iu| mal^nt er, bie ©eric^te ®otteS
wol|( )U bebenlen unb )u forgen, ,,ba^ nic^t biefem jungen, eblen
ftaifer ftarl, üon weld^em näd^ft ®ott Dieied ju l^offen ift, ein
unfeliger Singong unb ein unglüd^lid^ Slegiment )u teil werbe".
S)iefe Siebe wieberl^olte er bann aud^ in beutfc^er @prad^e.
hierauf erwiberte (Bi im äluftrage beg Jtaiferg, man lönne mit
äutl^er nid^t erft über feine @ö^e bidputieren/ biefelben feien
fd^on in Konftanj oerbammt. SBoKe er biefe ä(rtilel, fonberlic^
bie in jtonftanj verurteilten, wiberrufen, fo fönnte mit feinen
anbem SSüd^em biQtg gel^anbett werben. ®r foKe eine einfädle
unoerJ^üKte äCntwort geben. 2)arauf fprad^ Sutl^er: ^SESetl benn
@ure Äaiferlic^e 3Raieftät unb (Sure ©naben eine fd^Ud^te älntwort
begel^ren, fo wiK id^ eine Slntwort ol^ne $ömer unb 3^^^ S^^^^
biefermaften: ®8 fei benn, ba| id^ burd^ 3cugnifje ber ©d^rift
ober burd^ l^eUe ©rünbe überwunben werbe — benn id^ glaube
weber bem $apft nod^ ben fton)ilten allein, biewei( am %a% liegt,
ba| fie öfters geirrt unb fxd) felbft wiberfprod^en l^aben, — fo bin
id^ überwunben burd^ bie oon mir angefül^rten l^eiligen ©d^riften
unb mein ®ewif{en ift gefangen in @otted 9Bort. SSiberrufen
!ann id^ nid^tS unb wiU id^ nid^td, bieweil wiber bad @ewif[en )u
l^anbeln unfidjcr unb gefäl^rlid^ ift."
@df fragte nod^mate, ob wirllid^ feine SWeinung fei, ba| bie
Äonjilien irren fönncn. $ätte Sutl^er in biefem ?ßunlte nad^*
gegeben, fo l^ätte er wol^t eine ftarle $artei auf feine ©eite bringen
fönnen. ®r aber bejal^te jene grage unerfd^ütterten SKuteS, unb
bamit war aud^ ber liberalen Partei ber gel^bel^anbfc^ul^ l^inge^
worfen. 3)er Äaifer wollte nid^tS mel^r l^ören unb befal^l, bie Ser«
fammlung ju fd^liefeen. ©djon fenfte ftd^ bie 3ta^i auf bie SJer^
fammlung unb Unrul^e l^errfd^te im ©aale infolge ber legten
Sleufterungen. 35a fprad^ Sutl^er bie berül^mt geworbenen SOBorte:
- 157 -
„^ä) lann nid^t anberiS; l^ie ftel^' id^; ®ott l^elf mir!
«mcn/
9[te er toegging , entftanb ein ©etümmel. Einige SbeHeute
meinten, man fül^re il^n gefangen. ®r ober fprad^, fte (erul^igenb,
er n)erbe nur geleitet, ^erjog @ri($ oon Sraunfd^roeig , obmol^l
päpftlid^ gsfinnt, fd^dte il^m einen jttbemen Arug mit Simbetfer
93ier }ur @rquid(ung, unb Sut^er trani mit ben SBorten: ,,3Bie
$ergog @rid^ je^t meiner gebadet l^at, atfo gebenle unfer $err
€l^rifiuä feiner in fernem legten ©tünblein." ©o fül^lten fid^ bie
$er}en aud^ fold^er 3)eutfd^en, n)eld^e nad^ il^rer retigiöfen SRid^-
tung feine ©egner toaxen, )u il^m l^ingejogen, xo'df)xevb freilid^
fpanifd^e Ariegdteute il^n oer^öl^nten, aU er burd^ il^re 3Ritte ging.
„3[d^ bin l^inburd^! id^ bin l^inburc^!" rief er mit fröl^s
lid^em älngeftd^t unb mit emporgel^obenen ^önben, als er um
8 VLf)X in feine Verberge jurüdHam. SBad in jenen 2:^gen emftefter
@ntfd^eibung in feiner @eele vorging, bad )eigt nn^ ba§ ®ebet,
n)eld^ed er laut alter Ueberlieferung bamalS gebetet l^at. 3)arin
l^ei^t eg: „älUmäd^tiger, emiger ©ott! wie ift eg nur ein 2)ing
um bie 3BeIt, wie fperrt fie ben Seuten bie SDtäuIer auf! mie
Hein unb gering ift baS SSertrauen ber Wenfd^en auf ©ott! SBie
ift bad ^teifd^ fo jart unb fd^mad^ unb ber Xeufel fo gewaltig
unb gefd^äftig burd^ feine Slpoftel unb SSäeltweifen! Sld&
®ott, a^ ®ott, bu mein ®ott, bu mein ®ott, ftel^e bu mir
bei roiber aller aOBelt aSemunft unb SQBeiSl^eit! 2)u mufet c« tl^un,
bu allein; ift eS bod^ nid^t meine, fonbem beine ©ad^e. $abe id^
bod^ für meine ?Perfon l^ier nid^ts ju fd^affen unb mit biefen
großen Ferren ber SSBelt ju tl^un! . . . §8reft bu nid^t, mein
®ott? bift bu tot? 3?ein, bu fannft nid^t fterben, bu oerbirgft
bid^ allein . . . Äomm, lomm, id^ bin bereit, aud^ mein Seben barum
)u laffen , gebulbig mie ein Sämmlein . . . 2)ie SBelt mu^ mid^
über mein (Semiffen mol^l ungezwungen laffen, unb menn fie nod^
DoHer Xeufel märe. Unb foKte mein Seib, ber bod^ juDor beiner
§änbe SSäerl unb ®efd^öpf ift, barüber ju ®runb unb Soben,
ja ju 2^rümmem gelten, bie ©eele ift bein unb gel^öret bir ju,
unb bleibet aud^ bei bir eroig. Slmen. ®ott l^elf mir! Slmen."
Unb meldte Stulpe er ftd^ burd^ fold^eS Seten er! ömpftc, jeigt
- 158 -
fid^ barin, bafe et, als er fd^on bic Sabung oor ben Sleid^Stag
auf ben 5Kaci^mittag etl^alten l^atte, t)ormitta88 nod^ ben erfraniten
§anS t)on SDlihln)!^ befuc^tc, feine Seid^te l^örte unb il^m baä
9(6enbma]^I reid^te, ba^ er bann am 9l6enbe biefeS Xaged, nad^^
bem er junt erftenntal t)or fiatfer unb Sleid^dtag geftanben, eine
freunbU(^e 3«f^i^ft ö« ^nen faiferlid^en Slat in SßJien t)erfa|te
unb am folgenben 2^age, e^e er ben ©i^ungSfaal betrat, um bic
entfd^eibenbe ©rffärung abzugeben, fid^ nod^ l^eiter unb unbefangen
mit bem aug§burgifd;en ©efanbten ?Peutinger unterl^ielt unb nadj
beffen S^u^^i^ i" jenen 2!agen überl^aupt immer guter 2)inge mar.
älber mie fal| ed um U)n l^er aix^l Sein mutiges 3(uftreten
f)atte meitl^in @inbrutf gemad^t. SSomel^me Seute fud^ten i^n
auf, baruntcr ber Sanbgraf ^pi^ilipp oon Reffen, ber il^m jum
3lbfd|ieb bic $anb reid^te mit ben Sorten: „$abt 3^^ ^^^^,
$crr 3)oItor, fo l^elfe @ud^ ®ott." Suftimmenbe unb crmuntembe
S3riefe erl^ielt er r>on $utten. Slbcr tl^atlräftige $i(fe mar non
biefer ©eite nid^t ju ermarten gegen bic immer bro^enber merbcnbe
©efal^r. SDer Äaifer nömtid^ liefe bem Slcid^Stagc am folgenben
3Iage eröffnen, er motte Sutl^cr nad^ SßJittcnberg jurüdEbringen
laffen unb bann gegen il^n al8 gegen einen Äc^er »crfal^ren.
^and^e unter ben Stcid^Sftänben l^offtcn aber nod^ immer vermitteln
ju lönnen, unb auf il^rc Sitte gemattete ber Äaifer, bafe eine bc^
fonbere ^ommiffion mit il^m ocr^anble. S)ie ^auptrotte fpiclte l^iebei
ber Äurfürfk unb ®rjbifdJof t)on a^ricr, ber pd^ gegen Sutl^er fel^r
freunblid^ bemieg, unb ber babifd^e Aanjier 93el^u3. 2)iefe Serl^anb^
lungen fanben am 24. unb 25. äprit ftatt, fül^rten aber ju leincm
Ergebnis, ba Sutl^cr ftd^ aud^ einem ^onjil nur unter ber 93cbingung
untermerfen mottte, bafe nid^ts gegen (SotteS SSäort befd^Ioffcn werbe.
Sluf bic gürbitte beS @rjbifd^of3 ^^\iatttU xf)m ber ftaifer bic
Slbreife, fagte il^m aud^ auf einunbjroanjig 3^age fid^creS Oeleite ju,
bod^ fottte er untermegS bed $rebigend unb Sd^reibend fid^ entl^attcn.
©0 ful^r er benn am 26. Slpril, morgens 10 Ul^r, oon SBormS db.
3u feinen SSeglcitcm l^atte fid^ nod^ ber rcd^tSgetcl^rte ^ieron^mud
©d^urf gefettt. ®cr $eroIb ©türm folgte einige ©tunben fpäter, J
l^olte il^n in Dppenl^cim ein unb geleitete il^n auf ber SSciterretfe.
dritte» l$näi.
1521-1524.
Xvdfitx auf ir^r ÜDarltrurg:*
Dttbitq Hdf einen Keinen Uüqmhlid, bis
ber ^otn oorabergel^e. 3efaia, 26^ 20.
'^od^ am Slbcnbc cor feiner SlSteife von SßJormä l^atte Sutl^et
t)on feinem Äuxfürften eine Slnbeutung exf)alien, bafe er il^n auf
eine 3^itlang moOe beifeite bringen laffen. ©o äußerte er benn
in einem @d^reiben an Sulag jtranac^ t)on ^^anlfurt an^: „^ä)
Befel^Ie Qn^ @ott 3<$ ^^i ^^^ eintl^un unb verbergen, mei^
feCbft nod^ nid^t mo/' SSon ^ebberg aud fd^id^te er ben ^ero(b
^urütf mit einem lateinifd^en unb einem beutfd^en ©d^reiben an
ben Äaifer unb an ben SReid^gtag, worin er fidj über fein ©es
ncl^men in SBBormS red^tfertigt unb für baS freie ©eleite banit. ^n
^erSfelb, wo il^n ber 3(bt beS S3enebiItiner!(ofter§ mit l^o^en ®l^ren
empfing, fomie in ®ifenad^ prebigte er tro^ beS laifertid^en 3Serbot§,
meil er nid^t eingewilligt l^abe, bajj @otted äBort gebunben merbe.
SSon @ifenad^ aug mad^te er einen Sefud^ bei feinen SSer^
toanbten in SKöl^ra. Slmäborf unb ber DrbenSbrubcr ^Pe^cn«
fteiner begleiteten il^n, mä^renb bie übrigen Steif egefäl^rten auf
ber §auptftrafee weiter jogen. Slm 4. 3Kai brad^ er miebcr von
Wlof^xa auf, wobei feine änoerwanbten il^m eine ©tretfe weit baS
®eleite gaben. 3toif nid^t lange l^atten fid^ biefelben ©erabfd^iebet,
als bei bem ©d^Ioffe Slltenftein in ber 5Käl^e üon SBalterSl^aufen
ein Raufen bewaffneter l^eranfprengte. 5Pe$enfteiner entflog,
Sutl^cr würbe aus bem SSäagen geriffen unb weggeführt, wäl^renb
SlmSborf unb ber fjul^rmann unbehelligt weiter fai^ren burften.
Slfö man biefen aus bem ©efid^te war, würbe Sutl^er auf ein
$Pferb gefegt unb auf weiten Umwegen, bamit niemanb wujjte,
fdxitt, fiut^et. 3. «ufl. 11
— 162 -
wo er l^ingelommen fei, auf bie äSartburg gebracht, n)o et erft
gegen Wittexna^i anlam. SDer ©d^toll^auptmann $and oon Set-
lepfd^ unb ber Glittet Surll^atb $unb iDaren eS, benen bev ftut-
fürft bie SluSfül^ntng biefer @ad^e anüerttaut l^atte.
SSalb oetbreitete fid^ bie Jtunbe t)on Sutl^etd äBegfül^tung unb
gab )u ntand^erlei 3Jlutma^ungen 9lnla|. Seine äCnJ^änger ver-
muteten, er fei t)on ben geinben an^ bem SD3ege geräumt morben.
„Sebt er noc^, ober l^aben fie il^n gemörbert, fo fd^ricb bamalS
Sllbrcd^t 3)ürer in feinem S^agebud^, fo l^at er baS gelitten nvx
ber d^riftlid^en äBal^rl^eit miHen unb bag er geftraft l^at bag un-
d^riftUd^e ^fSapfttum." Slamentlid^ in SBormS rief bie SRad^rid^t
gro^e Semegung l^eroor; bod^ aud^ l^ier mujjte man nid^tS @id^ere§^
aber Slleanber al^nte ben Baifvex^alt, menn er nad^ Siom be-
rid^tete, ber fäd^fifd^e %nd)^ l^abe Sutl^er verborgen.
S)er Aaifer tl^at junäd^ft nid^ts meitereS in ber @ad^e, erft
als ein großer 2:^ei( ber Sleid^dfürften, inSbefonbere aud^ Aurffirft
t^riebrid^ oon äBormS abgereift mar, verfammelte er bie vier nod^
anmefenben Äurfürften unb anbrc SReid^StagSmitgKeber unb erlief
mit il^rer 3^Pi^«^wng am 26. SKai ein ®bilt, morin in ben
fc^ärfften 9ludbrüd(en über Sutl^er alg einen burd^ bie päpftlic^e
SSuOe verurteilten, verftodten fieser bed Steid^iB äld^t auSgefprod^en
unb geboten mirb, ed foUe il^n niemanb „Raufen, l^öfen, ä^en,
tränien nod^ entl^alten, nod^ il^m mit Sorten ober SBerlen, j^etm-
lid^ ober öffentlid^ f einerlei ^ilfe, älnl^ang, 93eiftanb nod^ gfür-
fc^ub bemeifen, fonbem il^n, mo fie fein mäd^tig merben, gefäng^
lid^ annel^men unb mol^l bemal^rt an ftaiferlid^e äRajeftat fenben.^
3)em @bilt mürbe \cio(l^ ia& Saturn beS 8. 3Rax gegeben, an
meld^em ber Sleid^dtag nod^ voKjöl^lig beifammen mar.
Sutl^er mar auf bie äBartburg gebrad^t morben unter bem
©d^ein, oi^ mSre er ein ©efangener, aud^ mürbe er in ein ein?
fameg ®emad^ eingefd^loffen, bort foKte er ftd^ ^aar unb Sart
mad^fen laffen, bamit er unlenntlid^ mürbe. ällS bieS erreid^t mar,
burfte er unter bem Flamen Sanier @eorg im Sieiterlleibe unb
mit einer golbenen Slitterlette im @d^lojj unb beffen Umgebungen
fid^ frei bemegen in Begleitung eineg vertrauten Jtned^ted. äluc^
an ^agben beteiligte er fid^, ergö^te ftd^ am ©efang ber SSögel,
— 163 —
fud^te (Srbbeeten im SSalbe, mad^te äCudritte in benad^barte DxU
fc^aften, toobei il^n freilid^ fein 93egleiter lauten nta^U, ba| er
nid^t m^ ber SioSe faOe unb burd^ feine Siebe )u ben Sü^em
ftd^ oetrate. 9(ud^ mit ben ^^anjigtanem in @ifenad^ fianb ex
in ^eimlid^em aSertcl^r. ©eine SBetlöftigung erl^ielt er t)on bem
@d^Iog^auptmann t)on S3erlepfd^. S)iefe(be mar fel^r gut, vxA
befjer, meinte er, afö er eS oerbienc.
äQIein bie oeränberte SebenSmeife mar feiner ©efunbi^eit nid^t
juträgKd^. S)em an magere SWönd^äloft (Semöl^nten oerurfad^ten
bie reic^tid^en Siittermal^l^eiten, oerbunben mit bem vielen Si^en
über ben Sudlern, Unterteibgbefd^merben, meldte aud^ burd^ ben
@ebraud^ üon älrjneimittetn nur Dorübergel^enb geßnbert mürben
unb bis jum §erb|ie fortbauerten. S)iefelben übten aui) einen 2)rudf
auf fein GJemüt arx^, meld^er burd^ bie ©nfamleit nod^ t)erme^rt
mürbe. @o l^at er benn über älnfed^tungen gu Itagen, bie il^n
am ©tubieren, ja am SBeten l^inberten. „Olaubt nur," fd^reibt er
an einen SBelanntcn, „bafe id^ l^ier in ber SWufee unb ®infamleit
taufenb 2^eufcln t)orgemorfen bin. ®S ift gar md leidster, miber
ben eingefleifd^ten 3^eufel, baS ift miber 3Jlenfd^en ju fämpfen als
miber bie geiftlid^en 3Jläc^te ber SSoSl^eit unter bem $immel."
3)agegen erfal^ren mir auS feinen S3riefen nid^tS bat)on, ba^ er
3:^euf eföerfd^einungen ober bergleid^en auf ber SßJartburg erlebt l^abe,
mol^I aber berid^ten feine ^Jreunbe, ba^ er il^nen fpäter t)on allerlei
©pul erjäl^lt i^abe, ber il^m bamals Dorgelommen fei, t)on Siumpe^
geiftem, t)on einem fd^margen ^unb u. f. m., unb mir l^aben ja
fd^on gefeiten, ba^ Sut^er an bergleid^en 3)inge mirllic^ glaubte.
3[ene meitoerbreitete Sage aber, meldte fid^ an feinen 3lufentl^att auf
ber SBartburg Inüpf t, bafe er baS Si^intenf afe nad^ bem ©atan gemorf en,
l^at leinerlei ätnl^altSpunlt in ben gleid^geitigen 93erid^ten unb ift,
man meijj nid^t aus meld^er 38eranlaffung, erft fpäter cntftanben.
Dbmol^I Sut^er ben ©d^aupla^ feiner ^i^ätigleit l^atte oerlafjen
müfjen, befd§äftigten fid^ feine ©ebanfen bod^ fortmäl^renb mit feinem
SBerle, mit ben S^P^nben ber Äird^e, mit bem $eil ber ©eelen.
SSääl^renb er bem Si^reiben bei einer S^gb nufiel^t, brängt pd^ il^m
bie geifilid^e 3)eutung auf, er beult an ben SCeufel, ber burdj feine
$unbe, nämlid^ bie Sifd^öfe unb X^eotogen, bie unfd^ulbigen Xierd^en
— 164 -
]agt. Unb aü er ein arme^, sejagteS $ä3c^en in feinen Stodärmel
qevoxieli l^atte unb bie $unbe eS auffpürten unb butd^ ben
Stod l^inburd^ gu Xobe Siffen, ba mal^nte il^n biefer SSorfaU an bad
äBüten beS $apfteS unb @atang, ber au(^ bie geretteten ©eelen
n)ieber Derberbe unb feine SRül^e üerettle. @o n)ar eS i^m benn
audj barum ju tl^un, oon bem IJortgang ber reformatorifd^en Se^
n)egung gu l^ören. ®r unterl^ielt burd^ 3$ermittelung oertrouter
SBoten einen briefKdften SSerle^r mit feinen greunben in Wittenberg
unb n)urbe burd^ fie von allen n)i(^tigen Segebenl^eiten in fienntnig
gefegt. 3)a ergriff il^n freilid^ mand^mal ba8 3BerIangen, wieber
auf ben Jtampfpla^ ju treten, ftatt al$ ein Müßiggänger, n)ie er
ftd^ felbft nannte, lebenbig ju verfaulen. Slber, wie er gerool^nt mar,
nid^tS cigenmäd^tig ju tl^un, fonbem in attcm ber Seitung feineS"
@otteS )u folgen, fo übenoanb er aud^ jenen SQSunfd^ unb fprad^ eS
atö feinen ®ntfd^Iu| auS: „3d^ mU nid^t, eS rufe mid^ benn ber $err."
Unb mel^r als er felbft wußte, mar bie SRul^e unb ©tiffe
f örberlid^ für i^n, bie il^n auf feinem $atmo8, wie er bie SBart-
bürg nannte, umgab. ®r, ber feine ganje Bai^t auf 3 SBort
ber l^eiligen ©d^rift grünbete unb, unterftüftt burd^ feine reidje
geiftfid^e (Srfal^rung, bie Orunbgebanlen ber ©d^rift mit fo fidlerem
Saite erfaßte, mar in betreff ber SluSlegung im einjelncn bod^
nod^ fd^manf enb unb oon anbern abl^ängig, meil er mit bem ©runb-
teste nid^t gehörig oertraut mar. 2)a benü^te er nun bie 3)2uße
auf ber SBartburg, um baS 2Kte unb 9leue Seftament im ©runb?
tejte gu ftubieren. 3)ie grud^t biefeS ©tubiumä mar neben ber
SSoHenbung ber fd^on früher begonnenen SluSlegung oom Sobgefang
ber SRaria eine Sluälegung be§ 63. 5ßfalmS, fomie eine für feine
(Semeinbe in 2Btttenberg als Xroftbrief beftimmte äluSlegung oon
?ßfalm 37. „Qd^ fd^reibe ol^ne Unterlaß" lefen mir in einem
33ricfe an ©palatin aus bem 3uni. 2lm erften biefeS 3JlonatS
mibmete er bem ^ranj t)on ©idfingen feine ©d^rift: „3Son ber
Seid^te, ob bie ber $apft SKa^t l^abe ju gebieten"» §ier
l^ebt er auf (Srunb oon 5ßfalm 119 ben Unterf^ieb oon ©otteS-
gebot unb STOenfd^enlel^re l^eroor, unb mir feigen, mie ooHftänbig er
t)on feiner fo lange feftgel^altenen Ehrerbietung gegen bie Äonjilien
abgelommen ift, menn er fd^reibt: „@S ift ber größten Unglüd cineS in i
— 165 -
ber Sl^riftenl^eU ber fd^önblid^ üerbammte 3Bal§n, ba^ man bie Aon-
jilien achtet, fte l^oben ben ^etl. ®eift/ 3^ "^^^ 3Renf(^enfa^ungen
red^net er nun an^, wenn man jjentanb jum @altament )n>inge, unb
fo vexxoxx^t er aud^ ben S^^^S/ ^^ Dfiern )u beid^ten, n)ö^renb er
im übrigen bie ^riüatbeid^te aü ein l^eilfam S)ing anerlennt.
@inen fel^r großen 3)ienfi ermieg er ben ^reunben ber eoan-
gelifd^en 3Bal}rl^eit babur($, ba| er feine ^oftiQe nun ani) in
beutfd^er ©prad^e auggel^en lie^, junäd^fi voo^ in ber älbfid^t, ba^
fie t)on ben ^Pfarrern Sei il^ren ^rebigten benü^t ober mo^I aud^
gerabeju ber Oemeinbe corgelefen werbe. tJteilid^ pnb roäl^renb feines
9(ufentl^altS auf ber 28artburg nur bie ^rebigten vom ä(büent bid
gum (Srfd^einungSfeft erfd^ienen. ©ie SSoHenbung beS SSBerfeS ©er«
gögerte fid^ noc^ mel^rere ^af)ve, Sutl^er felbft l^at biefe ^ßoftiSe baS
befte S3ud^ genannt, bad er je gemad^t l^abe, unb l^at fic^ gefreut, bag
ie|t aud^ bie Saien bie ©oangelien unb ßpifteln beffer oerftel^en
unb gu $aufe felbjl bie 3(u3(egung lefen lönnen, l^at aber aud^ er-
mal^nt: „Saffet mein unb aller Seigrer Stuälegcn nur ein ®erüft fein
jum redeten ^au, bafe mir baS lautere ©otteämort felbft f äffen,
fd^meden unb ba bleiben, benn ba mo^nt ®ott allein in gion. Slmen."
Sutl^erS ^Prebigten geigen nid^ts t)on bem, n>a^ man r§eto=
rifd^e Äunft nennt. 3)a ift fein lünftlid^er Sau, feine logifd^ ge^
glieberte älnorbnung. SSielmel^r mirb mit l^öd^fter @^rerbietung
gegen baS, ma^ gefd^ricben ftel^t, bem Siegte nad^gegangen unb ber^
felbe ausgelegt unb auf $erg unb Seben angemenbet, bod^ fo, ba^
bag, mag il^m baS äBid^tigfte mar, bie ©runbmal^rl^eiten ber eoan-
gelifd^en $eil3orbnung, immer mieber, in immer neuer Seleud^tung
unb in fd^arfem ©egenfa^ gegen baS SBerberben beS ^apfttumS unb
gegen fonftige irrige Seigren ^eroorgel^oben merben. 3»m 3lu8brutf
ift nid^tg ©efud^teS, nid^ts auf rebnerifd^en @ffeft S3ered^nete3, aber
überall mei| er baS ©emifjen gu treffen, überall fü^lt man il^m
an, mie er an^ ber gülle feines §ergenS unb feiner eignen ©r«
fa^rung rebet, überall ift greimut unb Dffcnl^eit ber ©prad^e,
Älarl^eit ber ©ebanfen, Sertrautl^eit mit bem Seben, ben Slns
fc^auungen unb ^ergenSbebürfniffen ber ©emeinbe, Sleid^tum an
treff enben SSergleid^ungen, Äraft unb Solf Smäfeigf eit beS äuSbruiS,
unb begegnet unS aud^ in biefen älteren ^rebigten nod^ i^äuftg
- 166 —
genug bte bem Xe^ ®exoait antl^uenbe Slllegorie ber „l^eimlic^en
S)eutung'', fo feigen xoxx bod^ aud^, tDte er btefen Ueberreft mittel^
olterlid^ev Sd^iftbel^anblung abftteift.
3« biefer il^tn fo UeSen Sefd^äftigung mit bet ©d^rift unb
il^rer 9(udlegung loutbe Sutl^er aber geftört butc^ ben Aompf mit feinen
Sßiberf ackern, ben er aud^ auf ber äBartburg nid^t glaubte aufgeben
ju biirfen, obroo^l ju fürd^ten max, ed möd^te burd^ bie t)on il^m
audgel^enben @treitfd^riften fein älufentl^alt Penaten unb feine
@i(^erl^eit gefäl^rbet n)erben. 9lid^t nur erl^ielt ber @treit mit
Smfer burd^ eine le^te ©d^rift wiber benfelben feinen Slbfd^tufe,
fonbem aud^ einem neuen ©egner, bem Sömener Xl^eologen
SatomuS, n)e(d^er bie Verurteilung Sutl^erS burd^ bie bortige
^otultät }u rechtfertigen oerfud^t l^atte, n)urbe burd^ eine aus ber
l^eiligen ©d^rift entroidfelte ^arftellung ber eoangelifd^en ßel^re
ton ©ünbe unb ©nabe geantwortet, morin un8 bie tiefe Raffung
ber ©ünbe in ber reformatorifd^en Seigre im ©egenfo^ gegen bie
fd^olaftifd^e 3(bfd^mäd^ung btefeä SegriffS aufS beutUd^fte entgegen-
tritt. Unb nid^t b(og gegen einzelne titterarifd^e ©egner n)agte
ber gebannte unb geöd^tete Sutl^er ben Aampf, fonbem aud^ gegen
bie „oberfte ©d&ule", b. 1^. gegen bie ^od^berü^mte tljeologifd^e
f^alultät }u $arig. 3)iefe l^atte, mie mir fallen, baS oon il^r er^
betene fd^iebSrid^terlid^e Urteil über bte 3)iSputation }u Seipjig
nid^t abgegeben; nun aber, ba Sutl^er in ber ©d^rift über bie
bab^lonifd^e ©efangenfd^aft ber Jtird^e nid^t nur ben päpftlid^en
Primat, fonbem bie ganje fd^olaftifd^e ©alramentiSlel^re angegriffen
l^atte, ixat&[[ bie ^fSarifer S^^eologen mit einer SBerbammung feiner
©ä^e l^eroor; er aber l^ielt il^r 2)e!ret einer eigentlid^en SSKber^
legung nid^t mert, fonbem überfe^te ed unb gab ed mit einer
SBor- unb 9lad^rebe l^erauS, morin er mit bitterem ©pott barauf
l^inmeift, ba^ fte, um ftd^ an bem ^apfte }u räd^en, feine miber
ben $apft unb miber ben Slbla^l^anbel geri(|teten ©ö^e nid^t oer^
bommt l^aben. „S)amm miK id^ il^r äJlitftimmen nid^t ^aben, fie
tl|un*g aus leiner Sieb ber äBal^rl^eit. ^i) ijtiS mit ben S3uben
unoermorren fein, bie il^ren $erm laffen in 5Rötett. Unb menn
id^ mit gutem ®emif|en !önnt, id^ moUt baS $apfttum miebemm
«rl^eben ju %x\x1i unb Seib ber franjöftf d^en ^ßerfibieen."
— 167 —
ebenfo bcrb griff er bcn 5Papji an. ©icfer l^atte in feine
älbenbntol^föbulle , n)elcl^e aSe Jte^er mit Slomen oerbammt unb
jebedmol am ©rünbonneriStag in SRom Detlefen mirb, aud^ £utl^er
unb feine Slnl^änger aufgenommen. S)arauf ^ üerbeutfd^te biefer
bie 93uKe unb gab fie mit Slnmerlungen l^eraud unter bem %\Ul:
,,3)ie Sulla t)om2tBenbf reffen beS allerljeiligften $errn
bes spapfteS."
aSie gcfürd^tet aber Sutl^erä f d^orfe ©d^riften maren, baS jeigte
fid^ bei bem Stampf, in meldten er mit feinem alten ®egner, bem
(Srgbifd^of Sllbred^t t)on SKaing geriet. 2)erfelbe l^atte gum befien
ber neuen @tiftdlird^e in feiner SReftbenj ^aDe bie bort befinblid^en
^aufenbe t)on ^Reliquien au^fteSen laffen unb ben 93efud^em einen
Slblafe, ber fid^ auf meljr ate 30 SDlittionen ^af^xe erftredf tc, ju^
gefid^ert. ^ro^ ber unangenel^men @rfal^rungen, bie er mit 2!ei^el
gemad^t, lie^ er pd^ ju biefem ©d^ritt burd^ feine Oelboerlegen^eit
beftimmen unb burd^ bie 3Reinung, ba^ Sutl^er unfd^dblid^ gemad^t
fei. ©obalb biefer aber t)on ber ©ad^e l^örte, fd^rieb er in l^öd^fter
@ntrüfhtng eine fd^arfe ©d^rift miber ben neuen Slbla^greuel unb
teilte baS ©palatin mit. 3)ie Jtunbe j^ieoon rief am ergbifd^öf-
lid^en ^ofe fold^en ©d^ed^en l^erDor, ba^ Kapito, beä (Srgbifd^ofiS
epangelifd^ gefinnter aber all)u nad^giebiger Slatgeber, nad^ 3Bitten$
berg unb gum ^urfürften t)on ©ad^fen gefanbt mürbe , um baS
^d^einen ber ©d^rift gu t)erl^inbem. Unb mirftid^ lie^ ber Jtur^
fürft Sutl^er burd^ ©palatin bebeuten, er merbe nid^t bulben, ba^
er etmaS miber ben (Srgbifd^of fd^reibe. Sutl^er aber erllärte runb
l^eraug, er laffe fld^ in biefer ©ad^e aud^ com fturfürften nid^tS
barein reben, unb fanbte an ©palatin bie ©d^rift, bamit, el^e fie
Deröffentlid^t merbe, 3JleIand^tl^on fie nod^ burd^fel^e. ©palatin
ober bel^ielt fte gegen Sutl^erS äBiKen )urüd(. tiefer jjebod^ fd^rieb
cn ädbred^t einen 93rief; in meld^em er bie lül^nfte ©prad^e fül^rte
unb brol^te: „3So nid^t ber ätbgott mirb abgetl^an, xmi id^ mir
baö laffen eine bringenbe Urfad^e fein, @uer Äurfürftlid^ Onaben
öffentlid^ anjutaften, unb aller SBelt anjujeigen ben Unterfd^ieb
jmifd^en einem Sifd^of unb SBoIf." SBeiter oerlangt er, bafe ber
©rjbifd^of bie ^griefter mit fjricben laffe, meldte fid^ in ben el^elid^en
©tanb begeben; mo nid^t, fo mirb-fid^ ein ©efd^rei au8 bem
— 168 —
@t)ange[io etl^eben, n)ie fein eS ben 9tf doofen anftünbe, ba^ fie
guetft il^te $uren von ftd^ trieben, el^e fte fromme @^emei6er t)on
il^ren Seemännern fd^eibeten/ @r fd^Iie^t: ,, hierauf hüte unb er-
n)arteid^ @uer iturfürftlid^ ®naben ri^tige fd^Ieunige 9(ntmort innere
l^alb merjel^n 2^agen,benn nad^ beftimmten oiergel^n 3^en n)irb mein
Süd^Iein miber ben 9(bgott gu ^oEe audgel^en/' Unb maS tl^at
Srgbifd^of äUbred^t? @r antwortete Sutl^er: ,,Sieber i^err 2)oftor!
3d^ l^abe (Suren S3rief gelefen unb )u ©naben unb a&em ®uten
angenommen, oerfel^e mid^ aber gän}ßd^, bie Urfad^ fei längft ab-
gefteKt, bie @ud^ )u fold^em @d^reiben bemegt l^ot, unb miS mid^^
fo (Sott miU, bergeftalt l^alten, afö einem frommen geiftlid^en unb
d^riftlid^en dürften guftel^t, a[§ meit mir ®ott (Snabe unb @tdr!e
oerleil^t. @ü^ ®nabe unb (SuteS um Gl^rifti miSen gu ergeigen^
bin id^ miKiger benn miKig; brüberlid^e unb d^riftlid^e Strafe lann
id^ mol^I leiben." ®o rebet ein armer, l^eimatlofer SKönd^, ber
feines SebenS leine @tunbe fidler ift, mit bem erften ^^ürften bed
beutfd^n Steid^eS, unb biefer antwortet in fold^ unterwürfigem
^on. 3ft bergleid^en erl^ört in ber ©efd^id^te ber 3Renfd^l^eit?
2Bir mijfen nur eine 5ßarallele, nämlid^ baS, ma« jmifd^en bem
^ropl^eten (Slia unb bem itönig 9(l^ab vorgegangen ift (1 kbn. 21,
18—29). 5RirgenbS mel^r ate in feinem 3Serl^äItni8 gu bem ßrgs
bifd^of von Wlaxnt gleid^t Sutl^er einem ^rop^eten bed ^litn
2^efitamentS. Unb wenn mir unS erinnern, bafe ber 3Rann, meld^er
mit bem itarbinal 9t(bred^t eine fold^e Sprad^e rebet, nod^ brei
3al^re juoor oor bem itarbinal (Sajetan fid^ in ben @taub ge-
worfen l^atte, fo muffen wir ftaunen über bie gewaltige SSeronbe^
rung, weld^e in fo furjer S^ü in feinem 3nncm oorgegangen ift.
Sead^ten wir anberfeitS, wie Sutl^erS äBort me^r gefürd^tet
würbe als päpftlid^e SannbuKen, fo tritt unS bie 3Rad^t ber SBa^r-
l^eit unb ber Umfd^wung, weld^er im Sewu^tfein ber ßtit fid^
DoKjogen l^atte, in überrafd^enber äBeife oor Slugen.
2)ie wid^tigfte älrbeit aber, weld^e Sutl^er auf ber 9Bartburg
in angriff nal^m, war bie S3ibelüberfe^ung. Sitten oer?
fd^iebener ^reunbe gaben ben erften älnla^ baju. 9lad^bem bie
Don (SragmuS 1516 oeranftaltete äluSgabe be§ gried^ifd^en !Reuen
3^eftament§ ben (Srunbtejt beSfelben weiteren Äreifen jugänglid^
— 169 —
gemad^t f^atte, ntu^te bie UnooKtommenl^eit ber oorl^anbenen Ueber^
fei^ungen ber ©d^rift inS 2)eutfcl^e; beten man ttma mevjel^n gäl^lte,
immer mel^t auffallen. Singen biefelben bod^ nid^t auf ben ©runb?
te^t iuxüi, fonbetn voaxen auf ®runb bet allgemein angenommenen
btteinifd^en S3ibelü(erfe$ung, bet fogenannten SJulgata, gefettigt.
3ugleid^ mat bet beutfd^e 9ludbtud( in benfelben ein l^öd^ft fd^met-
fäUiget unb teilmeife unt)etftänbKd^et. Sutl^et ging nad^ Sleu^
jal^t 1522 junäd^ft an bad 9leue S^eftament. 2)ie Uebetfe^ung beS
9CCten glaubte et ol^ne S3eil^Ufe feinet ^teunbe nid^t magen ju
bütfen. @eine SBetttautl^eit mit bem ©eifte bet l^eiligen @d^tift
auf bet einen Seite, feine 3Reiftetfd^aft in t)oKstümIid^et 9tebe
auf bet anbetn, befäl^igte il^n ganj befonbetS füt biefe ältbeit.
ä(ud ben mand^etlei beutfd^en 3)ialelten l^atte fid^ untet bem @in^
fluf[e bet laifetlid^en ßan)Iei, an meldte ftd^ aud^ bie fäd^fifd^e
Jtan}Iei anfd^Io^, eine gemeinfame beutfd^e Sd^tiftfptad^e )u bilben
begonnen. 3)iefet bebiente fid^ Sutl^et in feinet S3ibeläbetfe^ung
unb ttug babutd^ baS meifte baju bei, fie ju aUgemeinet ^n^
etfennung in 2)eutfd^lanb )u bringen unb fo bem beutfd^en 33oUe
bad ftäti^e S3anb bet (SinJ^eit, eine gemeinfame Sptad^e gu geben.
©0 fonnte et mit Sfted^t oon feinen (Segnetn fagen: „SDaS metit
man, ba^ fie auS meinem 3)oImetfd^en unb 3)eutfd^ letnen beutfd^
teben unb fd^teiben, unb ftel^Ien mit alfo meine ©ptad^e, baoon
fie jUDOt menig gemußt.'' @in ^Hauptanliegen mat ed il^m, bet
beutfd^en ©ptad^e Sltt )u tteffen, batum l^ielt et fid^, fo gemiffen-
l^aft et es mit bem @inn beS ^e^ted nal^m, bod^ nid^t an ben
Sud^ftaben benfelben, fonbetn oetful^t nad^ bem ©tunbfa^, ba^
man bie SKuttet im ©aufe, bie ffinbet auf ben ©äffen, ben ge*
meinen 3Rann auf bem 3Jlatite batum fragen unb il^nen aufS
ÜRaul feigen muffe. äluS bet 33oIt3fptad^e nal^m et einetfeits bie
@infad^l^eit bed ©a^baued, n)obutd^ ftd^ feine SSibelübetfe^ung oon
bem oetfd^tobenen Äanjleiftil feinet unb bet fpäteten 3^* unb oon
bem tünftUd^en ^etiobenbau bet ^umaniften untetfd^eibet, anbet«
feitS ben teid^en SBottat oon ©^nonpmcn. „2)enn met bolmetfd^cn
miU, mu^ gto^en SSottat oon 9Botten l^aben, ba^ et bie 2Bal^I
fönne IJaben, mo eines an allen Dttcn nid^t lauten mill." 3luf
biefe SBeife l^at et ein SJleiftetmetI ju ftanbe gebtad^t, baS um
— 170 —
fo bcTOUttbetttSnjürbiger crfd^cittt, wenn tüir cnoägcn, wie fcl^r c8
bamatö an SSorarbcitcn fehlte. „5Ric ift ein 35ud^ ber SBJelt fo
meiftetl^aft übertragen wie bie Sibel Don Sutl^er", fagt ein Äenncr
unferer Sitteratur (®öbele). ^[ft aud^ bie eoangelifd^e Äird^e weit
entfernt, bie lutl^erifd^e 93ibelüberfe^ung ju lanonifieren , ift aud^
ol^ne n)eitere3 jugegeben, ba^ Sutl^er in ©injell^eiten nid^t feiten
ben ©inn tjerfel^Ite, fo l^at il^n bod^ feine SSertrautl^eit mit bem
(Seift ber Sibel unb fein rid^tiger %di vox roefentlid^en ^xx^
tümem ievoaf^tt, @ein 9(u§bru(t ift jn^ar ba unb bort infolge ber
98eiterentn)id(e[ung unferer ©prad^e oom je^igen @prad^gebraud^
abroeid^enb, aber man meine bod^ ja nid^t, jebe feit Sutl^er einge«
tretene fprad^Iid^e äenbcrung fei aud^ eine SSerbcfferung. SSielmel^r
jeigt unfere gegenwärtige @prad^e, mit ber Sutl^erg oerglid^en, in
mand^er §infid^t bie ©puren ber 2Kter8fd^mad^e: Verarmung in
betreff beS SBortoorratS unb ber glejionSformen, ©tcifroerben belJ
©a^bauS, Mangel an lonireter älnfd^aulid^leit unb an SSol^IIaut.
©tatt Sutl^erS ©prad^e ju meiftem, foKte unfcr ©efd^Ied^t bei il^m,
ber nad^ ^atoi ®rimmä SBort burd^ feine SSerbeutfd^ung ber Sibel
bem ^od^beutfd^en männlid^e itraft unb i^altung gegeben l^at, in
bie ©d^ule gelten, ttebrigeng l^at er fid^ felbft nie genug getrau
unb bei jeber neuen 9lu§gabe feine tteberfe^ung gebejfert, fo ba^,
mie er felbft fagt, an feinem %empel ju feigen ift, „mie man mit
SDoImetfd^en naiver unb näl^er fommt". ©o grofe mar fein @ifer,
mit bem er bicfem SBerl ftd^ l^ingab, bafe er tro^ feiner oielen
anbem fd^riftftellerifd^en Strbeiten baS ganje 9leue 3!eftament auf
ber SDBartburg fertig brad^te. Slad^bem er aber nad^ SBittenberg
jurüdfgefel^rt mar, arbeitete er baSfelbe in Oemeinfd^aft mit SRe-
land^tl^on nod^mal§ burd^. 9tud^ anbere f$reunbe, namentßd^ Bpa^
latin, mürben ju State gebogen. 2)en le^teren aber mad^te Sutl^er
barauf aufmerifam, ba^ nur einfältige beutfd^e ä(uiSbrüdfe, nid^t
SBörter bes ©c^loffeS unb $ofe8 gebrandet werben follten. SWit
größter ©orgfalt mürbe über bie äBal^I ber bejeid^nenbften SBorte
nad^gefonnen unb oerl^anbelt. 9lad^ Sutl^erd eignem SSerid^t fud^ten
fte mand^mal mod^enlang nad^ einem einjelnen ätuSbrui. @nbe
©eptember 1522 mürbe baS 5Reue 3^eftament, mit ©oljfd^nitten
oon Rranad^, mit SSoneben Sutl^erS jum ©anjen fomie gu ben
— 171 —
einjcincn Sriefcn unb bct Offenbarung unb mit futjen Stanb-
bcmerfungen auSgeflcben o^ne Slcnnung t)on' Sutl^et« Slamen.
Sd^on im S)e)ember erfd^ten eine )n)eite äluflage.
3miU» SiapiUl
3(^ i^abe es jmar alles niac^t, aber es
frommet nidtt aüts; id^ fK>I»e es aQes XfladfU
aber es beffert nic^t aOes. I. £or. XO, 23.
"^äl^tenb Sutl^er auf ber 3Bart6urg ftd^ befanb, l^atte baä von
i^m begonnene 9BerI in äBtttenberg feinen t^ortgang; ja feine W>i
wefenl^eit trug baju bei, bafe bie 2)inge ftd^ fd^neHer entwiiclten.
3Sat eS bod^ fein ®tunbfa$, buvd^S SSort aQein )u n>itlen unb
ben redeten ®Iauben in bie $er)en ju pflanzen. 3)aneben, meinte
er, lonne man bie alten ^Jormen unb Srdud^e ol^ne ©efal^r fort-
beftel^en laffen, ba fie entn)eber, n)enn ber xoaf)xe ©laube in ben
igerjen lebe, einen neuen ©el^alt befommen ober oon felbft auf-
Igoren merben. ä(ud biefem ®runbe ben)ieg er ftd^ in betreff aKer
beftel^enben Drbnungen l^5d^ft lonferoatio , unb namentlid^ oerab-
fd^eute er aüe^ tumultuarifd^e, gemaltfame SSorge^en. 9(13 er aber
oon 3Bittenbetg meg xoax unb feine überroältigenbe $erfönlid^teit
bie meitere @ntn)id(elung nid^t mel^r bel^errfd^te, ma(S)itn ftd^ anbere
©eifteSrid^tungen geltenb.
Einige ©eiftUd^e traten in ben (Sl^eftanb, unb Sutl^er billigte
biefen @d^ritt, obn)o]^I er an @palatin fd^rieb: „i^üte bid^, ba^
bu nid^t aud^ ein 9Beib nel^meft, bamit bu nid^t aud^ in leiblid^e
Silrübfal geratefil.'' äCfö nun aber Kariftabt bie äSerel^elid^ung ber
©eiftlid^en nid^t nur geftatten, fonbem gerabeju gebieten unb aud^
ben SRönd^en e§ jugeflel^en xooUtt, ftd^ ju oerl^eiraten , äußerte
Sutl^er feine 35cbenfen, unterfud^te bann aber in 2^l§efen, fowie in
einer $rebigt auf baä @rfd^einung§feft bie 93ered^tigung ber (Selübbe
eingel^enb unb tam ju bem @rgebnid, ba bie 3Rond^3gelttbbe bei-
nal^e immer in ber ^Reinung gefd^el^en, baburd^ ®nabe oon ®ott
— 172 —
)u erlangen, fo feien fte bem (Slauben 2un)ibet unb barum tn ftd^
felbft nid^tig; aud^ fei eS nur wenigen gegeben, baS Oeßlbbe ber
Steufd^l^eit xoxxtlxi) )u Italien. 3)em ©ebanten, ba^ bie Jtlofter^
gelübbe nid^t oetbinblid^ feien, n)urbe juerft im 3luguftinetorben
praltifd^e t^olge gegeben. 3n äBi'ttenberg unb balb nad^l^et aud^
in @rfurt erfolgten äluStritte auS bem ätuguftinerllofter, unb Sutl^er
Derteibigte biefelben burd^ feine lateinifd^e @d^rift über bie ©e-
lübb e, roeld^er er eine Swft'^^if* o« ^mm SBater ooranfd^idfte, morin
er befennt, bereinft burdft feinen gegen feines SBaterö SBSillen er«
folgten Eintritt ind ftlofter fid^ gegen (Sotted ®ebot Derfel^It ju
^aben. ®ott aber l^abe au§ biefer @ünbe ®uteS l^eroorgel^en taffen.
Um bie in ber SKitte beö 3luguftinerorben8 entftanbene Se^
roegung in ein georbneteS ©eleife )u bringen, l^ielt Sinf, roeld^er
1520 an @taupi|' Stelle jum ©eneraloifar gen)äl^It n)orben mar,
ju Slnfang bcS ^af^xzQ 1522 einen Äonoent }u SBittenberg, auf
mcld^em ber SluStritt an^ ben Älöftem frei gegeben, ben ßurüdf-
bleibenben aber bie 93eibel^altung mönd^ifd^er iUeibung unb SebenS^
orbnung angeraten, jebod^ auferlegt mürbe, il^ren ttnterl^alt burd^
^anbarbeiten \iati burd^ S3ettel ftd^ }u ermerben.
Snjmifd^en l^atte Äariftabt gu einer anberen, nod^ meiter grei^
fenben ^em.egung ben 3(nfto| gegeben. @r l^atte bie 93el^auptung
aufgefteUt, mer baS 1^1. älbenbmal^l unter einerlei ®eftalt genieße,
fünbige. JDem ftimmte Sutl^er jmar nid^t bei, billigte e3 aber, ba|
bie 9lu3teilung unter beiberlei ®eftalt eingefül^rt mefbe, voa^ benn
aud^ feit 3Rid^aeliä 1521 in ber @tabt!ird^e )u äBittenberg gefd^al^.
2lm eifrigften mirfle ber Sluguftiner Shilling für bie Steuerungen.
@r prebigte an Sutl^erg (Statt in ber ^lofterlird^e unb l^atte tro^
feiner unanfel^nlid^en $erfon unb fd^mad^en (Stimme großen Sulouf .
3ta^ feiner äReinung foKte bad 3Re^opfer unb bie älnbetung bed
©atramentS abgefd^afft unb ber @enu^ unter beiberlei ©eflalt
eingefül^rt merben. 3)a aber bie 3Jlel^rjal^l ber 3Rönd^e l^ieDon
nid^tä miffen moHte, fo mürbe in ber Älofterfird^e bie 3Wejfe ganj
eingefteUt.
2)ie Oemäfeigteren, mie namentlid^ guftuS SonaS, ber tropft
ber ©tiftölird^e, maren ber Slnfid^t, bie Drbnung lonnte am el^eften
crl^alten merben, menn bie Dbrigfeit bie Sieformen in bie $anb
— 173 —
nöl^me. 3>edl^alB rid^tete ein von ber Uniperfttdt )ur Beratung biefer
Xngelesenl^eit gemöl^Iter äludfd^ug an ben Jtutfürften bte Sitte,
bem 3)li^6taud^ ber 3Ref[en in feinem Sanbe gu fteuem. 9l6er
f^ebtid^ vooUtt an einer feit3<ii&t]^unberten beftel^enben (Sinrid^tung
of)ne 3uftimmung ber genteinen Gl^riftenl^eit nid^td änbem laffen.
£utl^er bagegen Derfa^te für ,;feine lieBen S3rüber, bie 9luguftiner
ju SBittenberg'' eine @d^rift über ben ÜRi^braud^ ber 3Ref[e unb
il^re 9(6f(i^affung. @r freut fid^, ba| fte mit biefer ä(6fd^affung
vorangegangen feien, fe|t baS äBefen bed @alramentd in feinem
(Segenfa^ gegen baä Opfer auSeinanber unb oermirft bie Seelen-
mef{en, ermal^nt oBer, Bei (Sinfül^rung t)on Steuerungen auf bie
&6)XDaö)m Slüd^fid^t ju nel^men.
2)iefen 9lat befolgte man jebod^ iti äSittenberg nid^t, unb ed
fd^eint bort ju bebenllid^en Setoegungen gelommen gu fein, ^ieburd^
mutbe Sut^er befHmmt, )u 9tnfang ^ejemberg einen 93efud^ bafelbft
ju mad^en. ttntermegd l^örte er oon weiteren ttnrul^en; meldte
©tubenten, bie oon ßrfurt gefommen maren, in ber Stabt oer-
anlaßt l^atten. 3JleffeIefenbe ^riefter maren aus ber Jtird^e ge-
trieben, bie Sarfüfeermönd^e unb bie 3)oml^erren bei> ©tiftslird^e
bebrol^t unb ben festeren genfter eingeworfen roorben. Stubenten
unb SBürger maren bei biefen 9lu3fd^reitungen beteiligt.
Sutl^er mar in feiner SRitterfleibung einige 2^age in ber ©tabt,
mol^nte bei StmSborf, befprad^ fid^ mit feinen ^eunben unb feierte
bann miebcr in ber ©tille auf bie SEBartburg jurüdf. S)ort aber
fd^rieb er: ,;@ine treue ^ermal^nung }u allen Sl^riften,
fid^ )u oerl^üten oor äufrul^r unb ©mpörung''. S)em
$erm omnes, b. 1^. ber SRaffe ber äSeoöIIerung, fprid^t er jebed
Sfled^t ai, Steuerungen einzuführen, nur bie orbentlid^e (Semalt,
b. 1^. bie Dbrigleit, fei befugt unb oerpf(id^tet, ba§, wa^ bem
©oangelium }umiber fei, ju verbieten. äBoQe biefe ed nid^t tl^un,
fo bürfe man beSl^alb leinen älufrul^r erregen, baburd^ macl^e man
nur bem ßoangelium Unel^re. 3SieImel§r foH man in fold^em %aU
baS antid^riftlid^e SRegiment afö eine ©träfe ber eignen ©ünbe
gebulbig ertragen unb burd^ treiben beä 3Borted (Sottet ben eignen
9Runb ju einem 9Runbe ßl^rifti mad^en, benn ber SBiberd^rift f önne
nid^t burd^ ©emalt, fonbem nur mit bem SRunbe G^rifti oerßöret
— 174 -
toerben. 2)arum l^abe aud^ er felbft bem ^apft unb ben @etnen
me^r Slbbrud^ getl^an mit feinem 3Runbe als aKe ftaifet, Jtönige
unb t^ütften mit aOer il^ret (Semalt. @r miQ aber feinen Ütamen
nid^t jur Sejeid^nung einer 5ßartci gebrandet miffen. ,,Sum erften
bitte id^, man moUe meined 9lamend gefd^meigen unb ftd^ nid^t
lut^erifd^, fonbem ß^riften l&eifeen. SBa« ifi Sut^er? Oft bod^ bie
Se^re nid^t mein, fo bin id^ aud^ für niemanb gelreujigt/ Snblid^
l^ebt er aud^ l^ier mieber bie ^flid^t l^erpor, mit ben ©d^mad^en
©ebulb )u tragett. @l^e aber biefe @d^rift no^ üeröffentlid^t merben
lonnte, mar eS in SBittenberg ju weiteren Semegungen gelommen.
Äartftabt teilte am ß^riftfeft 1521 aud^ in ber ©tiftäfird^e baä
l^eil. älbenbmal^l unter beiberlei ©eftaCt and, ol^ne t)orangel^enbe
Seid^te ju verlangen unb mit 9BegIaf[ung aKer auf bad Opfer
l^inmeif enben @tüd(e. Unter großem 3ubrang ber (Sinmol^ner mürbe
aud^ am Sleujal^r, ©rfd^einungSfeft unb ben folgenben ©onntagen
baS ©aframent in biefer SBBeife gefeiert, unb balb fam bie Seid^te
gan} in 9lbgang. 3)iefer SSorgang mürbe in ber Umgebung von
SBittenberg nad^geal^mt; aud^ fing man an, bie beutfd^e ©prad^e
bei ber SDteffe pi gebraud^en, unb fd^affte bie 3Re^gemänber ai.
3to^ ftürmifd^er ging eS im äuguftinerllofter ju. S^iW^Ö
prebigte, man foQe bie Slltäre nieberrei^en unb auS ben
©teinen @algen unb Stabenfteine bauen; unb mirKid^ mur^
ben bie älltäre au^er einem meggefd^afft unb bie S3ilber oer?
brannt.
2)ie Uniperfität unb ber !Rat ber ©emeinbe befanben ftd^ in
großer äSerlegenl^eit. ©ie flauen am liebften ben alten S9rau($
beibel^alten , aber „meil fid^'8 fo tief eingeriffen unb um SBer^in^
berung anbem Unrats miUen'' gaben fte nad^. ^ einer am
24. ^anmx gefd^Ioffenen Uebereinlunft billigten fie bie neue gorm
ber äbenbmal^föfeier, befd^Ioffen ©rrid^tung eines gemeinen ÄaftenS
jur Unterftü^ung ber armen, gaben 3Sorfd^riften für bie Sitten-
jud^t unb forberten bie äbfd^affung ber Silber aud^ in ber ©tabt«
fird^e. 3)iefelben mürben bann aud^ in tumultuarifd^er äBeife auS
ben Äird^en entfernt. S3ei ber Unioerfttät führte Äariftabt baS
grofee SBäort, bie ®emäfeigteren jogen fid^ furd^tfam jurüdt, 3Re^
land^t^on erftärte, er lönne baS SBSaffer nid^t aufl^alten. 2)ie
— 175 —
!urfürftltd^en State, toA^e }ur Stulpe maffnten, vDUxim nid^t gel^ört.
Unb roäl^tcttb man oUcS Qntercffe bcr Slcugeftaltung bcr äußeren
gönnen sumanbte, n)urbe bad, n)a§ für Sut^er immer bie QaupU
fad^c roax, bie Sorge für baS ©eil ber ©eclen, oerfäumt, Äranlen,
©efangenen unb SSerurteilten fein 2^roft gefpenbet.
<So maren bie 3uftänbe in 2Bitten6erg, a(d in ben legten
Xagen beS ^a^xe^ 1521 nod^ ein n)eitere3 Clement ber ®ärung
l^injuiam. ^n S^iian, mo, n)ie ed fd^eint t)on S3öl^men aud,
fd^roärmerifd^e ©inflüffe mirffam maren, l^atte bcr 5ßrebiger 3^l^oma«
SRünjer gegen bie 3Rönd^e gel^e^t, ftd^ bann mit bem ^ud^mad^er
!RiIoIaug @tord^ oerbiinbet unb Derlünbigt, ber l^eiKge ®eift
rebe je^t burd^ bie Saien. SIS SKünjer megen feiner Umtriebe aus
ber ©tabt t^ermiefen unb mel^rere feiner äln^änger, bie beSl^alb
einen 9(ufftanb erregt l^atten, Derl^aftet n)urben, fo begab fid^
Stord^ mit itoü @enoffen gu SReland^tl^on nad^ äBitten-
berg. ©ie ftelltcn fid^ il^m afö neue 5ßropl^eten Dor, bie aufeer^
orbentlid^er Offenbarungen geroürbigt werben, unb fprad^en ftd^
gegen bie ftinbertaufe au8. SReland^tl^on n)U^te nid^t, mie er fid^
ju ber ©ad^e ftcllen fottte. @x fd^rieb fofort an ben Äurfürften,
er l^abe ftarle (Srünbe, fie nid^t gu oerad^ten. Ueber bie äSirlungen
beS ©eifteS in il^nen lönne nur Sutl^er, auf ben fie fid^ aud^ be«
riefen, urteilen. (5r unb StmSborf, ber pd^ biefer Semegung
gegenüber als Sleuling fül^Ite unb fid^ beSl^alb oor ben 3n)tdtaucm
gar nid^t feigen lie^, f dringen bal^er vox, man foQe Sutl^er nad^
SBBittenberg ifommen laffen, woüon aber ber Äurfürft nid^tS wiffen
moHte, ba er nid^t im ftanbe märe, benfelben, voexm er öffentlid^
l^ertjorträte, ju fd^ü^en, benn er muffe ©r. Äaif. SDlaieftät gel^orfam
fein. 3lud^ Sutl^er felbft meinte, baS auftreten ber ßwidfauer fei
für il^n fein (Srunb jur aiüdfle^r. ©r tabelt aJlcIand^t^onS äengft*
lid^feit unb ermal^nt, bie ©eifter ju prüfen, ©in ©efanbter ©otteS
fei nur, mer cntroeber orbentlid^ burd^ aWenfd^en berufen fei ober
ftd^ burd^ SBäunberjeid^en legitimiere. 2lud^ foKe man mol^I barauf
ad^ten, ob jene etroaS üon geiftlid^en Kämpfen, oon 2:ob unb $ölle
erf al^ren l^aben. ©olange man oon il^nen nur anbäd^tige , rul^ige
unb l^eilige SJinge pre, foHe man il^nen nid^t glauben. SBäcnn
jene bie Äinbertaufe barum oerroarfen, meil man bei il^r auf einen
- 176 —
frcmben (Stauben, ben ber ^ßatett, taufe, fo [teilt Sut^et biefem
einiDurf bic Sel^auptung gcßenüber, bafe in ben Äinbetn felbfi
Bei ber 3!aufe burd^ ben (Seift (SotteS ber ©laube geroirlt werbe.
Snjroifd^en na^m ba8 2:reiben biefer ©d^roärmer eine immer
bebenlli(|ere ©eftalt an. ©tord^ gab vor, burd^ ben Sngel ®abriel
fei il^m geoffenbaret worben, ba^ in lurjem nid^t nur eine neue,
l^öl^ere Sieformation ber ^ird^e, fonbem aud^ eine Umänberung
ber roeltlid^en SBerl^ältnifJe eintreten, äffe 5ßfaffen erfd^Iagen, jja
äffe (Sottlofen ausgerottet n)erben foffen. 9[ud^ ftorlftabt äußerte
fid^ mel^r unb mel^r in fd^roärmerifd^em ©inn; er famt 3tt'ini«9
unb bcm Sleltor ber Rnabenfd^ule, SWore, vexxoaxf affeS ©tubium
unb äffe wiffeufd^aftlid^e ©d^riftauSlegung, ba bie ©rleud^tung
unmittelbar burd^ ben l^eiligen ®eift erfolge. 3Dlan braud^e feine
gelehrten ©d^ulen, mürbe Derlünbigt, unb bie ^olge mar, ba§ oiele
Seute i^re Slinber auS ber ©d^ule nal^men, f o ba^ bie ftäbtif d^e ©d^ule
aufl^örcn mu|te.
9113 Sut^er t)on biefen SSorgängen l^örte, fprad^ er fd^on im
;3anuar feinen (Sntfd^Iu^ au3, nad^ äBittenberg )u lommen. 3)d
ober ber Rurfürft nid^t bamit einoerftanben mar, fo menbete er
fid^ junäd^ft fd^riftlid^ an feine ®cmeinbe. 2)ie du^erlid^en ®C'
bräud^e, au& bcnen fie fo oiel SlufJ^ebenS mad^ten, erflärt er für
,,IIeineS Starrenmerl", um beffentmiffen man bie Kebcooffe SRüdffid^t
auf bie ©d^mad^en nid^t au3 ben 3(ugen laffen foffte. ®a aber
Stat unb ©emeinbe i^n bat, felbft ju lommen, jeigte er feinen
©ntfd^lufe, biefer Slufforberung ju folgen, bem Äurfürften an.
SBergebenS fud^te biefer burd^ ein „gnäbigeS Sebenlen" il^n gurüi^
jul^alten, t)ergebenS beauftragte er ben Sogt Döroalb in (Sifenad^,
il^n münblid^ abjuma^nen: Sutl^er oerIie| bie SBartburg am
1. aWärj 1522 unb ritt' in feiner ritterlid^en 3!rad^t SBittenberg
ju. 3tt>« junge ©d^meijcr, meldte bie Unioerfität SBittenberg
bejogen, trafen am 3. aJlärj abenbä mit il^m in 3[ena jufammen.
©ner berfelben, Äefeler, erjäl^tt baoon anfd^aulid^ in feinem 2lage«
bud^. 3« i>ß^ Verberge ium Sären, etma^ üor ber ©tabt, fanben
fie einen 3Kann bei bem 2^ifd^e affein fi^en. 2)er grü|t fie freunblid^,
Reifet fie fid^ ju il^m feftcn unb bietet i^nen ju trinlen. ©ie
meinten nid^t anberS, benn e§ märe ein Sleiter, aU fte il^n in
— 177 —
einem toten Ääppicin, ol^ne SRüftung in §ofen unb SffiamS bafi^en
fallen, ein Sd^roert an ber Seite, mit bet redeten $anb bed Sd^merteä
Xlnopf, mit ber anbem baä §eft umfangenb. Site jie fid^ alä
©d^mcijcr ju crfcnnen gaben, fagte er, fie mürben in 2Bitten6erg
flute SanbSleute treffen, bie Oebrüber ©d^urf. §ierauf fragten
fte, ob Sut^er mol^I in SBBittenberg fei ober mo fonft. Qener ant^
TOortete: „^^ f)ai geroif[en Serid^t, bafe Sut^er jeftt nid^t gu
äßittenberg ift, er foS aber balb bal^in lommen. $^iKppud 3Re-
land^tl^on aber ift ba, er lel^rt bie gried^ifd^e ©prad^e, fo aud^
<mbre bie l^ebräifd^e leieren, meldte beibe id^ eud^ in freuen raten
moUt gu ftubieren, benn bie l^eiligen ©d^riften gu Derftel^en beoor
notmcnbig finb." 2118 er l^örte, ba^ fie biäl^er in S3afel ftubiert,
erlunbigte er fid^ nad^ (SraSmuö ; fie aber rounberten fid^, ba^ biefer
"Sleiter mit ben Oete^rten fo belannt fei, unb nod^ mel^r ftaunten
jte, afö er einige lateinifd^e SBäorte fprad^, unb als fie bemerlten,
bafe baä Süd^lein, meld^eö er oor fid^ liegen l^atte, ein l^ebräifd^er
iPf alter fei. ®r fragte fie bann, mag man in ber ©d^roeij »on
Sutl^er l^alte, worauf fie ermiberten, ba| etlid^e ®ott für fein
^irlen banlen, etlid^c aber il^n afe einen unleiblid^en Äe^er oer^
bammen. 2lte ber SBirt l^örte, bafe fie foId^eS SSerlangen l^aben,
'ben SKartinuS Sutl^er ju feigen, fprad^ er: „@ud^ roär'S gelungen,
mo i^r oor jmei 2!agen l^ier gemefen märet. §ier ift er an bem
2:ifd^ gefcffen." 3)arauf ging er lad^enb jur 3:i^ür l^inauS unb
Äefeler il^m nad^. 3)raufeen fprad^ er ju biefem: „S)er ift'8, ber
bei eud^ fi^t, bod^ tl^u nid^t beSgleid^en, ob bu il^n bafür ^alteft."
Jlefeler feierte in bie ©tube jurüdt unb raunte feinem ©efellen ju,
loaS ber SBirt gefagt l^atte. ©ie lonnten eS aber roegen ber rei^
terifd^cn Äleibung nid^t glauben, ba^ baä Sutl^er fei, unb oer^
muteten, jener l^abe mol^( gefagt, eS fei $utten. 2)arauf lub fie
ber Sleitcr jum Slbenbeffen; aud^ jroei Äaufleute, bie bort über«
nad^teten, afeen mit il^nen. Unter bem @ffen tl^at jener oiele gott«
Selige, freunblid^e Sieben. @r fprad^ bie Hoffnung au3, bafe bie
eoangelifd^e Seigre bei ben Slad^fommen mel^r fjrud^t bringen roerbe.
*@iner ber Äaufleute bemerlte, ber Sutl^er muffe entmeber ein @ngel
Dom §immel fein ober ein 3!eufel a\x^ ber §ötte. @r liefee eä
itd^ gerne feine legten jel^n ©utben foften, i^m ju beid^ten, benn
fdütt, Sut^et. 8. Vufl. 12
— 178 —
er glaube, jener fönnte fein (Seroiffen rool^I unterrid^ten. Site bie
jtaufleute in ben Stall gegangen xoaxen, baniten bie @(l^n)ei}et
bem ^embling für bie S^^'fW'^fl wnb liefen il^n mcrien, ba^ pe
il^n für Butten l^ielten. (5r fprad^: „3^ ^i« ^^ «i*-" 2)^ ^<^^
ber SBirt unb fagte: „3>l^r feib eS nit, aber SDlarlinuS Sutl^er."
SJrauf fprad^ er lad^enb: „3)ie Italien mid^ für ^utten, Ql^r für
Sutl^er, Balb werbe id^ gor SKarfolfuS (eine 3lrt Sulenfpiegel)
iDerben/' 2)ann nal^m er ein SierglaS unb fprad^ nad^ beS SanbeS
Sraud^: ,,©d^u)eiger, trinlet mir nod^ einen freunblid^en 3!runf
)um Segen/' 9lte aber Kepler ba§ ®laS nel^men rooUte, bot et
i^m bafür einen ©ti^en mit SBBein unb fprad^: „S)aS Sier iji für
(kui^ unl^eimifd^ unb ungen)ol^nt. trinlet ben 9Bein/' 'Statin ftunb
er auf, Derobf^iebete ft($ unb fprad^: „äBenn il^r gen 3Bittenberg
lommt, grüfet mir ben Dr. $ier. ©d^urf." 2luf bie grage, wie
pe il^n benn nennen foHten, bamit jener ben ©ru^ oerftel^e, er^
mibert er: „Saget il^m nit mel^r benn bag: berba lommen foK^
läffet 6ud^ grülen." 2)amit ging er jur Stulpe. Slm anbem
^ag ift er balb aufgefeffen unb äBittenberg ju geritten.
(Sl^e er aber bie ©tabt betrat, fd^rieb er am 5. aRärg »on
93oma aud an ben ßurfürften. @r bezeugt il^m, ba^ er biäl^er
„aus übriger Semut, um bie anbem )u lodfen, mel nad^gegeben
l^abe, nun aber, ba feine )ut)iel 2)emut jur Sliebrigung beg ^oan-
gelii gelangen moHe, muffe er auS Slot feineä ®en)ij|en3 anberä
tl^un. älud^ fürd^te er fid^ nid^t oor ^erjog ®eorg. 2Benn biefe
©ad^e ju Seipjig alfo ftünbe mie gu äBittenberg, fo vooUV id^ boc^
l^ineinreiten, wenn'd gleid^ neun Sage eitel ^ergog (Georgen regnete
unb ein jeglid^er märe neunfad^ mütenber, benn biefer ift." S)ann
fäl^rt er fort: „®uer Äurfürftlid^e Onaben roiffe, id^ lomme gen
98ittenberg in gar oiel einem l^öl^eren ©d^u^ benn beS jturfürften.
3[d^ l^ab'S aud^ nid^t im ©inn, oon ®ucr ffurfürftlid^en ®naben
©d^u^ )u begehren, ^a id^ l^alt, id^ moKt @uer fturfürftlid^e ®naben
mel^r fd^ü^en, benn fie mid^ fc^ü^en tonnte. ^a}u, menn id^
mü^te, ba^ mid^ ®uer ^urfürftlid^e ®naben lönnte unb moQte
fd^ü^en, fo moSt id^ nid^t tommen. tiefer ©ad^e foK nod^ lann
fein ©d^mert raten ober l^elf en. ®ott mufe l^ie alles fd^affen ol§n
aSeS menfd^lid^ ©orgen unb S^tl^un. S)arum mer am meiften
- 179 —
glaubt; ber mrb l^te am meiften fd^ü^en. SDietoeil id^ benn nun
\püx, ba^ @uer iturfürftUd^e ©naben nod^ gav \i^xoai^ ifi im ©laufen,
tann id^ teinerlei äBege @uet Jtutfütftlid^e ®naben für ben SDtann
anfeilen, bcr mid^ fd^ü^en ober retten fönnte. — — 2)a^ nun 6uer
Surfürftlid^e @naben begel^rt }u toVf\cn, n)a3 @te tl^un foDe in biefer
@ad^en, antworte id^ untertpniglid^ : @uer iturf ürftlid^e ®naben l^at
fd^on all}u oiel getl^an unb foSt gar nid^tS tl^un. 2)enn ©Ott miS
unb lann nid^t leiben @uer ^urf ürftßd^en ©naben ober mein @orgen
unb treiben. ®lavibt @uer Jturfürftlid^e ©naben bied, fo n)irb @ie
ftd^er fein unb t^ebe l^aben; glaubt ©ie' nid^t, fo glaube bod^ id^
unb mu^ @uer ^urfürftlid^en ©naben Unglauben laffen feine £iVLal
in Sorgen l^aben, mie fid^'3 gebül^rt aUen Ungläubigen )u leiben.
^ien)eil id^ benn nid§t miQ @uer iturfürftlid^en ©naben folgen, fo
iffc @uer Kurfürft(id|e ©naben oor ©Ott entfd^ulbigt, fo ifl^ gefangen
ober getötet mürbe." 2)ann rät er il^m, mie er pd^ oor 3Renf d^en
l^alten folle. 3)em ff aif er afö feiner Dbrigleit bürf e ftd^ ber ffurf ürft
nid^t miberfe^en, menn berfelbe Sutl^er fangen ober töten motte.
Sollte man aber oon il^m oerlangen, ba^ er felbft ^anb an Suti^er
lege, fo motte er il§m fagen, voa^ ju tl^un fei. ßr fd^Ue^t: „SBSenn
®uer ffurfürftlid^e ©naben glaubte, fo mürbe ©ie ©otteä §err=
lid^teit feigen, meil ©ie aber nod^ nid^tg glaubt, l^at ©ie aud^
nod^ nid^tS gefeiten. ©Ott fei Sieb unb Sob in ©migfeit. Slmen."
@S ift ein S3rief oott großartiger greimütigfeit unb munberbaren
^elbenmutS; ein ©rief oott göttlid^er 2:i^orl^eit, mit meld&er ber
©eäd^tete ben einzigen menfd^lid^en ©d^u^, ber fid^ i^m barbietet,
oon ftd^ ftößt, meil il^m ber ©d^u$ ©otteS nic^t eine 9leben3art
fonbem eine ^Realität ift.
©d^on am folgenben %a% antmortete ber ffurfürft, inbem er
oon Sutl^er verlangte, er fotte il^m ein ©d^reiben fd^idfen, baö er
ju feiner eignen SRed^tfertigung oormeifen fönne, unb fotte barin
bie Urfad^en feiner SlüdHel^r barlegen unb erllären, baß er ol^ne
Semittigung feines gürften jurüdtgefommen fei. Sut^er beeilte
fid^, baä am Sxig feiner Slnfunft, ben 7. aJlär^, iu tl^un. 3lm 8.,
einem ©amötag, treffen mir il^n im ff reife feiner greunbe, mit
benen er fid^ über bie 3wpönbe in SSJittenberg befprid^t. S)ort
finbet er auc^ jene ©d^meijer unb grüßt fie lad^enb.
— 180 —
älm anbem %a%, bem @onntag 3)^t)ocat)it, befteigt er bie
Stanid ber ^farrttrd^e unb ptebigt ad^t 2^age J^inter einanber ,^t)on
bcn aRcRen, SBUbmf[cn, beiberlci Ocftalt bcS ©aframentö, oon bcn
©pcifcn unb J^eimlid^cr Seid^tc". @r lobt bic Ocmeinbc, ba^ bic
redete ©laubeniSertenntnid in Se^iel^ung auf @ünbe unb (Snabe
bei i^nen fei, dbex an Siebe unb (Sebulb fe^e eS. 2)ie @ad^e fei
n)o^I an fid^ fetbft gut, aber bad Silengu fc^neQ, „benn auf jener
@eiten ftnb aud§ nod^ 93rüber unb Sd^roeftern, bie )u ung gepren,
bie muffen noc^ ^erjugebrad^t merben'^ ^ie ^effe fei }u oor^
eilig unb ol^ne Drbnung von fold^en, bie leinen Seruf baju gel^obt,
abgetl^an n)orben. 2)urd^ fold^ ungeftümeS 3Befen roerben oiele
üom Soangelium jurüdEgetrieben. aJlan fott'ö prebigen unb fd^reiben,
bafe bie römifd^e SReffe fünblid^ fei, aber man fott niemanb mit
ben paaren baoon reiben, fonbem ©otteä 3Bort attein mirfen
laffen, fonft gibt^d unrul^ige ©eroiffen unb ^eud^elei. (Srft mann
aOer ^erg unb @emüt babei ift, tl^ue man ab, ma3 nid^t red^t
ift. äSSenn baä ^erg gefangen ift, fo mu| baS 3Ber! t)on il^m
felbft abfallen unb ju 2^rümmern ge^en. — „ßl^Iic^ ju mcrben,
Silber ab jutl^un, SRönd^e unb 5Ronnen werben, SDlönd^e unb SHonnen
aus ben Älöftem gu gelten, ^fleifd^ eflen unb nid^t effcn am ^ei=
tage unb maS bergleid^en ©tüi me^r finb, biefe 35ing alle finb
frei; werben fie aber »erboten, fo ift eS unred^t. Äannft bu fold^c
^ing l^alten ol^ne 93efd^merung beineS ©emiffeng, fo l^alte fie
immerbar; fannft bu aber nid^t, fo la^ ed aufteilen. @d ift aber
nid^t genug, ba^ bu fpred^en moQteft: ber unb ber l^afs getl^an;
ber ober bicfer ^rebiger ^af 8 geprebigt. 35u mufet bid& grünben
auf einen ließen ©prud^ ber ©d^rift. 6S fott SKönd^e unb 9lonnen
aud^ nid^t anfed^ten i^r getl^ane ©elübbe, benn mir fönnen nid^ts
geloben miber ©otteS ©ebot. ©ott f)at eä frei gemad^t, el^tid^ }u
werben ober nid^t. 2)eggleid^en l^at ©ott oerorbnet, ba^ eg frei
fei, 3fifd^ ober %U\^^ ju ejfen. Um bie Silber ift eö aud^ alfo
getl^an, ba^ fie unnötig finb, fonbem eS ift frei gelaffen, fie gu
l^aben ober nid^t ju ^aben. äSiemol^l e§ bef[er möre, mir l^ötten
berfelbigen Silber gar leincS nm beS leibigen, »ermalebeitcn aJJife-
braud^ä unb Unglaubens mitten. 3)en Silberftürmern aber, bie
jtd^ auf 2 SWof. 20, 4 berufen, fott man fagen: baä Wobeien ift
— 181 —
l^ie verboten unb ttid^t baiS ÜRad^en. 3Bir muffen belennen, ba^
je Scutc fmb, bie bcr 35ilbct idoI^I gebtaud^cn. 5Hun wollen wir
t)onbem3fIeifd^effenfagcn: SfBenn bu c8 nid^t entbehren lannft
ol^ne beinen @(^aben ober bift Iranl, magft bu wol^I effen, ed
ärgere fid^ brau wer ba wotte. SQSenn bid^ jenianb brauf bringen
wollt, wie bcr 5ßapft getl^an l^at mit feinen närrifd^en Oefe^en,
ba foHfi bu bid^ in feiner SQSeife oon beiner ^eil^cit, bie bir ®ott
gegeben f^at, bringen Iaf[en. 3Rxi benen aber, bie fd^wad^ im
©lauben finb, fotten wir ®ebulb tragen unb unS unfrer ^eil^eit
entl^alten. SBenn wir unfre ^reii^eit ol^ne 9lot unfrem Släd^ften
gum SKergemiS braud^en wollen, fo treiben wir ben gurtidf, ber
nod^ mit ber S^t aud^ ju unfrem ®Iauben fommen möd^te. 38om
©aframent l^ab id^ gnugfam geprebigt, ba^ ein Saie nid^t
fünbige, wenn er ben Seid^nam (Sl^rifti unb ben Äeld^ aud^ mit
bloßen ©dnben anrül^ret. ^i^x aber fal^rct ju unb tl^ut fo närrifd^
als ber 5ßapft, inbem bafe il^r meinet, c8 muffe fein, ba^ man
baä ©aframent mit ben §änben angreifet. 3l^r l^abt eud^ in
biefem ©tüdf grob »ergriffen. Unb werbet il^r oon biefem ©tüdt
nid^t abftel^en, fo barf mid^ fein Raifer nod^ Äönig nod^ fonft
jemanb oon Irinnen jagen; id^ will wol^I ungetrieben oon eui) felbft
laufen. — SBBiewol^l id^ gewife bafür l^alte, bafe eS oon nöten fei,
bieS ©aframent gu nel^men unter beiber ©eftalt, bennod^ foll
man fo plö^Iid^ fein S^an^ baraug mad;en, auf ba^ fid^ bie
©d^wad^gläubigen nid^t ärgern. — SDBer ben ©lauben l^at, iffe
gefd^idft, baS ©aframent gu empfa^en. Einen fold^en ®Iauben
aber ^d6en nid^t aKe ^enfd^en. 3)erl^alben mu^ man nid^t eine
gemeine Drbnung barauS mad^en, wenn unb wie oft, aud^ baft
jeglid^er ju biefem ©aframent gel^e. SDBer pd^ nod^ nid^t alfo
befinbet, bafe il^n feine ©ünben beiden, ber gcl^ört no^ nid^t ju
biefer ©peife. — @S ift eine Seid^t, bie in ber ©d^rift il^ren
®runb l^at. SDBenn jemanb öffentlid^ gefünbigt l^attc, fo warb er
8ff entlid^ oor bem Raufen angef lagt. Ml^ie f oHtet il^r cud^ bemül^t
l^aben unb biefe Seid^t wicberum aufgerid^tet. 3^^ anbern ift
eine Seid^t, ba wir ®ott unfre ©ünben allein flagen. ^nm britten
ift eine Seid^t, ba einer bem anbern iexi)Ut unb erjäl^It il^m, waS
fein Sflot unb Slnliegcn ift, auf bafe er t)on i^m ein tröftfid^ SBort
- 182 —
l^öre^ bamit er fein ®en)if[en ftiSe. SDtefe Seid^t l^ot ber $apfl
ftreng geboten. 2)iefed Slötigen unb 3n)tngen Ijoib i^ Denootfen.
9(ber bennod^ will id^ mir bie l^eimlid^e S3eid^t nid^t loffen nel^men
unb xüoUU fte nid^t um ber ganjen 38e[t @d^a^ geben^ benn id^
n>ei^, mad ®t&d unb %xo^ fie mir geben f)at i^Sttet il^r ben
3^fel aud^ fo too^l erlannt als id^^ il^r l^dttet bie l^eimlid^e Seid^t
nid^t alfo in b^ SSinb gef dalagen/'
@o Hat unb allgemein oerftönblid^^ ol^ne @d^elten, in mal^r?
I^aft öäterlid^er SBeife rebete Sutl^er gu feiner oerfül^rten unb ücr-
n)irrten (Semeinbe. Unb fein SBort ^atte eine gemaltige SSirfung,
feine ^eunbe, namentlid^ 5UleIand^t]§on, mürben gefiörlt; bie
©emeinbe beruhigte jtd^, felbft 3w>ißi"9 würbe mieber nüd^tem.
2)er 9lat ber @tabt bemied feine 2)antbai^eit burd^ ein ®ef$enf
Don %u^ )u einer neuen Orbendlleibung fomie t)on S3ier unb
SBein ni^t nur an Sutl^er felbfl, fonbem aud^ an feinen SSater. „^ä^
bin ungejmeifelt, ba^ au3 fonberlid^er Sd^idhtng beg Mmöd^tigen
tx auf biefe 3cit gen Wittenberg gelommen", berid^tcte ©d^urf
erfreut an ben Äurfürften. SKit SSitterleit fal^ Äarifiabt, ba^
feine Stolle audgefpielt mar. @r verfaßte eine @d^rift gegen
Sutl^er, leugnete eS aber ab, ald er barüber }ur Siebe gefteOt morb.
äluf bie S^xiauex l^atte Sutl^er in feinen ^rebigten leine
Slüdftd^t genommen. 2)ennod^ mürbe burd^ biefelben aud^ il^rem
treiben ein @nbe gemad^t. @iner t)on il^ren Slnl^ängem belannte :
,,@d ifl mir^ als ob id^ nid^t eined 3Jlenfd^en fonbem eines Sngefö
©timme gehört l^ätte." J)ie jmei bebeutenbften ®enoffen oon
@tord^^ 3RarIud @tübner unb SeQariuS^ bemül^ten fid^ um eine
Sufammenfunft mit SJut^er unb fud^ten il^n burd^ onerlennenbe
SBorte gu geminnen; als er aber il^re angeblid^en Offenbarungen
f ürmi^ige ®ebanlen ober gar Eingebungen beS SügengeifteS nannte,
ba geriet SeQariuS in 9But. Sutl^er verlangte , fte foQen il^ren
85eruf burd^ ein SBunberjeid^en bemeifen, fie fagten eS aud^ gu,
rerlieften aber am nämlid^en 3)age bie ©tabt. Später erfd^ien
üud^ @tord^ mit jmei S3egleitem bei Sutl^er, aber ol^ne etmad auS^
jurid^ten. SBeiterl^in ift oon Slnl^ängem biefer Seute in SBitten-
berg nid^t me^r bie 9lebe.
Sutl^er dbex mibmete jtd^ ber 5Prebigttl^ätigfeit mieber
— 183 —
•
mit großem @tfet. 3in Sonntagen unb f^efiten l^telt er morgend
eine 9lnfprad^e an feine Drbengbrüber unb lie^ fx^ mit i^nen
Dom $rior bad l^eiL 9(6enbmal^I reid^en. ^ann prebigte er oor-
ttnb nod^mittagd in ber ^farrfird^e. Slud^ als S3ugenl^agen bad
Pfarramt übernommen l^atte, prebigte Sutl^er nod^ ]§in unb mieber
cm Sonntag SSormittag, namentlid^ ober legte er in $rebigten am
Sonntag 9lad^mittag unb an 9Bo(^entagen ganje biblifd^e S3üd^er
cuä, fo 1522 ben erften ^etribrief^ bann ben jmeiten, ben Srief
3ubä unb ben erften Ximoti^eudbrief ; am längften aber oenoeilte
er bei ben Süd^em 3Rofi3. SDiefe ^rebigten mürben jum Xeil oon
feinen fjreunben nad^gefd^rieben unb mit feiner 3uftimmung i^er-
ausgegeben. Seinen Jtlofterbrübem legte er bie Sudler SRoftS in
(ateinifd^er Sprad^e au3. 9lud^ feine SSorlefungen an ber Uni^
verfttät über bibßfd^e Sudler nal^m er mieber auf.
"Rtptmtn ttt Täittiit nntf ^tlinlt.
Caffet alles ci}cl{ci} unb orbentlic^ sugetieit.
X. Kor. t4. ^.
'^lad^bem bie Stulpe ber ©emeinbe ju SBittenberg l^ergefiefft
Toar, mürben bie übereilt eingefül^rten Steuerungen im ®otted^
bienft mieber abgefd^afft. 9lur ben Saienfeld^ bel^ielt man in ber
Stobttird^e bei, reid^te aber baneben ba§ Salrament an einem
befonberen Stltar benen, bie eS begel^rten, unter einer ®eftalt,
bid bann oom $erbft an nur nod^ bie Jtommunion unter beiben
©eftalten gel^alten mürbe. — ^m 9Jle^!anon mürben bie Sffiorte,
bie ftd^ auf baS Dpfer bejogen, meggelafjen. Stud^ bie ftiffen
ÜReffen fd^affte man an ber Stabtlird^e ab, fo bafe bie SBod^engotteS^
bienjie aufl^örten mit SluSnal^me ber gaftenjeit, in ber Sutl^er
in tdglid^en ^ßrebigten bie jel^n ©ebote auslegte. 6rft im fol=
genben S^l^re, als Sugenl^agen jum Pfarrer an ber Äird^e er^
nannt mar, mürben täglid^e ©d^riftleftionen mit (Srflärung beS
— 184 —
©elefenen eingefül^rt, aud^ bie Drbnung ber S3eid^te tDieber auf^
gerid^tet. 3tt bcr ©d^ttft „aSon Bcibct ©eftalt ba« ©afra-
mcnt ju nel^mcn unb anbrcr Steuerung" fprad^ Sutl^ct
feine @ebanlen übet biefe 2)mge für toeitete Jtretfe auS.
3n berSd^Io^Iird^e oBerbejianb ber alte SKeftgotteSbienft
fort, ha ber Jturfürft burd^auS nid^t in bie Slufl^ebung ber von
feinen SSorfai^ren unb t)on il^m fettft geftifteten 5iJle|fen wittigen
rooffte. Sutl^er fämpfte in 5Prebigten unb in ber ©d^rift „SSon
bem ©reuel ber ©tillmeffe" in freimütigfier SßJeife bagegen;
es lam aud^ ju tumultuarifd^en Auftritten, bis bie ©tiftSJ^erren
felbji auf jene SKeffen Derjid^teten unb biefelben ju ®nbe beä
Sal^reS 1524 aufl^Brten.
9lud^ au^erl^alb SBittenbergS l^atte Sutl^er berul^igenb ein3U'
greifen, ^n @rfurt toax eS fd^on 1521 ju S^unmlten gelontnten^
unb bie Slnl^änger beS Sllten unb bie fjfreunbe ber 9leformation
ftanben einanber fd^roff gegenüber. ^[«Sbefonbere würbe über bie
$eUigent)erel^rung geftritten. 2)ad oeranla^te Sutl^er ju einem
©enbfd^reiben „Stn alte ßl^riften ju ®rfurt famt ben 5Pre^
bigern unb Wienern". ®r erllärt eS für fidlerer, bie Sln^
tufung ber ^eiligen ju unterlafjen, roill aber bie ©d^road^en, weld^e
biefelbe nod^ beibel^alten, nid^t perad^ten lafjen; nur fotten fie il^r
aSertrauen auf ß^riftum affein feften. S)ie SKöglid^Ieit, bafe bie
^eiligen für und bitten, leugnet er nid^t, roamt aber, unnötige
^agen auf juwerfen, bergleid^en ber ©atan nod^ t)iele aufbringen
»erbe, unb mal^nt, bie Seute auf Gl^riftum allein gu treiben.
5IRit befonberem Slad^brud aber tritt er benen entgegen, „bie meinen,
ber ©ad^e beS ßoangefii mit bem ©d^roert unb ber fjaufi gu
l^elfen, unb moIIen'S aud^ too^l auSgerid^t l^aben, wenn fte 5Pf<^ffen
unb aRßnd^ fd^mäd^en ober befd^äbigen".
SRid^t minber als bie ftürmifd^en SReuerer gaben bie aSerteibiget
ber alten fird^Kd^en Drbnung SSeranlafJung , S^wgniS abzulegen.
S)ie S3ifd^öfe oon SWei^en unb SKerfeburg oeranftalteten, aufge^
forbert t)om Sleid^Sregiment, eine aSijttation in il^ren ©prengeln,
wobei il^nen ber Jturfürft gmar nid^tS in ben 3Beg legte, i^nen
aber bie $ilfe beS weltlid^en 3lrmS gegen bie ausgetretenen SKönd^e
tjenoeigerte. Sutl^er aber ermal^nte ju ^Ireue im 35eIenntniS unb
- 185 —
Ite^ „iVL %xo^i unb Snrettung ber armen ®en)t{fen, fo in Jtlöftem
i)ber ©tiftcn burd^ SKenfd^cngcfc^ gefangen liegen/' ein lurj Süd^^
(ein auSgel^en ,,93on SJlenfd^enlel^re )u meiben, nebft einer
Slntmort auf bie ©prüd^e, fo man fül^ret, 5Ulenfd^en?
lel^re gu fiärfen". S)ie SSifd^öfe aber griff er in ber fd^arfen
Sd^rift ,,3Biber ben falfd^ genannten geiftlid^en @tanb
beS ?Papfte8 unb ber Sifd^öfe" aufS Wxq\U an. 6r lün^
bigt il^nen an: ,,2ebe id^, fo follt il^r oor mir leinen f^rieb l^aben;
i'oM il^r mid^, fo foKt il^r je^nmal meniger ^rieb l^aben/' 9lui^
ber ©(^rift bemeift er, ba^ man aud^ Prälaten ftrafen bürfe, unb
geigt bann, wie fte bie falfd^en 5ßropl^eten feien, roeld^e 2. 5Petr. 2, 1 ff.
befd^xieben werben. 3lai) ber ©d^rift feien biejenigen Sifd^öfe,
bie kem SSoII SBort unb ©aframent reid^en, bie l^ol^en Slciter
unb gnäbigen Ferren aber l^aben oom bifd^öflid^en Slmte ben bloßen
Slotnen. SDann lommt er auf bie ©elübbe gu reben unb mirft
cS ben Sifd^öfen mit bitteren SBorten vor, ba| fte bie armen
?PriePer fallen, bie ftd^ in ben el^elid^en ©tanb begeben. ®ut=
l^crgigen Sifd^öfen aber gibt er ben Slat, geleierte SWänner ju
fd^affen, bie in il^ren SiStümem l^in unb ^cr baS ©oangelium
(auter prebigen.
%xo^ ber (Sefal^r, me(d^e il^m info(ge ber Iaifer(id^ett 2ld^t
brol^te, feigen mir Sutl^er im ^ül^Kng unb ©ommer 1522 aud^
au^etfl^alb SSittenbergS für bag @t)ange(ium mirlen. ©o prebigt
er gn)eima( tn Sorna, reift nad^ 2(Itenburg, um bort bie Slm
, fte((ung eines et)angc(ifd^en 5Prebiger8 burd^gufe^en, a(S meld^er
iiad^ (ängeren a8erl^anb(ungen fein greunb Sin! t)om Äurfürften
berufen mirb. 3[n 3witfau, mo 25000 SDtenfd^en jufammen-
geftrömt fein fotten, um il^n gu l^ören, l&ie(t er mcr 5ßrebigten,
baoon eine oon einem genfter beS SRatl^aufeS au§. S^t $erbft
bcfud^te er nod^ ®rfurt unb auf befonbercn 9Bunfd^ beS $ergogS
Qol^ann aud^ SDJeimar unb prcbigte an bciben Drtcn.
SWel^r unb mel^r aber mad^te pd^ ba unb bort baS SebürfniS
ge(tenb, bie gotteSbienftlid^en ^Jormen in ecangelifd^em (Seifte gu
änbcm, unb je weniger man l^offcn burfte, bafe bie Sifd^öfe bogu
bie $anb bieten, befto mel^r fal^ ftd^ Sutl^er t)eran(a^t, felbft in
ber @adi^ porguge^en unb ®eift(id^e unb ©emeinben mit feinem
— 186 —
SRatc ju uttlcrftü^en. 3« i^i^fer äbjtd^t Dcroffentlid^tc er eine lurjc
©d^rift „83on bcr Drbnung bcS ©ottcäbtcnftcä" utib
fpätct, burd^ eine Sitte »on 3roi*öu auS tjcranlaf^t, bic latcinifd^c
Formula missae , b. 1^. ^orm ber 5Ulcffc. S)er 3w)e(f bcS
®otte8bicnfte8 ift il^m, bafe baS SB ort im ©d^roange gcl^c. Stud^
©ebet unb ©aframctitc gcl^örcn baju, fofem jettcS airf ®ottc3
aSctl^cifeung ftd^ grünbct, bicfe burd^S SBort gcjHftct unb baS im
aOSort ©cgebcne mitzuteilen beftimmt ftnb. 3)ie äufeercn Sräud^e
beS ©otteSbienfleS pnb ©ad^e ber ^eil^eit; man l^at bei il^rer
@infül^rung l^auptfäd^Iid^ barauf ju ad^ten, ba^ bem ©d^mad^en
fein aergemis gegeben mcrbe. 9lur ba8 ©d^riftroibrige ifl ^u be=
feitigen. SDemgemä^ bel^ielt er bie 5Keffe, b. 1^. bie Slbenbmal^Ö'
feier als SSeftanbteil beS fonntaglid^en ©auptgotteSbienfieS bei.
2)ie Äommunifanten follen pd^ Dorl^er beim SPfarrer melben,
biefer fotte il^ren (Slaubcn unb il^r aSerftänbniS t)om l^eil. Slbenb^
mal^I prüfen unb offenbare ©ünber au8fd^Iie|en. Stn bcn Äird^en^
gebeten fürjte er, bamit nid^t burd^ Ueberbrufe ber ®eift ber
©laubigen auSgelöfd^t merbe. ^n Sejiel^ung auf bie 9lu§mal^I
ber 5Peri!open münfd^te er eine SKcnberung, ba fte ju menig ben
®lauben treiben, aud^ moQte er baS ^rebigen über freie ^^e^e
unb bie fortlaufenbe ©rflärung biblifd^er SSüd^er freigeben. Set
ber 3lbenbmal^I§liturgie mu^te natürlid^ adeS megfaUen, maS auf
bie SSorftellung eines DpferS Sejug l^atte; aud^ follten bie Sin?
fe^ungSmorte beutfd^ gefprod^en werben, aber bie ®Ieoation, b. 1^.
baS @mporl^eben ber gemeil^ten ^oftie, foKte um ber ©d^mad^en
mitten beibel^alten werben; ebenfo mürben nod^ lateinifd^e ©efönge
gebulbet. SDie ©itte, ben 333ein mit ffiaffer gu mifd^en, unb bie
übermäßige 5ßrad^t ber priefterlid^en Jtleibung mürbe befeitigt, baS
Srennen oon Sid^tem aber freigegeben. S^ben 5IRorgen unb Stbenb
ober bod^ breimal in ber 3Bod^e foQten ürd^Ud^e Sibellettionen
mit ©d^riftauSlegung, ®tbü unb ®efang gel^alten werben.
Slud^ ber S^aufe manbte Sutl^er feine 5lufmer!fam!eit ju. 2)ie
mand^erlei fpmbolifd^en ^anblungen bei berfclben ließ er noc^
beftel^cn unb begnügte fid^ in feinem 2^aufbüd^Iein, baS latei^
nifd^e S^aufformular inS 3)eutfd^e ju überfe^en. gn feiner audj
nod^ im ^a^f^x 1523 »erfaßten ©d^rift: „SßJie man red^t unb »er-
— 187 —
ftanblid^ einen ÜRenfd^en jum Sl^ttftudglau6en taufen foS^ jeigt
ftd^ fd^on baS @tre(en nad^ SSeteinfad^ung.
f^r bie neue f^orm bed (Sottedbienfied n)aren aber beutfd^e
Siebet SebürfniS, bamit aud^ bie @emeinbe am ©efang ftd^
Beteiligen fonnte. Sutl^er forberte einige feiner fjreunbe auf, fold^e
au bid^ten. @o entftanb über $f. 124 baS Sieb von ^uftuS
SonaS: ,,SD8o @ott ber $err nid^t bei un8 l^ält". S)aju famen
brei Sieber be« 5ßaul ©peratug. S)iefer ^atte in ^^lan ba«
©oangelium geprebigt, war t)on bent Sifd^of t)on Dlmti^ in ben
Äerf er geworfen unb jum fjeuertob perurteilt, bann aber auf gür?
fprad^e jur SanbeSDerweifung begnabigt worben. ®r lant ju (Snbe
bc§ Sal^reg 1523 als glüd^tling nad^ SßJittenbcrg unb bid^tete bort
baS befanntefle jener Sieber: ,,®8 ift baS $eil unS lommen l^er^,
,,ein Sieb oom ®efe^ unb ©lauben, gen)altiglid^ mit göttlid^er
©d^rift verlegt", aber aud^ Sutl^er felbft empfanb ben abrieb
ju geiftlid^er 2)id^tung. ©ed^dunbbrei^ig Sieber oerbanit ibm bie
et)angelifd^e Jtird^e, bat)on ftnb oierunbjroanjig a\x^ ben S^i^ren
1523 unb 1524. Slad^bem er nämlid^ juerft auf bie §inrid^tung
t)on gn>ei TOärt^rern bei eoangelifd^en (SlaubenS in ben 5Rieber=
lanben ein Sieb gebid^tet, entftanb baS erfte feiner Äird^enlieber:
,,?Run freut eud^, Rebe Gb^fiengmein"; bann begann er „5ßfalmen
2U einem ®efange ju mad^en''. @o bid^tete er nad^ $falmen
fieben Sieber, barunter auf ®runb t)on $f. 130: „STuS tiefer
9lot fd^rei id^ ju bir", nad^ $f. 12: „STd^ ®ott t)om i^immel jtel^
barein" unb fpdter nad^ 5PfaIm 46 baS berül^mtefte feiner Sieber:
„Sine fefte 33urg ift unfer ®ott". ®8 ftnb baS feineSmegS bloft
gereimte 5ßfalmenüberfe^ungcn wie bie in ber reformierten Äird^e
gebräud^Iid^en, fonbem im Sfnfd^Iufe an baS 5ßfaImn)ort wirb ber
neuteftamentlid^en 3Bal^rl^ett, ber eignen ^eilderfal^rung unb ben
Slnlicgcn ber ®emeinbe Gl^rifti STuSbrud gegeben.
Slud^ anbrc ©d^riftftellcn legte Sutl^er feinen Siebem gu
®runb. a)erartige Sicbcr ftnb eä ad^t, j. 9.: „Sefaia, bem 5Pro=
pl^eten, baS gefd^al^" über 3[^f. 6; „SSom §immel l^od^ ba fomm
id^ ^er^ unb „2Rit ^rieb unb fjreub id^ fa^r ba^in" über Sul. 2.
©ne britte Älajfe bilben bie Ueberarbeitungen lateinifd^er ®e5
fange (jwölf) j.9.: „3lefu3 S^rifhiS unfer ^eilanb" (na(^ $u8);
— 188 —
,,®eloitt feift bu, Sefu ßl^rift"; „mx glauben all an einen ®ott";
„$err ®ott, bid^ loben wir"; ,,aRitten wir im. Seben jtnb".
Xud^ ältete beutfd^e aSolfsUeber l^at er fttr ben ürd^lid^en
(Sebraud^ bearbeitet (oier). ©o entpanben : „ßl&rift lag in SCobeö*
banben''; ,,5Run bitten wir ben J^eifgen (Seift" unb ,,®ott, ber
35ater, wol^n und bei".
ffinblid^ l^at Sutl^er oud^ einige (fünf) Sieber frei gebid^tet,
unter weld^en neben jenem „9lun freut 2c." nomentlid^: „ßrl^alt
uns, $err, bei beinem SBort" 3U nennen ift..
SBademagel fagt t)on biefen Siebem: „©ie atmen eine ge»
funbe Jtraft unb ^^eubigleit bed ©laubenS, Derfd^melgen finblid^e
Einfalt mit bem ^elbenmute beS in Sl^rifto ermad^fenen ÜRanneS,
baben meift bie ungefud^te Jtunft ber aSoIISart, jtnb nur feiten
getrübt burd^ unl^rifd^e Sel^rl^aftigfeit." gür ben ©ebraud^ ber ©e^
meinbe gebid^tet, fpred^en biefelben nid^t fomol^l bie Smpftnbungen
beS einjelnen frommen Si^riften, bie perf önlid^en Jtämpf e unb @rf al^-
rungen aud, als oielmel^r ba§ 99eIenntniS ber ©emeinbe, il^ren 2)anl
für bie ßrlöfung, tbre Sitte unb il^re guDerftd^t. Sie ©emcinbe
^ l^at fid^ biefelben aud^ fofort gu nu^e gemad^t. 2)ad )u 9(nfang beS
^al^reS 1524 erfd^ienene erfte et)angelifd^e®efangbüd^(ein: „(^ilx^
c^riftlid^ Sieber, Sobgefang unb ^^Sfalm, bem reinen
SBort @otteS gemä^" entl^ält nur ad^t Sieber, barunter mer
t)on Sutl^er. 3" bemfelben ^aljxt erfd^ien ba8 fogenannte ©r«
furter Snd^iribion mit fünfunbjmanjig Siebem, barunter ad^tjei^n
lutl^erifd^e, unb am ©d^Iu^ beS ^^l^reg „®eiftlid^d @efangbüd^Iein"^
für bie ©d^uljugenb jum Sl^orgefang beftimmt, mit jmeiunbbrei^ig
üierftimmigen Siebern, unter benen jtd^ oierunbjroangig t)on Sutl^er
befinben. @o barf baS ^af^x 1524 aU @eburt8ia]§r beS et)anges
lifd^en Jtird^enßebS bejeid^net merben.
©d^on bamalS befd^äftigte ftd^ Sutber mit bem ©ebanlen
eines „Änabenfatcd^iSmuS" jur Untermeifung ber Qugenb. gur
9(uSfül^rung aber tam biefer ®ebanle Dorberl^anb nod^ nid^t. 2)a«
gegen liefe er 1522 ein „SSetbüd^Iein" erfd^einen, um bie unter
bem SSoI! Derbreiteten uneoangelifd^en Setbüc^lein ju oerbrangen.
(Ss mar eine mnt Sluflage feiner jmei Igal^re )ut)or J^erauSgege^
benen ffirlKrung ber ©ebote, beS ©laubenS unb beS ^aterunfer»
— 189 —
Dermel^rt butd^ bte ^injufügung beS Sloe SRaria uitb etlid^er (ad^t)
Ißfalmen. UeSerl^aupt abet (ag il^m bie Sugenberjtel^ung
fcl^r am ^crjcn. §offtc et jo bod^, rote wir fd^oti fallen, ba^ ba§
@t)angeUum unter betn nad^rcad^fenben ©efd^Ied^t mel^r t^rtid^te
tragen werbe. @o ermunterte er benn in ocrfd^tebenen feiner
tBriefe jur ©orge für bie (Srgiel^ung ber Sufl^b. 9lm mid^tigftcn
über rourbe in biefer Sejiel^ung feine ©d^rift com 3al^r 1524:
,,3ln bie SlatSl^crren aller ©täbtc beutfd^eg SanbS, bafe
fie d^riftlid^e ©d^ulen aufrid^ten unb l^alten follen."
@r beginnt mit ber Jtlage; ba| man aQentl^alben in beutfd^en
Sanben bie ©d^ulen jcrgel^en laffc. ,,333eil ber fleifd^Iid^e $aufc
ftel^et, ba| fie i^re Söi^ne, ^iöd^ter unb fjreunbe nid^t me^r mögen
in Äloper unb ©tift cerfto^en, mitt niemanb mel^r laffen Äinber
lernen unb ftubieren ... @o bod^ billig märe, ba^, voo man einen
®ulben gäbe, miber bie 2^ürfen ju ftreiten, l^ie l^unbert ®ulbcn
gegeben mürben, menn man gleich nur einen Knaben lönnt ba^
mit auferjic^en, bafe ein red^ter ß^riftenmann mürbe." §abc man
Kälter fo t)iel (Selb an SKblafe, SJeffen, »ettermönd^c , Srübcr^
fd^aftcn unb xoa^ beä Oefd^mürmS me^r ift, verlieren muffen, unb
fei je^t fold^eä 3lauben3 Io§; fo folltc man bod^ (Sott ju 3)anf
unb ßl^ren beäfelben einen 2^eil jur ©d^ule geben. (Sott l^abe
bie 3)eutfd^en je^t gnäbig l^eimgefud^t. „35a l^aben mir jc^t bie
feinften, gelel^rteften jungen (Sefetten unb SWcinner, mit ©prad^en
unb aKer Äunft gejiert." 3Kan föiinte einen Änaben in brei
Salären jurid^ten, ba^ er in feinem fünfjel^nten ober ac^tjcl^ntcn
Sal^r mel^r lönnte, afö bisher attc l^ol^en ©deuten unb Älöfter
gcfonnt l^aben. ,,Sicbe 3)eutfd^c, lauft, meil ber SDlarlt oor ber %1^üv
ift, fammelt ein, meil eS fd^einet unb gut SSSetter ift, bxavi(S)t ©otteä
®nabe unb 9Bort, meil eä ba ift. 2)enn baS fottt i^r miffcn, (SotteS
(Snabe unb 9Bort ift ein f a^renbcr ^la^regen, ber nid^t mieber f ommt,
mo er einmal gemefen ift." 2)ann mirb barauf ^ingeroiefen, bafe ®ott
geboten l^abe, bie Äinber ju leieren, unb ba^ unS bie 3latur felbft
baju treiben fottte. 333eil eS aber au^ mand^crlei Urfad^ oon ben
€ltem nid^t gefd^e^e, barum gebühre eS ber Dbrigf eit, bie allergrößte
Sorge auf ba§ junge 3Sol! ju l^aben. 3)aS l^aben fd^on bie SWömcr
erfannt, barum ging aud^ i^r 2)ing oon ftattcn. 2)a fanb man
- 190 -
Seute, bie )u allerlei tüd^tig unb gefd^i^t loaren. ^e^t aber fei
aKentl^alben bie größte 5tlage, ba^ eS an Seuten fel^Ie. 3Benn
aber jemanb bie fremben Sprad^en für unnötig Italien tooKte^ ber
bebenle, ba^ n)ir un^ [a aud^ frentber äBaren bebienen. ©prad^en
feien eine eble @ottedgabe, aud^ baS @t)angelium fei burd^ bad
3RitteI ber @prad^en gelommen. ^@o lieb nun, ald und bad
@t)angeUum ift, f o l^art la^t und über ben Sprad^en Italien. —
Sie jtnb bie Sd^eibe, barin bad SReffer bed ®eifte$ ftedEt."
2)ie alten SSäter, n)eld^e ol^ne @prad^en bie Sd^rift l^aben
gel^anbelt, tappen oft mit ein 93linber an ber SBanb. (Sin gen^öl^n-
lid^er ^rebiger fann wo^ ol^ne bie @prad^en Sl^riftum nerftel^en,
l^eiliglid^ leben unb anbem prebigen. ,,9lber bie ©d^rift an^u-
legen unb gu ftreiten n)iber bie irrigen @infü§rer ber @d^rift,
lö^t ftd^ ol^ne bie @prad^en nid^t t§un. 3)arunt iff d ein toK
t^ümel^men gen)efen, ba^ man bie @d^rift l^at n)oIlen lernen burd^
ber aSäter Sludlegen. !Dlan foKt ftd^ bafür auf bie @prad^en ge-
geben l^aben. — @§ foK und aud^ nid^t irren, ba^ etlid^e fid^ be3
@eifted rül^men unb bie @d^rift gering ad^ten. älber ©eift l^in,
©eift l^er. ^^ bin aud^ im (Seift gemefen. Slber ber Teufel
ad^tet meinen ©eift nid^t fo faft als meine @prad^e. 3)enn mein
©eift nimmt il^m nid^td, benn mid^ allein, aber bie l^eilige @d^rift
unb @prad^en mad^en il^m bie äSelt )u enge unb tl^un il^m
©droben in feim 9leid&/' Slber aud^ für ben meltlid^en ©tanb
bebarf man feiner, gefd^idter SRänner unb ^auen. S)arum foS
man Jtnäblein unb SJtaiblein red^t leieren unb aufgiel^en. ,,SDer
gemein 3Rann !ann unb miK l^ieju nid^td tl^un; f^ürften unb
i^erm foKten'd tl^un, aber fie l^aben auf @d^litten )u fal^ren, gu
trinlen unb in ber 3J2ummerei ju laufen; unb ob'g etlid^e gern
tl^äten, muffen fte bie anbem f dienen, ba^ fte nid^t für Starren
unb Steuer gel^alten merben. SDarum miK'd eud^, liebe 9latgl^erm,
alleine in ber $anb bleiben."
SDem Sinmanb gegenüber, bag man bie fiinber ju $aufe
nid^t entbel^ren lönne, fprid^t er feine 3Jleinung bal^in au3, ba|
man bie Knaben eine Stunbe ober jmo laffe )ur @d^ule gelten unb
bie anbere S^t }u $aufe fd^affen unb ^anbmerl lernen, aud^ bie
üRaiblein eine Stunbe bed ^ged jur @d^ule gelten. SSSeld^e ober
- 191 -
bet äluSbunb barunter roären, bet man {td^ oerl^offt, bag getiefte
£eut TDerben ju Setter unb Sel^rerin, )u ^rebiger unb anbetn getft?
liefen älemtetn^ bie foK man befto mel^r unb lönger babei lajfen.
Slngeftd^td btefet äBorte ift ed unbegreiflid^, mie man immer
n)iebet Sel^aupten mag, Sutl^er fei ber (Sebanle einer SSolISfd^uIe
ferne gelegen, er l^abe bie Sd^ule nur als SSorbereitungSanftalt
für ^rebigtamt unb Staatöbienft angefel^en.
2)iefe üRal^nung Sut^erd mar nid^t Dergeblid^. 3n ben @täbten,
meldte ber Sieformation beitraten, mürbe meift aud^ bad Sd^ul^
mefen neu georbnet, unb bie S3eftimmungen barüber bilbeten einen
mefentlid^en Xeil ber eoangelifd^en fiird^enorbnungen.
SDer erfte SBerfud^, bie ©runbfö^e ber SReformation im Oe^
meinbeleben burd^jufül^ren, würbe in ber fäd^fifd^en ©tabt
Seiönig unter Sutl^eri^ 3wf^*"w*w«9 ««^^ aRitroirlung im Qal^r
152B gemad^t. 3)ie (Semeinbe nal^m in il^rer ,;Drbnung bed ge^^
meinen RaftenS", meldte Sut^er oeröffentlid^te, für fid^ baS Siedet
ber SSeftettung „il^reS gemeinen ^Pfarramts" in Slnfprud^. 3[eber
^audoater mar oerpflid^tet, bei ben ©einen auf treuem 3ln]^ören
bed göttlid^en äBorted gu l^alten. (Segen öffentlid^e ©ottedläfterung,
übermäßiges S^trinlen, Unjud^t unb bergleid^en @ünben foKte ein-
gefd^ritten merben. 2ltte lirc^lid^en ®innal^men foHtcn in einen
„gemeinen Äapen" fließen, auS weld^em bie 3lu8gaben für 5Prc=
biger, Äüfter, ©d^ullel^rer, für Äird^cngcbäube, ©d^ule unb Slrmen^
unterftü^ung beftritten merben foHten; nötigenfalls foHte für biefe
3mede eine ©teuer umgelegt merben. älQein balb l^atte Sutl^er
3u f lagen, baß bie SeiSniger il^ren Pfarrer burd^ junger fort^^
treiben merben.
Ueberl^aupt mußte er ju feiner 93etrübniS erf al^ren, baß mand^e
unter Berufung auf baS @t)angelium fid^ ben Seiftungen für lird^^
lid^e Sroeie, ju benen fte oerpflid^tet maren, entzogen unb baß
,fi^M^ äSänfte'' bie ®üter ber 5tird^en an {td^ gu reißen trad^teten.
@r fud^te, mo er fonnte, bal^in ju mirlen, baß bie lird^lid^en @in^
fünfte für bie $rebigt beS @oangeliumS oermenbet merben; aus
ben leerftel^enben Jtlöftern foQte man ©d^ulen mad^en unb i^re
@inlünfte einem „gemeinen Jtaften'' jur Unterftü^ung ber älrmut
jumeifen.
— 192 —
9ierfej9 ikapilef.
XTec fidf mibec bie (Dl^ri^feit fe^ef, ber
xDiber^rebct Lottes (Dcbnnng. Uöm, |3^ 2.
cSs tnu^ uns TDunbem, \>a% ber oom Jtaifer geäd^tete Sutl^er
fo unbeJ^eKigt in SBtttenbetg n)ir!en unb feine t)on ber Jtird^e oer-
bommten Seigren ntittefö feiner ©d^riften im ganjen Sleid^e »er^
breiten fonnte. SÖIerbingS f)atte baS für ben abroefenben Jtaifer
cingefe^te Sleid^äregiment bie SSifd^öfe jum ©infd^reiten gegen i^n
unb feine Steuerungen aufgeforbert, atterbingä waren feine ©d^riften
nid^t nur in ben Slieberlanben , fonbem aud^ ba unb bort in
33eutfd^[anb, inäbefonbere im §erjogtum ©ad^fen, oerbrannt raorben.
©elbft feine Ueberfe^ung beg bleuen XeftamentS^ obtoofH fte feinen
Flamen nid^t trug, l^atte ^erjog ©eorg ju Derbrennen befolgten.
9lber gegen il^n felbft entfd^ieben oorjuge^en, tonnte man ftd^ nid^t
entfd^Ke^en. S)er 9lad^brud, mit roeld^em er ben IXnrul^en in
aSSittenberg unb bem 2^reiben ber 3n)idEauer entgegengetreten war,
unb bie geiftige Ueberlegenl^eit, weld^e er ben gärenben ®eiftern
gegenüber beriefen l^atte, [ie^ il^n alg einen für bie bürgerlid^e
Stulpe e^er förberlid^en als gefäl^rlid^en 3Jlann erfd^einen. SRand^e
^erfönlid^feiten, meldte beim Steid^Sregiment großen Sinflug l^atten,
neigten entfd^ieben auf feine ©eite.
2)er neue 9ieid^3tag, roeld^er ftd^ im^erbfi 1522 unter bem
3Sorfi$ gerbinanbg, beä SruberS beS Äaiferä, in 5Rürnberg ©er«
fammelte, befafete jtd^ mieberum mit Sutl^er« ©ad^e. S)er 5Rad^'
folger beS ^ßapfteS Seo X., §abrian VI., früher Seigrer bei ÄaiferS
Äarl V., ein burd^ feine ©ittenftrenge auSgejeid^neter 9Kann, fud^te
bie 3Jlipräud^e am päpftlid^en §ofe mit allem ©ruft abjufd^affen ;
t)abei aber war er als 2lnl^änger ber tl^ömiftifd^cn 2^^eoIogie ein
entfd^iebener ®egner Sut^erS. 3lii)i fomol^I weil biefer bie päpft^
tid^e ®ewalt angriff, war er für §abrian, ber früher felbft ate
Gegner ber päpftRd^en Unfel^lbarleit aufgetreten war, ein gefä^r^
lid^er Jte^er, fonbem weil er oon ben Se^ren ber ^ird^e abwic^.
— 193 —
@o ße| benn bet $apft bie @tänbe ^eutfd^lonbS emfitlid^ }um
Sinfd^teiten gegen Sutl^ev aufforbem. S)a6ei fd^eute er jtd^
ober nic^t, }u befennen, ba^ (eint l^eiligen Stul^le in ber legten
3eit oiel S3etabfd^euendn)ertejS notgelommen fei, fo ba^ ed tein
SBunber gemefen fei, n)enn bie Jlrantl^eit nom Raupte gu ben
®Kebem l^erabftieg. ^et Steid^Stag ober, ^iatt bie ätudfül^tung
bed p&pftlid^en Urteile übet Sutl^er unb bed @bilt8 oon SBotmS
)u befd^Ue^en, fteSte an ben $apft baS 9(nfinnen, ein freied d^rift^
lid^ed fionjil an bequemet äRal^lftatt beutfd^et Station binnen
Sol^tedfrift ju Detanftalten. ^njnyifd^en n)oae man ben Jtut-
fütften Don @ad^fen bestimmen, eiS nid^t )u geflatten, bag
Sutl^er etoag brudCen laf(e; überl^aupt mevben bie Obtigfeiten bafür
fovgen, ba^ bie ^rebiger aSed, n)ad iux Uneinigfeit füllte, per-
meiben, bidputierlid^er @ad^en fid^ entl^alten unb allein baS l^eilige
@oangeIium nad^ Auslegung bet Don ber 5tird^e angenommenen
Sd^riften vortragen. 3^^^ mürbe beftimmt, ba^ (Seiftßd^e, meldte
l^eiraten, i^re ^frünben verlieren, aber oon weiterer S3eftrafung
berfelben mar nid^t bie 9lebe. Sd^lieglid^ trugen bie @tSnbe bem
$apfte nod^ il^re 93efd^merben oor unb forberten in nad^brüdEßd^en
SBorten älb^ilfe.
^abrion mar mit biefem Srgebnid freißd^ nid^t gufrieben,
fprod^ fid^ aud^ in einem 93ret)e an ben 5turfürften über beffen
Serl^alten fel^r migbilßgenb auS unb brol^te il^m mit beiben
@d^n)ertem, bem pöpftßd^en unb faiferßd^en. Sutl^er feinerfeits
freute ftd^ jmar, ba^ bie ^lane ber ®egner )u fd^anben gemorben
feien, erllörte aber bem Jturfürften, \>a% er bem SSerbot, S3äd^er
)u fd^reiben, nid^t gel^ord^en lönne, ba aud^ feine t^einbe nid^t
<iufl^Ören, burd^ il^re @d^riften (Sl^riftum gu laftem, oeröffentßd^te
oud^ fofort ein @enbfd^reiben an ben @tattl^alter beS fiaiferS unb
bie SReid^äftänbe „SBiber bie SSerlel^rer unb tjölfd^er faifer-
lid^en SKanbatä", morin er feine äuffaffung jene« SReid^StagS-
befd^luffeg barlegt.
^njmifd^en maren @reignif[e eingetreten, xodi)^ ber @ad^e
bed @oangeßumd groge ®efa^r brol^ten. t^ranj oon @idEingen
l^ielt bie 3«^, ba ber Jtaifer au8 SDeutfd^lanb abmefenb unb bie
t^rften unter ftd^ megen ber tird^ßd^en t^age uneind maren, für
fduxf, Sut^er. 8. 1Cuf(. 13
— 194 —
geeignet, um feinen längft gel^egten 5ßlan jur Sid^erung unb SluS^
bel^nung ber 3Raä)t ber Sleid^gritterfd^aft auSgufül^ren. @o fiel
et benn im Sluguft 1522 in bad ®ebiet bed @r)bifd^ofd von
Xtiet ein, mobei er bef[en Untertl^anen oerl^ie^, fte von bem
n)iberc^tiftlid^en ®efe$ ber Pfaffen )u erlöfen unb jur et)ange(i'
fd^en ^eil^eit ju filieren. 3)utd^ biefed SSorgei^en folgen {td^ bie
^üvften inSgefamt in il^rer Stellung bebrol^t, ballet moren bie
religiöfen ©egenfä^c üetgcflen unb bie coangelifd^ gejtnnten oets
einigten ftd^ mit ben älnl^ängem 9lomg )ur Sefämpfung Sidingeng.
3m 9Kai 1523 rourbe feine ^Jefte Sanbftul^l von ben üetbünbeten
Surften genommen, roä^renb er felbft feinen SEBunben erlag. „®ott
ift ein geredeter, aber munberbarer Slid^ter,'' öu^erte Sutl^er, alg^
er t)on biefem 6nbe beä SKanneS l^örte, meld^er ber ^Reformation
fo nol^e geftanben mar, aber biefelbe für politifd^e $artei}medfe
l^atte benu^en moUen.
SBie menig Sutl^er mit bem SSorgel^en @idingeng einoerftan-
ben mar, gel^t auS einer Sd^rift ^eroor, meldte er auf ®runb
einer früher gel^altenen $rebigt ausarbeitete unb mit einer 3uf<^^f^
an $erjog Qol^ann vom 1. 3öttitttr 1523 oeröffentlid^te. ©ic fül^rt
ben Xitel: „SSon melt(id^er Obrigfeit, mie meit man il^r
®el^orfam fd^ulbig fei/' @r meift au^ ber@d^rift nad^, ba|
biefelbe auf göttlid^er Drbnung berul^e unb jur @trafe ber S5fen
mie }um @d^u^ ber frommen eingefe^t fei. Slber il^re 9(ufgabe
fei nid^t, bie ®eele fromm ju mad^en. Ueber bie Seelen moKe
®ott niemanb regieren laflcn afö fid^ felbft allein. 3)arum börfe
man niemanb jum ®lauben }mingen; l^ier gelte, ba^ man ®ott
mel^r gel^ord^en müf[e benn ben 3J2enfd^en. t^orbere bal^er bie
Dbrigleit mit 93erufung auf bad äBormfer @bilt bie SluSßeferung
beS bleuen S^ftamentd, mie bad ia ^erjog ®eorg mirKid^ getl^an
l^atte, fo bürfe man nid^t gel^ord^en. S^tel^me fte aber bie 93üd^er
mit ®emalt, fo foKe man ftd^ nid^t miberfe^en. @r äußert fid^
l^iebei über bie ^^ürften mit menig (S^rerbtetung. „^f)x foKt mif(en^
ba^ Don älnbeginn ber 3Belt gor ein feltfam SSogel ift um einen
fingen ^rften, nod^ oiel feltfamer um einen frommen dürften;
fte ftnb gemeiniglid^ bie größten Starren ober bie ärgften ^vibm
auf @rben."
- 195 —
Scbcttit man, bafe ein beutfc^cr Slcid^Sfütft c8 war, bcr ti&cr
Sutl^er feine fd^ü^enbe $anb l^ielt; fo mug man ftd^ über bie
^reimütigfeit , \a über bie Siücfftd^tgloftgleit fold^er 9leu^erungen
TOunbcm, nod^ oielmel^r aber barüber, ba| ^ebrid^ ber SDJeife
„biefeS S3üd^Iein$ fo frol^ marb, ba| er eg abf einreiben unb fonber-
lid^ einbinben lie^, bamit er aud^ möd^te feigen, maS fein @tanb
fei cor ®ott^. 2)a| an^ bie .^öd^ften im Sanbe fold^e freimütige
SRebe ertrugen, mar ein großer aSorjug jener 3^i* ^or ber fpäteren.
©0 offen Sutl^er aber mit ben ©eroaltigen rebet, fo meit
entfernt ift er von aller Oemeinfd^aft mit aufrül^rerifd^en Se*
ftrebungen. ®r erflärt eä für OotteS SBillen, baf^ man bie ^Jürften
gnäbige Ferren l^ei^e, il^nen ju fjüfeen falle unb in aller 2)emut
untertl^an fei. 2)od^ lomme eg il^nen nid^t ju, ber Jte^erei gu
meieren. 2)ag foKen bie S3ifd^öfe tl^un. ,;Jte$erei ift ein geiftlid^
3)ing, baS lann man mit feinem ®ifen Ivanen, mit feinem gcuer
oerbrennen, mit feinem SSSaffer ertränfcn." ©o malert er ber roelt^^
lid^en Dbrigfeit il^re felbftänbige ©teQung unb fd^afft }ug[eid^
SRaum für ben im SKittelalter ganj verloren gegangenen ©ebanfen
ber ©emiflenSfreil^eit.
Dbmo^I alfo Sutl^er jjebe gemaltfame Slufle^nung gegen bie
Dbrigfeit permarf, unb obrool^I 5IRe[and^tl^on in einem &6)xtib^n
an ©palattn baS Unternel^men ©idingenä auSbrüdlid^ für einen
Slaubjug erflärte, fo fäumten bod^ bie ©egner ber SHeformation
nid^t, ben cuangefifd^ ©efinnten eine SKitfd^uIb an biefem S5rud^^
beS Sleid^SfriebenS jujufd^reiben. ®8 fd^eint bamafö auf bem
SReid^Stage ju 5Rümberg ju heftigen ©jenen gefommen ju fein.
2)ie (Segner triumpl^ierten, ber (Segenfaifer (©idfingen) fei gefallen,,
ber (Segenpapft (Sutl^er) werbe balb nad^folgen. Slud^ gegen ben-
Äurfürften mürben 2)rol^ungen laut. SKan badete ba^er bei ^ofe-
baran, Sutl^er mieber ju verbergen, biefer aber fd^rieb an ©palatin :
„2)enfe ni^t baran, ba| id^ mieber in einen SBinfel jurüdfel^ren
werbe, e§ mag Sel^emotl^ unb feine Q^npptn muten, wie fie
motten." tlnb aU ber Äurfürft oon ben 3:i^eoIogen in SBitten^
berg ein (Sutad^ten barüber t)erlangte, ob e§ red^t märe, n>^n er
um be§ @t)angcUumS mitten Ärieg fül^rte, fo oemeinte iButl^er
biefe grage unb erflärte, ber Äurfürft fotte ber faiferlid^en ©emalt
— 196 —
n>eid^en unb biefelbe in feinem £anb gefangen nel^men laffen, vom
fte n)oDe.
3>ag Steid^dregintent lonnte jtd^ jebod^ gu einem nad^btüdlid^en
@infci^reiten gegen Sutl^er unb feine älnl^änget nid^t entfd^Iie^en.
^a ed nötigte ben S3ifd^of t)on SBambetg, jroei geiftlid^e 9täte lod-
jugeben^ xoeli)z er eingelerlert l^atte, n^eil fte in ben Sl^eftanb
getreten rooren. 3m $erbft 1523 lonnte Sutl^er fd^reiben, ber
^urfürft fei nid^t blo^ ftd^er, fonbetn ed fei aud^ bad Soben ber
t^rften n)iber benf elben t)iel milber gemorben al3 t)or einem ^di)xe.
2)abei ift eS il^m aber fel^r angelegen, bafe fein gürft burd^ il^n
in teine Ungelegenl^eit lomme. „98ü|te id^ einen 3Beg, il^n ol^ne
@d^mad^ für bad Soangelium aud ber @ad^e l^eraug}U)iel^en, fo
n)oIlte id^ babei aud^ meines Sebend nid^t fd^onen/'
3m Sanuar 1524 trat ber Sleid^Stag auf§ neue in 9lümberg
gufammen. 9luf bemfelben erfd^ien ber ^arbinal Jtampegiud ald
2egat beS ^ßapfteS (Siemens VII., ber im September juoor auf
^abrian gefolgt mar. ®r traf leine bem ^apfttum günftige
Stimmung. 3« 9lümberg prebigte Dfianber offen gegen ben
älntid^rift gu ^om unb teilte baS ätbenbma^l unter beiben ®e-
ftolten auä. Unter ben SKitgliebem be§ Sleid^SregimentS neigten
mand^e ju Sut^erg Sad^e, felbft am $ofe beS Jlönigg ^^erbinanb
fel^lte eS nid^t an 3lnl^ängern ber Sieformation, ja bed JtaiferS
eigne Sd^mefter, bie Königin oon S)änemarl, lie^ ftd^ burd^
Dfianber baS 2lbenbmal^l unter beiberlei Oeftalt reid^en. So ftimmte
benn aud^ ber Sleid^Stag ber vom Kaifer gemünfc^ten Erneuerung
beS 2Bormfer @bi{t3 nid^t bei, verlangte Dielmel^r ein freies jtonjil
in 5Deutfd^lanb jur Unterfud^ung ber Sad^e Suti^erS, unb )ur
Vorbereitung auf baSfelbe eine Serfammlung ber beutfd^en fjürften
unb Stönbe, meldte am 11. Slooember in Speier ftattfinben folltc.
3)ennod^ flagte baS 9luSfd^reiben, in meld^em ber S3efd^lu^ beS
Sleid^StagS belannt gemad^t mürbe, barüber, ba^ baS 3Sormfer
6bilt biSl^er fo fd^led^t befolgt roorben fei, unb fd^ärfte ein, bem-
felben fo gut als möglid^ nad^ju!ommen. So mar in biefem äluS-
fd^reiben ein innerer SBiberfprud^ , ber ftd^ auS ber ©ntftel^ung
beSf elben erflärt, burd^ ben aber Sutl^er, ber geinb aller 3«^^*
jüngigfeit, in bie gemaltigfte Slufregung oerfe^t mürbe, meld^er er
— 197 —
in fetner @d^tift „S^^i laifetlid^e uneinige unb n)ibern)&r^
tige®e6ote benSutl^er betreff enb'' einen fd^arfen ^(uiSbruA
gab. 3Rxt befonberer @ntrüftung äußert er fid^ l^ier über bie
dürften, ja er erllärt fogor mit Sejiel^ung auf ben in bem 9lud-
f einreiben entl^altenen 9(ufruf )um 5trieg wiber bie Xürlen: „^ex
Surf i{l jel^nmal Ilüger unb frommer ate unfre t^rften; mal^
foDte fold^en Alanen miber ben Surfen gelingen?"
Slid^t weniger mar aber aud^ 5tarl Y. mit bem (Srgebnid bed
Steid^iStagd unjufrieben. SSon Spanien au3 fprad^ er feine 3Rxi^
biOigung ber gefaxten Sefd^Iüffe auiS unb verlangte, ba| bad
äSormfer @bift gegen ben Und^riften unb Unmenfd^en Sutl^er
ftrengfienS t)oS3ogen merbe. Slud^ ber Segat bed $apfted mar
gefd^äftig, ein entfd^iebened SSorgel^en ber meltlid^en ®emalt gegen
bie Sieformation 3umege 3U bringen. 2)a er fid^ aber über3eugt
l^atte, ba^ ein fold^ed oom Steid^dtage nid^t 3U erlangen fei, ja
bafe eine jebc Serül^rung ber fird^Iid^en ^oge in biefer SBerfamm*
lung nur ba3U fül^re, ba^ bie alten Sefd^merben gegen Stom
immer mieber oorgebrad^t werben, fo befd^Io^ er nad^ bem alten
®runbfa^ SRomd 3U oerfal^ren: „Srenne unb l^errfd^e." 3)emgemäft
oerfammelte er biejenigen 9leid^3fürften au^ Sübbeutfd^Ianb, auf
beren ©rgebenl^eit gegen ben 5Papft er red^nen fonnte, in SRegcnS-
bürg um fid^. 3)er @r3l^er3og f^erbinanb, bie $erjoge oon Sa^em
unb oiele S3ifd^öfe oerbanben ftd^ l^ier ju energifd^er S3oS3iel§ung
be8 aSSormfer (SbiftS. 3)ieS ift ber erfte Slnfang ber burd^ bie
Steformation l^eroorgerufenen politifd^en Spaltung in 3)eutfd^Ianb^
unb ed oerbient mol^l bemerft 3U merben, ba^ ed bie Partei ber
romifd^ ©efinnten mar, meldte biefen 3(nfang mad^te.
— 198 -
3iUfit» 3iapiM.
Wet nic^t mit mir ift, bet if! mibec mic^.
Cd. Cn(. X(, 25.
'^äl^renb bie 3Rel^tl^eit beä Sieid^dtagiS burd^ l^albe ^Ra^regeln
bie religiöse Spaltung auf frieblid^em SSiege beilegen }u lonnen
meinte, traten ftd^ im Seben bie ©egenfä^e immer fd^ro^er gegen«
über, )e mel^r bie ntm Seigre fid^ ausbreitete unb ind 33oII ein«
brang; unb je mel^r bie praltifd^en Jtonfequenjen berfelben gejogen
n)urben.
91m beften l^atte e3 Sutl^erä SanbeS^err, ^riebrid^ ber
SBeifc, nerftanben, bie Sleformation gu förbem unb babci bod^
einen offenen S3rud^ mit ber Äird^e unb mit ber SReid^Sgeroalt )u
t)ermetben. Sejeid&nenb für feine ganje Haltung ift, bafe er, fo
viel er aud^ für Sut^er tl^at, ed bod^ Dermieb, je einmal per-
fönlid^ mit il^m jufammenjutreffen, unb bafe er, wo il^m baS ®in«
fd^reiten gegen jenen angefonnen rourbe, ftd^ immer barauf jurüdf^
jog, ba^ er ein Saie fei, bem ein Urteil über religiöfe ^agen
nid^t 3uftel^e. @r fd^eint aud^ mirllid^ ein tiefereg äSerftänbnt§ ber
Seigre Sutl^erd nid^t gel^abt ju l^aben, benn nod^ 1522 fammelte
ex Scpquien, nod^ 1524 na^m er fid^ ber SWeffe an. ®r mar in
Slnfel^ung ber Seigre tolerant nad^ allen Seiten l^in, fud^te aber
ängftlid^ aUt Unrul^en ^u oer^üten. Ob eS il^m freilid^ auf bie
S)auer möglid^ gemefen märe, in biefer SteDung ^u oerl^arren, ift
eine anbre ^rage. 3)er 2^ob erfparte il^m eine (Sntfd^eibung, bie
für il^n l^öd^ft peinlid^ gemefen märe. 3lm 5. SKai 1525 unter
ben ©türmen be8 Sauemiriegä ftarb ber fromme, milbe unb be^
fonnene Surft, nad^bem er jid^ nod^ furj tjorl^er entfd^Ioffen l^atte, baS
i^cilige Slbenbma^I unter beiberlei ® eftalt ju empfangen, ©ein Sruber
3ol^ann, ber il^m folgte, l^atte fid^, el^e er jur ^Regierung lam, oiet
cntfd^iebener für bie ©ac^e ber Sleformation auSgefprod^en; wie er
biefe freunblid^e ©epnnung afö Rurfürft beroal^rte, mirb ber SJer«
lauf ber (Sefd^id^te jeigen. (Sin um fo erbitterterer ^einb mar baS
— 199 —
^aupt bcr onbcrn fäd^jtfd^cn Stcgctttcnlinic, ßetjoß ® corg. ©d^on
id ®elegenl^eit bet Seipaiger 2)idputation j^oben toxt il^n aU
Gegner ber 9leformation lennen gelernt. @eitl§et ober toat 3U
ber Sttnetgung gegen bte ©ad^e nod^ perfönlid^e ©ereijtl^eit ge^
treten. Sutl^er l^atte in einem ©einreiben an ben Slittet §art*
rnutl^ t)on Jltonberg, bet {td^ toaxm für bie eoangelifd^e ©od^e
<iu8gefprod^en l^atte, eine anjüglid^e äeufeerung über ben ßerjog
einfßel&en laffen, inbem er i^n eine SBafferblafe nannte unb von
ii^m fagte: „er l^afs au^ im ©inn, er will El^riftum freffen, mie
ber aßolf ein aRuden." Vorüber [teilte il^n ber $erjog in einem
Srief oom 22. 2)ejember 1522 jur SRebe. Sutl^er belannte fid^ ju
biefer äeufeerung, wollte ober t)on einer gurüdnal^me nid^ts roiffen,
ba er cl^er ®runb l^ätte, fid^ über ben ^erjog gu bellagen.
®eorg manbte jtd^ l^ierauf an Äurfürft griebrid^, fud^te aud^
bie 3leid^Sregierung unter ^inroeifung auf Sutl^erS beleibigenbe
Sleu^erungen über bie gürften jum (Sinfd^rciten ju bewegen, o^ne
jebod^ bie geroünfd^te (Senugtl^uung ju erl^alten. Um fo fd^ärfer
Derful^r er in feinem eignen Sanbe gegen bie 2lnl§änger ber SRe^
formation. Äe^erifd^e Sudler, aud^ bie lutl^erifd^e Ueberfe^ung
beS 9ieuen 2^eftamentä, mürben vnixannt, gegen bie Slni^änger
ber neuen ßel^re mit SSerbannung unb ®efängniS eingefd^ritten.
5Rcben ®eorg l^aben mir ben ©rjl^erjog gerbinanb von Defter*
reid^ unb bie ^erjoge t)on kapern als entfd^iebene ®egner ber
Sieformation lennen gelernt. 9lber aud^ au^erl^alb 3!)eutfd^lanbä
regte fid^ bie ^cinbfd^aft. 9lamentlid^ Äaifer ffiarl V. liefe
in feinen Srblanben bie 3lnl^änger ber lutl^erifd^en Seigre oerfol-
gen. SJiefelbe l^atte in ben 9lieberlanben bcfonberS unter ben
Sluguftinermönd&en (Singang gcfunben. ^n xf)xem Rlofter ju Slnt^
merpen mürbe unter ftarlem Slnbrang beg S3olfe3 baS @oangelium
oerlünbigt. 3lfe man barauf ben SSorftcl^er be§ RlofterS, ©einrid^
öon S^tpf)en, ber in SBittenberg ftubiert l&atte unb mit Sutl^er
eng befreunbet mar, eingelerlert i^atte, befreite i^n baä 38ol!, unb eS
gelang il^m ju entlommen. 3)a8 Älofter aber mürbe niebergeriffen
utib bie 3Jlönd^e oor ®erid^t geftettt, bie meiften berfelben leifteten
ben ©erlangten SBiberruf , brei, meldte il^n oermeigerten, mürben jum
^obe verurteilt, unb mäl^renb einer berfelben begnabigt mürbe
— 200 -
ttttb im Äcrtcr blieb , f anb bic iöinrid^tung bcr beibcn anbern^
§ctntid^ SB0C8 uttb Sodann ®fd^, am 1. 3uK1523 ju »rüf[cl
ftatt. ©ic erlitten ben geuertob unter Sobgefangen. Sutl^er aber
blattete auf bie $inrid^tung biefer erften Slutjeugen ber eoan^
gelifd^en Seljre fein erfte« Sieb, ba8 ergreifenbe: „San neue« Sieb
mir lieben an", morin er mit freubiger ©iegeggemi^eit rül^mt:
2)ie 9(fc^e mU nic^t laffen ab,
@ie fi&ahi in allen iBanben;
$ie fpl^i fein S3a(^, £od^, ®ruB noc^ ®raB,
@ie mad^t ben fSfeinb ^u fd^anben.
5S)ie er im Seben burd^ ben SRarb
* Su fd^etgen l^ot gebrungen,
^e mu^ er toi an allem Ort
Ttii aUer (Stimm unb 3ungen
@ar frö^Iic^ laffen fingen.
S)er @ommer ift ^art »or ber a^^ilr,
JDcr SBinter ift »ergangen,
S)ie garten 93Iümlein gel^n l^erfür.
2)er bag l^at angefangen,
3)er loirb ed lool^l DoUenben.
•
$einrid^ t)on 3^^P^^ ^<^^ injmifd^en aU ^rebiger in Sremen
angeftefft morben, folgte bann aber 1524 einem Stuf nad^ SWelborf
in S)itl§marfd^en, um an^ bort bad @üangeUum 3U Derlünbigen^
aber aufgel^e^t burd^ bie bortigen äßönd^e , überfiel il^n näd^t«
lid^ermeile ein Raufen Sauem. Unter empörenben 9Ri|l^anblungen
mürbe er getötet. Sutl^er erjä^lt feinen ^ärt^rertob in einer
Ileinen ©d^rift, meldte er ben ß^riften ju Sremen mibmcte, unb
meld^er eine Sludlegung bed neunten (je^nten) ^falmd beigegeben ift.
@in anbrer HRärtprer ber eoangelifd^en SBal^rl^eit mar Jtafpar
Zauber, ein Bürger ju SBien. SBeil er fid^ meigerte )u miber-
rufen, marb er entl^auptet unb fein Seid^nam Derbrannt.
älud^ ber ©d^mager bed Kaiferg, Jtönig Submig von Ungarn
unb Söl^men, »erfolgte in feinen Sänbem bie 9lnl^Snger beiS (Soan^
geliumg unb lie^ in $eft einen S3ud^l^änbler, meld^er eoangelifd^e
©d^riften uerfaufte, famt feinen ^üti^evn »erbrennen.
@d ift nid^t 3U »ermunbem, ba^ bei fold^ blutigen SBerfol«
gungen ber @t)angelifd^en unter benfelben bie äSefürd^tung , ba|
— 201 —
otuj^ gegen Sutl^er felBft 3Rorbpl&ne gefd^miebet loetbett, ft(^ oer«
Breitete. @d^on in äBotmd l^atte ber Umftanb, ba^ il^m beim
Zrinlen bod ®Ia8 plö^Iic^ jerfptang, ben SSerbad^t rege gemad^t,
man l^abe il^n vergiften moDen, unb fp&ter toax mand^fad^ t)on 93er-
fud^en bie Stebe, i|n meud^lingd ani bem SBege }u f d^aff en, naments^
Kd^ foDte ein polnifd^er ;3!ube gebungen morben fein, il^n }tt töten.
@d n)urben bedl^alb aud^ i^uben oerl^aftet; ol^ne ba| ft^ aber etmad
@id^ereS ermitteln Iie|.
@in perfönlid^er ©egner Sutl^erd n)ar jtönig $einrid^Yin.
von @nglanb. @r l^atte fd^on mäl^renb bed Sleid^dtagiS }u 9Borm3
ben 5taifer )u fd^arfen 3Ra|regeln gegen benfeKen aufgeforbert
unb trat nun, um ftd^ als tl^eologifd^er @d^riftfteSer einen 9lamen
)u mad^en, bem Sud^ Sut^erg t)on ber babplonifd^en ®efangen-
fd^aft ber 5tird^e mit einer Sd^rift ooD ber bitterften ©d^mal^ungen
entgegen, inbem er namentlid^ bie loti^olifd^e SalramentiSlel^re Der-
teibigte. 2)iefe ©d^rift l^at il^m t)om ^apft ben a^itel „SJerteibiger
bed ©laubend^ eingetragen, meldten bie englifd^en Stönige l^eute
nod^ fül^ren, von Sutl^er eine berbe Slntmort. „9Birb mir jemanb
fd^ulb geben," fagt Sutl^er am Sd^Iu^, nad^bem er bem Äönige
no^ feine Sluttl^aten Dorgel^alten, „ba^ id^ Koniglid^e äRajeftät nid^t
oerfd^nt l^abe unb all3u l^art antaftet, ber foS miffen, ba^ id^'d
barum getl^an l^abe, ba^ er fein felbft nid^t Derfd^onet ^at Seugt
er bod^ öffentlid^ unb unt)erfd^ämt auS f^ürfa^, ate bie Suben.''
^etnrid^ befd^merte ftd^ beim 5turfürften, ba^ ber fd^änblid^e SRönd^
ii^n fo befd^mu^t l^abe, aber ol^ne @rfoIg.
9(nberfeitd menbeten fid^ aud^ mel^rere ^rften mit mel^r ober
weniger Sntfd^iebenl^eit ber &aä)e be§ @DangeIium§ )u. 3)ie
^erjoge t)on SRedCIenburg fon)ie ber ®raf t)on SSerti^eim
baten Sutl^er um 3ufenbung t)on @t>angeliften, ol^ne ftd^ ober öffent:"
li^ für iai @t)angelium ju ertlören. @ntfd^iebener trat ®raf
9(Ibred^t t)on SRanSfelb auf Sutl^erg @eite. ;3[nSbefonbere aber
erllärte ftd^ ber Sanbgraf $l§ilipp t)on i^effen auf ein ®e'
fprdd^ l^in, bad er im ^rül^ial^r 1524 mit 3ReIand^tl^on l^atte, nad^-
bem il^m biefer bie eoangelifd^e Seigre fd^riftlid^ turj bargelegt, für
bie @ad^e ber Steformotion unb mar fortan ber eifrigfte SSor-
iompfer berfelben, obmol^l ein @d^n)iegerfol§n beS bem Soangelium
— 202 —
fo feinblid^en ©eorg mn Sod^fen. 9{id^t toeniger folgenteid^ war
CS, bafe ber ©tofemeiftcr bc8 S)cutfd^otbcn8, SKarfgraf 3llbt cd^t
t)Ott Sranbcttburg, jtd^ bcm ©üangcUum juwanbte. 3« Siüm^
berg, roo er beim 9leid^dtag gegen bie fein Drbenälanb ^teu^en f)axt
bebrängenben $oIen $ilfe fud^te, lernte er bie eoangeßfd^e Seigre
namentlid^ burd^ Ofianberd SSermittelung lennen unb nianbte jtd^
an Sutl^er um guten diät, wie er eine Sfteformation feines fel^r ner-
n)eltnd^ten DrbenS ind 2BerI fe^en lönne. Sutl^er fd^rieb au§
biefer SSeranlaffung eine ®rmal^nung „an bie §errcn beutfd^en
Drbend; hai fte falfd^e Keufd^l^eit meiben unb 3ur redeten el^eßc^en
Keufd^l^eit greifen'', ^ie Orbendritter seigten fid^ aud^ bem (^vcca^
gelium geneigt, felbfl itoei t)on ben nier S3ifd^öfen beg OrbenS»
lanbeg, $oIen) t)on Samlanb unb @rl^arb t)on $omefanien,
gingen mit (Stnfül^rung ber Sieformation Doran, unb bie brei oon
äUbred^t berufenen $rebiger bed SoangeliumS, S3rieämann, $aul
@peratug unb $oIianber mürben bie (Soangeliften oon $reu^en.
sSTMt aber mürbe t)on bem Se^nS^errn be3 Drbeng, bem 5tönig
©igidmunb oon $oIen, am 10. älpril 1525 aU erblid^er ^ergog
t)on 5ßreufeen belel^nt.
Slud^ Jtönig ßl^riftian IT. t)on ®cmemarl, ein 9leffe be8
Äurfürften IJriebrid^ beS SBeifen, begünftigtc fd^on 1520 bie eoan^
geßfd^e Seigre, jebod^ nur auS politifd^en ©rünben, mürbe bann ober,
al3 er, megen feiner ©raufamleit au^ 3)änemarl unb Sd^meben
oertrieben, fid^ in @ad^fen aufl^ielt, mit Sutl^er perfönlid^ belannt,
gemann beffen Xeilnal^me unb fd^eint aud^ tiefere @inbrüdfe ber
eoangelifd^en SBal^rl^eit erl^alten )u l^aben, obmol^l er aa^ politifd^en
Stüdfjtd^ten feine eoangelifd^e ©e^nnung gegenüber oon bem Jlaifer
oerleugnete. Uebrigend mürbe in Sd^meben feit 1523 burd^
ben König ©uftao 2Bafa, in 2)änemarl burd^ König ^riebrid^ ber
SHeformation vorgearbeitet.
^a^ unter ber beutfd^en 9litterf d^af t Sutl^er mand^e ^eunbe
l^atte, l^aben mir fd^on gel^ört, ebenfo aber, ba^ bei benfelben bie
Siebe jum @oangeIium meift burd^ @tanbedintereffen getrübt mar.
SJa^er mar eS für bie Deformation fein Sd^abe, bafe feit ber
SRicberlage, meldte bie SÄitterfd^aft in ber ^ßerfon ©idfingenS ^^
litten l^atte, il^r (Sinflu^ aud^ in fird^Iid^en fingen }urüd(trat.
- 208 -
©offttungctt mod^tctt jtd^ an bic gto^c 341 t)Ott öftcttctd^ifd^cn ätbefö«
gefd^Ied^tem tnäpfen, toeld^e ftd^ bem @t>angeßum jugeioanbt l^atten.
älu^ in geleierten Streifen fal^ man {td^ mel^r unb mel^r
jenotigt, )u bcr 3leformation für ober wiber ©teffung ju nel^nten.
^rd^tfamere ®emüter, rottet fxä) ju il^r anfänglid^ i^ingesogen
gefül^It l^atten, n)urben burd^ bad ftürmifd^e 93orge§en einzelner 3(m
langer unb burd^ bie Unrul^en; roüüfc il^re @infü^rung ba unb bort
l^eroorrief , (ebet^Iid^ gemad^t, milMDigten e3 aud^ n)oiei, ba^ Sutl^er
fo rüdftd^tdloiS ben erften 9Rännem in jtird^e unb @taat entgegen«
trat unb ba| lird^Iid^e ^agen, nield^e nad^ il^rer 3Jteinung nur
im Äreife ber (Selel^rten l^ätten erörtert werben fotten, unter baS
S80H getragen mürben. Ql^Sbefonbere bei mand^en Vertretern be8
Humanismus mar bieS ber %q!CI. SSitter Ilagte @o6an $e^ in
einem Sriefe, ben er im Flamen ber „gebeugten Äird^e" an Sutl^er
fd^rieb, über bie mbnd^ifd^ ungebilbeten f^einbe ber SBiffenfd^aft,
meldte ben ©lauben immer im ^Runbe fül^ren, lie^ fid^ aber bod^
burd^ Sutl^er unb SReland^tl^on beruhigen unb blieb ber Sad^e bed
@oangeIiumS treu. KrotuS bagegen manbte ftd^, nad^bem er
längere 3^ ^^c jmcibeutige Sötte gcfpielt, ben (Segncm ber
9leformation 3U. ^on @raSmuS l^aben mir früi^er gel^ört, mie
{urüäl^altenb er ber lird^Iid^en Semegung gegenüber ftd^ benommen
l^atte, unb wie menig Vertrauen Sutl^er in i^n fe^te. ©eit bem
9%ei^Stag oon äBormd mar baS SSerl^ältnid beiber ^Jlänner ein
immer gefpanntereS gemorben. Qn einem S3rief an DeloIampabiuS
au8 bem ^af)x 1523 fprid^t Sutl^er oon ben ©tid^en, meldte il^m
jener in feinen ©d^riften gebe, unb bemerlt treffenb: ,,®ra3muä
i^at oottbrad^t, mo)u er berufen mar; er l^at bie ©prad^en eingefül^rt
unb uns oon ben gottlofen ©tubien abgezogen. Vieffeid^t mirb
er mit STOofe im ©efilbe STOoab fterben, benn gu ben befferen
©tubien, bie jur ©ottfeligleit bienen, fül^rt er nid^t meiter/' SSon
mand^en ©eiten, inSbefonbere aud^ oon ben $äpften £eo unb
^abrian, mar @raSmuS aufgeforbert morben, gegen Sutl^er 3U
fd^eiben. ©ogar auf ein ViStum l^atte man il^m Hoffnung ge-
mad^t. Sutl^er fürd^tete fid^ nid^t, erflärte oielmel^r, menn jjener
{td^ in baS ©piel menge, merbe er il^m mit f^reubigleit begegnen
unb fid^ fein großes älnfe§en, 9iame unb ®unft nid^t anfed^ten
— 204 —
lafen; bennod^ aber loünf d^te er einen öffentlid^en @treit )u oer^
nteiben unb fd^rieb bal^er an @radmud: „id^ ixite bid^, bleibe
bloßer 3ufc^<tu^ i^ unfrem Xrauerfpiel, Dereinige beine 5Cruppen
ntd^t mit benen ber ®egner, namentlid^ gib leine S3üd^er gegen
mid^ l^eraud; xoxt x^ aud^ nid^td gegen bid^ l^erauiSgeben n^erbe/
@radntud antn)ortete auSn)eid^enb. @r wu^te, roa» eg l^ei^e, gegen
Sutl^er f d^reiben ; er n>ar für feinen Sluf ber ^eifinnigf eit bef orgt^
ja er meinte, menn er gegen Sutl^er auftrete, lönne er fid^ in
3)eutfd^Ianb nid^t l^alten, müf[e fogar fürd^ten, gefteinigt }u merben.
3lber 3ule^t lie^ er ftd^ bod^ burd^ ^einrid^ vni. t)on @nglanb,
Don meld^em er eine ^enfton be^og, 3um 98erl)eug feiner 9lad^e
on Sutl^er gebraud^en unb gab gegen benfelben eine fd^on feit
längerer 3cit t)crfa^te lateinifd^e ©d^rift unter bem 3!itel „SB&l^anb-
lung über ben freien SDSiffen" im S^^te 1524 j^eraus. ©eine W^
fid^t wax im aDgemeinen bie, ba§ jur S3efeligung beg 9Renfd^en
bef[en eigener freier 98iQe mit ber göttlid^en ®nabe jufamfnenwirle.
Heber bie ätrt biefed 3ufammenmirlend äußert er fid^ fel^r fd^man-
tenb, n)ie er überl^aupt fefte Sel^auptungen nid^t auffiteCen fonbem
ed lieber mit ben ©feptilem l^alten miQ.
Sutl^er antwortete am @nbe bed ^af^xz^ 1525 in ber ®d^
„SBom gelned^teten ffiitten". 3)en fleptifd^en ©tanbpunft beö ®rad'
muS meift er mit 9iad^brud( pixüä, ^benn ber Gl^rift bebarf ber
©emi^i^eit^. 3(ud bem Stömerbrief befonberg unb bem i^oJ^anneS-
eüangeßum fud^t er bann }u bemeifen, ba^ ,,ber freie SBiOe nid^td
fei", benn ®ott l^abe alle« oerfel^en unb t)erorbnet in Sroigfeit,
unb ber SKenfd^, ein (Sefangener beS ©atanS, merbe nid^t lod,
wenn biefer nid^t burd^ Äraft beS ^cil. (Seifte« übermunben merbe.
2>er menfd^Kd^e SBiQe ift mie ein Sleittier, auf meld^em entmeber
ber Xeufel ober ®ott {t^t, unb meldte« bal^in gei^t, mol^in fein
Sleiter eS lenlt. ®otte« SRatfd^Iufe ift eS alfo, bafe einem 2:eil
ber Slenfd^en bie Jtraft ber @rlöfung nid^t gefd^enlt mirb; unb
wenn bie ©d^rift bod^ mieber fagt, ®ott motte, ba^ aDen STOenfdJen
geholfen werbe, fo ift jmifd^en bem offenbaren unb bem l^eimlid^en
SBitten ®otte8 gu unterfd^eiben. ®em Unteren aber foffen mir
nid^t nad^forfd^cn fonbem ®otte8 ®el^eimniffe anbeten. Srft in
ber ©migfeit merben mir biefelben begreifen.
— 205 —
3)te l^ter mit oCev @d^ärfe oudgefptod^ene fiel^re t)on ber
ewigen ©nabemoal^l ftnben loit aud^ 6ei 3Rdan^t^on unb ebenfo
Bei 3wi^0ti unb Saloin. Sutl^er f)at fte aud^ nie jurüdgenommen.
Seine (Srunblel^re; ba| (ei bem Selign^erben beS SRenfd^en bie
@nabe oEed tl^ue, fd^ien il^m biefe Stonfequenj )u forbem. 3(6er
nie il^n in feinem 9Rönd^dIe(en bad Slad^ftnnen ü(er bie göttUd^e
„Serfel^ung^ an ben 9lanb ber 33erjn)eiflung gebrad^t; fo matnt
er immer mieber vox bem ®rü(eln über ben geheimen 38illen unb
meift auf ben in Sl^rifto offenbaren SiebedmiUen l^in, ber und in
9Bort unb ©alrament ftd^ bejeuge.
9(ud^ non anbem geleierten ©egnem mürbe Suti^er in ben
^al^ren 1523 unb 1524 angegriffen, Sod^läuä, @mfer unb @d(
lonnten nid^t rul^en. 3ln fie fd^Ioflen fid^ aU neue SBtberfad^er
ber fjfranjidlaner Sd^o^geier unb i^fol^ann ^l^aber t)on Jtonfton) an,
inbem fte ®elübbe unb Sölibot üerteibigten. Sutl^er aber ant^
mortete teiU gar nid^t, teils nur lur), überlief eiS aud^ mol^l
feinen ^eunben, eine ^ntmort }u geben, benn bie tragen, um
meldte ftd^ biefe ©d^riften brel^ten, maren für il^n ie|t abgemad^t.
Sntfd^iebener ald bie ©ele^rten traten bie Sürgerfd^aften
unb 5ßatrijierfamiUcn mcler beutfd^en ©täbte auf bie Seite
ber Sieformation, ^n erfter Sinic ftanb l^iebci Slürnberg, wo
Sutl^erd ^^reunb SinI ba3 Soangelium prebigte, mo im State
Spengler bie Sad^e ber Steformation führte unb in ber Sürger^^
fd^aft ber berül^mte 37laler ällbred^t 3)ürer unb ber el^rmürbige
SReifterfänger ^andSad^ä begeifterte älnl^änger berfelben maren.
Se^terer l^at 1523 in feinem Siebe oon ber mittenbergifd^en 3ta^^
tigoll bie SSerberbniiS ber römifd^en Jtird^e unb ben Sieg ber lid^ten
Sonne bed (Soangeliumd über ben trügerifd^en SJtonbfd^ein ber
SReufd^enlel^re gefd^ilbert. Elchen Stümberg maren nod^ mel^rere
Stäbte Sübbeutfd^lanbd bid 1525 ber ^Deformation )ugef allen; fo
fd^on 1523 Strasburg, mo 3^11^ Su|er unb (Sapito baS
@oangelium prebigten, unb Sd^mäbifd^'^all, mo 3^^^^^^
93ren3 mirlte. ^m folgenben ^a^xt mürbe in Ulm Sam alä
erfter ^rebiger bed reinen ©ottedmorted angefteSt, aud^ inätugS-
bürg oon SutJ^erä ^^^eunb ^rofd^ unb oon Urbanud SRegiud
baiS Stbeubmal^l erftmald in beiberlei ®eftalt aufgeteilt.
- 206 -
3m norblid^ctt ©cutfd^Ianb betief SKaßbebtttg 1525 ben
3txt älmdborf; um bie 9leformation butd^jufül^ren, Hamburg
ben Sugenl^agen; toäl^renb in Sternen fd^on 1522 bie^tebigt
be§ SoangeliumS tom dtat gefd^ü^t wutbe. @elbft im fernen
Dften unb Slotben manbten ft^ bie Sütgetfd^aften bet neuen Se^te
ju. 3« S3te8lau t)etotbnete 1524 bet diai, baft bie teine Seilte
bet l^eil. Sd^tift geptebigt metbe; unb in ben @tabten Siülanbd
3tiga, Sleoal unb Sotpat finben fd^on 1521 $tebiget beä
@DangeIiumd (Singang. Sutl^et, butd^ 3ufd^^ften aud jjenen
@täbten oetanlagt, fd^tieb wiebetl^olt an fte, juetft 1523 fe^te et
ben „auSetmäl^Iten, lieben ^eunben ©otteS, aQen ßl^tiften ju
SRigl^a, 9let)eff unb Xatiti^e" bie §auptfumme bet eoangelifd^en
Se^te fut) audeinanbet; bann fd^idte et il^nen im folgenben
Salute eine SKuSlegung oon 5ßfalm 127 .famt einem ©enbfdjteiben^
in meld^em et fte etma§nt^ füt @intid^tung von @d^ulen unb ben
Untetl^alt il^tet $tebiget )u fotgen; enblid^ gaben i^m Untul^en,
rodä)z bet fd^mätmetifd^e Jtütfd^netgefeSe 3Reld^iot $offmann ouS
©d^roäbifd^'§att in 3)otpat l^etpotgetufen l^atte, 1525 benSlnla^,
bie „lieben E^tiften in iJieoIanb" ju d^tiftUd^et ©inigleit ju et^
mal^nen.
^vi^ bie fd^on 1519 angelnüpfte SSetbinbung mitSöl^men
aufjuftifd^en fa^ pd^ Sutl^et ©etanlafet. (Sine 1522 jufammen-
betufene ©tönbepetfammlung foQte baju benü^t n)etben, bog Sanb
jut (Sinl^eit bet tömifd^en Kitd^e 5utüd(jufül^ten. Sutl^et etma^nte
in einem ©enbfd^teiben an bie ©tänbe ju 5Ptag, an beibetlei
©eftalt beg ©abamentg fefijul^alten unb ba§ unfd^ulbige 93lut
beS feiigen So^^ttneä $ud nid^t pi oetbammen. S^S^^^^ fptid^t
et bie Hoffnung oud, ba^ 3)eutfd^e unb äSöl^men butd^ bad gött^
lid^e SBott einen ©inn unb Slamen übetlommen wctben, unb
empfiel^It bie $tebigt bed (Soangeliumd aU bad befte Ttitttl, um
bie untet il^ncn t)orl^anbenen ©eften ju übetwinben. 3m folgenben
Salute manbte et fid^ an ben Sat unb bie ©emeinbe oon $tag
mit. einet ©d^tift übet bie ©infe^ung bet ©eiftlid^en, in
meldtet et auäfü^tt, bafe eS bet Dtbination butd^ bie päpfttid^en
»ifd^öfe nid^t bebütfe; ba oielmel^t baS malzte ?ßtieftettum allen
ßl^tiften oetmöge bet 2^aufe julomme, fo l^abe bie ©emeinbe aud^
— 207 —
baS Siedet, {td^ feKfit $tebtget bed @t>angelium3 )u befiteSen, toeld^e
bonn aud il^ter SRitte ftd^ SSorflel^er toäl^len lönnen, um fo eine
einl^eitlid^e Sanbedlitd^e J^et^ufteKen. älDem bte eoangelifd^e Seigre
touibe in Sonnten ate fremblänbifd^ Derbäd^tigt unb bie Utta^
quiften, ftatt fid^, n>ic Sutl^et gcl^offt, bem ®oangelium 3ujun)enben,
t)ettrieben bie ^rebiger beSfclben unb jctgten fid^ g^Ö^ We gorbe^
tungcn SlontS nad^giebiget benn je.
Hebet bie „SBrübet SlBalbenfeS^ b. ^. bie bö^mif d^en 8rü^
ber, weld^e, wie wir oben fallen, afö eine ton ber utraquifüfd^en
2anbeäfir(^e gettenntc SteligionSgemeinfd^aft in Söl^men beftanben,
l^otte fid^ Sut|er fd^on in frül^eren ©d^riften auSgefptod^en, noment-
Kd^ l^atte er i§re (Seringfd^ä^ung ber ©prad^en mifebittigt. 9lun
n>utbe er burd^ ©peratuS naiver mit il^nen belonnt. ®iefer lernte
pe tx)äl§renb feines äufentl^alts in Qglau als ernfte El^rifien lennen,
ober il^re 9lbenbmal^ISlel^re mad^te i^m Sebenlen, meldte er in einem
93rief an Sutl^er audfprad^. älbgefanbte ber SBrüber überbrad^ten
biefen Srief ; t)on il^nen lie^ fid^ Sutl^er genaueren Sluffd^Iufe über
il^re Seigre geben. @r roax burd^ baS, n)a§ er l^örte, im ganzen
befriebigt, münfd^te aber, ba^ jte ftd^ unnü^er fjragen in Segiel^ung
auf bie 9lrt ber ©egenmart be§ £eibeS (Sl^rifti im älbenbmal^I
enti^alten. äBieberl^oIte 3)arlegungen i^rer Se^re, weld^e {te ii^m
jufanbten, beftimmten il^n, 1528 bie ©d^rift ,;S3om Slnbeten bed
©alramentS beS ^eil. Seid^namS Sl^rifti" l^erauSjugeben.
$ier fprid^t er ftd^ ^um erftenmal gegen biejenigen aud, meldte fagen,
ba§ ©alrament fei nid^t ber Seib Sl^rifti, fonbem eS bebeute il^n
nur unb fei ein Seicl^en beSfelben. S)ie Slnbetung will er frei geben
unb legt leinen SBert auf fie. gn einigen anbem ©tüdfen l^at er
©inmenbungen gegen bie SBrüber. 3^^^ erlannte er i§ren „feinen,
jüd^tigen SBanbel" an, aber er finbet nod^ SRangel in bejug auf
£e^re unb ©lauben, inSbefonbere 3U üiel Sßertfd^ö^ung ber 33erle.
hierauf erroiberte ber ©enior ber Srüber, SulaS. ®r l^ielt an
ber Seigre ber äSrüber in betreff beä älbenbma^Ied unb ber Siedet-
fertigung feft unb Ilagte über baS laie Seben ber beutfd^en SSe-
lenner bed SoangeliumS. 3!)ie ©efanbten ber Srüber, meldte
biefen Srief überbrad^ten, äußerten, fie f önnen für ben Fortgang
ber eoangelifd^en Ba^^ in 2)eutfd^Ianb nid^tS ©uteS propl^ejeien,
— 208 -
folange auf ben beutfd^en @d^ulen unb Unioerfttäten fo mel ®e?
voi^t aufd 93if(en unb fo loenig aufd ®en)if[en gelegt toerbe.
3)cmtit l^atte ber äSerlel^r }n)ifci^en beiben teilen Dotläufig ein
@nbe. W>ex um 1532 loanbten [xäf jene n>teber an Sutl^er unb er
lie^ ftd^ bie (Srllärungen, n>eld^e fie il^m übet il^re älbenbmal^U^
leiste gabeU; gefaUen, gab aud^ jniei il^rer S3elenntniffe mit einer
aSorrebe 1533 unb 1538 l^erauS. 1535 unb 1536 rid^tete er »riefe
an fie; il^r @enior älugufta lam mieberi^olt nad^ äSittenberg unb
nod^ t)om i^al^r 1542 i^aben mir einen »rief Sutl^erd an benfelben.
2)ie Sßeitl^erjigleit, mit meld^er Sutl^er für aQe @rfd^einungen
eoangelifd^er f^römmigleit, aud^ menn fie mit feinem 3BerIe in
feinem 3ufammenl^ang ftanben, @inn unb äSerftönbnid l^atte, geigte
fid^ au^ barin, ba^ er oerftorbene 3^S^ ^^ SSktl^rl^eit mieber
an^ 2i(^t )og. So fd^rieb er 1522 eine Sorrebe )u einer Samm-
lung oon ©d^riften bed 3<>^<^^n 38effel, unb 1524 gab er
Setrad^tungen )um 31. unb 51. $falm l^erauS, meldte ©aoonarola,
ber äßärtprer beg (SoangeliumS in Italien, im 5terler Derfa^t l^atte.
1525-1530.
fdutf, Sttt^er. S. «uf(. 14
^ftt» üiapittr.
Mmfbxxihtfixthunspm in Mixtlit nnti Slaaf.
menge tidf nic^t unter bie 2(nfrflf}cecifc^en^
benn il}c UnfaQ oirb pldfjlidf ent^et^en.
Spr. 5a(om« 2^ 2; f.
^ttit t)crbif[cttcm ®rott trug Jtatlftabt bic 9ltcbetlagc, wcld^e
feinem f d^märmetif d^en 2^tcibcn burd^ Sut^etS SR üdf el^t nad^ SBittens
Berg bereitet motben mar, unb ma^tt, mäl^renb Sutl^er in feiner
Slrglofigleit fid^ aufS rüdfftd^täDoffftc gegen il^n benai^m, auf
SKeland^tl^on ben ®inbruÄ, bafe er auf Sftod^e flnne. gnbem er
ben gemeinen SKonn für fid^ gewinne, l^offte er eine 9lotte ju
fpielen, unb bie rcformatorifd^e Seigre vom ^rieftertum atter ©läu^
bigen foUte il^m aü 3SlxtUl l^ieju bienen. @r erllärte fid^ gegen
bie a!abemifd^en 3Bürben, laufte ein äSauemgut in ber 9läl^e t)on
3Bittenberg unb lebte mie ein SSauer unter ben Sauetn, bel^ielt
aber babei fein Sel^ramt an ber Unit)erfttät famt beffen Sinlünften
bei. 3ugleid^ trat er mit %f)ima^ SRün^er, ber injmifd^en in
ättftäbt ?ßrebiger geworben mar, in l^eimlid^e SSerbinbung, trug
aud^ in feinen ©d^riften m^ftifd^e ©ebanfen vor, meldte mit bcnen
SJlünjerS Dermanbt maren, ba^ bie @eele burd^ Entäußerung von
oJlem Jtreatürlid^en, burd^ ©elaffenl^eit ^ur SSergottung gelange,
unb bag 9Ber! Sl^rifti barin beftel^e, baß er un^ auf biefem 33ege
vorangegangen fei. 2)er gelafjene SKenfd^ erlange burd^ @ins^
gebung bed i^eiligen ©eifteS aud^ bad rechte ©d^riftoerftänbnig^
medl^alb bie tl^eologifd^e SBiffenfd^aft ^u Dermerfen fei. S)ie ®z^
meinbe ju Orlamünbe mußte er 3U beftimmen, baß fie il^n )U
il^rem $faner mäl^lte, mäl^renb er ba§ @inIommen feined ^mteS
in äBittenberg fort bejog. Üfun mürben bie Silber unb älltäre
— 212 —
aus bcr Rird^e geworfen, ber ©otteSbicttft geroaltfam gednbert
unb bie Se^re aufgefteüt, ntan ntüffe gegen bie 9(bg5tteret (Seroalt
braud^en unb fie n)ie ein anbreS SSerbred^en nttt bem Sd^roert
(trafen ; Sutl^er aber unb feine Slnl^änger bejetd^nete er als ®ö|en'
patrone. Salb traten aud^ bie f^olgerungen l^erDor, roeld^e auS
feiner ntpftifd^en SRid^tung für bie ©aframentälel^re ftd^ ergaben.
S)ie jtinbertaufe beanftanbete er, im l^eiligen Slbenbnta^l fa^ er
nur eine (Sebäd^tniSfeier be3 Dpf ertobeS (S^rifti ; ber Seib beS
§erm fei nid^t gegenwärtig, benn bei bem SBorte: „®a3iftmein
2eib" l^abe ^t\vi^ gar nid^t auf baS 95rot ^ingeroiefen, fonbem
auf feinen natürlid^en Seib. Qn Sena l^atte Rarlftabt eine eigne
2)rudEerei für feine ©d^riften. 2)er Slufforberung bcr UntDerfitat,
nad^ SBittenberg jurüdfjufel^ren, öerfprad^ er jmar fjolge ju leiftcn,
l^ielt aber baS SSerfpred^en nid^t; auf feiner ^ßfarrei t)erbtieb er
bem lurfürfttid^en 9Jerbot jum SCro^. ©o rourbe Sutl^er nad^
3ena gefanbt unb prebigte bort am 22. 3luguft 1524 n)iber ben
„SlUftäbter (Seift", auä wetd^em Silberftürmerei, Serad^tung ber
©aframente unb Slufrul^r entfpringen. Äarlftabt öermal^rte fid^
in einer Unterrebung bagegen, ba^ man feine Seigre mit ben Se-
megungen in älQftäbt jufammenmerfe; Sutl^er aber l^ielt il^m ent^
gegen, ba^ er bennod^ ju ben neuen 5ßropl^eten gehöre, unb for-
berte il^n auf, öffentlid^ unb nid^t l^eimlid§ miber i^n ^u fd^reiben,
gab il^m oud^ al3 $fanb biefer (Srmöd^tigung einen (Sulben unb
öerfprad^ i^m, bie SSeröffentlid^ung ber ©d^rift nid^t ju l^inbem.
SSom SRat unb ber (Semeinbc gu Drfamünbe erl^ielt Sutl^er einen
S3rief doH ©d^mä^ungen, unb als er im Sluftrage beS jturfürften
am 24. Sluguft pcrfönlid^ bortl^in fam, mürbe er mit SSormürfen
empfangen; feine SSerfud^e, bie aufgeregte SDlenge ju belehren,
waren t)crgeblid^. „^d^ fanb mo^l, fd^reibt er barüber, roaS für
©amen er (Äarlftabt) ba geföet l^atte, ba| id^ frol^ marb, bafe
id^ nid^t mit ©teinen unb 2)redE auSgeroorfcn warb, ba mir etlidje
berfelbcn einen fold^cn ©egen gaben: %a^x l^in in taufenb 3^eufel
3iamen, bafe bu ben §ate bräd^ft, e§e bu jur ©tabt l^inauSfommft."
infolge biefer Vorgänge mürbe Jlarlftabt beS SanbeS oermiefen.
@r l^ielt fid^ in SRot^enburg an ber 3^auber, bann in ©trafeburg
auf, bis i§n ber "^tat auSmieS, meil er burd^ feine Steben gegen
- 213 —
Ärujtpjc, SKc^geroänber unb anbrc Ucbcrrcftc bcS ,,®ö|cttbicttftc8"
baS 93oß aufregte. Sofort begab er fid^ nad^ Safel, too er in
Dielen ©d^riften feine 2lnfid|ten oerbreitete unb pd^ über Sutl^er
aU einen f^reunb bed Slntid^riftä fd^arf audfprad^. 3)ie (Seiftlid^en
in Strasburg nal^men an ben fd^wärmerifd^en Slnjtd^ten jtarlftabt^
9(nfto|; ober feine älbenbma^lslel^re fagte ben bortigen X^eologen
äSu^er unb jtapito ju; wie fie aud| ntit ber von B^i^S^i ^^
3tirid^ unb Delolampabiuä in Safel certretenen Sluffaffung beS
äbenbma^Iä übereinftimntte. ©o wanbten fie ftd| benn öon ©träfe-
bürg aus ntit il^ren Sebenfen an Sutl^er, roeld^er fofort ntit einem
©enbfd^reiben antwortete, worin er fie t)on ben äufeerlid^en S)ingen,
auf TDeld^e Äariftabt mit Ungeftüm l^inein falle, wie Silberftürmen
unb bergleid^en, auf bie Onabe GJ^rifti, auf ®laubc unb Siebe
alä auf bie $auptftüdfe beä ei^riftentumä oermeift. 3n betreff
beä äbenbmal^tö fagte er: „SDaS befenne id^, mo Dr. Äariftabt
ober jemanb anberö vor fünf Salären mid^ l^ätte mögen berid^ten,
bafe im ©aframent nid^tä benn Srot unb SJBein wäxe, ber l^ätte
mir einen großen 2)ienft getl^an. 3d^ l^abe mol^I fo l^arte Sln^
fed^tungen ba erlitten unb mid^ gerungen unb gemunben, bafe id^
gern l^erauSgemefcn märe, meil id^ mo^l fal^e, bafe id^ bamit bem
^ßapfttum l^ätte ben größten 5Puff geben fönnen. — Slber id^ bin
gefangen, fann nid^t l^erauS, ber Xeii ift ju gcmaltig ba unb
mill fid^ mit SBorten nid^t laffen auS bem ©inn reiben. 3a wenn
nod^ heutiges ^agg möd^t gefd^el^en, bafe jemanb mit beftänbigem
®runb bemeifet, bafe fdf)Ied^teS (blofecS) Srot unb SBein ba märe,
man bürfte mid^ nid^t fo antaften mit ®rimm. Qd^ bin leiber
allju geneigt baju, footel id^ einen Stbam fpüre. Slber mie
Dr. Äarlftabt baoon träumet, fid^t mid^ fo wenig an, bafe meine
SKeinung nur bcfto ftärfer baburd^ wirb." 2Benn man biefe SEBortc
2ut§erS fd^on meinte fo beuten ju fönnen, afö l^ätte er bie öon
il^m oerfod^tene Stbenbmal^lslel^re felbft nid^t geglaubt, fo l^at man
bamit nur bie eigne Unfäl^igleit jum SSerftänbniS ber gemaltigen
©eelenlämpfe biefeä SKanneS an ben S^ag gelegt.
3u 3(nfang bed 3^l^re3 1525 manbte er fid^ bann gegen
ÄarlftabtinberSd^rift: „SBiberbiel^immlifd^en^ropl^eten''.
S)tef elbe l^at jmei ^eile. ^m erften wirb bie Seigre beS ©laubenS
— 214 —
unb ®en)iffen§ ben äußeren S)ingen gegenübet gefteüt, bie man
nid^t bütfe }um ®efe$ ntad^en. 93on bie[em Stanbpunit aud
t)em)trft Sutl^cr bie Silberftünnetet unb beftrcitet bie SSerbinblid^^
feit bed ntofaifd^en ©efe^eä , inSbefonbete be§ Sobbotgebotd für
bie (Sl^tiflen. ^ann n^eift er nad^, ba^ Aarlftabt mit 9ted|t auä
bem Sanbe geroiefen n)orben fei, ba er ben $5bel (mfgen)iegelt
l^abc. 3Kit „§err Dmneä" (b. 1^. ber SoIfSmoffe), fei nid^t ju
fd^erjen. SBenn berfelbe bie ßrmorbung ber ©ottlofen ©erlangte,
mt n)oIIte jtariftabt n)el^ren? @d^lie^Ud^ ift nod^ t)on ber 3Reffe
bie SRebe, inbem bie Seibel^altung biefeS 3lamen8, baS Smpor^
l^olten be§ @alramentg (bie fogenannte Sleoation), ja aud& ber
®ebraud^ ber lateinifd^en ©prad^e bei ber SDleffe oerteibigt wirb.
S)er }n)eite ^eil bel^anbelt bann bie 9(benbma^telel^re. 9[u3 ber
©d^rift, roeld^er man glauben müfje, aud^ wenn „%iayx ^ulba",
b. 1^. bie SSemunft, wiberfpred^e , beroeift er bie (Segenmart beä
Seibed Sl^rifti im ©aframent. 2)arau3 folge aber nid^t bie rö-
mifd^e SSermanblungälel^re, benn bie SBorte „3)a8 ift mein Seib''
feien fo ju oerftel^en, mie menn eine 5Dlutter, auf bie SQSicgc beu^
tenb, fage: „2)aS ift mein Rinb", womit fie aud^ nid^t bel^aupten
loolle, ba^ bie SBiege in baS Äinb öerroanbelt morben fei. 3)em
Ginmanb, ba^ (Sl^rifti Seib nid^t oom $immel l^erunterlommen
tonne, begegnet er mit ber Berufung auf @pl^. 1, 23, monad^
6l^riftu3 an aQen Orten fei unb alleä erfülle. @r fd^lie|t mit
einer 9Bamung Dor jtarlftabt unb feinen ^ropl^eten, meldte ol^ne
Seruf leieren unb t)on bem §auptftüdf d^riftlic^er Seigre, mie man
folle ber ©ünben lo8 werben, fd^roeigen.
2Bie fd^mer e3 aber Sutl^er mürbe, t)on einem SRenfd^en, bem
er einmal naiver geftanben, ju laf(en, baS jeigte er aud^ jtarlftabt
gegenüber. Slfe er l^örte, mie er jtd| unftöt in granfen um^ertreibe,
lub er i^n ju einer 3ufammenfunft ein unb bat ben Äurfürften um
frei Oeleit für il^n. 3)iefer aber fd^lug bie Sitte ab, unb Sut^er l^örte
fo t)iel SRad^teiligeS über Rarlftabt aus ber ^Äi feine« Slufentl^altS
in Drlamünbe, ba^ er junäd^ft jebe Säejiel^ung gu il^m abbrad^.
3(l3 er aber nad^ ^liebermerfung beg Sauemaufftanbei^ aud Slotl^en::
bürg, roo er gur Silberftürmerei aufgeforbert, fliel^en mu^te unb
eine ©d^rift auggel^en lie^, um bie 3Ritfd^ulb am Sauemaufrul^r
— 215 —
Don {td^ abjuiDäljen, fd^rieb Sutl^er ein Segleitmort ba)u, legte aud^
(eint fturfürflen %üxbxiit für t^n ein. Sluf biefeg ^in n^arb i^nt
geftattet, ^ in ber 9lä^e t)on 9Bitten(etg niebergulaffen. 9l6et
nad^ btei i^al^ten begab fid^ ber untul^ige, eitle SRann abermals
ouf Srrfal^rten, bis er ^rebiger in 3^nd^ unb bann $rofef[or
in Sofel würbe, wo er 1541 flarb.
aSiel bebenKid^er nod^ als ßarlfitabts @d^n)ärmerei n^ar baS
treiben t)on ^Rünjer. @r prebigte, unter ^Berufung auf träume
unb Offenbarungen beS ®eifteS, bie 9[uSrottung ber ©ottlofen;
insbefonbere bie Pfaffen unb 3Rönd^e f outen getötet, unb bie
^prannen, weld^e ben (Sl^riftenglauben ausrotten n)oOen, wie bie
toütenben $unbe enoürgt werben. 93on Mftäbt auS Inüpfte er
na^ aOen Seiten l^in SSerbinbungen an, beren nod^ geheim ge-
l^alteneS 3^^^ allgemeine ©ütergemeinfd^aft mar. Sutl^er roaxnU
fd^on im 3uli 1524 ben Rurfürften unb ben §erjog Sodann oor
bicfem (Seifte, ber eS nid^t beim ffiort motte bleiben laffen, fonbern
mit ber fjauft breinfal^ren unb leiblid^en Slufrul^r anrid^ten. SDaS
tßrebigen mitt er i§m nid^t verboten l^abcn. „5Dlan lafje jte nur
getroft unb frifd^ prebigen, benn eS müfjen Selten fein unb
baS SBort OotteS mu| ju treibe liegen unb lämpfen. — 5IBan
laffe bie ®eifker aufeinanber platten unb treffen; aber mo fie
aud^ moUen bred^en unb f dalagen mit ber ^auft, ba foUen @uer
tJürftl. ®naben jugreifen, eS feien mir ober jte, unb ftradfS baS
Sanb tjerboten!" Slud^ ben3lat unb bie Sürgerfd^aft in aRül^ll^aufen,
mo ein el^emaliger W6n^ namens ^ßfciffer für SKünjer mirlte,
unb mo^in fid^ biefer felbft oon SUftäbt auS begab, toaxnU Sutl^er
t)or il^m. SBäegcn ber Unrul^en, bie er erregte, mu^te er bie ©tabt
balb mieber oerlaffen unb manbte ftd^ nad| 9lümberg, mo er neben
anbem aud^ i^o^^^n^ 3)enl, ben9leItor ber ©ebalbuSfd^ule für
ftd^ gemann, meld^er nun mit ben SRünjerfd^en Seigren aud^ bie
Seugnung ber S)reieinigfeit unb ber ©ottl^eit ßl^rifti oerbanb. 3n
SRümberg uerfafete SKünjer eine „©d^u^rcbe miber baS geiftlofe,
fanft lebenbe f^leifd^ gu äBittenberg'', voU ©d^mäl^ungen gegen
Sut^er. hierauf burd^manberte er baS fübmeftlid^e 3)eutfd^lanb unb
bie angrenjenbe ©d^mei), aKentl^alben im geheimen baS 93ol! auf^
reigenb, unb ber Same, ben er auSftreute, fiel auf f rud^tbaren SBoben.
— 216 —
9[IIentl^al6en gärte ed bamate unter ben Sauern. &Md^
teils lagen jte unter bem l^arten SDrucf ber 2eibeigenfd|aft, anbenu^
teils waren ani^ fte t)on bem burd| baS ganje SSolI l^inburd^-
gel^enben $ang jum äBol^lleben unb ®ro|tl^un angeftedft. ®o
iieigerte jtd^ bie Unjufrieben^eit von 3al^r ju 3^r. 3)a uer-
breiteten jid^ bie üel^ren ber 9lef ormation, unb bie 8auem fäumten
nid^t, pe in il^rem ©inn auSjulegen. Unter ber d^riftlid^en fjrei-
l^eit t)erftanben jte bie Befreiung con gtonen unb abgaben , auS
ber SSerroerfung ber Äloftergelübbe unb an^ ber ^ßrebigt t)om
aEgemeinen ^ßrieftertum jogen fie bie Folgerung, ba| an Rlöfter
unb @eiftlid^e nid^tS mei^r ju be^al^len fei. @S n}äre aber fel^r
unred^t, ber Slcformation bie ©d^ulb an bem Sauernaufrul^r auf-
jubürben, benn nid^t nur tarn fd^on cor bem auftreten Sut^erS
bie Unjufriebenl^eit ber Sauern in einzelnen Slufftänben jum 9luSs
brud^, fonbem cS blieben gerabe bie (Segenben, in wcld^cn bie
etjangelifd^e Seigre ungel^inbert burd^ ben SDrudE päpftlid^ gefinnter
Dbrigfeiten unb ungeftört burd^ baS fd^märmerifd^e a:reiben 5!Jiün-
jerS unb ber Seinen oerfünbigt mürbe, am meiften vor ben ©reueln
beS SauemfriegS bemal^rt. 3)a| eß überl^aupt )u gemaltfamen
äluSbrüd^en lam, bafür l^at man neuerbingS bie ^olitil beS ba^-
rifd^en Äan^lerS Seonl^arb @dE mit bead^tenSmerten (Srünben oers
antroortlid^ gemad^t (ugl. Sogt : „2)ie baprif d^e 5ßolitiI im Sauern=
Irieg'O.
S)er Slufrul^r brad^ ju Anfang beS Sal^reS 1525 im fübmeft-
lid^en 2)eutfd^lanb auS. 2)ie gemäßigtere 5ßartei unter ben Sauem
gab i^ren fjorberungen in ben „jraölf 2lrtifeln ber Sauerfd^aft in
©d^maben" SluSbrudf unb fanbte pe an fiut^cr mit ber Sitte um
ein Outad^ten über biefelben. 6r gab baSfclbe in feiner „ßr^
mal^nung jum %xxei^n^' nod^ im S^nuar 1525. 2)a bie
®efal^r beibe für @oüe^ Sieid^ unb ber äBelt Sieid^ fo groß fei,
fagt er, fo muffe man ol^ne Anfeilen ber ^ßerfon reben unb raten.
S)ann fäl^rt er fort: ,,@rfitlid| mögen mir niemanb auf @rben
bauten fold^eS älufrul^rS, benn eud^ dürften unb $enen, fonberlid^
eud^ blinben Sifd^öfen, tollen Pfaffen unb 3Rönd^en, bie i^r nid^t
aufhöret, miber baS l^eilige @t)angeUum }u toben, baju im melt^
lid^en ^Regiment nid^t mel^r tl^ut, benn baß i§r fd^inbet unb fd^ä^et.
-- 217 —
— 2)a3 foQt il^r n}tf[en, liebe fetten, ®ott fd^afft'S alfo, ba| man
nid^t fann, nod^ toiE, nod| foE eure SSiflterei in bie Sänge bulben.
31^t ntü|t anberd n>erben unb ®otteg 9EBort toeid^en. ^ut il^r'd
nid^t burd^ fteunblid^e, wiQige Seife; fo mü|t i^rS tl^un burd^
gewaltige unb oetberblid^e Unn^eife. 2^l^un'3 biefe Sauem nid^t,
fo müffen'S anbre tl^un. — @8 pnb nid^t Säuern, bie pd^ wiber
eud^ fe^en, ®ott ift'S felber, ber fef^t ftd^ n}iber eud^, l^eimjufud^en
eure S^üterei. Sluf ba| il^r ober eud^ nod| weiter Derfünbigt, fo
fallen @t(id^e an unb geben bem ©oangelio bie @d|ulb, fpred^en,
baS fei bie ^rud^t meiner fiel^re. — 3l^r unb jebermann mufe mir
3eugni$ geben, ba^ id| mit aSer @tille gelel^ret l^abe, l^eftig miber
^ufrul^r geftritten unb )u ©el^orfam unb @l^re, aud^ eurer tpran-
nifd^en unb tobenben Dbrigleit, bie Untertl^anen üermal^nt mit
l^öd^ftem %ld^, ba| biefer 3(ufrul^r nid^t tann au^ mir lommen,
fonbem bie SRorbpropl^eten, meldte mir j|a fo f einb ftnb ald mä),
ftnb unter biefen 5ßöbel fommen, unb niemanb fo faft gemel^ret
unb mibcrftanben benn id^ aßein. — SBenn id^ Suft l^ätte, mid^
an eud^ ju räd^en, fo möd^t id^ je^t in bie i^auft lad^en unb ben
S3auem jufel^en, ober mid^ a^d^ ju il^nen fd^Iagen unb bie Qatl^m
l^elfen ärger mad^en, ober ba foU mid^ mein ©ott oor behüten,
wie bidl^er/' @r ermal^nt fie bann, ed juerft gütlid^ mit ben
Sauem )U oerfud^en, ,,auf ba| nid^t ein ^nl angelte unb ganj
3)eutfd^lanb anjünbe, ba| niemanb löfd^en fönnte". ^2)en erften
3(rtilel ber S3auem, ba fie begel^ren bag ©oangelium )u l^ören
unb 9ied^t, einen Pfarrer )u ertodl^Ien, lönnt i^r nid^t abf dalagen
mit einigem 6d^ein. — 35ie anbem 2lrtifel, fo leiblid^ Sefd^merung
anzeigen, finb aud^ billig unb red^t."
3)ann menbet er fid^ an bie Säuern unb toatnt jte, in biefer
&ai)z, ba ed Seib unb ©eele gelte, allerlei @eiftem unb ^rebigem
ju glauben. 2Benn fie ftd^ eine d^riftlid^e Flotte ober Bereinigung
nennen unb babei bod| gegen ©otteS 9Bort baS @d^mert nel^men
unb fid^ gegen bie oon ©ott georbnete Obrigleit auflel^nen, fo
fei baS ein 3Ri^braud^ bed 9lamend ©otteS. SBenn jeber fid^
felbft räd^en moEte, fo bliebe leine Drbnung in ber SBelt, fonbem
eitel äRorb unb Slutoergie^en. „2)ie 3Jlorbpropl^eten moEten
burd^ eud^ gerne Ferren in ber äBelt merben unb fragen nid^td
— 218 —
banod^, ba^ fte eud^ füllten in f^ol^r SeibS, ®utö, @^re unb
@ee(e, beibe jeitlid^ unb en)iglid^/' S)ann jetgt er aus ber ©d^rift,
ba^ gen)altfame @e(6ftl^ilfe bem @DangeIium )un)iber fei. 3)ie
redete d^tiftlid^e äBeife, t)om UnglüdE frei }u n)erben, fei bulben
unb ®ott anrufen. @r (eleud^tet l^ierauf bie erften btei älrtitel.
S)ie t^orberung, ba| bie ©emeinbe ba§ 9led^t l^aben foO, il^ren
Pfarrer ju roä^Ien, bittigt er im attgemeinen, wenn aber bie ^Pforr?
guter von ber Dbrigteit lommen, ntüf(e man fid^ t)on biefer be-
mütigUd^ einen Pfarrer erbitten; mitt bie Obrigleit nid^t, fo n^äl^le
bie @emeinbe einen eignen unb ndl^re il^n t)on il^ren eignen @üf
iexn, S)en jrociten Slrtifel, meld^er ©erlangt, ba^ bie 3^^«*^« bem
Pfarrer unb armen Seuten ausgeteilt merben, erilört er für eitel
Sflaub, ba bie 3^^nten ber Dbrigteit gel^ören. S)e§gleid^en ift i^m
bie im britten Slrtif el geforberte 9[ufl^ebung ber Seibeigenfd^aft im
SJBiberfprud^ mit ber ©d^rift: „3)a8 Reifet d^riftlid^e greil^eit ganj
fleifd^lid^ mad^en.'' 3)ie' anbem Slrtitel mitt er ben 9led^tSgelel^rten
bef eitlen. 3^^ @d^lu^ fprid^t er an^, ba^ auf beiben @etten
nid^tS Sl^riftlid^eS fei, beibe fed^ten nur, um baS Unred^t )u erl^alten,
barum finb, bie erfd^lagen merben, etpigltd^ verloren, unb 3)eutf^'
lanb mirb ©ermüftet merben. @r tat ba^er, aui bem Slbel etlid^
®rafen unb Ferren unb aug ben ©täbten etlid^e 9latdl^erren ju
@d|iebgrid^tern }u ermöl^len. „^^ aber mitt meinen ®ott bitten,
ba| er m^ beibeS ^eilä entmeber vertrage unb einige, ober gnäbig^
lid| Derl^inbere, ba^ nid^t nod^ eurem Sinne l^inaudgel^e, miemo^l
mir bie fd^redflid^en 3^^^^ ««^ SBunber, fo biefe S^xi l^er ge-
fd^el^en, einen fd^meren 3ßut mad^en, unb forge, ®otteä 3^^ f^
ju ftarl angangen."
Snjtoifd^en l^atten unter ben Säuern milbere ®eifter bie
Dberl^anb belommen. ©engenb unb plünbemb gogen fie uml^;
t)on ©d^maben unb Raulen auS verbreitete ftd^ ber älufftanb aud^
nad^ ^dringen; von SRül^ll^aufen aus fd^ürte benfelben SRünjer,
ber mieber bortl^in jurüdCgelel^rt mar, mit Pfeiffer. @rfurt öffnete
ben Säuern bie 2^l^ore; in 9Bittenberg mar man in ^urd^t vor
SRünger; ber jturfürft lag im ©terben, bie Dbrigteit mar nid^t
gerüftet. ^n biefen Sagen ber l^öd^ften ®efal^r, gu älnfong bed
3Rai, befanb ftd^ Sut^er ju @i3leben. @r reifte burd^ bie von ben
— 219 —
aufftönbifd^en Säuern erfüllten ©egenben unb fud^te burd^ fein
98ort gu berul^igen. ^^ÜRitten unter i^nen bin id^ geroefen unb
burd^ fie gebogen mit @efal^r SeibeS unb SebenS. 2)ie Xl^üringifd^en
S3auem l^abe id^ felbft erfal^ren, ba^, je mel^r man fte ermal^net
unb Icl^rct, je ftörriger, ftoljer unb toller fie mürben." SJBie
emft er bie Sage anfal^, gel^t auS einem SSrief oom 4. aWai l^er-
vox, in bem er fd^reibt: ,,3Bol^lan, lomme id^ l^eim, fo mitt idj
mid^ mit OotteS $ilfc jum 3;obe fd^idfen unb meiner neuen Ferren,
ber 3Körber unb 3läuber märten, — aber el^e id^ mollte billigen
unb led^tfpred^en, xoa^ fte tl^un, mollt id^ el^er l^unbert $älfe Der-
liercn." Unter bem ©inbrudf bef[en, xoa^ er in biefen 3^agett
gefeiten l^atte, fd^rieb er bann feine fd^arfe ©d^rift „SBiber bie
mötbcrifd^en unb räuberifd^en SRotten ber Sauern."
,,3)rcierlei gräuUd^e ©tinben miber (Sott unb 3Kenfd^en laben
biefe Sauem auf fid^, baran fie ben Xob oerbienet l^aben an Seib
unb ©eele mannigfaltiglid^;" t)on biefem @a$ gel^t er au§, näm«
lid^ ba| fte ben gefd^morenen ©el^orfam breiten, ba^ fie rauben
unb plünbem unb ba^ fte fold^e fd^redflid^e ©ünbe mit bem
(Soangelio bedien. So rät er benn ber Dbrigleit jum erften }u
befcnnen, ba^ mir foId^eS rool^l *oerbient l^aben, banad^ bemütig?
lid^ bitten miber ben 2!eufel um $ilfe; bann foll man ftd^ gegen
bie tollen Säuern jum Ueberflu^ ju Siedet unb ©leid^cm erbieten,
banad^, mo baS nid^t l^elfen rniH, flugä gum ©d^mert greifen.
SBSer auf ber Dbrigfeit ©eiten erf dalagen mirb, ift ein red^ter
aJlärt^rer oor ®ott. „Unb ob'§ gleid^ gefd^äl^e, bafe bie Sauem
oblägen, benn (Sott pnb alle 3)inge moglid^, unb mir nid^t miffen,
ob er oielleid^t jum SSorlauf be§ jüngften S^ageS, metd^er nid^t
ferne fein mill, motte burd^ ben 3^eufel äffe Dbrigfeit unb Drb^
nung jer^ören unb bie SBelt in einen müften Raufen merfen; —
fo fterben bod^ mit gutem (Scroiflen, bie in il^rem ©d^mertamt
funben merben, unb laffen bem S^eufel ba§ meltlid^ SReid^ unb
nel^men bafür baS emig 3leid^." 3« nad^brürflid^em (Sinfd^reiten
foff fid^ bie Dbrigleit namentlid^ aud^ burd^ bie 9lüdlftd^t auf bie
frommen Seute, meldte bie Säuern ju il^rem teuflifd^en Sunbe
gmingen, bemegen laffen. „S)arum löfet l^ie, rettet l^ie, l^elft l^ie,
erbarmet eud| ber armen Seut; fted^e, f daläge, mürge l^ie mer ba
— 220 —
faiitt. SIetbft bu barü6cr tot, rool^I bir, fclialid^eren %cb fannft
bu ttitnmettnc^r übcrfommcn."
@8 ifk bef annt, wie bcr Slufftanb ber Säuern in il^rem Slute
crfticft tt)urbc. 2)ic tJ^üringifcl^ctt Saucm Ratten bic aSermittclutifl,
tDcld^c bcr ©raf oon 3Kan§fcIb ocrfud^tc, auf 3Rünjcr8 änfttftctt
gurüdfgcrotcfen unb würben ©on Sanbgraf 5ßl^iKpp oon ©cfjcn unb
$crj09 ®eorg uon ©ad^fen am 15. 3Wai bei granlen^aufen ge^
f dalagen; 3Jlünjcr unb ^Pfeiffer würben gefangen unb l^ingerid^tct.
®egen bie überrounbenen Sauern geigte ^l^ilipp »on $ef{en unb
3ol^ann, ber an fJriebrtd^S ©teile Äurfürft oon ©ad^fen geworben
war, möglid^fte SKilbe, wal^renb wandle fatl^olifd^e gürften fd^o^
nungSloS gegen fte cerful^ren. ^a biefelben, nantentUd^ ®eorg
t)on ©ad6fen, fud^ten ben Sauemaufrul^r gegen bic Cöangelifd^e
©ad^e auszubeuten; Slnl^ängcr ber Steformotion, ingbefonbere
eoangelifd^e ^ßrebiger würben l^ingertd^tct, afö wären fie Slufrül^cr.
©ergog ®eorg fud^tc aud^ ben Äurfürften S^l^ann unb ben Sanb^
grafcn ^^ilipp t)on Sutl^er, als bem Url^cbcr beS SlufftanbeS,
ab^ujicl^cn. 35od^ ol^ne (Srfolg. SlnbererfcitS aber würben gegen
Sut^er bamals, wie l^eute nod^; wegen feiner fd^arfen ä(cu|erungen
wiber bie Säuern bittre Klagen laut. 6r red^tfertigte fid^ gegen
bicfelben in einem an ben SKanSfelbifd^cn Äanjler Äafpar 5Kütter
gerid^teten „©enbbrief Don bem l^arten Süd^Iein wiber bie
Sauern." (Sr gel^t l^ier auf ben Unterfd^icb jwifd^en ®ottcS Steid^
unb SDSeltrcid^ jurüdE; in ienem gelte bic Sarml^erjigfeit, biefeS
ober fei ein Sleid^ beS 3orneS. ;,§at man 3öm pcrbicnt im weit-
lid^en Slcid^, fo leibe man bie ©träfe ober bitte fie bemtitig ab.'*
2ln bem 3KiPraud^ beS ©iegS von ©eiten ber $erren fei fein
Süd^lein nid^t fd^ulbig, er woEe avL(!^ bie wütigen X^rannen nid^t
gelobt l^aben, bie über bie 3Ra| graufam fal^ren mit ben armen
Seuten, fonberlid^ aber fid^ wiber baS (Soangelium fe^en unb „mengen
unfre ©ad^ unter bic Sttufrül^rerifd^en. aber fie werben balb aud^
ernten, waS fie jc^t fden." @r l^abe nid^tbaoon gef d^rieben,^ wie
man es mit ben Seficgten l^alten foHe; bencn fotte man ®nab
crjeigen, nid^t aQcin ben Unf d^ulbigen, fonbem oud^ ben ©d^ulbigen.
©0 l^at 2ut§er bem furd^tbaren ©türm, weld^er bie jarte
?Pflanjung ber eoangelifd^cn Äird^c gu jerftoren bro^te, ftd^ ent-
— 221 —
^egengefiellt mit einem 3R\xU, ber ftd^ nid^t fd^eute, nad^ red^ts
unb linid 1>ad ftrafenbe SBort ju rid^ten in unparteiifd^em SBa^r-
l^eitdexnfte. @o ferne i^m jebe poUtifd^e S3ered^nung lag, fo l^at
tr bod^ in einfältigem ©el^orfam gegen ba§, maS il^m a(S ©otted
SBiOe f eft ftanb, eben baiSjenige ergriffen, maS aud^ in politifd^er
^infid^t baS einjig rid^tige mar, unb fo fdjarf feine SBorte flangen,
fo floffen pe bod^ aus bem l^erjlid^ften ©rbarmen mit feinem armen,
oerfü^rten 38olfe. darüber, roaä er t)on biefem SSoIfe erwarten
bürfe, l^at il^n freilid^ ber 95auemlrieg erft red^t belel^rt. 2)afe in
ber Rird^e ßl^rifti ber §err DmneS nid^t bürfe bie ^errfd^aft l^aben,
mar il^m burd^ bie ßrfa^rungen beä gal^res 1525 oottenbs flar
geworben, unb fo fal^ er pd^ me^r unb mcl^r baju geftil^rt, bei
ber Drganifierung ber neu fid^ bilbenben Aird^e vox allem auf bie
^riftlid^e Dbrigfeit ju red^nen.
2m\U» üiapitef.
3c^ nnb mein Qans tooQen bem Qerrn bienen,
3of. 2^ X5.
lir l^aben gefe^en, mie Sutl^er bie SSerel^elid^ung ber (Seifte
lid^en bittigte unb bie SSerbinbtid^feit ber Äloftcrgelübbe ocrmarf,
mic er aber felbft, tro|bem, ba^ üiele feiner DrbenSbrüber baä
Älofter öerlie^en unb fid^ üerel^elid^ten , bem Älofterlebcn treu
Wieb. 2lu3 bem Qal^r 1522 l^aben mir »on i^m eine ^ßrebigt
vom el^eHd^en äeben, in meld^er er auSfül^rt, ba^ baSfelbe auf
©otteS ®ebot unb SBerf rul^c. ^n bemfelbcn ^al^re gab er eine
äuSfcgung von 1. Äor. 7, um ju jeigen, bafe ftd^ bie geinbe bcä
@l^eftanbeS mit Unred^t auf biefeä Kapitel berufen. 5!Kel^rerc feiner
greunbe uerl^eirateten fid^, fo Sauge in (Srfurt, bann Sugen^
l^agen, ^Pfarrer in SBittenberg, bef[en §od^jeit Sutl^cr felbft an*
mo^nte, im Dftober 1522, unb Sinf , ber frül^ere ^rooinjial beä
äuguftinerorbeng , 1523. ©inen anbem iJreunb auä bem geift?
{id^en @tanbe ermal^nte Sutl^er felbft, fid^ nid^t burd^ ^urd^t t)or
— 222 -
üb(en Slad^reben tom @inttttt in bie @^e abl^alten )u Iaf[en.
9(u(i^ Slönd^e unb 3lonnm, n}e(d|e bie filöfter Detlie^en , toanbten
ftd^ melfad^ an il^n. @r untetftüt^te fte auS eignen ÜRitteln toic
butd^ Smpfel^lung an anbre. t^^eilid^ ma^ie er babei aud^ 6e^
ttilbte @rfal^rungen mit äRönd^en, xodi^e, „toxt fie um bed f^leifd^eS
millen inS Äloftet gegangen, fo nun aug bem nämlid^en @Tunbe
bemfelben entlaufen", unb l^atte batüber ju Ilagen, ba| er viel
®elb ^mit ausgelaufenen $Könd^en unb SRonnen uemarren muffe".
Sim allgemeinen aber erblidfte er in ben ftd^ mel^renben älugtritten
au^ ben filöftem ein S^^^ baoon, ba| ®otted ^qü meiter
gel^e. Um Dftem 1523 l^atte, ol^ne 3w>eifel burd^ Sutl^er Der?
anlaßt, Seonl^orb Ropp, Slatdl^err }u 2^orgau, mit $ilfe üon jn^ei
bürgern auä bem Alofter 92im^fd^ bei ©rimma neun !Ronnen,
lauter ^öd^ter angefel^ener f^amilien, entfül^rt unb fie nad^ äBitten^
berg gebrad^t; Sutl^er Deröffentlid^te ein ©d^reiben an il^n: „Urs
fad^e unb Slntroort, bafe Jungfrauen Ätöfter göttlid^
oerlaffen mögen". @r belennt barin offen, ba| er bie ©ad^e
Deranla^t l^abe. 3)enn „xoa^ mir tl^un, bag tl^un mir in (Sott
unb fd^euen ung beg nid^t am Sid^t"; unb er l^offt, ba| burd^
biefen SSorgang mand^e von älbel merben ermutigt merben, il^re
jtinber and ben jtlöftem ju nel^men. 3)ann red^tfertigt er bie
%f^at, inbem er barauf l^inmeifl, bafe bie Äinber juoor felbft il^re
@ltem unb fjfreunbfd^aft gebeten l^aben um $ilfe l^erauSjuIommen.
@% fei il^nen aber abgefd^lagen morben unb fte t)on jebermann
oerlaffen gemefen, fo ba^ eS eine ^flid^t d^riftlid^er Siebe gemefen
fei, il^re Seelen unb ©emiffen ju retten. Seiber fto^e man ja
bie jtinber, fonberlid^ bad fd^mad^e äBeiberoolI in bie filöfter, mo
baS @oangelium feiten gel^öret merbe, unb merben bod^ in ben
l^öd^ften Äampf gefteHt, nömlid^ um bie 3u«9ftcmfd^aft ju ftreiten,
ba läum biejenigen beftel^en, bie mit ®otteS SBort gerüftet unb
mit l^ober ®nabe erl^aben ftnb. „D ber unbarml^erjigen @ltem unb
greunbe, bie mit ben ^^xen fo gräulid^ unb erfd^cdffid^ fal^ren!"
©Ott molle leinen gejmungenen 2)ienft ; aber unter taufenb 9lonnen
fei loum eine, bie fröl^lid^ unb mit Suft i^ren ©ottedbienft tl^ue.
9Beil nun fold| ©elübbe ol^ne Suft unb ©eift gefd^ie§t, fo aii^tet
es ©Ott nid^t. t^emer fei bie ©abe ber jteufd^l^eit nid^t fo aOge^
— 223 —
mein ; bic SJßeibSpctf onen feien ßef d^aff en, Äinbcr ju gebären, unb
nur (Sott feftft, nid^t unfer (Selübb ober freier SBittc f önnc il^nen
eine anbre Seftimntung geben. @in ©elübbe fei nur bann )u
l^alten, wenn eiS in unfrer 3Rai)i ftel^e. S^ngfrdußc^e Aeufd^l^eit
aber fei eine befonbere @abe, bie man nx6)t geloben lönne. 9lud^
bürfe man nid^t oufd @ebet oenoeifen, benn id^ barf ®ott nid^t
oerfud^en. — Sd^Ke^Iid^ ermibert er auf bie ©inrebe, bafe eö
ärgerlid^ fei, wenn Äloftericute in bie @l^e treten, unb bafe man
ber fd^mad^en ©ewiffen fd^onen fotte: „3d^ foff ber fd^road^en ©e^
roifjen fd^onen,' fofeme eS ol^ne %Qi)x meiner ©eele gefd^el^en mag,
mo nid^t, fo foH id^ meiner ©eele raten, eS ärger* fic^ bran bie
ganje SEBelt ober l^albe SBelt." Sutl^er fud^te für biefe 5Ronnen
ba unb bort Unterlunft, bat aud^ ©palatin, am $ofe ®elb ju
il^rem Unterl^alte ju erfammcln. 2lud^ an^ anbern Älöftem ge=
fd^al^en fold^e ©ntmeid^ungen. @o mar eine Alofterjungfrau ju
eisleben, meldte in il^rem fed^ften 3al^r öon i^ren ©Item in§
Älofter gebrad^t morben mar. ©d^on im oierjel^nten Sebenäial^r
fül^lte pe pd^ nid^t gefd^idft ju biefem ©tanb, mürbe aber im
Äloftcr jurüdfgel^atten. Site fie fpäter ftd^ an Sutl^er um SRat
menbete, mürbe bief er ©d^ritt oerraten , unb fie l^atte begl^alb l^arte
3Kifel^anblungen ju erbutben. (Sin mißlungener glud^toerfud^
brad^te neue ^Peinigungen, bis e§ il^r enblid^ bod^ gelang, ju ent-
fommen. Sutl^er f^at biefe oon i^r felbft befd^riebene ©efd^id^te
nebft einem oon il^m ^erfaßten ©enbfd^reiben an bie ®rafen Don
aSanSfelb ceröffentlid^t.
(Sr felbft legte bie SRönd^Strad^t erft am 9. DItober 1524 ab.
©eine Äutte mar abgetragen, ber Äurfürft fd^enfte il^m ein ©tüdf
3:ud^, barauS ließ er fid^ ftatt einer Äutte einen SftodE mad^en. S)aS
Ilöfterlid^e S^fammenleben ber Sluguftiner in SQBittenberg l^atte
aufgel^ört. Sutl^er mol^nte mit nur einem (Senoffen im Älofter,
es fel^lte an allen 95equemlid^Ieiten, ein ganjeS 3lal^r lang l^attc
er niemanb, ber .il^m baS 33ett mad^te. Stbcr nod^ badete er nid^t
an 35erl^eiratung. Slrgula oon ©rumbad^ (geb. o. ©taufen), eine
treue greunbin ber ^Reformation, \)aiie x^n baju gemal^nt, er
aber ließ il^r burd^ ©palatin am 30. 5Kooember 1524 antworten :
„Saäie mein §erj bis bal^er geftanben unb nod^ ftel^et, mirb nid^tS
- 224 —
barouS iDerben, bQ| id^ ein SBeiB nel^men foS, toeil id^ tögßd^
ben Xob ermatte unb baS tool^loetbiente Urteil eined Äe^erd/
98ie mu^ ed und nad^ fo(d^en 9leu|erungen übenaf(|en, in
jenem Briefe, ben er mitten unter ben Sd^reden bed Sauemiriegä
cm 4. 3Rax 1525 fd^rieb, bie äBorte ju lefen: ,,jtann id^'3 fd^idEen
bem 3^eufel jum ^ro$, min id^ meine Aätl^e nod^ jur @l^e
nel^men, el^e benn id^ fterbe." S)iefe Äätl^e mar eine jener neun
aud 9lim^fd^ entmid§enen 9lonnen, Aatl^arina von ^oxa,
geb. ben 20. ganuar 1499 unb fd^on 1509 inS Älofter oerbrad^t.
3la^ il^rer f^Iud^t brad^te fte Sutl^er bei bem @tabtfd^reiber
^eid^enbad^ in äBittenberg unter. Son einer S^^^ifl^ng ju il^r
war bamald leine Siebe. „SBenn id^ vox breijel^n 3<^ren l^ätte
freien motten/' fo äußerte Sutl^er nad^mals in feinen S^ifd^reben,
„fo l^ätf id^ @oa Sd^önfelbin (aud^ eine jener neun 5Ronnen)
genommen. 3Reine ßätl^e l^atte id^ bajumal nid^t lieb, benn id^
i^ielt fte oerbdd^tig, als märe fte ftol^ unb l^offärtig.'' Sie mu|te
aber bie Demütigung erfal^ren, ba^ ^ieronpmud Saumgärtner,
<iuS eblem 9iümberger ©efd^led^t, ber mäl^renb fcined Slufentl^altS
in SBittenberg eine oon il^r ermiberte 5Reigung ju il^r gefaxt l^atte,
fid^ balb barouf in feiner SSaterftabt mit einem reid^en ilRäbd^en
öerlobte. Sutl^er gebadete fie nun an Dr. ®la%, ^ßfarrer in Drla^
ntünbe, )u oerl^eiraten ; fte aber erllärte bem ^mSborf , als biefer
im ^ai 1525 von SRagbeburg auä bei Sut^er )um S9efud^ mar,
ba^ fie ju biefer @l^e fld^ nid^t entfd^lie^en lönne, mol^l aber bereit
märe, mit i§m ober mit Sutl^er felbfk fid^ ju t)erel^elid^en. 3m
?lpril gab bann Sutl^er bem ©palatin, inbem er il^n aufforberte,
fid^ ju Tjerl^eiraten, bie Slnbeutung, ba^ er felbft il^m mögli(!^er'
meife l^ierin no(^ jUDorlommen lönnte, unb als er bem @r}bifd^of
^Ibred^t oon 3Rain) ben ©ebattlen nal^elegte, nad^ bem ^orbilb
feines SSermanbten, beS Sllbred^t von $reu|en, fid^ ju oerel^elid^en
unb fein fjö^*^^^^^ i^ ^^^ erblid&eS ju oermanbeln, ba liefe er
bemfelben am 3. Quni fagen: „SBäo meine @^e feiner Äurfürftt.
<Snaben ein ©tärf ung fein möd^te , mofft id^ gar balb bereit fein,
@r. ®naben jum Stempel voriger ju traben, nad^bem id| bod^
fonft im Sinne bin, el^e id^ auS biefem Seben fd^eibe, mid^ in bem
•©l^ejianbe pnben gu taf[en."
— 225 —
3Rati fragt ^^, toarum Sutl^er in biefet @a(|e auf einmal
fo ganj anbctn ©innc8 geworben fei. @r mufete pd^ ja fagen,
bafe fetne SSerel^eßd^ung nid^t nur feinen fjeinben, unb jwar ben
Äarlftabtfd^en unb SDlünjerfd^en ©d^roärmem ebenforool^l afe ben
älnl^ängem SlomS 9lnla^ ju Spöttereien unb äSerleumbungen
geben, fonbem ba% fie aud^ feinen fji^eunben bcbenHid^ erfd^einen
»erbe, ©o fagte $. ©d^urf: „^äenn biefer SRönd^ ein ffieib
nimmt, wirb alle SBelt unb ber S^eufel felbft lad^en, unb jener
wirb fein ganjeS biäl^erigeS ©er! junid^te mad^en.* SBenn er
fid^ nun bod^ von jenem ©d^ritt ni^t abl^alten (ie^, fo mu^ er
fkarle ©rünbe gel^abt l^aben, benfelben gu tl^un. 2)a% leibenfd^afts
lid^e Siebe gu ßatl^arina i^n bemogen l^abe, fönnen mir nad^ feinen
eigenen 2leufeerungen wie nad^ unfrer ganjen ÄenntniS feinei8
@^aralterd nid^t annel^men, menn aud^ eingelne (Segner mie
@radmu§ bieg glauben mad^en moKen, inbem fie ol^ne ®runb
oon einer munbcrbaren ©d^onl^eit ber Äat^arina reben. @r beutet
felbft barauf l^in, ba^ neben bem natürli^en Segel^ren nad^ bem
©l^eftanb befonberS bie Slbjtd^t für il^n beftimmenb mar, feine
Äel^re »on ber (Sottgefättigleit ber Si^e burd| bie 3^l^at ju be^
ftätigen unb bie burd^ feinen eigenmäd^tigen ©ntritt in ben
SRönd^gftanb begangene SSerfc^Iung gegen feine (SItem mieber gut
^u mad^en. 9ln feinen gh^eunb 2lm3borf fd^reibt er unmittelbar
nad& erfolgter SSerl^eiratung: „©o l^ab id^ aud^ biefen legten ®e-
i^orfam meinem Sater, ber fold^eä t)on mir begel^ret, in ber §off?
nung, ®ott raerbe mir Äinber befd^eren, nid^t mifjen abjufd^Iagen.
^ugleid^ mollt id^ burd^ mein Seifpie( beftdtigen, mag id^ gelehrt
l^abe, ba id^ finbe, ba^ t)ie(e bei fo l^ellem Sid^t beS (Soangeliumä
bod^ nod^ Ileinmütig ftnb. ©o l^at eS ®ott gemollt unb getrau.
3d^ bin meber vexlxeii nod^ brünftig; bod^ liebe id^ mein SBeib";
unb in feinen S^ifd^reben fagt er: „SDag l^atte id^ bei mir be*
fd^lof[en bem (Sl^eftanb )u @^ren: 2Benn id^ unt)erf eisend ^ätte
foEen fterben ober je^t auf bem Totenbett märe gelegen, fo moSte
id| mir l^aben lafjen ein frommes 5WägbIein el^clid^ oertrauen." 2)a^
aber feine äSal^I gerabe auf jtatl^arina t)on ä3ora fiel, bagu mag
neben anberm aud^ baS SRitleib mitgemirlt §aben. „®ott l^at eS alfo
gemottt, ba^ id^ ber 3SerIafl[enen mid^ erbarme," äußerte er fpäter.
IButf, Sutl^tr. 3. %u^. 15
— 226 -
!Rad^bem ber (Sntfd^lug gefaxt toax, jögerte er nid^t lange
nttt ber 3(udfül^rung. @r tDoÖfte bie @tnreben feiner f^eunbe ah
fd^neiben, inbem er fie mit ber DoQenbeten Xl^atfad^e überrafd^te.
Stuf ben äbenb be3 13. 3uni lub er einige SBelannte in fein
^m^ 3U Xifd^e, nämßd^ bie beiben @eiftlid^en Sugenl^agen unb
SonaS, ben SDloIer SufaS Rranad^ unb beffen tJrau, foroic ben
frül^eren 3)om^erm Dr. 2lpel, roeld^er aud^ eine eJ^emalige SRonne
gel^eiratet l^atte. Sn i^rem Seifein fd^Io| er feine Sl^e mit
Aatl^arina, wobei nad^ 3Reland^tl^ong auSbrüdEIid^em S3erid^t bie
üblid^en ©ebräud^e oerrid^tet n^urben. S>a^ barunter aud^ bie
ürd^Iid^en ©ebräud^e ber (S^efd^lie^ung )u Derftel^en ftnb, bafüt
fprid^t fon)ol^l ber t)on SReland^tl^on gebraud^te gried^ifd^e ^uS-
bruä, aU bie 3[nn)efenl^eit ber beiben ftäbtifd^en ©etftlic^en. älm
folgenben SWorgen gab Sutl^er ben 3^9^ f^^w 3;rauung nod^
eine 3Ral^l)eit. 2)a ed il^m ober barum ju tl^un xoat, feiner SSer-
el^elid^ung bie gröfetmögUd^e Deffentlid^feit ju ©erteilten, fo fottte
aud^ ein feierlid^eS ^od^geitmal^I nid^t fel^Ien. 2)a3felbe n)urbe
iebod^, toexl aaä) entfernt 28ol^nenbe gelaben n)erben foOten, erft
auf ben 27. ^uni beftimmt. Unter ben (Selabenen waren aud^
feine ^eunbe in SKanSfelb unb inäbefonbere fein „lieber 35ater
unb aJlutter". S)ie „löblid^e Unioerfität ber furfürftUd^en ©tobt
SJBittenberg" uerel^rte Sutl^er „unb feiner Jungfrau Äätl^e von
35ora" als Srautgefd^enl einen filbemen Sedier, ber je^t Eigentum
ber UniDerfität ©reifSmalbe ift. 2)a| Sut^erS SSer^eiratung Don
feinen ®egnem benu|t würbe, um il^m unb feiner Bacl^e )u
f d^aben , • lann uns ni^t munbern. S^ief elben f d^ämten fid^ nid^t,
el^renrü^rige Stad^reben baran )u tnüpfen, meldte, obwohl il^re
©runblofigfeit nad^gemiefen ift, bod^ bei latl^olifd^en ©d^riftftettern
immer mieber auftaud^en. älud^ Sutl^erS ^^eunbe waren über
feinen rafd^en Sd^ritt bebenfßd^, namenttid^ lonnte fid^ 3Reland^tl^on
fd^wer barein finben, ba| er „in biefer unglüdflid^en grit, wo otte
fromme unb red^tfd^affene 3Jlänner an aQen Orten £eib tragen,
jtd^ über biefeä gegenwärtige UnglüdE nid^t nur nid^t )u betrüben^
fonbem ftd^ um bagfelbe gar nid^t ju betümmem" fd^ien. @r
meinte, Sutl^er felbft fei gebrüdEt, unb wir fönnen und j|a wo^l
oorftellen, bag eS bem früheren 3Rön^ in feinem fd^on giemlid^
— 227 —
oorgetüdten Slltct mö)t ganj leidet geworben fein mag, pd^ im
@§eftanbe jured^t ju finben. SlUein be^roegen blieb er bod^ feft
in ber UeBerjeugung, bafe er nad| ©otteS SJÖillen in biefen Stanb
eingetreten fei, unb bie Sebenfen feiner fjreunbc fo »enig ald bie
2äfterungen feiner geinbe lonnten ii^n in biefer Ueberjeugung irre
mad^en. ,,355«»« i>ie SBelt ftd^ nid|t an un§ ärgerte," fd^reibt er
an einen greunb, „fo würbe id^ mid| an ii^r ärgern unb fürd^ten,
U)a§ wir tl^un, fei nid^t oon ®ott." ®r l^atte aud^ fpäter^nie
Urfad^e, roeber ben ©d^ritt, ben er getl^an, nod^ bie SBal^I, bie
er getroffen, ^u bereuen. 2)a§ SSerl^äÜniS ju feiner Äätl^e f)atte
nad^ ber ^eirat fo wenig als oorl^er irgenb ^ttoa^ ©d^wämterifd^ed
ober SRomantifd^eS an ftd^. 2)er in fo emften Äämpfen geftäl^Itc,
mit fo oieler 3lrbeit überl^äufte SKann tonnte baä nid^t fein, maS
man gewöJ^nlid^ einen järtlid^en ober aufmerffamen ®]^emann
nennt. S)ie @l^e war il^m lein jtapua, in weld^em er ber i^ol^en
älufgaben feines SerufeS oergeffen, unb feine Äätl^e feine SDelila,
bie il^m Kraft unb SUlut ^u bem il^m oerorbneten Äampfe geraubt
l^ätte. 9lüd^tem unb babei bod^ innig fa^te er fein 3Serl^äItni8
ju il^r auf. 3QBeber gegen bie eignen geiler nod^ gegen bie
feiner ^au blinb, burfte er bod^ bezeugen, er l§öre oiel größere
^el^Ier unb ©ebred^en allentl^alben unter ©l^eleuten, benn an il^r
funben würben. SBieberl^oIt äußerte er, er preife fid^ glüdli^,
bafe il^m ®ott eine für il^n fo paffenbe, befd^eibene unb Huge
ß^efrau gefd^enft l^abe, bie e§ fo fein oerftel^e, für feine ®efunb=
l^eit ju forgen, fid^ in feine ©emütäart ju fd^idfen unb feine geiler
unb ©ebred^en^ mit Sanftmut ju ertragen, „©ie ift mir folgfam
unb in allen S)ingen wiHfäl^rig unb, ©ott fei S)anl, mel^r nü^e,
als id^ ju l^offen gewagt l^ätte, fo ba| id^ meine Slrmut nid^t mit
ben ©d^ä^en beS ÄröfuS oertaufd^en möd^te," fd^reibt er nad^ bem
erften Saläre feiner @l^e; fpäter rül^mt er in ben 2^ifd^reben:
„3Rir ift, gottlob, wol^I geraten, benn id^ f)aU ein fromm, treu
S33eib, auf weld^eS fid^ beS SWanneS §erj oerlafjen barf."
SKS er 1537 bem 2^obe nal^e ju fein meint, läfet er feine
Äätl^e grüben, bie mit i§m gwölf ^al^re in triebe unb ^eube
gelebt ^abc, unb gibt il^r baS QeuQxtx^: „©ie ^at wie ein frommes
SBeib nid^t allein meiner treulid^ gepflegt unb gewartet, fonbem
- 228 -
mir aud^ toie eine ^agb gebienet. ®ott vergelte ed il^r an jenem
SJage." SBBie f)o^ er feine ,,l^erjtieBe" ^au§frau ju fd^äften mu^te^
gel^t aud^ baraud l^eroor, ba^ er in ben Briefen an feine ^eunbe
jle l^äuftg ermäl^nt, über il^r Sefinben berid^tet, @rü|e von i^x
melbet unb fte babei mo^l aud^ mit mand^erlei fd^er)l§aften 3tamm
begeid^net, g. 33. „meine $errin, meine (Sebieterin, meine Slippe".
ai« entfd^Iojfene, tl^atlräftige grau fd^eint fie in IJäuSlid^en Slnge^
(egenl^eiten gerne baS Slegiment gefül^rt gu l^aben, me^l^alb fie
Sutl^er „mein gnäbiger $err Äätl^e" betitelt.
@§ mar aber aud^ nötig, ba^ fie mit praltifd^em SSerftanb
unb rüftiger ©efd^äftigleit ba§ $au§mefen in Drbnung l^ielt.
SBSeber Sut^er nod^ feine grau befaft Vermögen, babei bejog er
für feine SSorlefungen fo menig ein Honorar als für feine ©d^riften,
benn, fagte er, er motte feine GJaben nid^t verlaufen. Slud^ fein
^rebigtamt rid^tete er unentgeltlid^ au^. Sein orbentlid^eS @in?
fommen belief fid^ bis ju feiner SSerl^eiratung neben einigen ^la^
turalbegügen auf jä^rli^ nur 100 (Sulben; t)on ba an auf 200,
unb erft 1530 mürben il^m weitere 100 ®ulben jugetegt. SJabei
fonnte er, ber für anbre fo oft als gürfpred^er bei feinem gürften
fid^ oermenbete, bezeugen: „3^ f^aic nod^ nie meinen §errn in
©ad^fen nm einen $lJf cnnig gebeten." 3a wenn xi)m, maS nid^t
feiten gefd^al^, com Äurfürften (Sefd^enle gugefd^idft mürben, fo mar
c8 il^m brücfenb. ©o fd^reibt er an ben Äurfürften 3ol§ann, ber
il^m 3^ud^ ju Äf eibern gefd^enft l^atte: „3[d^ l^ab leiber mel^r, fon^
berlid^ üon ®uer Äurfürftlid^en ®naben, benn id^ im ®emiffen oer?
tragen fann. 3Kir gebül^ret aud^ als einem ^rebiger nid^t Ueberflufe
}u l^aben, begel^r eS and) nid^t. 2)arum xd) aniS) @uer 5^urfürftli(^en
@naben attju milbe unb gnäbige ®unft alfo fpür, ba^ id^ mid^
gleidl fürd^te. 3wbem mottte i(§ aud^ nid^t gerne ©uerÄurfürftlid^en
©naben befd^merlid^ fein. 3!)emnad^, miemol^I eS gu oiel möre
gemeft an bem leberfarben Sud^, auf bag id^ aber 6uer Äurfürft-
lid^en ®naben banibar fei, mitt id^ 6uer Äurfürftlid^cn ®naben gu
©l^ren ben fd^margen SRodf tragen, miemol^l er mir bod^ ja ju föftlic^
ift. Sitte berl^alben, 6uer Rurfürftlid^e ®naben mottten Ivanen,
bis i(§ felber ftag unb bitte, auf baft id^ burc^ fold^ 3^oorfommen
ttid^t fd^eu merbe, für anbre ju bitten, bie oiel mürbiger finb fold^er
— 229 —
©tiaben". Slud^ t)on anbetn ©eiten, wie j. 95. vom Äönige ton
3)änemarf, erl^ielt Sutl^er mattd^e anfel^nlid^e ©efd^enle. S)abei n)at
er aber t)on unbegrengter ^eigebigleit unb großartiger Sorgloftgleit
in 93e)iel^ung auf Defonomif^ei. %ixx 9lotIetbenbe jeber 3(rt l^atte
er eine oHejeit offene §anb, fo ba§ er einft fogar feineä Äinbed
$atengelb angriff, um einem Slrmen ju l^elfen. ,,®ott ift reid^,
er wirb anbreS befd^eren/' fprad^ er. ^[wSbefonbere nal^m er pd^
aus ben jtlöftem entflol^ener SRönd^e unb 9lonnen an, um il^nen
ein Unterlommen ju oerfd^affcn. ®r würbe fo überlaufen, baß er
bem SKagiftrat tjon SBittcnberg fd^rteb: „^f)x wijfet, baß meinet
©ebenS mel unb töglid^ ift, baß id^ nid^t fann oSed erfd^roingen.^
2)abei fonnte e8 an fd()limmcn Erfahrungen nid|t fel^Icn. „S56fe
35uben l^aben mid^ nji^ig gemad^t/' bemerlt er barüber. ©aft^
freunbfc^aft übte er in auSgebcl^ntem SWaße. §aufig l^atte er
tJrembe bei 2^ifd^e, l^ol^e §erren neben armen .©tubentcn. 2lud§
oomel^me 2)amen, mie bie Äurfürftin ©Ufabetl^ oon Sranbenburg,
Sutl^erS ©eDatterin, unb bie §cr^ogin Urfula t)on 3Ktinfterberg,
eine 93ern)anbte be§ ^er^ogS ©eorg t)on ©ad^fen, n)eld^e m^ bem
Älofter ju greiberg entminen war, i^ielten fid^ jeitmeifc in Sutl^erä
$aufe auf. ©ang jur fjamilie gered^net würbe „SKul^me Sene",
eine Spante oon Sutl^crä ^au, bie mit il^r 5Ronne gemefen war.
3u längerem SKufentl^alt fanbcn fid^ naivere unb entferntere SSe-
lannte unb SCnoermanbte ber ^rau nid^t feiten im $aufe ein, \a
auä) ©egnern öffnete fid^ bie gaftlid^e SCI^ürc. ©o l^ielt fid^ Äarl-
ftabt, als er SRotl^enburg l^atte tjertaffcn müjfen unb il^m „bie
ganje S33elt ju eng mar", längere S^t in Sutl^crä Qau^ »erborgen.
33araug ermud^fen für grau Äätl^e nid^t geringe aufgaben, unb
eö ift nid^t ju oerwunbem, baß Sutl^er SBeranlajfung l^atte, t)or
bem ©orgengeifte fie gu mamen unb fie angul^aßen, baß fie über
ben ^auSl^altungSgefd^äften baS S3ibeIIcfcn ni^t oerfäume. Ql^re
2^l^ätig!eit erftredfte fid^ auf ©ebiete, oon benen eine grau 5ßro5
' f ejf orin unfrer a:age f aum eine Stauung l^at. 9lid^t nur l^ielt fte,
was bamals in ben Käufern alabemifd^er Seigrer ^äufig ber %qSI
mar, einen Äoftti[d^ für ©tubierenbe, fonbem fie braute au(§ i§r
Sier felbft unb ma^te fid^ mit Sanbmirtfd^aft oiel ju fd^affen.
3u brei ©arten, meldte Sutl^er in SEBittenberg befaß, unb in meldten
— 230 —
neben Aüd^engemäd^fen u. bergl. aud^ topfen gebaut n)urben,
laufte et auf ben äSunfd^ feinet Aätl^e ein Sanbgütd^en in 3uld'
botf, ba8 pe mit befonberer Sorliebe beroittfd^aftete. ©ie befa^
ein ®efpann $ferbe ; aud^ l^ielt fie eine größere 3ctl^I fon ®i)tDexn^n,
an beten ®inlauf fie fid^ petfönlid^ beteiligt )u l§aben fd^eint, fo
ba^ fie il^t SWann in einem Sricfe olö „3^Kbotfetin, ©aumotis
tetin unb maS fie mel^t fein lann" antebet. ©o gelang eS il^t,
bie öfonomifc^en SSetl^ältnijfe bed $aufe§ aQmäl^lid^ )u bef[etn, unb
wenn aud^ t)otübetgel^enbe®eIboetIegenl^eiten felbftjutäietpfänbung
bet filbetnen ©l^tenpofale nötigten, fo raupte fie bod^ butd^ iljte
Iluge äSittfd^aft eigentlid^e 9lot fetn ju l^alten, ja mit bet QAi
ein Keinei^ Qau^ )u SBittenbetg unb einigen ®tunbbefi| )'u et-
wetben. Slud^ bet ©totg einet beutfdjen §au8ftau, ein SBottot
von Seinroanb in jietlidjem ©d^tein, nebft filbetnem unb golbcnem
©d^mudE fe^te nid^t.
©ed^d jtinbet ^atte jtätl^e il^tem @l^emann gefd^enlt, t)on benen
eine«, bie am @nbe beS fotgcnoottcn Salutes 1527 gebotene (Slifa*
bet^, nut wenige iUlonate alt wutbe, ÜWagbalena im bteijel^nten
SebenSjal^te 1542 ftatb, mä^tenb bie anbeten, btei ©ol^ne unb
eine 2Jod^tet, ben SSotet übetlebten. S)et @rftgcbotne, ^ol^anneS,
ftatb 1575 als S)oftot bet Siedete in ÄBnigSbetg; 3Kattin ftatb 1565,
84 3[a5te alt, unb bet iüngfte ©ol^n $lJautu8, bet an oetfd^iebcnen
^öfen Seibatjt mat, lebte bis 1592. S)ie 2^od^tet SKatgatete
cnblidj, eine oetel^eKd^te von Äunl^eim, ftatb 1570.
3m Äteife feinet ^amilie offenbatte fid^ bie ganje ©etjlid^leit
beS gto^en SRanneS. Qiex fud^te et feine @t^oIung von ben ®e^
fd^äf ten unb Äämpfen, beren fein Seben voU mat. 3« feinen
2^ifd^teben miebetl^olt fid^ gat oft baS Sob beS l^duSlid^en SebenS.
„S)ie SBelt", fagt et, „l^at feinen lieblid^eten unb fteunblid^eten
©d^a| auf ßtben, benn ben beiligen ßl^eftanb". 3[m Sobe biefeS
©tanbeS miS et bleiben unb ftetben. Unb je mel^t et aud^ bie
,,Sefd^n)etung" beS l^äuSlid^cn SebenS ju etfa^ten belam, befto
jattet unb inniget mutbe feine Siebe ju ben ©einen. 9iadJ bem
^obe feines 2^öd^tetleinS Glifabctl^ fd^tieb et : „5Dlein 2JBd^tetlein,
bie Heine ©lifabetl^, ift geftotben. @S ift rounbetbat, mie ftanf,
faft nad^ SBeibetatt, mein ^etj ift; fo jammett midj i^tet. 3<l
— 231 -
l^ätte iurxn nie geglaubt, ba^ ber SBätet ^erj gegen il^re Jtinber
fo meid^ »erben lönne;^' unb aü er felbft fem t)on ben Seinen
bem %oit noi^e geioefen unb bann niieber genefen toax, äußert
er: „^^ meinte, id^ niürbe 28eib unb 5tinberlein nid^t me^r feigen;
wie wel^e if)at mir fold^e ©onberung unb ©d^bung! — SJBeit
id^ aber nun lieber gefunb bin n)orben t)on ©otted ®naben, fo
l^ob id^ mein SBeib unb ftinberlein befto lieber. Aeiner ift fo
^eiftlid^, ber fold^e ongebome, natürlid^e Steigung unb Siebe nid^t
fül^Iet." er, oor beffen SBort fid^ Äönige unb ©r^bifd^öfe fürc^^
tetcn, mufete in linbtidjer SEBeifc mit Äinbem ju rcben. aber nic^t
bie blo^ natürlid^e S^^tlid^^^t eines äJateri feigen mir bei i^m.
@r betrad^tete feine Ainber al§ ffird ^immelreid^ beftimmt. SDal^er
mar il^m bie 2^aufe berfelben eine @ad^e oon ^öd^fter äSid^tigleit,
mie QU^ ben Sriefen l^eroorgel^t, in meldten er f^eunbe unb 93e-
lannte hat, ^atenfteQe bei feinen 5tinbem )u übemel^men unb
bel^Uflidl }u fein, „bamit fie aud ber alten 9lrt SCbamd jur neuen
®eburt S^rifK burd^ bad l§eil. ©aframent ber Xaufe lommen unb
©lieber ber 6l^riftenl§eit merben möd^ten''. 3ll§ bie jtinber l^eran^
mud^fen, ergö^te er ftd^ an il^rem ^l^un unb 3!reiben unb fanb
in bemfelben mand^ed 3^U0nid f^^ i>i^ äSal^r^eiten bed ©laubend.
SB3enn er fal^, mie fie fid^ janften unb balb mieber ©ertrugen, fo
freute er ftd^, ba§ il^r Seben eitel Vergebung ber Sünben fei.
S)a^ fie baS Sßort ol^ne S)idputieren fd^led^tl^in glauben unb in
il^rer Einfalt geleierter feien al§ mir, rü^mt er afö einen äiorjug
ber Äinber „t)or unä alten Starren". Ste feine Äinber begierig
nad^ bem Obft auf bem Xifd^e fallen, fprad^ er: „28er ba feigen
mill baS Silb eineä, ber fid^ auf Hoffnung freuet, ber iai l^ier
ein red^t jtontrafalt. Slc^ ba^ mir ben jüngften ^ag fo fröJ^lid^ in
©Öffnung f önnten anfeilen !" „S)ie Äinberlein l^aben fo feine ©eban*
fen t)on ®ott, bafe er im $immel il^r ®ott unb lieber SSater fei,"
fprid^t er, nadjbem er mit feinem S^öd^terlein t)om l^eil. ßl^rift
gerebet; unb )u feinem ©öl^nlein fprad^ er: „^u bift unfreS
®otte8 Sldrrid^en, unt^ feiner ®naben unb Vergebung ber ©ünben,
nid^t unter bem ®efe^, bu fürd^teft bid| nid^t, bift fidler unb be^
fümmerft bid^ um nid^tS;" ja fo glüdflid^ fd^ienil^m bie Äinbl^eit,
ba^ er beim SlnblidE feines f leinen SKartin feufjte: „3dJ mollte,
— 232 —
iai id) in bed 5tinbed Sdter geftorben tDäre, ba woUi id^ aSe
@l^te um geben, bie id^ l^obe unb nod^ befäme in ber fEkÜ/' &btn
n)egen il^rer $ilfdbebürftigleit roaxm if)m bie tleinften Jtinbet cm
liebften unb ein älbbilb bef[en^ n)ad mix SRenfd^en ®ott gegenübet
jtnb. ,,9Rein SRattind^en ift mein liebfter @d^a^. Sold^e Ainber^
lein bebürfen bet @Item Sorge unb Siebe mol^I, bag ii^r ßei^ig
gemattet mitb. ^änftd^en, Send^en, ^auld^en tonnen nun teben,
bebütfen fold^e ©otge fo gtofe nid^t." 2)a et fein ÜJlattind^en
auf bie ®d^o^ nal^m unb t)on bemfelben Detunteinigt matb, fptad^
er: „D mie mu^ unfer $err ®ott fo mand^ 3Kurren unb ©eftonl
oon uns leiben, oiel mel^r benn eine 3Rutter oon einem Äinbe."
Unb ate bagfelbe ^inb feine ^upp^ fd^ön ju Ileiben fid^ bemül^te,
fprad^ er: ,;9lIfo mären mir im ^arabieg gefinnet gemeft, fd^Ied^,
einfältig; oufrid^tig ol^ne alle SoSl^eit unb $eud^elei, unb märe
red^ter @mft gemeft, mie biei jtinb oon @ott rebet unb ift bed
gemi^. 2)arum finb fold^e natürlid^e hoffen unb Sd^erje bie oSer^
beften an jtinbem, bag ftnb bie lieblid^ften 9tärrlin. Ainberlin
finb bie fd^önften ©pielüögel, bie reben unb tl^un atte§ einfältig
Don $erjen unb natürlid^/' StUgemein belannt, aber immer miebet
erbaulid^ ju lefen ift jener föftlid^e S3rief, ben er, mäi^renb )u
ätugSburg bie ®efd^idEe ber eoangelifd^en ßird^e entfd^ieben mürben,
t)on ber ^efte 5toburg au§ an fein oierjäl^riged Söl^nlein 3ol^anneS
fd^rieb : „®nab unb triebe in ßl^rifto, mein liebeä ©öl^nid&en. 3d^
fel^e gern, baft bu mol^I lemeft unb fleißig beteft. 2^l^u alfo, mein
©öl^nid^en unb fal^re fort. SBenn id^ l^eimfomme, fo miK id^ bir
einen fd^önen ^al^rmarft mitbringen. 3d^ mei^ einen J^übfd^en
luftigen @arten, ba gelten oiel ^inber innen, l^aben gülbne Slödlein
an unb lefen fd^öne 3lepfel unter ben 93äumen unb 93imen, R\x^
fd^en, ©pilling unb 5ßflaumen, fingen, fpringen unb ftnb frö^lidj,
]§aben aud^ fd^öne Heine 5ßferblein mit gülben 3äumen unb plbem
©ätteln. 3)a fragt id^ ben ÜJlann, be§ ber ©arten ift, meS bie
Äinber mären. SDa fprad^ er: „@8 pnb bie Äinber, bie gern beten,
lernen unb fromm finb. 3)a fprad^ id^: „Sieber 9Kann, id^ l^ab
aud^ einen ©ol^n, l^ei^t ^änfid^en Sutl^er, möd^t er nid^t aud^ in
ben ©arten {ommen, ba| er aud^ fold^e fd^öne 3lepfel unb Sirn
efjen möd^te unb fold^e feine 5ßferblein reiten unb mit biefen
— 233 -
Äinbcm fpicicn?" S)a fptad^ ber SKann: »aßcnn er gern betet,
lernet unb fromm tft, fo foS er aud^ in ben ©arten tommen.'
SDarum liebeö ©öl^nlein ^änjtd^en, lerne unb bete ja
getroft unb fage ed SippuS unb :3often aud^, ba^ fte lernen unb
beten; fo n)erbet il^r miteinanber in ben ©arten lommen. $iemit
fei bem aSmäd^tigen ®ott befolgten unb grü^e 3Rul^me Sene unb
gib ii^r einen ftu^ oon meinetmegen. 2)ein lieber 33ater 3Rartinud
Sut^er/'
älm rül^renbften aber offenbarte ftd^ Sutl^erd Siebe )u feinen
fiinbem unb gugleid^ feine bemütige @rgebung in ben SSiQen
©otteS beim 2^obe feines 2^öd^terlein8 3RagbaIcna. „^^ l^abe fie
fe^r lieb ; aber lieber ®ott; ba ed bein SBiUe ift, ba^ bu fie bal^in
nehmen n)illft; toiS id^ fie gern bei birn)if[en/' fprad^ er, aU bie
Äranf^eit fxd) i\xm %o\>e wenbete. SJann rebete er ju bem Äinbe:
„HRagbalenid^en, mein 2^öd^terlein, bu bleibeft gerne |ier bei beinern
Sater unb jeud^ft aud^ gerne ju jenem SSater!" Sie antwortete:
w3ö/ ^^S^ SSater, mie ®ott will." S)a fprad^ ber 38ater: „3)u
liebes 3;öd^terlein, ber ®eift ift miffig, aber baS ^Jteifd^ ift fd^road^/'
unb fid^ umroenbenb: „3d^ "^ob fie ja fel§r lieb. 3ft baS tJIeifd^
fo ftari, was wirb benn ber ®eift fein?" 9lfö nun il^r ©tünbtein
fam, Iniete er am 95ette nieber, meinte bitterlid^ unb betete um
iljre (Srlöfung. 3)a entfdjlief fte in feinen $änben. 9lfe fte im
@arge lag, fprad^ er: ,,ätd^ bu UebeS Send^en, mie mol^l ift bir
gefd^el^en! 3!)u mirft mieber auferftel^en unb leud^ten mie ein ®iexn,
ja mie bie Sonne." 3^ benen, bie il^m il^r Seileib bezeugten,
fprad^ er: „3d^ l^abe einen ^eiligen gen §immel gefd^idft, ja einen
lebenbigen i^eiligen. D l^ätten mir einen fold^en Xob! einen fold^en
Xob moSt id§ auf biefe Stunbe annel^en." Unb l^inmieberum:
f,^^ bin frol^, bafe fie l^inüber ift; feine 2^raurigfeit ift ba benn
bie beS tJleifd^eS." ©eine %xm aber tröftete er mit ben SBBorten:
^Siebe ßäti^e, bebenfe bod^, mo fte l^inlömmt; fie fömmt ja mol^l.
Slber %16,]^ unb S3lut fleifd^ert unb blutet, tl^ut mie feine Slrt,
ber ®eift lebet unb ift miQig. Sei ben 5tinbem ift eS aUeS ein^
fältig, fterben ol^ne ©d^merjen unb Slngft, ol^ne Slnfed^tung beS
XobeS, ol^ne ©d^mer^en am Seibe, gleid^ mie fie entfd^lafen."
®S mar, als ob bie (Erinnerung an feine eigene, burd^ bie
— 234 —
^ärte von @Item unb Septem oetbüfterte ^ugenb il^n Bemegte,
feine ^eunblid^Ieit in DoDem SRa^e feinen ^inbem jujumenben.
@r rooÜte ber 3us^i> i^^^ natütlidle t^ö^Iid^Ieit nid^t DeiÄümmem.
„®in junget ^lenfd^/' fprad^ ex, „ift wie ein neuer SKoft, ber
läffet ftd^ nid^t Italien, mu^ gären unb übergel^en; miH ftd^ immer
fe^en (ajfen unb etma^ fein vox anbem/' Sennod^ mar er meit
entfernt, biefeI6en )u üerl^ätfd^eln, unb lie^ e§ am nötigen @mft
nid^t fehlen. 9lamentUd^ fein @rftgebomer; ^^ol^anneg, fc^eint il^m
Diel Sorge gemad^t ju l^aben. ,,28ie merben bie ftinber tJerberbet/'
ruft er au3, ^menn man il^nen il^ren äSiUen läffet unb ftrafet fie
nid^t! S)arum miS id^, ba^ man meinem Qan^ nid^ts laffe gut
fein; id^ fd^erje aud^ nid^t fo mel mit il^m als mit meiner 3^od^ter/'
@inft moSte er biefen ®ol^n brei Sage lang nid^t vor ftd^ lommen
laf[en, bis er fär ein 9$ergel^en Slbbitte leiftete. „^ä) moSte lieber
einen toten, benn einen ungezogenen ©o^n l^aben," antwortete er,
ald feine f^au unb einige f^eunbe Erbitte einlegten, unb fügte
l^inju: „3Bir ^JJrebiger finb barum fo i^od^ gefegt, ba| mir anbem
ein gut Stempel geben foQen, aber unfre ungeratene Jtinber ärgern
anbre, fo motten bie SSuben auf unfre ^ßrioilegia fünbigen. —
2)arum mu^ man il^n ftrafen unb gar nid^t burd^ bie Ringer feigen/
SDa il^m bie ^ext fel^lte, ftd^ bei Unterrid^td unb ber @r}iel^ung
feiner jtinber fo anjune^men, mie er gemünfd^t l^ätte, fo l^ielt er
il^nen eine S^tlang einen ^audlel^rer. @§ fd^eint aber, als ob bie
Butter ben älteften ®o^n ju nad^fid^tig bel^anbelt unb feine ©treidle
bem SSater oerl^eimlid^t l^ätte, menigftenS Ilagt Sutl^er : „38enn ^e
gleid^ oft fünbigen unb allerlei Suberei treiben, fo erfal^re id^^ä
bod^ nid^t, man jeiget mir nid^td an, fonbem man l^älf IS l^eimlid^
oor mir/' SDarum moUte er il|n unter eine genauere äluffid^t
fteUen unb oertraute il^n bem Sfteftor ßrobel in Morgan an. äßs
SRagbalend^en erlranit mar unb il^ren Sruber )u fe^en begel^rte,
fd^idte Sutl^er einen SBagen nad^ Morgan, um il^n Idolen }u laffen,
mobei er mit großer 3^^^^^^^ ^^ Jtrobel fd^rieb, er möge bem
jungen 3Renfd^en ben maleren ®runb oerfd^meigen. @o mar benn
3ol^anned bei bem ©terben bei ©d^mefterd^enS anmefenb. 3lld
er aber, nad^ Xorgau }urüdEge!el^rt, bem ©d^mer) fid^ aDjufel^r
überlief unb l^eimjulel^ren münfd^te, brang ber 33ater barauf, ba^
— 235 —
er biefe tseibifd^e SBetd^Ud^fett übettoinbe; ftd^ an bie @rtragung
beS Uebeld getoöl^ne unb im ©el^orfam vul^ig roeiter ftubiere.
SCud^ feinen 2)tenftboten gegenüber erwiei er fid^ als gütiger
^oudl^ert, l^ielt aber babei auf d^riftlid^e 3^^^^ i^ $aufe. 6r
tonnte, tDie 9(ergemif[e, bie in feinem $auf e Dorf ommen, von feinen
®egnem ausgebeutet merben. 2)al^er fprad^ er ftd^ fel^r entrüftet
oud, als eine lieberlid^e 2)ienftmagb feinem $aufe Sd^anbe mad^te.
S)agegen ift er n)al^r]^aft Däterlid^ bafür beforgt, ba^ fein mel^r-
iol^riger treuer 2)iener :3ol^ann bei feinem SCbgange gebül^renb
bebac^t werbe. „Bo greif bid^ nun l^ier an/* fd^reibt er feiner
^au von Morgan auä, ,,unb lag an einem fold^en frommen ©e-
feUen aud^ nid^t mangeln , ba bu meigeft, bag eS n)ol^I angelegt
unb ©Ott gefällig x% ^ä) meig mol§l, bag menig ba ift, aber id^
gäbe il^m gerne jel^n ©ulben, menn id^ fte l^ätte. 9[ber unter
fünf ©ulben foUft bu il^m nid^t geben. 3)enle, mo bu eä !riegeft.
©Ott mirb mo§l anbreS geben, ba§ meig id^.''
93efonberg oertraut mar er mit feinem ^amului, äSolfgang
©ieberger. @r übte ftd^ mit bemfelben im S)red^feln, äußerte fi^
mit gutmütigem $umor über beffen @d^läfrigleit unb oerfagte,
ali berfelbe einft einen SSogell^erb anlegte, eine fd^er^l^afte jtlag^
fd^rift ber „frommen, el^rbaren SBögel" miber benfelben.
S)ie SebenSmeife Sutl^erS mar eine fel^r einfädle, ©r bes
mol^nte aud^ nad^ feiner 33er^eiratung bad alte 9luguftinerIlofter,
nad^bem ber le^te Tlin^ eine Pfarrei übernommen l^atte. ^n
bicfem Umftanb fpiegelt pd^ in begeic^nenber SBeifc bie Eigentum-
lid^Ieit ber lut^erifd^en Sieformation, meldte bie alten formen nid^t
nieberreigt, fonbem fte oon innen l^erauä mit neuem ©eift unb
Seben )u erfüllen bemüht ift. SDort mirb l^eute nod^ bie SBol^n-
ftube ber Familie als Sutl^erftube gegeigt. S)ad 9lrbeitg)immer bed
SteformatorS befanb fid^ an ber 3lüd(feite beg ^aufed in einem
SSorbau, unter meld^em ein38af[ergraben burd^lief. Seine jtleibung
mar einfad^; baS oom Jturfürften il^m j|e unb je gefd^enlte Xud^
bünfte il^m ju „löftlid^"; feine Seinlleiber flidfte er mitunter
mit eigener §anb. SDennod^ mußten il^m ein SUlünjer unb feine
©enoffen aud^ feine Äleibung jum SJormurf ju mad^en, inSbe^
fonbere bag er eine rote Sinfaffung oben am ^embe trug, nal^men
— 236 -
fie ü^m ü6el. 3lx^t minbet Derböd^tigten fie il^n in SSejiel^ung
auf @ffen unb %xxnUn, ali oB bad ,,fanftlebenbe ^leifd^ in 2Bit$
tenbetg'' bem SBo§Ue6en ergeben tDäte; unb big auf ben heutigen 3^g
pflanjt fid^ in bet 2^tabition nuind^er gefettigen Äteifc baS
SUb Sutl^erd als eines SebentanneS fort. SDieS ftimmt aber leineS^
n)egS mit ber gefd^ic^tlid^en 3Bal^rl^eit. ,,@r roax t)on !Ratur Don
wenigem @ffen unb 2^rinfen/' bezeugt ÜJleIand^t]^on, „bafe x^ mid^
fein oft Dermunbert l^abe, biemeil er bodl nid^t !(ein nod^ fd^mod^
Don Seibe mar. 3(^ ^<^be gefel^en^ ba^ er jujeiten in mer ganzen
2^agen, menn er fd^on gefunb mar^ nid^ts gegefjen unb getrunlen
l^at. @o l^abe id^ aud| fonft oft gefeiten, ba^ er täglid^ nur mit
menig 93rot unb einem gering begnügt gcmefen, unb baS gu^
jeiten t)iel 2^age lang. " 2lbcr er mad^te fein Auf lieben mit feiner
einfad^en SebenSroeife, fonbem naä) bem SEBort beS $erm: ,,S8Benn
bu fafteft, fo falbe bein §aupt/' mar er babei fröl^Iid^en SWutS.
„Äann mir unfer §err ®ott baS fd^enfen/' fagte er, ,,ba| id^ il^n
mol^I gmanjig 3al^r gefreujigt unb gemartert ^ab mit SRe^^alten,
fo lann er mir baS aud| mol^l gu gute l^alten, ba^ id^ biämeilen
einen guten SJrunI tl^ue unb mit frommen Seuten mein @rgö^ung
l^abe ^\)m ju @l^ren. ©Ott gebe, bie Sßelt lege eS auS, mie fte
motte." SEBenn er abenbS nad^ ber Sitte ber 3^^^ ^i"^ ©d^Iafs
truni tl^at, fprad^ er mand^mal entf d^ulbigenb : „3l^r jungen ©e^
fetten, unfrem Äurfürften unb mir alten iUlann mü^t il^r ein
reid^erS 2^rünIIein gu gut l^alten; mir mtiffen unfer $olfter unb
Äiffen im Äänblein fud^en." äud^ alä SWittel gegen 6übfelige
©ebanlen brandete er ben ®enu| ber natürlid^en ©otteSgaben. ©o
tranf er einmal einem lieben ®aft ju mit ben SBorten: „3d^ foff
unb mu^ l^eut fröj^lid^ fein, benn id^ l^abe böfe 3^i*wng gehöret;
bamibcr bienet nid^ts beffer, benn ein ftarl SSater Unfer unb guter
3Rut; baS oerbreu^t ben meland^olifd^en Xeufel, ba^ntan nod^
mitt fröl^Iid^ fein." 3n ben irbifd^en ©aben fd^edEte er bie greunb^
Iid^!eit feines ©otteS. 91IS auf feinen Xifd^ Obfl gebrad^t mürbe
unb atte mit Suft baoon a^en, fprad^ er: „2BaS fagt unfer $err
©Ott broben im ^immel baju, ba^ mir alfo l^ier ft^en unb feine
©iiter oerjel^ren? 5Bun er l^afS barum gefd^affen, ba^ mir fie
braud^en fotten, forbert anbreS nid^tS t)on unS, benn bafe mir
- 237 -
etfennen, ba^ ed feine ®üter fmb, unb il^ret mit S)anlfagung
genießen. ^' 3n fold^er Uebetjeugung lonnte et fid^ unbefangener
^eitetleit l^ingeben unb feinen Junior toalien laffen. @r entjog
^d^ nid^t, n)enn er ton guten f^eunben )u Sifd^e gelaben mürbe,
unb roax bann guter SDinge. @ommerd n)urbe er ntand^mal gu
einem Pfarrer ober @d^u[t^ei^en auf bem Sonbe )u @afte gebeten.
@r nal^m fold^e ®inlabungen gerne an, benu^te fie aud^ too^, um
in bem 3)orfe ju prebigen, brad^te aber meiftend feine ®peifen ge^
lod^t mit fid^; um feinen ©aftfreunben leinen älufmanb )u Derurf ad^en.
äln feinem eigenen ^ifd^e lonnte er mand^mal, n)enn fd^raere
©ebanfen il^n bef^öftigten, fein alteS 5^Iofterf^n)eigen beobad^ten,
fo ba^ lein äSort bei Xifd^e fiel; meift aber ging eS lebl^aft )U.
Wat^efiuS, fein mel^r|ä^riger ^ifc^genoffe, fpäter $rebiger in
doad^imStl^al unb Sut^erS 93iograpl^; entmirft und ein anfd^aulid^ed
SUb baoon: ,,äßenn er woütt Siebe abgeminnen, pflegt er einen
äinmurf ju tl^un: ,S8ad §ört man 9leueg?' 2)ie erfte SSermal^nung
liefen mir oorübergel^en. SBenn er mieber anfielt: y^f)X 5ßrälaten,
mad 9leued im Sanbe?' ba fingen bie ällten am Xifd^e an )u
reben. Dr. SBolf ©eoeruS, fo ber Slömifd^e» Äöniglid^en SKajefiät
5ßräjeptor gemefen/) fafe obenan. 3!)er brad^te tiroa^ auf bie
93al^n, menn niemanb ^rembed Dorl^anben, als ein gemanberter
^ofmann. SEBenn'S ©eböber, bod^ mit gebü^rlid^er 3ud^t unb G^r-
erbietigfeit, anging, fd^offen anbre biSmeilen il^ren ^eil anä) bargu,
bii man ben 3)oftor anbrad^t. Oftmals legte man gute f^^agen
ein aus ber ©d^rift, bie löfet er fein runb unb furj auf; unb ba
einer einmal $art l^ielt, fonnte er^S aud^ leiben unb mit gefd^idter
älntmort miberlegen. Oftmals lamen el^rlid^e (b. f). angefel^ene)
Scute oon ber Unioerfität, aud^ oon fremben Orten an 3)ifd^, ba
fielen fel^r fd^öne Sieben unb $iftorien.'' S)ie Slifd^genoffen Sutl^erS
pflegten biefe feine Sieben bie SBBürge beS @ffens §u nennen, unb
einige berfelben l^aben feine ©efpräd^e über a^ifd^ foroie einjelne
feiner fonftigen äluSfprüd^e ^unäd^ft für ftd^ felbft aufgegeid^net. 3)iefe
Sluf jeid^nungen fammelte ^ol^ann Äurifaber, orbnete pe unter atts
♦) Äönig gerbinonb l^atte il^n jum Se^rcr feiner ©öi^ne berufen,
bann aber roe^tn feines eoangeUfc^en ©(aubenS enttaffen.
- 238 —
gemeine ©efid^tiSpunlte unb gab fte 1566 l^etaud. @o entftanben
bie „%x\^xcien" , toeld^e unS einerfettS l^öd^ft toevtvoüt Sin-
blide in ba3 Seben unb S)en{en beS großen S^lanneS geftatten,
und benfelben gleid^fam im ^auSfieibe jeigen, anberfeitS aber mit
38orjtd^t ju benü^en finb, ba jie tjctmöge bcr Slrt ii^rer ©ntftei^ung
feine ^ürgfd^aft bafür geben, ba^ ber @inn Sutl^erS überall rid^tig
mieber gegeben ift.
^n feinen ©efpräd^en bebiente er jtd^ gerne beutfd^er ©prid^s
njörter unb SReime, j. S.: „SEBeifet bu maS, fo fd^wcig; ift bir
mol§I, f bleib ; §aft bu maS, f o l^a(t ; Unglüdf mit feinem breiten
gu^ fommt l^alb." — „^% maS gar ift; trinf, mos Har ift; reb',
maS mal|r ift." — „©d^roeig, leib, meib unb vertrag; bein Slot
niemanb Ilag; an ®ott nid^t oeraag; beine $ilfe fommt alle Sag/
Slu^er ben (Sefpräd^cn biente bie SKufil bagu, bie Wtaf^U
jeiten an Sutl^erg ^ifd| gu mürjen. ®r felbft fang über 2;if<^
mand^mal jur Saute. 3lu4 fonft mar er ein f^eunb beS (SefangeS.
3ol§ann SSJaltl^er, Äapettmeifter beä Rurfürften, crjä^It: „^^
l^abe gar mand^e liebe ©tunbe mit il^m gefungen unb oftmals
gefeiten, mie ber treue 3Wann t)om ©ingen fo luftig unb fröl^Iid^
im ©eift marb, ba^ er be3 ©ingend fd^ier nid^t lonnte mübe unb
fatt mcrben." 2lte er einft auf einem SEBagelein fpajieren fu^r,
ftd| ju erluftigen, ba fang er unb mar fröl^Iid^ ®ott ju @l§ren unb
f prad^ : „Unfre (Sefänge oerbrie^en ben SJeuf el unb tl^un ii^m f eljr
mel^e; mieberum unfre IXngebulb, klagen unb Slumel^fd^reien geföQt
il^m mol^l, unb lad^t brüber in bie ^auft." S)arum fd^reibt er
einem Slngefod^tenen: „SBenn ^^x traurig feib unb miff übcrl^anb
nel^men, fo fpred^t: 9luf ! id^ mu^ unferm $erm Sl^rifto ein Sieb
f dalagen auf bem Slegal (§auSorgeI) ; benn bie ©d^rift lehret mid^,
er l^öre gern fröl^Iid^en ®efang unb ©aitenfpiel. Unb greift frifd^
in bie SlaoeS unb finget brein, bis bie ®eban!en oergel^en, mie
3)at)ib unb @Iifäu3 tl^aten. jtommt ber Teufel mieber unb gibt
eud^ eine ©orge ober traurige ®ebanlen ein, fo meieret eud^ frifc^
unb fpred^t: 9lud, 2^eufel, id^ mu| jje^t meinem $erm Sl^rifto
fingen unb fpieten." „SUlufila," fagt er ein anbermal, „ift baS
befte Sabfal einem betrübten 3Renfd^en, baburd§ baS ^erj mieber
aufrieben, erquidtet unb erfrifd^t mirb." 3lud^ oon il^rer fittK(§
— 239 —
Dcrcbcinben SBitfunfl rocife er ju fagcn: „ÜJluftfa ift eine l^albe
3)i3jipUtt uttb Qu^tmA^tmn, fo bie Zeviie gelinbet unb fanftmü^
tiger, fUtfamer unb ocmünftiger mad^et." Unb von ftd^ felbft
begeugt er: ,,®ie i^at mid^ oft alfo emedt unb hme^et, iai id^ Suft
gu ptebtgen gen)onnen l^ab.'' SRuftl ift il^m ein SSanb, baS aud^
über bie Sd^eibemanb bet 5ti¥d^en i^inüberreid^t. S)arunt fd^tieb
er an ben ba^rifd^en ^ofmuftfu« ©enfel: „Dhvoof^l mein 5Bame
fo oerl&ttfet ift, bafe id^ befütd^ten muft, bu möd^teft meinen Srief •
nid^t mit red^ter ©id^erl^eit empfangen unb lefen lönnen; fo l^dt
bod^ meine Siebe ju ber 3Rufxt, mit meld^er id^ bid^ oon meinem
®ott gefd^müdEt unb begabt fei^e, iene 93efürd^tung übermunben.
Sie (ä^t mid^ aud^ ^o^^, bag bir mein Srief leine ©efal^r bringen
mitb, benn mer moQte felbft in ber ^ürlei ed tabeln, menn man
bie fiunfl liebt unb ben Künftter lobt? ^^ menigftenS lobe unb
el^re felbft beine ba^rifd^en ^ergoge, fo menig fie mir aud^ günftig
finb, l^öd^Kd^ unb oor anbren, weil fie bie 3Kujif fo pflegen unb
eieren." 3a afö SBorfd^madf ber ©eligfeit betrachtet er fie: „SSÖril
unfer $err ®ott in bieg Seben, bad bod^ lauter @d^mei^l^au3 ift,
fold^ ebele ®aben gefd^üttet unb und gegeben l^at: maS mirb in
jenem emigen Seben gef d^el^en, ba alleä mirb auf § oollf ommenfte unb
luftigfte merben? $ie ift aber nur ber Slnfang." Slel^nlid^e Sleufee^
rungen ^um Sobe ber SKufif finb fel^r oiele oon il^m aufbemal^rt.
„^^ l^ölte burd^auS/' fd^reibt er, „bafe nad^ ber Sl^eologie feine
Äunft fei, meldte ber SKufif gleid^ lommt."
2lber er mar nid^t nur Siebl^aber ber SKufif, fonbern felbft
aud^ 5lomponift. S)er oben genannte 3Baltl^er äußert, ba^ ber
l^eil. ©eift in Sutl^er, meld^er bie beutfd^en ßl^oralgefänge meiften-
teild gebic^tet unb )ur SRelobie gebrad^t, augenfd^einlid^ felbft mit^
gcmirft l^abe. 3luS bem beutfd^en ©anituä fei ju erfel^en, mie er
aSe 9toten auf ben 2le^ fo meifterlid^ unb mol^I gerid^tet l^abe,
ba^ er, 3Saltf)ex, felbft Derurfad^t morben fei, il^n gu fragen, moraud
unb mol^er er barfiber Unterrid^t l§abe. darauf l^abe Sutl^er ge^
la^t unb gefagt: „2)er $oet äiirgiliud l§at mx^ fold^ed gelel^ret,
ber olfo feine ©ebid^te unb SQBort auf bie ©efd^id^te, bie er be^
fd^reibet, fo lünftlid^ applizieren !ann. Sllfo foK aud^ bie 39lufila
äffe i^re 3loten unb ®efänge auf ben Sejt rid^ten."
— 240 —
@6enfo tDU^te er bie bilbenbe ^unft ju f^ä^en. 3)a§er roax
€V bem ÜRaler 2vLla% jtranad^, feinem ©eoatter, eng Derbunben unb
i^atte mit bUbetftürmerifd^en Snfd^auungen, fo na§e biefeCben bei
bem in ber römifd^en jtitd^e mit ben 93Ubem getriebenen ÜRiPraud^
für bie 3(nl^önger bed @t)angeliumd liegen mochten, leine ® emeinf d^aft.
9lud^ förperlid^e Uebung ad^tete er nid^t gering, hieben bem,
ba^ er eine S^i^I^^ft int SDred^feln {td^ üiU, beteiligte er ftd^ aud^
beim ©artenbau, unb ei gefd^a^ nid^t blo^ im äluftrag feiner ftötl^e,
wenn er in feinen ©riefen nid^t feiten Sämereien ober ^ropf-
reifer pd^ erbittet ober für empfangene banit. %üx bie jungen
£eute, meldte er bei %x\i)t f)atU, lie^ er einen ftegelpla| jurid^ten
unb tl^at mol^I felbft ben erften ©d^ub. ©o entfernt mar er oon
einem l^od^mütigen obet ängftlid^en @eiftlid§tl^un. f^reißd^ aber
wn^tt er aud^ in biefeS l^armtofe jugenMid^e ©piel einen tieferen
@inn l^ineingulegen. SBenn einer über einen anbern, ber bie ^egel
gefel^lt l^atte, lai^te, lonnte er tttoa fagen: ,,@in jeber unter eud^
ftel^et mo^I, mie ei bem anbem fel^Iet, unb meinet, er moQe bie
Äegel attefamt treffen; fo bann ber ©d^ub an il^n fommt, fehlet
er n)ol^( bei ganzen ^egelpla^ei. 3lIfo fiel^et j|e|o mand^er, xoad
biefem Surgemeifter, bem Siegenten, Äanjter ober ?Pfarrl^erm fel^Iet;
lommt er einmal aud^ gu fold^em Slmt, wirb er ja fo feltfam feilten,
ali ie|o berjentge, beffen er lad^et, unb oermcinet, ei beffer ju
mad^en. S)arum fei leiner oermeffen unb l^abe einer ®ebulb mit
bem anbem; unb ob er ftd^ rool^t in feinem ©inne bünfet gefd^er
fein ci^ fein Släd^fter, fo fann ei il^m aud^ fel^Ien, mo il^n ®ott
mit feinem (Seifte nid^t fonberßd^ regiert."
6ine befonbre ^reube l^atte er an ber 3latur, unb fo wenig
aud^ bie Umgegenb oon äBittenberg lanbfd^aftßd^e ©c^önl^eiten bot,
fo fe^te ei il^m bod^ nid^t an fold^er ^Jreube, meil er in finniger
SBeife aud^ in bem Äleinen unb Unfd^einbaren ©puren ber gött-
lid^en SSeiil^eit unb ®üte unb ©leid^niffe bei getftßd^en Sebeni
ju finben oerftanb. „SQäir l^aben fo fd^öne Äreaturen," fprad^ er,
„ober man ad^tet il^rer nid^t, benn fie ftnb gar gemein.'' Unb
l^inroieberum: „2lffe 3^ier unb Äreaturen finb gefd^affen, baft mir
an il^nen lernten ®ott erlennen unb fürd^ten." 9Ki er im ^^jal^r
1539 in feinem ® arten bie blül^enben Säume betrad^tcte, fpradj
— 241 —
tt: ,,®eIo(et fei @ott, bet ©d^öpfet, ber aud toten, Derftorbenen
Kreaturen im Senjen oSed triebet lebenbig tnad^et! Selben bo(|
bie S^ei%Um fo (ieblid^ unb feift, gleid^ M toenn fie fd^toanget
itnb DoDer jungen todren unb ber ®eburt nal^e. 2)a l^aben n)ir
«in jd^ön 93ilb ber Xotenauferftei^ung. S)er 3Binter ift ber Sob,
ber @ommer aber bie äluferftel^ung ber ^oten, ba ed bann aSeS
lebenbig n)irb unb n)ieber grünet/^ 3Hs einei Slbenbd )n)ei äJöge-
Jein, bie in feinem ©arten ein Slep mad^ten, ober oft oon ben
tBorübergei^enben oerfd^eud^t morben maren, l^erbeiflogen, fprod^ er:
„9ld^ bu liebes SSöglein, fleud^ nid^t, id^ gömte bir'S t)on ^erjen
lool^I; rotnn bu mir'S nur glauben lönnteft. Sllfo vertrauen unb
^Imi^ mir unfrem $erm ©ott aud^ nid^t, ber un^ bod^ aSeS
(ante gönnet unb erjeiget. @r miS un§ \a nid^t totfd^tagen, ber
feinen ©ol^n für unS gegeben l^at." 2lber bei aller greube, bie
er an ber 9latur l^atte, begleitete i§n bod^ ftetg bad ®efül^l, ba^
bag Sftaturleben unb unfre äluffaffung beSfelben burd^ bie @ünbe
getrübt fei. SDal^er giel^t fxä) burd^ feine ganje 9laturbetrad^tung
W @el^nfud^t teils nad^ bem verlornen ^arabieS , teils nad^ bem
julünftigen als ©runbftimmung l^inburd^. ©o fonnte er beim
3lnblii obftbelabener Säume fpred^en: „3Benn Slbam nid()t gefallen
märe, fo ptten mir aUe Areatur^n alfo angefel^en. @in jeglid^er
^aum unb $alm märe befjer unb ebler gel^alten morben, benn
menn er gülben ober filbern märe gemefen. 3ld^, mie mürbe ein
^enfd^, menn 2lbam nid^t gefünbigt l^ätte, ®ott in allen Kreaturen
triannt, gelobet unb geliebet unb gepreifet l^aben, alfo ba| er aud^
in ben Ileinften 93(ümlein ©otteS älSmad^t, 2BeiS^eit unb ©üte
bebad^t unb gefe^en l^ätte!" Unb l^inmieberum : „®ie ©onne ift
ein fd^ön SBJerl ©otteS, baS mir bennod^ nid^t fönnen anfeilen nodi)
mit ben 3lugen barinnen l^aften, fonbem muffen il^r ben Slüdten
julel^ren. 2ld^ lieber $err ©Ott, menn mir mären im 5ßarabieS
blieben, fo l^ätten mir bie ©onne lönnen mit fti^en Slugen an«
fe^en o^n alle $inberniS unb ©c^merjen."
S)arum fu^te er benn mcl^r nod^ als in ber Slatur feine
€r^olung unb @rquidung im Umgang mit feinem ©ott. SReland^^
tl^on erjäl^lt oon il^m: „gd^ bin oft fclbft baju fommen, bafe
er mit l^ei^en Xl^ränen für bie ganje jtird^e fein &eUi gefprod^en,
»urf, Satl^er. 3. %vl^. 16
— 242 —
benn er nal^m il^m täglid^ fonber eigne 3^t unb 3MU, etlid^e
?PfaImen }u fpted^cn, barunler et mit ©euf jen unb SSäeinen fein
®e6et )u @ott menget. Unb roatb oft in täglid^en Sieben un-
roiEtg über bie, fo ba auS ^^aul^eit ober roegen i^rer ©efd^öfte
Dorgoben , ed fei itnrii , aDein mit einem !ur}en @euf jen. ®ott
anmfen. Senn ed ftnb, fprod^ er, eben barum t^orm unb SBeife
ju heten un^ oorgefd^rieben, ba^, fo mir fold^e lefen ober f pred^en^
unfre $er)en baburd^ ermedet unb entgünbet merben, unb ba| auä)
unfer ^unb belenne, meldten ®ott mir anrufen/' S)ied beftätigt
Sutl^er felbft, menn er in feiner ©d^rift „eine einfältige SBeife
ju beten" an ben Sarbiermeifter 5ßeter fd^reibt: „^ä) geb'S euc^
fo gut, ate id^'S l^obe unb mie id^ fetter mid^ mit Seten ^altc. —
@rftlid^, menn id^ fül^Ie, ba^ id^ burd^ frembe ©efd^afte ober ®e^
banfen bin lalt unb unluftig ju beten morben — mie benn boä
^leifd^ unb ber Teufel aEmege baä ®Aet meieren unb l^inbem —
ncl^me id^ mein $f alterlieb, laufe in bie Äammer ober, fo eS ber
%a% unb 3^it ift, in bie Äird^e ^um Raufen unb l^ebe an bie
10 ®ebot, ben ©lauben, unb bamad^ id^ 3^t l^abe, etlid^e ©prüd^e
(Sl^rifti, $auli ober 5ßfalmen münblid^ bei mir fettft gu fpred^en^
atterbing mie bie Äinber t^un. a)arum iff 8 gut, ba^ man frül^
morgeng Iaf(e bad ©ebet bag erfte unb obenbd bad (e^te fein
unb l^üte ftd^ mit fjlei^ oor biefen fälfd^en unb betrüglid^en ®e=
banlen, bie ba fagen: $arre ein menig, über eine ©tunbe mill
id^ beten; id^mu^ biedoberbaS juoor fertigen! 3>enn mit fold^en
®eban!en tommt man oom ®ebet in bie ©efd^äfte, bie l^alten unb
umfangen benn einen, ba| auä bem ©ebete beS XageS nid^t^
mirb. — SBenn nun baä $crj burd^ fold^ münblid^ ©efpräd^ er^
märmt unb }u fid^ fettft gefommen ift, fo Iniee nieber ober ftel^e
mit gefalteten Rauben unb 9lugen gen ^immel unb fprid^ ober
ben!e aufiS lürgefte bu lannft: Sld^ l^immlifd^er SSater, bu lieber
©Ott, id^ bin ein unmürbiger, armer ©ünber, nid^t mert, ba^ id^
meine Slugen ober ^dnbe gegen bir aufl^ebe ober bete. S(ber meil
bu ung aEen geboten l^aft gu beten, unb bagu aud^ @rl^örung oer-
l^eigen, unb über baä fettft und beibe äSort unb 3Beif' geleiert burd^
beincn I. ©o^n, unfern $erm 3cfum ß^rift; fo lomm id^ auf fold^
bein ©ebot, bir gel^orfam gu fein, unb oerlaffe mid^ auf beine
— 243 —
gnäbigc SSerl^ci^ung , unb im Flamen meines $erm 3efu E^riftt
bete id^ mit dien beinen l^eiligen S^tiften auf @rben: SSater
uttfcr, bet bu bift u. f. n). (ganj auS, oon SBort ju SBort). Sar^
nad^ n)ieber^oIe ein @tü(! ober mie oiel bu miKt/' Unb nun n)irb
ätnieitung gegeben, me bei jjeber einzelnen Sitte bie Detfd^iebenett
Stniiegen cingeflod^ten werben lönnen. Slber, fagt et: „3>d^ n)itt
nid^t aEe biefe äSorte im ®Aet gefprod^en l^aben, benn ba mürbe
bod^ jule^t ein ®epläpper unb eitel lebig ®emäfd^ and, fonbem
id^ min bad $er3 bamit gereijt unb unterrid^tet l^dben, mad e§ für
©ebanlen im SBaterunfer faffen foH. Sold^e ©ebanlen aber lann
baS $erg, menn'S red^t ermarmt unb gu beten luftig ift, mo^I mit
vkl anbem SBorten, aud^ mol^I mit weniger ober me^r SBorten aus*
fpred^en, benn aud^ id^ felber mid^ an fold^e SBorte unb ©üben nidftt
binbe, fonbem l^eute fo, morgen fonft bic SEBort fpred^^, bamad^
id^ marm unb luftig bin. SIeibc bod^, fo nal^c id^ immer fann^
gleid^mol^I bei benfelben ©ebanlen unb ©inn; lommt mol^I oft^
bo^ id^ in einem ©tüdEe ober SSitte in fo rcid^e ©ebanlen fpajieren
fomme, ba^ id^ bie anbem Iaf[e aKe aufteilen. Unb menn aud^
fold^e reid^e gute @ebanlen lommen, fo foU man bie anbem ©e-
bete f al^ren laffen unb fold^en ®eban!en Slaum geben unb mit ©tiffe
jul^ören unb beileibe nid^t l^inbcm, benn ba prebigt ber l^eil. ®eift
fclber. Unb feiner ^Prebigt ein SBort ift beffer, benn unfreS ®e=
bctS taufenb. Unb id^ l^abe aud^ alfo oft mc^r gclemt in einem
®cbet, meber id^ au^ md Sefen unb SJid^ten l^ätte Wegen lönnen.'*
„3)aS ift/' fäl^rt er fort, „lurj oom SSatemnfer ober ®tbet gefagt,
mie id^ felbft gu beten pflege. S)cnn id^ nod^ l^eutigS 3Jag8 an
bem ^Patcmofter fange mie ein Äinb, trinfe unb ef{e mie ein alter
3Renfd^, lann fein nid^t fatt werben, unb ift mir aud^ über ben
5ßfalter baS allerbcftc ®ebct. — SBSenn id^ aber geit unb Slaum
l^abc oor bem SBatemnfer, fo tl^u id^ mit ben jel^n ©eboten aui)'
alfo, unb l^ole ein ©tütf nad^ bem anbem, unb mad^e au^ einem
jeglid^en ®ebot ein oierf ad^eS gcbrel^teS Äränjlein: afö, id^ nel^me
ein jeglid^ ®ebot an )um erften ate Seigre, wie e$ benn an il^m
felber x% unb beule, maS unfer $err ®ott barin fo emftlid^ oon
mir forbert. gum anbem mad^e id^ eine S)anffagung barauS,
jum brittcn eine SBeid^t, gum üierten ein ®ebet." ®ie8 weift er
- 244 ~
jofort an ben einjelnen ©eboten nad^. !2af(en und biefe äleu^e-
Tunsen einen S3Ud t^un in bad @ebet3leben beg Steformotord, fo
l^aben fte und ani) angebeutet, n^eld^en 9Bert er auf baS ®ebet
mit ber ©emeinbe legte. @o berid^tet aud^ äRat^efiuS: „@r
ging gerne jur jtird^e unb trug aSejeit ein S3ud^ bei ftd^. 3)enn
€g fam il^m baä S3eten, wie er jtd^ oerncl^men liefe, in ber (Se^
meine vkl fünfter an benn im $aufe. ©einen @tul^I l^atte er
beim ^ol^en äUtar; bod^ menn man prebigte, trat er in bie Uni-
serfitätdftül^Ie unb l^örte fleißig unb mit Slnbad^t iu," @o mar
il^m bie ^ird^e, ]o grofeeS ©eroid^t er auf bie $rebigt legte, bod^
^ugleid^ ein Drt be3 (Sebetd, xoo er fid^ aud^ ju 3^^^/ ^^ ^^t
geprebigt würbe, einfanb.
älug bem ©ebetgumgang mit feinem ©ott fd^öpfte er bie
Äraf t , meldte er für bie mele 3lrbeit , bie auf i^m lag, beburf te.
3)enn nid^t nur war er, mie mir frül^er gefeiten, alä UniperfttätSs
lel^rer unb ^rebiger raftloS tl^ätig, fonbem ed lam ba}U, je länger
je mel^r, ein auSgebel^nter S3riefn)ed^fel, ba er t)on aUen @eiten
um ©utad^ten, um 2^roft unb um ^ürbittc bei -©ott unb SKenfd^en
angegangen n)urbe. lieber 2600 längere unb lürjere @d^reiben
von i^m fmb auf und gelommen. 2)aneben fal^ er {td^ immer
mieber Deranlafet, fd^riftfteQerifd^ aufjutreten. $atte il^n einmal
ein ©ebanfe* erfaßt, xoax er namentlid^ burd^ irgenb einen Eingriff
auf feine Seigre l^erauSgeforbert, fo mar ed il^m ebenfo perfönlid^ed
Sebürfnid aU ©emiffenäfad^e, ftd^ fd^riftlid^ auSjufpred^en, unb bad
gefd^al^ meiftenä mit grofeer SRafd^l^eit, ja mand^e feiner f leinen
Streitfd^riften ftnb in einem 3w8^ gefd^rieben. SQBie er unter
fteten kämpfen nid^t nur gegen bie römifd^ ©efinnten, fonbem
mel^r unb mel^r aud^ gegen fold^e, bie feine ^reunbe gen)efen, unb
unter bittem (Srfal^rungen oerfd^iebener Slrt aQe biefe 9lrbeit doS-
brad^te, n)irb und ber n)eitere äSerlauf feiner Sebendgefd^id^te geigen.
SEBir !önnen biefed Äapitel nid^t fd^liefeen, ol^ne furj gus
fammenjuf äffen, n)ad und über Sut^erd äufeere @rfd^einung be?
rid^tet wirb. @r mar oon mittlerer Statur unb fräftigem Äorper«
bau. SRod^ 1519 mirb er ald mager, burd^ Sorgen unb ©tubien
abge^el^rt, bef daneben, mogegen er 1522 nad^ feinem 9luf enthalt
auf ber SBartburg „einer natürlid^en jiemlid^en gcifte" mar. ©ein
- 245 —
®cmg xoax aufredet, mel^r nai) leinten als nad^ vom geneigt, fein
Sngefid^t emporgerid^tet. ä(uS ben ®e{td^td)ügen, n)ie und bie^
felben SuIaS jtranad^ )n)ifd^en ben ^df^xen 1520 unb 1546 n)ieber'
l^olt abgebilbet l^at, fprad^ 3Rut unb @ntfd^Iof[enl^eit, in fpäteten
Salären aud^ eine gen)iffe ^rautigfeit. ®ang befonbetd feine S(ugen
}ogen bie 3(ufmerlfamleit feinet 3^i^g^oJf^ <^^f f^^- Jtarbinal
ßajetan rebel 1518 von feinen „tiefen" 9lugen, ber ©d^roeiger
Äe|Iet (ß, 177) 1522 t)on „tiefen fd^roargen 2lugen unb Stauen,
blinjelnb unb 2n)i^etlnb n)ie ein Stent, ba^ fte nit n)ol^I mögen
ongefel^n roetben", unb SKcland^tl^on finbet im 33fidt feinet Stugen
ben 9[u3btud( feineä SömenmutiS.
Sief^e, ber Satanas Ifat ener begetjret^
baf er tudf motzte fiepten wlt ben n^eljen ;
xdi aber !}abe fftr bid? gebeten, ba| befn
®Ianbe nid^t aitft)dre. Cp. Cnf. 22, 5^32.
'^Ilnmittelbat nad^ feinet SJct^eitatung fd^ten ftd^ Sutl^etä
Seben ttroad tul^iget geftalten gu moKen aU Dotl^et. 3ta^ ben
gemaltigen S)onnetfd^lägcn beS SBauetnftiegS ttat eine gemifje ©tille
in ben öffentlid^en SSetl^oItnifJcn S)cutfd^IanbS ein, aud^ bie fitd^s
lid^en Stteitftagen maten butd^ jenes, beibe Seile gleid^etmafeen
bcbtol^enbeUngemittet füt einige Seit in ben $intctgtunb gebtängt,
unb bet 1526 auSgebtod^ene jttieg beS JtaifetS gegen bie „l^eilige
Siga", an beten ©pi^e bet ^ßapft ftanb, jmang bie päpfttid^e
^Pottei in SJeutfd^Ianb gut S^^^^^Itung. S)al^et l^otte Sutl^et
mäl^tenb bet legten S^i beS iga^teS 1525 unb mäl^tenb bei^
folgenben Qal^teS meniget gu lämpfen als in ben tjotl^etgel^enben
Saluten. SBol^I mat, mie mit oben fallen, bie gfcinbfd^aft beS
$etgogS ®eotg gegen il^n unb feine @ad^e infolge beS 93auetn?
auftul^tS nod^ l^eftiget gcmotben, ba et in bem leiteten eine
SBitlung bet tefotmatotifd^en Sefttebungen fal^; bie 9)lä|igung,
meldte et fid^ um ^ebtid^S beS SBeifen miSen bis bal^in nod^
— 246 —
ouferlegt ^atte, mad^te fett bem %oie bedfelben einem um fo letbem
fd^aftUd^eren äJetl^alten $Ia|. Seine @nttüfhing mu^ nod^, als
burd^ Sutl^erS SBermittelung breije^n 9lonnen au3 feinem ®ebiet
entfül^rt würben. 9lud^ in Jturfad^fen n)urben mand^e Slbelid^e^
felbft fold^e, weld^e bem Soangelium bid bal^in juget^an n^aten,
^ieburd^ erbittert auf Sutl^er unb feine ^eunbe. @r l^atte für
fein Seben ju fürd^ten, fo ba| er ftd^ bur^ bie äßamungen feines
^reunbeg ^mdborf unb burd^ bie Xl^rönen feiner %xau obl^alten
Ixe^, 3ur ^od^jeit @palatini3 nad^ Sltenburg ju reifen. 9lQein bie
^ofi^nung auf äSerfö^nung mit ®eorg gab er nid^t auf unb fd^rieb
am 22. 3)ejember 1525 einen merlroürbigen 33rief an benfelben. 9iad^
bem SBorbilbe ©otteS, ber guerft fd^arf mit ben SKenfd^en l&anble,
l^emad^ aber oäterlid^, l^abe er ben ^erjog juerft mit fd^arfer
©d^rift angetaftet, nun aber tooUt er il^n bemütig unb freunblic^
erfud^en^ um beS ^erjogiS eigner @eUg!eit miUen, ba^ er ablaffen
möge, feine Seigre )u »erfolgen. 3>l^m für feine 5ßerfon lönnc bie
Verfolgung wenig fd^aben, uiclmel^r l^abe ftc il^m biäl^er Diel ge^
nü^t. 2!)er ^erjog möge nid^t anfeilen Sutl^erg geringe ^erfon,
l^abe j|a bod^ ®ott aud^ einmal burd^ eine @felin gerebet. @r fei
bereit, aSed }u tl^un unb )u laffen, mag er miffe, bad bem ^erjog
n)o^I gefaUe, auiSgenommen feine Seigre, .^biefelbige lann id^ nit
lafjen vor meinem ©eroiffen. Sonft bitte id^ unb unterwerfe mid^
unb fud^e ®nabe, worin id^ mid^ Derwal^rloft l^abe an @uer f^ürft«
lid^en ©naben, eS fei mit Sd^riften ober äBorten. @g foD auc^
@uer gürftlid^e ©naben wiffen, bafe id^ biäl^er für ßuer gftirftlid^en
©naben ^erj fleißig gebeten l^abe unb aud^ nod^ bitte unb woQte
je gern guoor lommen mit biefer ©d^rift, ba^ id^ nid^t müfete,
aus 9lot ber Ba6)e ge3wungen, wiber @uer ^ürftlic^e ©naben
bitten. 2)enn wiewol^I wir ein geringes, armed Häuflein ftnb,
fo wir aber wiber @uer ^ürftlid^e ©naben foHten bitten (wie wir
gar ungern tl^un, unb un3 bod^ bie Sänge wirb bal^in bringen
baä unabläffig Serfolgen beä @oangelii unb feiner ^rebiger), fo
ftunbe ed barauf, ba| @uer ^rftlid^en ©naben nit wol^l gelingen
foHt. Unb möd^t oieHeid^t @uer gürftlid^e ©naben inne werben, ba|
nid^t ein gleid^ ®ing fei wiber ben SKünjer unb wiber ben Sutl^er
ftreben. @g wäre mir aber lieber, @uer ^ürftlid^e ©naben mfi^te
— 247 —
bad nit erfolgten, ^i) f^alt mein unb ber 3Retnen ®ehü [tarier
benn ben 2!eufel feKft; unb n)o bad nit wäre, foSt eä längft
onberd um ben Sutl^er [teilen; miewo^I man bad gro^e äBunber
@otted an mir nid^t fielet nod^ merlet/' @d^on im @eptem6er
l^atte Sutl^cr in dl^nlid^em cerföl^nlid^em 2;one an ©einrid^ VIII.
von @nglanb gefc^rieben auf ä(nbringen bed jtönigd ton SDäne«
mar!. @r l^atte um SSerjeil^ung für fein l^eftigeg auftreten gegen
ben Aönig gebeten unb bagfelbe als tJ^örid^t unb übereilt anerlannt,
ia ftd^ }u öffentlid^em SBSiberruf feiner fd^arfen SEBorte bereit er=
IIa rt unb bie Hoffnung auggefprod^en, ber Jtönig tDerbe bem @Dan^
gelium gel^orfam merben. 3Bad l^at Sutl^er gu fold^ bemütiger
Slad^giebigleit, bie il^m fonft fo fremb mar, Bewogen? ^f^rd^* w^^
€ä mal^rlid^ nid^t, benn für feine $erfon l^atte er bamate weniger
ju fürd^ten aü gar mand^mal Dorl^er unb nad^l^er. SSielmel^r
fd^eint ber äBunfd^, ben Aönig t)on @nglanb für bie @ad^e bei^
۟angeliumg )u gewinnen, unb ben burd^ ben S3auemlrieg oer^
anlasten SSerfoIgungen beg ^erjogd ©eorg gegen feine bem eoan-
^elifd^en ®Iauben anl^angenben Untertl^anen ein @nbe gu mad^en,
il^m jene beiben S3riefe biltiert )u l^aben. SSieEeid^t mod^te aud^
bie fänftigenbe ®inwirlung beä neu gegrünbeten ^auSftanbeS nid^t
o^ne ©influfe auf ben 2^on berfelben fein. 3!)a^ aber beibe Sricfc
il^reS SwJcdteS cerfel^lten unb Beibe dürften fel^r ungnäbig ant-
worteten, barf uns nid^t wunbem. ©ie waren von Sutl^er gu fd^wer
beleibigt worben, aü ba^ eine älbbitte, weld^e ftd^ nur auf ben
%on feiner ©d^reiben begog, wäl^renb er oon bem ^nf)alt berfelben
ttid^tS jurüdFnal^m, fte )u befriebigen Dermod^t l^ätte. Sutl^er felbft
erlannte, bafe er fid^ gu einem unllugen ©d^ritt l^atte bringen Iaf[en.
„3^ bin unb bleibe eine ©d^af," fagt er, „bafe id^ fo leid^tiglid^
glaube, mid^ fo fül^ren unb leiten laffe, fold^en Sunlern ju l^ofieren.
— Slber bod^, waS id^ befe getl^an l^abe, reuet mid^ nid^t, weil
id& eä bem ©oangelio ju 2)ienft getrau l^abe." ©o bitter fid^
aber ^ergog ©eorg in feinem Slntwortfd^reiben gegen Sutl^er äußerte,
fo mu^te er bod^ gegen feinen SQBillen 3^wgniä für il^n aBiegen.
Sutl^er l^atte 1526 eine ©d^rift „Di ÄriegSleute aud^ in
feiigem ©tanb fein lönnen" auf Sgeranlafjung beS SRitterS
3lffa oon Äram oeröffentlid&t. Sluf einigen %emplaren war ber
— 248 —
9tame beiS 93etfaf[erS toeggeblieben unb ein fold^ed bem ^erjo^
@earg in bie $änbe gefpielt n)orbcn. 2)tefet fanb großes ®t?
faOen boran unb äußerte gegen ben ÜRaler Sulad jttanad^: „@iel&e^
ba l^ab id^ ein Süd^Iein, bad ift \a fo gut unb bejfer^ benn ed ber
Sutl^er nimmermehr mad^en fönnte/ ^te jtranad^ i^m nad^mieS^
ba^ biefed Süd^Iein eben von Sut^er fei, ba marb ber $er)og
jomig unb rief mit einem %Ivl^: ,,3iP'ö i>o^ fd^abe, ba^ ein fold^
i^eillofer SJlönd^ fo ein guted Süd^lein l^at mad^en foSen/'
älu^er biefem S3üd^Iein gab er mäl^renb bed 3^^te3 1526
aud^ einige e^egetifd^e 6d^riften l^erauiS: eine lateinifd^e über
baS 5. 95ud^ SKofe, eine 2lu8legung t)on 2. SWof. 1—19, eine
ätudlegung bed ^ropl^eten ^abatuf, unb eine ber mer Xroftpf almen
(38, 62, 91 unb 109), meldte er ber bem Soangelium günftig ge:
ftimmten itönigin SJlaria von Ungarn au^ SSeranlaffung bed Xobe^
i^reä SKanne« mibmete. ^n Sejie^ung auf ©treitfd^riften
Sutl^erd trat nad^ SSoKenbung ber gegen (Sradmud gerid^teten @d^rift
„SSom gelned^tcten SSäiffcn" eine längere 5ßaufe ein.
Um fo mel^r rid^tetc er feine 9lufmerlfamfeit auf bie inneren
8u|iänbe ber et)angelif d^cn ®emeinben. 3n SBittenberg war ein eoans
gelifd^er ©otteSbienfi mit $rebigt unb ®emeinbegefang eingerid^tet
unb 1525 aud^ in ber Siturgie bie lateinifd^e @prad^ebefeitigt morben.
3)iefe Drbnung foEte nun aud^ anbem ®emeinben, nid^t ald „notig
®efe^'' auferlegt, aber aU 93eifpie[ Dorgel^alten merben; barum
mad^te er fie in ber ©d^rift „SJeutf d^c SKeff e unb Drbnung bci^
©ottedbienftg in äBittenberg Dorgenommen" befonnt. @r
betrad^tet l^ier bie liturgifd^en t^ormen aü eine öffentlid^e Sfleijung
jum ©tauben für ben großen <J^aufen. ^ätte man eg nur mit
fold^en )u tl^un, bie mit @rnft (Sl^riften fein moSen, fo fönnten
jene t^ormen megfaUen unb man fönnte aKeS aufiS äBort unb
®ebet unb bie Siebe rid^ten. ^ einer folc^en Sammlung ed^ter
Sl^riften lönnte man bie, fö ^ nid^t d^rifttid^ l^ielten, auSfto^en
unb in ben 93ann tl^un, aud^ ein gemein ätlmofen ben S^riften
auflegen nad^ bem Tempel @t. $atili. älber ba man bie $ers
fönen bagu nid^t ^abe, müf[e man ed Iaf[en aufteilen, auf ba^ nid^t
eine Slotterei baraud merbe.
@]^e aber Sutl^er bie Spiegelung ber tird^Iid^en 3#Sn^^ ^^
— 249 —
@ad^fen tmtd^fül^ten lontttC; mu|te et luvov burd^ eine emfte
2etbengfd^ule l^inburd^gel^en. 3)tefe (redete baS ^o:^x 1527. @d^on
gu älnfang biefed Sa^ted breite ein SBIutanbtang gegen baS $er)
feinem Seben ein plö^Iid^ed ®nbe }u mad^en. ^m ^Ix folgten
l^eftige {örperßd^e äSeengungen, Detbunben mit geiftlid^en 3(nfed^s
tungen ber fd^metften 9lrt. @amftag ben 9. i^fuli morgens n^urbe
er plö^Iid^ oon einer l^eftigen ätnfec^tung befallen. Um ad^t Ul^r
lie^ er feinen Seid^toater Dr. Sugenl^agen rufen, beid^tete bem^
felben, erbat ftd^ bie älbfolution unb Sugen^agend f^ürbitte unb
rebete oon bem unaudfpred^ßd^en Sd^eden unb S<^i^f ^^^ ^
gefül^It l^abe. 3)abei äußerte er: „SSiele beuten, meilid^ mid^
Untermeilen in meinem äu^erlid^en SBanbel fröl^Iid^ fteSe, id^ gel^e
auf eitel Slofen; aber ®ott mei|, mie ed um mid^ ftel^et meines
SebenS l^alben. 3<^ ^<^^ ^i^ ^f^ fürgenommen, id^ moSte ber
9BeIt )u 2)tenfit mid^ ttvoai emftlid^er unb l^eiliger (mei^ nid^t, mie
i(^ eS nennen foS) fteEen ; aber ®btt l^at mir f old^eS }u tl^un nid^t
gegeben." Sluf Sugenl^agenS Slufforbetung bemog il^n feine ^au,
an einer SJtaJ^Ijeit, }u meld^er er gelaben mar, teiljunel^men. @r
a| unb trän! menig, mar aber guter 3)inge. 97ad^ Xifd^ ging er
in baS Oärtlein beS Dr. ^[onaS unb unterl^ielt fid^ mit biefem
längere Seit. 3)ann begab er jtd^ nad^ $aufe unb legte jtd^ ju
^ettt. (Segen 9(benb erlaub er {i(^, um mit ^om^ }u 9tad^t ju
fpeifen. aber l^eftigeS ©raufen in ben D^ren nötigte il^n, feine
©d^Iaflammer aufjufud^cn. QonaS folgte il^m, unb ba fam e«
nun ju einem fo l^eftigen älnfaK, ba^ er fein @nbe nal^e glaubte,
„^ein aKerliebfter ®ott, menn bu eS fo miUft l^aben, ba^ bieS
bie ©tunbe fei, bie bu mir oerfel^en l^aft, fo gefd^el^e bein gnäbiger
3Biffe." 9Kfo rief er unb betete mit großer 3[nbruft baS SSater?
unfer unb ben fed^ften ^Pfalm. SEBeiter fprad^ er im ®ebet: ^Sld^
mie gerne l^ött id^ mein SBIut t^ergoffen um beineS SBorted miKen;
bad mei^eft bu. Sber id^ bin**g oieEeid^t nid^t mert. 3)ein äBiEe
gefd^el^e! äßenn^d aber, lieber ®ott, mögßd^ märe, möd^te id^ nod^
gerne leben um beiner ©ottfeligen ober 9lu8ermäl^tten mitten,
^u ^aft mid^ ja in bie @ad^e gefül^rt, bu mei^t, ba| eS bein
äBort unb bie SBal^ri^eit ift; l^ebe nid^t empor nod^ erfreue beine
fjeinbe, bafe fte nid^t rül^men: mo ift nun il^r ®ott? SKein affer«
— 250 -
liebftet $err ^e\vL &f^xx% bu l^aft mir gnäbigßd^ t)erliel^en bte @r-
IcnntniS bcineS l^ctl. SRamenä, ftcl^c mir in biefcr ©tunbc bei unb
tröfte mid^ mit beincm l^eil. ®cift." hierauf menbctc er ftd^ gu
feinett ^eunben SSuf^enl^agen unb ^ona^, meldten mir bie genauen
Slufjeid^nungen über biefe SSorgänge Derbanten, unb fprad^: ,;3BeU
bie äBelt ^eub unb £uft ju lügen l^at, merben t)iele fagen, \ä)
l^abe meine Seigre t)or meinem @nbe miberrufen, begel^r bedl^alb
emftlid^, ba^ i^r moEet Saugen fein meinet ©laubend SSelenntniS.
$i^ fage mit gutem ®emif[en, ba^ id^ aug ®otte$ 28ort red^t
geleiert l^obe nad^ ©otted 93efe^l, ba)u er mic^ aud^ ol^ne meinen
SQSiKen gejogen unb gebrungen f)at SSiele geben mir fd^ulb^ ic^
fei gu l^art unb l^eftig, xotnn id^ miber bie $apiften unb Sflotten^
geifter fd^reibe unb il^re falfc^e SeJ^re, gottlos äBefen unb ^eud^elei
ftrafe. ^a iä) bin jujeiten l^eftig getoefen unb meine äSiber-
fad^er l^art angetaftet, bod^ alfo, ba^ mid^'ä nie gereut l^at. 3^^
fei nun l^eftig ober mä^ig, fo f)ai id^ ja leineS ©d^aben, t)iel
weniger feiner ©eelen SScrIuft gefud^t, fonbern tjielmel^r jjebermannS^
aud^ meiner geinbe SefteS unb ©eligleit."
S3ei junel^menber ©d^toad^i^eit rief er mieber )u feinem @ott
aU bem ®ott ber ©ünber unb @Ienben. 3>ann fprad^ er )u
feiner f^rau: „3Reine aUerliebfte Statine; id^ bitte bid^, miQ mid^
unfer lieber ®ott auf bieSmal ju ftd^ nel^men, ba^ bu bid^ in
feinen gnäbigen SQSiUen ergebeft. 3>u bift mein el^elid^ äSeib, bo^
für foUft bu ed gemi^ßd^ l^alten unb gar leinen 3^^if^t baron
l^aben. £a^ bie blinbe, gottlofe äBelt batoiber fagen, mag fte miS,
rid^te bu bid^ nad^ ®ottei3 äBort unb l^alte f eft bran ; fo l^aft bu
einen getoiffen beftänbigen Xroft miber ben S^fel unb aSe feine
Säftermäulcr." hierauf liefe er fid^ fein „attcrliebfteS ^änftd^en''
bringen unb fprad^: „D bu gutes , armeS Ainblein! nun id^ be^
fel^Ie meine aUerliebfte Aätl^e unb bid^, armeS SBaiSlein, meinem
lieben, frommen, treuen ®ott. ^^t ^aU nid^tS, ®ott aber, ber
ein SSater ber äBaifen unb Slid^ter ber SQSitmen ift, mirb eud^
mol^I emäl^ren unb tjerforgen." SJajroifd^en l^inein betete er immer
aufs neue um @tär!ung unb Sroft in feiner älngft, unb bag i^n
ber ®eift ®otteS bis an fein @nbe im redeten Vertrauen auf bie
gottlid^e ®nabe erl^alten moQe.
- 251 —
Set 9(r)t l^atte bad 9let5en mit toarmen 2!äd^ern unb ba$
auflegen »armer Jltffen Derorbnet. infolge baoon fanben ftd^
bie Jlröfte aSmäJ^Itd^ mieber ein; ber Jtranle geriet in einen ©d^mei^
unb am älbenb beS folgenben ^geS, eineiS @onntagd^ fonnte er
fein Sager roieber t)erlaffen. „^^ mu§ ben geftrigen 2Iag merlen/'
fprad^ er ju feinem greunbc Söncig, „id^ bin baran jur ©d^ute
geroefen unb in einem l^ei^en @d^n)i|bab gefef[en. 3>er $err
filieret in bie $öffe unb micber l^erauä. — 3^«^ f^ 2^6, ßl^r
unb 5ßreid in @roigleit." „3^ mürbe/' fd^eb er gu SKnfang
3lugu{ld an 3JteIand^tl^on, .^mel^r als eine 9Bod^e lang im Xob
unb in ber ^ölle uml^er geworfen, fo bafe id^ am ganjen Seibe
gefd^lagen bin unb meine ©lieber nod^ gittern, ^ä) l^atte Sl^riftum
beinal^e gan^ verloren unb mürbe Don ben ^^luten unb Stürmen
ber SSerjmeiflung unb ®otteSläfterung umgetrieben. 9lber burd^
ber ^eiligen Fürbitte bemogen^ begann ©Ott ftd^ mein }u er^
Barmen unb errettete meine @eele and ber unterften ^öUe. $öre
aud^ bu nid^t auf, für mid^ ju h^ten, mie id^ für bid^/' älber
ein gemifler ^rudC be§ ®^mixttd blieb, unb bie Slnfed^tungen
Toieberl^olten ftd^ mäl^renb eines ganjen ^af)xed. ,,93einal^e feit
brei SKonaten/' fd^reibt er imDItober, ,,bin i^ elenb nid^t fomol^I am
Seib, aU an ber @eele, fo ba^ id^ nid^td ober menig gefc^rieben
l^abe. ©0 l^at mid^ ©atan gefid^tet. Sitte für mid^ ben $errn,
ba| er mid^ erl^alte, mie er aud^ tl^ut." 9(el^n(id^e klagen mieber-
Idolen ftd^ in nielen Briefen auiS jener 3^^-
3u biefen eigenen 9iöten fam nod^ bie 2;eilnal^me an frembem
Seiben. 3m SKai 1527 erl^ielt er bie SRad^rid^t, bafe Seonl^arb
Aaifer, meld^er fid^ jmei Saläre in äBittenberg aufgel^alten l^atte,
t)om SSifd^of in $af[au megen feineä reformatorifd^en SSirfenS
ins ©efängniS geworfen morben fei. @r fd^rieb an xf)n einen
©rief ooH 3:roft unb Ermunterung ju ftanbl^aftem SelenntniS
unb bemog ben Äurfürften, für benfelben fid^ ju oermenben. 35ie8
gefd^al^ aud^, l^attc aber leinen ®rfoIg, unb am 16. Sluguft mürbe
Äaifer §u ©d^erbing vexbxannt Sutl^er gab bie ©efd^id^te feineä
aWärt^rertobeä im S)rutf l^erauS unb fd^rieb über il^n an feinen
greunb ©tiefel: „Sitte für mid^, ber id^ oon ©atanS ßngel mit
Sauften gefd^Iagen merbe, ba^ ß^riftuä mid^ nid^t üerlaffc. D id^
— 252 —
©Icnbct, bcr id^ biefcm Sconl^arb fo unflleid^ bW;. x^, ein 5ßrebtgct
mit tjicicn 2Bortcn, il^m, bem fo gewaltigen %^i^ beS aBortd!"
ffloä) fd^merglid^er tDurbe Sutl^er (eiDegt burc^ ben ^ob be^
$rebtget§ ©eorg Sßinflet ju $alle, ber t>om Srjbifd^of ällbred^t von
SWainj üorgelaben unb untcnoegS ermorbet tDorben toax. SDie
iffentlid^e ^Reinung mad^te ben @r}btfd^of felbft jum 3Ritfd^ulbigen
an biefem SKorb, unb Sutl^er, ber biefem feinem alten (Segnet
tto^ ber Tüdftd^tgooUen Haltung ^ n)eld^e berfelbe il^m gegenübet
einnal^m, nid^t traute, liefe merlen, bafe er biefen SBerbad^t teile,
unb fprad^ in einem unter großer ©d^wad^l^eit abgefaßten 3^roft^
f d^reiben an bie ßl^riften ju ^alle ben ©ntfd^Iufe a\x^: „3^
roiff fold^em Slut l^elfen rufen unb fd^reien gen $immel, auf bafe,
fo oiel an unS ift, fold^er 5Korb nimmermel^r tjerfc^roicgen merbe,
big fo lange bafe ®ott, ber barml^erjige 3Sater unb geredete
Sflid^ter, fold^ ©efd^rei erl^öre unb fd^affe SRed^t unb SRad^e über
ben ajlörber unb SBerfül^rer, ben alten ^einb, ber foId^S l^at ans
gerid^t, unb gebe, bafe SKagifter ©eorgen SSIut mtif{e ein gött^
Kd^er Same fein — unb l^unbcrtfältig ^rud^t bringe, alfo ba|
anstatt eines ermorbeten ©eorgen l^unbert anbre redete 5ßrebtger
(iuflommen, bie bem ©atan taufenbmal mcl^r ©d^abenä unb SeibeS
t^un, benn ber einige 5!Kann getl^an l^ot, — gteid^ mie bem 5ßapft
aud^ gefd^el^cn ift burd^ Qol^anneS $ufen SBlut."
2)er ®inbrudt fold^er 3!rauerbotfd^aften mürbe üerftärlt burd^
bie in näd^fter 5«äl^c mütenbe ?Pcft. 3m SuK flüd^tete bie Uni--
oerfität oor berfelben nad^ 3^^^ ^"^ ^^^^ ^'^^ *>i^ 3^^^ i>^
3IobeSfätte in SBittenberg im Sluguft nod^ eine mäßige mar, fo
mar bie Sttngft um fo größer. SltteS flol^, aud^ ^om^ mit feiner
gamilie, nad^bem il^m ein ©öl^nlein geftorben. Sut^er, obrool^l
tl^n ber Jturfürft ermal^nt l^atte, ftd^ aud^ nad^ ^tna ju begeben,
blieb mit Sugcnl^agen in SEBittenberg, überzeugt, baß ßl^rijiug bei
il^m fei, unb fprad^ ftd^ in ber ©d^rift: „aintmort auf bie
tjrag, ob man oor bem ©terben fliel^en möge" mit ebenfo*
oiel SRüd^ternl^eit als SRut bal^in auS, baß ^Prebiger unb ©eet
forgcr, fomie bie, fo in meltlid^en 3lemtem ftel^en, ober bie fonft mit
35ienft unb $fli^t anbem oerbunben feien, fd^ulbig feien ju bleiben,
menn nid^t anbre für fte eintreten; ben übrigen bagegen ftel^e eS
— 253 —
frei 3U bleiben ober )u fliel^en, ie nad^bem fte fec! unb ftarl im
©lauben ober fd^toad^ unb fürd^tig feien. 9lad^bem er nod^ in
ber SRttte beiS DItober ber n>eitDerbreiteten 9lngft gegenüber barauf
l^ingen)iefen, ba^ im SSer^ältniiS )u ben (Sriranlungen nur n)enige
^obeSfätte voxtommen, mu^ er am 1. Slooember feinem greunb
3(mdborf mitteilen, ba| fein eignes Qan^ einem Spital gleid^e.
3)ic grau beS Sluguftin ©d^urf unb eine in feiner f^amilie jid^
auf^altenbe üRargarete 3Roä)a erfraniten. ^r feine eigne t^rau,
beren 9lieberlunft täglid^ ermartet raurbe, mie für fein @öl^ne
<l^en, bad jmölf ^ge lang leine 9tal^rung nal^m, fürd^tete er.
ff^^, ber id^ btSl^er aKe anbem ju tröften pflegte, bin felbft aKed
S^rofteS bebürftig. — SSon aufeen Äämpfe, oon innen Slengfte
— S^riftud fud^t unä l^eim. 2!)er einjige Xroft, ben voxx ber
SBut ©atanS entgegenl^alten, ift ber, bofe wir roenigfkenS ba« a33ort
(SotteS l^aben, um bic ©eelen ber ©laubigen ju retten, wenn er
aud^ il^re Sciber cerfd^lingt." 9lfe er biefcS fd^ricb, waren cd gc«
rabe jel^n Saf)xz, feit er bad Sieformationdmerf begonnen l^atte.
3)ringenb bittet er um jene 3^^* i« oerfc^iebenen Sriefen feine
f^eunbe um il^re ^ürbitte, bamit er nid^t oon ßl^rifto abfaUe bei
ben l^eftigen Eingriffen, meldte er oom ©atan ju erleiben fyiie.
3)od^ befjerte fid^ attmä^Iid^ feine äußere Sage; gegen @nbe 3lo^
xjember erlofd^ bie ?Peft in SJBittenbcrg , am 10. 2)ejember fonnte
er oon ber ©enefung feinet ©öl^nleing unb ber glüdlid^en Ge-
burt eineg ^öd^terleinS Jlunbe geben. Unb aud^ innerlid^ marb
es mieber l^ell. „3Rein ©atan ift mir infolge eurer gürbitte
mand^mal erträglid^cr/' fann er einem grcunbe fd^reibcn. Unb oon
bem ©icg, ben er in fo fd^merem Slingen gcmonnen, oon bem
^elbenmut, gu bem er fid^ auS tieffter 3?erjagtl^eit burd^gelämpft,
gibt baS Sieb 3^ugniS, meld^eS l^erauSgeboren auS ber 9lot jener
akige, balb nac^ Seginn bcS ga^reS 1528 anS Sid^t trat, baS
Sieb: „@in fefte 8urg ift unfcr ®ott^*)
•) 9311^ fc^t bie ^Cbfaffung biefcS StebeS erft in ben 2)caember
1528 ober ganuar 1529.
— 254 —
3Jifrtej» Äapilef.
Sie ba baneten an ber tHaner, mit einer
Qanb ti^aten fie bie 2Irbeit nnb mit ber anbem
l}ielien fie bie IPafpen. Hellem. ^, X7.
^u bcn Slnfed^tungcn, unter bcrcn Saft Sutl^cr, toic wir
fa^en^ beinal^e erlag, trugen ol^ne SxoA^A anä) bie traurigen ürd^^
liefen 3#^ni>^ f^i^^^ ^eimatlanbed bei. 3)ie alte fird^lid^e Drb-
nung roax aufgelöft; bad bifd^öflid^e 9lmt l^atte feine Sßad^t ver-
loren, bie fird^lid^en @inlünfte minberten ftd^ t)on Xag gu %a%,
ein georbneteg Pfarramt fd^ien nid^t n)eiter befielen ju lönnen.
äSir lönnen un§ beulen, mit n)e(d^em Sd^merj Sutl^er auf biefen
ßrfolg feiner ad^tjäl^rigen 3leformationStl^ätigIeit l^inblidte, wenn
er am 31. DItober 1525 an feinen Äurfürften fd^rieb: ,;S)a gibt
niemanb, ba bejal^let niemanb. Dpfer unb ©eelenpfennige ftnb
gefallen; 3i"fc fi«i> «i^t i^^ ober gu menig. ©o ad^t ber gemein
5fRann meber ^rebiger nod^ ^Pfarrer, fo ba^, roo l^ie nid^t ein tapfer
Drbnung unb ftattlid^ ©rl^altung ber ?Pfarren unb 5prebigtftul^len
n)irb fürgenommen von ®uer Äurfürftlid^en ©naben, mirb in furjer
Seit meber ^Pfarrl^of, nod^ ©d^ulen, nod^ ©d^üler etmaS fein unb
alfo ©otteS SBort unb SJienft ^u Soben gelten." SSäir begreifen
aud^ feinen Unmitten, menn er ein ^a^x f päter , feine lange jurüdf^
gcl^altcnen Slnliegen jufammcnfaffenb, bem Äurfürften vorträgt:
f,^a moUen bie S3auem fd^led^tä nid^tS mel^r geben, unb ift fold^er
UnbanI unter ben Seuten für baS l^eilige ®otteS SBSort, bafe ol^ne
3meifel eine grofee $lage fürl^anben ift von ®ott. Unb menn id^'ä
mit gutem ©emiffen ju tl^un mü^te, möd^te id^ mol^l baju l^elfen,
bafe ftc feinen ^farrl^err ober ^rebiger l^ätten unb lebten mie bie
©äue, als fie bod^ t^un. 3)a ift feine gurd^t ©otteö nod^ 3ud§t
mel^r, meil beS ^PapftS 35ann ift abgegangen, unb tl^ut jebermann,
mag er nur mitt." 9lid^t weniger l^ärmte er fid^ borüber, ba^
fo mand^e 3lbetid^e bie Äloftergüter an fid^ riffen, ja bafe fold^e^
meldte frül^er bem ®t)angelium feinb gemefen maren, je^t, mo bie
©elegenl^eit minfte, burd^ bie Seute ber Älöfter fid^ ju bereid^ern^
- 255 -
tl^ren @tgettnu^ mit bem Flamen bed @t)angeKumS bedten. ^n
ber @ntrüftutig barüber befd^täntte er ftd(| nid^t auf fd^riftlid^e
äSotfteOungen, fonbem brang, aU ftd^ bet Äurfütft in äSittenberg
befanb, in bef[en jtabinet ein tro$ beg SBiberftanbd ber ^ofleute^
um S(6l^ilfe ju erlangen. @r erl^ielt jmar fd^öne 3uf<^S^/ fürd^tete
aber, bie Umgebung bed f^rften merbe biefelben )u oereiteln
ioif[en. 9Bar x>on ben SBauem mie t)om 9lbel nur SSeraubung unb
Seeinträd^tigung ber Jtird^e 3U erwarten; t)on mem lonnte man
l^offen, ba^ er ftd^ ber bebrängten jtird^e annel^men unb i^r
3ur Drbnung tl^rer äußeren SSerl^ältniffe be^ilfUd^ fein merbe,
loenn nid^t vom Sanbedl^erm ? 3Jtan mad^t eS l^utl^er nid^t feiten
ium 93om)urf, ba| er bie et)ange(ifd^e Stird^enoerfaffung nid^t oon
älnfang an auf ben SSoben be3 ©emeinbeprinjipg gefteKt l^abe.
Slber mar i^m fd^on »orl^er bie ©errfd^aft beS „$crrn Dmneä" in
ber Äird^e ate bem SEBefen berfelben miberfpred^enb erfd^ienen, fo
l^atte il^n ber Sauemirieg in biefer Sluffaffung nod^ beftärft. 9Q3o
mären aud^ bie (Semeinben gemefen, beren $änben bie Äird^en*
gemalt l^ätte anvertraut merben lönnen? $atte bod^ Sutl^er über
bie ©tumpfl^eit unb (Sleid^gültigleit felbft ber ©emeinbe ju SBittem
berg fortmäl^renb ju flagen; mie mag ed ba auf bem Sanbe au^^
gefeiten l^aben? 2)afe er aber bie $ilfe beS Äurfürften in 3lnfprud^
nimmt, bafür fü^rt Sutl^er einmal bie ^ßflid^t ber Dbrigleit, für
©rgiel^ung ber Sugenb ju forgen, als ®runb an ; unb bann folgt
il^m barauS, bafe alle Älöfter unb ©tifte bem SanbeSl^erm in bie
$önbe fallen, für benfelben and) „bie ^flid^t unb Sefd^mer, fold^eS
S)ing JU orbnen, benn ftd^'S fonft nicmanb annimmt, nod^ a\x^
nel^men lann, nod^ foll". SSon Kurfürft S^l^ann, ber in lird^-
lid^en 2)ingen nid^t bie Dorftd^tige 3^^^^^Itung beobad^tete mie
fein Sruber, tjnebrid^ ber SEBeifc, mar um fo e^er ju ermarten,
bag er bie il^m l^iemit angetragene Stellung eined Sd^u^l^erm
ber coangelifd^en Äird^e in feinem Sanbe annel^men merbe, afe
burd^ ben 3leid^8tag8abfd^ieb ju ©peier oom 27. Sluguft 1526 jjebem
Slei^öftanb geftattet morben mar, bis jum 3uftanbeIommen eincS
beutfd^en 5Wationalfongitö in ©ad^en beS SBormfer ®bilt8 fo ju
leben unb ju regieren, mie er eS gegen ®ott unb Äaiferli^e
ÜRajefkät l^offe unb vertraue ju cerantmortcn, moburd^ bie QnU
— 256 —
fd^eibung über bie tird^Iid^en guftänbe eine§ Sanbed gan) in bie
$anb beg SanbeiSi^erm gelegt roax, Sutl^etä ©ebanfe toax nun,
bcr Äurfürft foHc ©täbtc unb SJötfet anl^altcn, bafe jte jur ©r^
l^altung Don jtird^en unb ©d^ulen bad @rforberItd^e leiften, n)o fte
ba}u aber nid^t im ftanbe feien^ foQen bie ^loftergüter baju ge-
hxau^t n)erben, ,,be3 gemeinen 3}2anneg befto hai ju Detfd^onen".
Um aber biefe fird^Kd^en 3lefotmen burd^jufül^tcn, foffe bcr Äur-
fürft „t)on t)ict ^ßcrfoncn (äffen baä Sanb oifttieten, jroeen auf
bie Si^^fc «tti> ©fiter, jroecn, bie auf bie Se^re unb ^erfon Der?
fiänbig pnb". 3)er Äurftirji ging auf biefen SSorfd^Iag ein unb
ernannte äSifttatoren, barunter ÜReland^ti^on, n)eld^e im f^ul^ia^r
1527 il^r 3Serf begannen. 3)adfelbe erUtt fretlid^ burd^ bie im
Sommer beä ^q!^x^ audgebrod^ene $eft eine Unterbred^ung. 98ä^
renb berfelben arbeitete ^eland^tl^on eine @d^rift aud, in meld^er
Slnmeifung gegeben mar, mie bad @t)angelium in ben ©emeinben
mit SlüdCftc^t auf ben gemeinen 3}2ann geleiert merben foQte. Um
ber ftttUd^en Seid^tfertigfeit entgegenzutreten, meldte ftd^ bei
nid^t menigen S3e!ennem ber et)ange(ifd^en Seigre jeigte, l^atte er
in biefcr ©d^rift geforbert, e8 foffe gelehrt merben, bafe bem red^t«
fertigenben ©lauben emftKd^e 9leue unb @d^red(en beg ©emiffeng
Dorangel^en müf(e. 2)amit aber gab er nad^ jmei Seiten l^in
^nfto^ : bie Aatl^olifen triumpl^ierten, ba^ bie Sutl^erifc^en „mieber
3urüd fröd^en^', b. 1^. t)on il^rer eignen Seigre abfaQen, unb ^gol^ann
älgrilola, Sutl^erd ^^freunb unb Sleftor ber @d^Ie in @igleben,
mad^te bem ^eland^tl^on }um SSormurf, ba^ er bie 93u^e aud ber
^urd^t vox ber Strafe ftatt au3 ber Siebe }u ®ott Iaf[e l^eroor^
gelten unb bie redete ©otteSfurd^t, ba man ©Ott um feiner felbft
miKen fürd^te, nid^t oon berjjenigen unterfd^eibe, meldte nur feine
Strafe fürchte. 3)er Äurfürft mürbe ftu^ig, Sutl^er aber be?
tu^igte il^n: ba| bie äßiberfad^er bamiber lügen, fei nid^t gro^
}u ad^ten; im übrigen müf[e man aUju feine Unterfd^eibungen
nid^t verlangen, ba „aKeg für ben $öbel auf§ einfä(tigfte ge-
fielet" fei. So ging benn bie Sd^rift mit wenigen Slenberungen
t)on Sutl^er unb SSugenl^agen unb einer SSorrebe beg erfteren im
gjlärj 1528 au8 unter bem SCitcI: „Unterrid^t ber SSifi^
tatoren an bie ^ßfarrl^erren im Äurfürftentum Sad^fen."
— 257 —
£ut^er fü^Tt in biefer SSortebe aud, iai bad SBifttationdmerl bte
titfprün^Hd^e (Srunblage b'eS bifd^öflic^en 9(tnted fei. Mein mit ber
3eif l^oben ed bie S3ifd^öfe vetfäumt. SBeil ed ober fo nü| unb not
in ber S^riftenl^eit fei, f^&tt^ er eiS gerne n>ieber eingerid^tet, unb
ba fonft niemanb baju ben 93eruf gehabt, l^abe er ben Jturfürften
gebeten, ba^ er aud d^riftlid^er Siebe, n>eil er ald n>eItHd^e Dbrigleit
€d nid^t fd^ulbig fei, etlid^e tüd^tige ^erfonen ju fold^em 9lmt orbne.
aSom $erbft 1528 an beteiligte ftd^ Sutl^er felbft an bem
^ifitationSn>erI, roeld^eä von mel^reren Jtommifftonen, beftel^enb ie
<tud einem 3!l^eoIogen unb einigen n>eltli(l^en Beamten, vorgenommen
mürbe. S)ie Srgebniffe n>aren fe^r betrübenb. 3lx^t nur bittere
9lrmut begegnete überaK ben SSifttatoren, fonbem aud^ geifttid^e
tBotfiänbe. 3)ie ?Pfarrer waren im Äreif e oon SBittenberg oer^ältnis«
mä^ig beffer, aber in anbem SanbeSteilen fanb fid^ bei benfelben
arge Unmiffenl^eit; aud^ fd^mere fittlid^e ©ebred^en maren ju rügen.
9lod^ fd^Iimmer ftanb eä beim äSoIIe. ^räg jum äBort unb @a^
f rament, unbef annt mit ber Seigre beä @r)angeUumä maren namentlid^
tne S3auem; bie einen fannten fein ®tiei, ben anbern noar baS
^aterunfer ju lang. @d^ulen waren feiten auf bem Sanbe.
Um ben jum ^rebigen ungefd^idften @eiftlid^en ju ^ilfe }u
lommen, mürbe Sutl^erS Äird^enpoftille, meldte 1527 ooffenbet
morben mar, i^nen jum 33orlefen gegeben. äSefonberS aber foSte
t>er Unmiffenl^eit beä SSolfeS in ©laubengfad^en burd^ ben Statte
d^iSmug abgel^olfen merben. @o verfaßte Sutl^er juälnfang beS
igal^reS 1529 feinen großen Jtated^iSmug aU äCnleitung für bie
Pfarrer, bie eoangelifd^e Seigre in ?ßrebigt unb S^scnbunterrid^t
t)orjutragen nad^ Drbnung ber brei altd^riftlid^en ^auptftüdEe:
®efeft, ®Iaube unb ®ebet beS §erm, moju er nod^ bie oon 3^aufe
Ttnb Slbenbmal^I fügte. 3)arauf folgte baS „Snd^iribion ober
Heiner Äated^iSmuS für bie gemeinen ^farrl^erren ober
?ßrebiger", jugleid^ aud^ beftimmt ju einer Anleitung für bie
^auSoäter, mie fie il^r (Seftnbe leieren foffen. %ixx bie ?Prebiger
gab er bief em Jtated^iiSmuS ein ^raubüd^Iein unb fein fd^on frül^er
erfd^ieneneS ^ufbüd^Iein bei, mäl^renb bem l^öuiSlid^en ©ebraud^
"bie beigegebenen SKorgen^, Slbenb^ unb 3^ifd^gebete famt ber ^auS-
tafel bienen follten. 3)ie SSorrebe Ilagt über bie jammeroolle
»ut!, ßutl^er. S. «ufl. 17
— 258 -
Unmffenl^eit bed gemeinen äßanned in 93ejiel^ung auf bie d^riftlid^e
Seigre unb ruft äld^ unbäBe^ ü(er bie^ifd^öfe, bie bad SSolf fo
fd^änbßd^ ^aBen lajfen l^ingel^en. 2!)ann bittet Sut^er bie ^fatr-
^enen um ©otteSroiUen , ba^ fie fx^ über bad 33olI erbatmen
unb ^e(fen ben J^ated^Smum in bie Seute, fonberlid^ in bad junge
9So(t bringen. 3Be(cl^e eS aber nid^t lernen n^oHen, benen foQ
man fagen, n)ie fie S^riftum verleugnen ^ foSen aud^ nid^t jum
@a!rament gelaf{en n>erben, lein jtinb aud ber ^ufe lieben u. f. n).
©0 furj biefer Heine Äated^iämuä ift, fo meifter^aft ift er
nad^ tJorm unb 3[wl^alt. 3n fd^lid^ten SBorten werben bie tiefften
©ebanlen beg ®t)angeliumd auggefprod^en mit äSermeibung aQer
tl^eologifd^en ©ubtilitäten , mie aSer polemifd^en Sejiel^ungen.
2)arum ift er aud^ unfrem et)angelifd^en SSolIe an bag $er) ge«
mad^fen, unb bie ©efd^id^te unfrer Jlird^e }eigt, ba^ mit ber Äröf-
tigleit bed ©lauben^lebend in berfelben aud^ bie SBertfd^ä^unj
beä lutl^erifd^en Jlated^iSmug fteigt unb fäKt.
äBöl^renb Sutl^er fo beS oermal^rloften äSolIed in feiner näd^ften
3lä^t ftd^ annal^m unb fid^ mül^te, bad lird^lid^e ©emeinbeleben
ju orbnen, mar er fd^on in einen Kampf Derflod^ten, ber für il^n
um fo fd^werer fein mu|te, alö er 3Ränner fid^ gegenüber fal^,
meldte in ber Sermerfung ber römifd^en ©a^ungen mit il^m einig
unb jum %exl feine ^reunbe gemefen maren. 6s ift bieg ber
@treit über bad l^eilige älbenbmal^l. 9Bir l^aben fd^on gel^ört^
wie ber eitle unb fd^roarmerifd^e Dr. Äarlftabt ber erfte mar, ber
bie ©egenmart bed Seibeg Sl^rifti im l^eiligen Slbenbma^l leugnete^
unb mie er aud^ bie ^rebiger in @trapurg für feine älnfid^t ge^
mann, mie bann Sutl^er biefe in einem ©enbfd^reiben oor Äarls
ftabt mamte unb in feiner ©d^rift „SQBiber bie l^immlifd^en ^ßro?
pl^eten'' bemfelben entgegentrat. ^^J^if^^^^ ^<^^te ßarlftabt^
2luffaf[ung oon anbrer ©eite l^er Unterftü^ung gefunben. ®iner=
feitg oermarf ber fd^leftfd^e Sbelmann Kafpar ©d^menlfelb bie
©egenmart bed SeibeS Sl^rifti im ©aframent, meil fie mit feinen^
mpftif d^en 2lnfid^ten nid^t ftimmte, unb fanb oielen Slnl^ang im
2Bürttembergifd^en, anbererfeits mürben Ulrid^ 3wingli, ber
Sleformator oon 3ürid^, unb DefolampabiuS, ber in SSafel für
baä ßoangclium mirfte, burd^ il^re nix^ttxn oerftänbige Setrad^-
— 259 —
lungSwcifc ju bcmfctten ©rgcbnis ie^ü^xt. SBcnn c8 m ober
battttn l^anbeltc, i^rc Stnjtd^t mit ben GinfclungÄworten Scfu in
einllang gu bringcti, bann ßingen jte oetfd^icbcnc SEBcgc. $attc
Äatiftabt bcl^auptct, QcfuS l^abc bei bcn SBortcn : ,,S)a« ift mein
2eib" nid^t auf ba8 Srot, fonbem auf feinen oor ben jungem
fiftenben Seib l^ingemiefen, fo fafete DcfoIampabiuÄ ba8 SBort
,,2eib" in bem Sinn Don ,,S5iIb be8 SeibcS" unb Swingli baä
SBort „ift" in bem Sinn oon „bebeutet".
S)iefe ainftd^ten, fd^on feit bem grü^jal^t 1525 oon Sroingli
unb DefoIampabiuS burd^ ©d^riften cetbreitet, fanben namentlid^
in Obetbeutfd^(anb melen @ingang; Sutl^er aber, n)eld^et in ben-
felben eine SSeeinträd^tigung ber (Seroife^eit be8 §eite erfannte,
ba bem (Slaubcn baburd^ feine objeftioe ©runblage entzogen werbe,
fal^ in jenen SKännem Sd^märmer unb Slottengeifter, inbem er inSbes
fonbere aud^ bie Serfd^iebenl^eit, weld^e in betreff ber SluSlegung ber
©nfe^ungämorte jmifd^en il^nen felbft beftanb, al8 einen SSeroei«
miber fie geltenb mad^te. So in feinem Srief oom 5. Januar 1526,
in weld^em er bie ß^riften ju ^Reutlingen oor ben Saframentierem
warnt. Deffentlid^ gegen fxt aufjutreten jögerte er. ®« fd^eint,
ba^ er ftd^ nur fd^wer entfd^lie^en lonnte, ben im eoangelifd^en
Sager felbft audgebrod^enen 3^ift ben @egnern bed @t)angeliumiS
befannt werben ju laffen. dagegen oerfafete eine änjal^I füb?
beutfd^er lutl^erifd^er S^l^eologen, meldte ftd^ unter ber ^ül^rung
Don äSrenj in ^aU oerfammelten, eine ©egenfd^rift gegen Defolam-
pabiuiS, bad fogenannte Syngramma Suevicum^ n>eld^e3 Sutl^er
mit einer SSorrebe begleitete. 3lo^ im 3<^l^r 1526 folgte bann
fein „Sermon oom Saframent beä SeibeS unb Slute^
ßl^rifti miber bie Sd^marmgeifter" unb 1527 bie größere
Sd^rift: „3)a^ bie SBorte ßl^rifti: baS iji mein Seib u. f. w.
nod^ feftftel^en, miber bie Sd^marmgeifter". Qm Sermon
tritt er ber SBel^auptung, ed fd^idCe ftd^ nid^t, ba^ Sl^rifti Seib int
SSrot fei, entgegen, teite mit 3lnalogieen au« ber Ireatürlid^en
aSelt, wie j. S. ba| bie Seele in unbegreiflid^er SEBeife überaß
im Seibe gegenwärtig fei, teil« mit bem ^inweid barauf, ba^
Sl^riftuS aud^ nad^ feiner SRenfd^^eit $err aller S>inge unb aKen
gegenwörtig fei. äluf bie anbre Sel^auptung, ba^ bie ©egenwart
— 260 -
bed Seibed Sl^rifti ntd^t nötig fei^ enoibert .er, ba^ borüber nid^t
loir gu entfd^eiben ^aben, fonbem (Sott, ^[n ber größeren @d^rtft
loirb bann nantentßd^ bie äSerufung auf 3ol^. 6: ,,2)ad ^letfd^
ift lein ntt|e'', jurtidgerotefen unb bie älteften j^ird^enoätet ald
3eugen für bie (utl^erifd^e Sbenbmal^Idle^re aufgefül^rt. Sh^^
l'd^t er und erlennen, xoaxvm er auf biefen @treitpun!t ein fo
gro^ed ©etox^t legte. ÜRit @otteS SBort, fagt er, fei nid^t ju
fd^ergen. ,,®g l^ilft fte aud^ nic^t, ba^ fte tooUien fagen, fie l^ielten
fonft allenthalben mel unb gro^ von ®otted SBorten, ol^ne allein
in biefem @tüdf. Sieber, ®otteg äSort ift ®otted 9ßort. 9Ber
®ott in einem Sügen ftraft unb löftert, ber löftert ben gongen
®ott.'' @d xoax Suti^er l^eiliger @mft bei biefem ®treit, ed mar
i^m @emif{endfad^e auf feiner Seigre )u beharren. Unb mod^te
er aud^ }u l^i^ige SBorte braud^en unb ungered^tfertigter 38eife
böfen äßiden bei feinen ®egnem t)oraudfe|en: ein bloßer Streit
um SBorte mar eS nid^t. @d ftonben einanber jmei mefentlid^
oerfd^iebene äluffaffungen beä @alramentd gegenüber, unb biefen
®egenfa| ju Derl^üKen märe SSerleugnung ber SSal^rl^eit gemefen.
3m ä?ai 1527 erl^ielt Sutl^er 3tt>iw8ßö ©cgenfd^rift gegen
ben @ermon famt einem Srief beSfelben, in meld^em er fe^r von
oben l^erab mit Sutl^er rebet, fo ba^ ed erllörlid^ ift, ba^ biefer
benfelben aü einen 93rief ooE von ^od^mut, äSerleumbung, Xro|,
^a^ unb beinahe jjeber Soäl^eit, jebod^ unter ben beften äSorten,
bejeid^net. 9lud^ auf Sut^erd anbre Sd^rift blieben S^^^S^ ^^^
Oefolampabiud bie Slntmort nid^t fd^ulbig. älU er aber i^re
@d^riften erl^ielt, l^atte bie 3^it feiner Snfed^tungen fd^on begonnen,
unb biefer Streit mod^te au(| baju beitragen, biefelben nod^ fc^merer
)U mad^en. 9(ber )u einer @ntgegnung fanb er bie Jtraft erft 1528.
3m 5Dlärj biefeö S^^reS erfd^ien fein „SelenntniS com Slbenb«
ma^l Sl^rifti", morin er bie äSemeigfül^rung für feine Se^re
mieberl^olte unb bie betreffenben Sc^riftfteSen auSfü^rlid^ auflegte.
3)ieS fei fein le^fteä 2Bort, erflärte er, er moKe fid^ burd^ bie
unnü^en SSorte bed @atan3 nid^t l^inbern laf{en an anbem @ad^en.
3um @d^luf{e legt er „miber biefe unb ade anbre j^e^erei^ ein
feierlid^eS SSefenntnig feine« ©laubenS ab mit ber ©rllärung: „Db
jjemanb nad^ feinem 3!obe mürbe fagcn: SEBenn ber Sut^er ieftt
— 261 —
Uhte, tDürbe er btefen obei? jenen älrtilel anberS (elften unb Italien,
benn er ^at i^n nid^t genugfam bebad^t u. f. n). — bamiber fage
id^ je^t ald bann unb bann afö jje^t, ba^ id^ von ®otted ©naben
alle bicfe Ärtifel aufS Peiligfte l^abe Bebad^t. ^d^ weife,
wad id^ rebe, fül^Ie aud^ n)0^l, n)ad mir gilt auf bed $erm 3^fu
ei^rijH Sufunft am jüngften ©erid^te."
2)er Streit jmifd^en Sut^erg unb B^i^gli^ ä(nl^ängem lam
um fo ungelegener, als ben Selennem beS (Soangeliumd gerabe
bamafö t)on bem gemeinfamen ^einb neue ©efal^r bro^te. jtaifer
Jtarl l^atte au @nbe bed ^al^rd 1527 f^ebe mit bem $apft ge^^
mad^t, n)o6ei (eibe bie äluSrottung ber jte^erei {td^ jur SlufgaBe
festen. 93eunrul^igenbe ©erüd^te über l^eimlid^e älbmad^ungen ber
päpftlid^en Partei in 2)eutfd^lanb verbreiteten {td^, unb als Sanb-
graf 5ßl^ilipp Don Reffen burd^ ben l^erjoglid^ fäd^ftfd^en 9lat
von ^ai jtunbe erhielt t)on einem SSertrag, ben ^erjog ®eorg
mit anbern latl^olifd^en gürften gefd^lofjen l^abe ju bem S^^^^
bie @i)angelifd^en }u überfaKen, ba oerbanb er fid^ mit Jturfürft
gol^ann ju ©d^u| unb %xnii unb fud^tc il^n ju unoerroeiltem SoS*?
fd^lagen ju bemegen, um ben (Segnem jUDor ju lommen. älber
ba trat Sutl^er in ben SBcg. Dbrool^l er an baS SSorl^anbenfein
jenes äSertragS glaubte, riet er bod^ mit ben anbern X^eologen
in äBittenberg bringenb jum ^eben. ®S erfd^ien il^m al3 äluf^
lel^nung gegen bie red^tmäfeige Dbrigfeit, wmn man tro^ bem
t)om Sleid^äregiment erlafjenen ^cbenSmanbat jum ©d^mert greife,
unb er fürd^tete, bafe „baburd^ ganj 2)eutfd^lanb mürbe umgelel^rt
unb baS ©oangelium ausgerottet". 2)er Äurfürft folgte biefem
3tat unb fo blieb ber f^riebe erl^alten. S3alb fteSte eS ftd^ aud^
l^erauS, bafe jener 3Sertrag üon ^adf erbid^tet mar. Db er bamit
ben Sanbgrafen täufd^te, ober ob biefer ben $adf als SQSerfjeug
feiner ^ßolitil brandete, läfet fid^ mol^l faum mit ©id^erl^eit ent=
f d^eiben. %üv Sut^er l^atte biefer ^adff d^e ©anbei bie fjolge,
bafe er mit ©erjog ®eorg aufS neue in SSerbrufe geriet. ®r l^atte
in einem Srief an feinen ^cunb ßinf bie Unfd^ulbSoerfid^erungen
(SeorgS angejmeifelt unb ftd^ geringfd^ö^ig über il^n geäußert.
S)iefer äSrief lam in beS ©erjogS ©änbe unb oeranlafete il^n ju einer
groben ©d^rift gegen Sutl^er, meld^er in ber ©d^rift „oon l^eim^
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lid^en unb geftol^lenen9riefen"ntcl^tn)em3etfd^arf antroortete.
(Seorg fül^tte SSefd^toerbe bei bem Jturfürften, unb biefer verbot
Sutl^er, in ^^lunft etroaä roiber ©eorg brudEen ju laffen, ol^ne ed
gUDor an ben $of ju fd^iden. $atte Sutl^er bem $er}og mit feinem
SSerbad^t oud^ Unred^t getl^an, fo gebührt i^m bod^ ber Shtl^m, baft
feine ®en)iffenl^aftigleit unb 93efonnenl^eit S)eutfd^Ianb vot einem
SleligioniSlriege bema^rte^ meldtet, ba im SBeften ber jtrieg mit
f^tanlreid^ nod^ fortbauerte, im Dften ®efal^r t)on ben fürten
bro^te; bem SSaterlanbe bie tiefften Sßunben ^ätte f dalagen muffen.
3u fold^er felbftoerleugnenben Unterorbnung ber eignen ^ntex^
effen unter baS 9ßol^( bed SBaterlanbS aud^ feine lieben Seutfd^en
ju ermal^nen, oeranla^te i^n bie immer brol^enber merbenbe 3^ürlcnj:
gefal^r. (Sr t^at eS in ber im SRärj 1529 erfd^ienenen ©d^rift
„8om Äriege miber bie a^ürlen", auf meldte er bann im
^erbft beSfelben ^a^xe^, nad^bem bie dürfen vox 2Bien l^atten
fliel^enmüfjen, eine gemaltige ,,§eerprebigt miber bie S^ürlen"
folgen lieft. 3n ber 3ueignung jener erjien ©d^rift an ben Äanb«
grafen $l^iUpp gibt er an, er l^abe fie gefd^rieben ,JonberUd^ meil
etlid^e ungefd^idCte ^rebiger bei und 2)eutfd^en ftnb, ate id^ leiber
l^öre, bie bem $öbel einbilben, man foSe unb muffe nid^t miber
ben dürfen Iriegen, etlid^e aber aud^ fo tolle jtnb, baft fte leieren, eS
jteme aud^ !einem Sl^riften^ baä meltlid^e ©d^mert gu filieren ober gu
regieren. S)aju, mie unfer beutfd^ Soll ein müfi, milb SJoIf ift, ja
fd^ier l^alb 3!eufel, l^alb 5Dlenfd^en fmb, begel^ren etlid^e ber 3;ür!ett
Sulunft unb Slegiment". ®r oermal^rt fid^ bann gegen ben SBormurf,
baft feine Seigre an fold^em Qrrtum unb Soäl^eit fd^ulb fei. ^n ber
©d^rift felbft fül^rt er avifi, nid^t unter ß^rijii 9lamen l^abe man mit
ben Xürlen ju Iriegen. ß^riftuS unb bie ©einen ftreiten nid^t mit
bem ©d^mert. 3Bie man aber bod^ mit gutem ©emiffen gegen ben
3^ürfen ftreiten lönne, mill er im folgenben jeigen. ,,SDenn mierool^I
id^ möd^te, mo id^ ben 9lbam moKte laffen gelten, ftiUfd^meigen unb
juf el^en, n>ie mid^ ber Xürle mtber bie XpranneU; f o bad @Dange(ium
»erfolgen unb mir alle§ Seib anlegen, räd^ete, fo miS id^ bod^ nid^t
alfo tl^un." gmei 5Dlänner, fül^rt er auS, l^aben miber ben 3^ürfen
3u ftreiten, Sl^riftianug unb Jtaifer jtarolug. S^riftianug (b. 1^.
bie S^riftenl^eit) mu| il^n fd^Iageix mit geiftlid^en 3Baffen, inbem
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tt burd^ etnftlid^e Su^e unftem ^erm @ott bie 3u^trute aud
ber $anb nimmt unb butd^d ©ebet ben fürten als ben äSet«
loüfiev bed d^riftlid^en ©laubend angreift, j^aifet Jtarl obet: l^at
n)iber ben dürfen ju ftreiten, n)eil er ald orbentlid^e Dbrigleit
f d^ulbig ift, bie ©einen ju rerteibigen, nid^t aber alä Sefd^ütfer ber
Äird^e, benn beS JtaiferS @d^n)ert l^ot nid^tS )u fd^affen mit bem
Olaubcn. „3Ran fott Äaifer unb dürften an il^re Sßflid^t mal^nen,
i^re Untcrt^anen wiber ben S^ürlen ju fd^ü^cn, benn fte [teilen
fid^ auf 9leid^3tagen fo, alg ftünbe e§ in il^rem belieben, bied }u
tl^un ober ju laffen. 2)ie fjürften beulen nid^t, ba| fie cor Oott
fd^ulbig ftnb, mit Seib unb ®ut bem Aaifer l^ierin rätUd^ unb
l^ilflid^ gu fein." SKit fd^arfen SQBorten wirb baS SBanlettieren ber
t^ürfiten, il^r ;;$abem um baS l^ol^e @i^en unb anbre unnü^e
tßrad^t" geftraft unb il^nen tjorgel^alten, ba^ pe felbft 3^ürlen
n)erben an il^ren Untert^anen. 3lber nid^t mit ^ro^ unb 93er^
meffenl^eit, n)irb weiter auSgefül^rt, fonbem mit S)emut unb ©ott^
vertrauen muffe man bem jtampf entgegengel^en. S)enjenigen
aber; meldte beS türfifd^en Stegimentg begel^ren, n)irb DorgeJ^alten,
ba^ fie meineibig feien, aud^ fid^ ju 3Ritfd^uIbigen an äH^ ®reueln
ber dürfen mad^en, unb ba^ fie, menn eS nad^ il^rem SBunfd^e
ginge, t)om Siegen in bie 3!raufe fommen mürben.
Sluf ben ©inmanb, Raifer Äarl f önne megen feiner fonftigen
Dielen ©egner nid^t miber ben 2^ürfen ftreiten, antwortet Sut^er:
,,^ie 3Be(t ift and @nbe lommen, ba§ römifd^ 9leid^ ift faft bal^in
unb jerriffen, [teilet gleid^, mie ber Suben Äönigreid^ ftunb, ba
€^rifti (Seburt nal^e {ommen mar. äßfo bünit mid^ je^t aud^,
meil baS römifd^ Äaifertum faft bal^in ift, fei ßl^rifti gw^wnft oor
ber 3^ür." 2)od^ fott ber Äaifer tl^un, maS er fann, unb bie
tJürften fottten il^re eigen Ba^tn unb §aber eine SiBeile oergeffen
unb l^ie mit gangem @mft einträd^tigUd^ l^elfen. @d^lie|Ud^ xoaxnt
er baoor, bie SKad^t beS 3^ürlen ju unterfd^ä^en unb mit unju=
reid^enben Sltiftungen ober ol^ne ßinigleit i^m entgegenzutreten.
SBelcöe SSIidEe in bie inneren ©droben ber beutfc^en 3uftänbe,
in bie baS Sleid^ auflöfenben Seftrebungen erl^alten mir burd^
biefe ©d^rift! 3lber mie grofe erfd^eint ber meit oerbreiteten ©elbft^
fud^t gegenüber Sutl^er in feiner SSaterlanbäliebc I Den ©ebanf en,
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toeld^en er n)ol^( bei bem Sanbgtaf en DorauSfe^en mod^te, oud ber
Xütlengefal^r Jtapital )U fd^lagen für bie eoangelifd^e Ba^t, toeifb
er aufs entfd^iebenfte von ftd^. Unb nne nad^brüdlid^ erl(ärt et
ft^ gegen bie SSermengung oon Sl^riftentum unb ^olitill 9Bie
xodi ift er baoon entfernt, aud ber Snoartung ber 3u!unft QfyAf&
ein ^inbemid tl^ath&ftigen ^anbelnd )u mad^en! 9Rit n)eld^em
greimut ftraft er bie ©ünben beS SBoB« unb ber gürften!
3u biefer geiftigen ^ö^e unbebingten ©ottüertrauend Dermod^te
{td^ ber Sanbgraf ^l^ilipp nid^t ju ergeben. @d xo&xe jmar un^
red^t, i^m fd^ulb ju geben, bie @ad^e bed ®t)angeliumd fei xf^nt
nur ein SBorroanb geroefen, unter roeld^em er felbftifd^e 3weie
»erfolgt l^abe, aber er fud^te fte bod^ {ugleid^ als äßittel }ur Sr-
n^eiterung ber eignen Wad^t )u benü^en, ba^er n)ar er immer
oerfud^t, ©lauben unb $olitiI )u vermengen unb jur SSerteibigung
bed ®t)angeliumd weltlid^e SBoffen }u braud^en. 9lfö bal^er auf
bem neuen Steid^dtag )u @peier jebe n)eitere Steuerung in
©laubengfad^en »erboten morben mar unb bie eoangelifd^en äieid^g^
ftänbe am 19. Slpril 1529 gegen biefen Steid^gtagiSbefd^lu^ pro^
teftiert l^atten, mooon fte ben 3lamen ^roteftanten erl^ielten, unb
als fobann mel^rere biefer proteftantifd^en @tänbe, um ben brol^^
ben ©emaltma^regeln ber SRaiorität bed Sfleid^gtagS äBiberftanb
3U leiften, fid^ oerbünbeten; ba meinte ber Sanbgraf, burd^ ^inju^
tritt ber ©d^meijer mürbe biefer 93unb mel^r ©emid^t erl^ten,
unb in 3ürid^ mar man bereit beizutreten, benn man träumte
bort Don einer gegen ben Slaifer gerid^teten großartigen SSerbin:;
bung mie mit ben beutfd^en ^roteftanten, fo aud^ mit SSenebig
unb granlreic^. @ine fold^e @inigung mar aber nur möglid^^
menn ber tl^eologifd^e ©egenfa^ jmifd^en Sutl^er unb 3^it^0t^ <^^^
geglid^en mar; benn ber erftere, mie er überl^aupt aud^ ie^t mieber
aufs entfd^iebenfte gegen jjebed Iriegerifd^e SSorgel^en ftd^ audfprad^,
eS für ärgerlid^ erllärte, fid^ auf menfd^lid^e $ilfe, {itatt auf ®ott
iu oerlaffen, unb feinen Jturfürften oor bem Sanbgrafen aU oor
einem unrul^igen äRann mamte, moUte namentlid^ burd^auS nid^td
bat)on miffen, baß man ftd^ mit fold^en oerbtnbe, meldte jte^er
miber baS ©alrament feien, ^en&c ®egenfa^ ber Seigre aber,
meinte ber Sanbgraf, lafje fu^ am el^eften burdj münblid^e SBer^
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(anblung }n>ifcl^en Sutl^er unb 3n>in0li ieilegen. Sut^er l^atte
wenig Hoffnung auf einen günftigen @rfoIg, ntal^nte aud^ nad^^
Miilx^ ab unb fprad^ bte Sefürd^tung auS, ed möd^te l^intennad^
fd^ßmmer fein benn juoot. 3l6er um ben Sonbgrafen nid^t oBju-
fU)^en unb ben ®egnem nid^t ben 9tul^m ju laffen, bag fte )um
^eben n)i(liger feien, entfd^Io^ er ftd^, r/fold^en verlorenen 2>ienft
ju erweifen". S)ie 3itf<"wwienfunft fottte am 29. September in
3Dlarburg ftottfinben. äln biefem 3!ag traf S^ingli mit Delo*
lompab unb feinen Stra^burger f^reunben 93u|er unb ^ebio unb
mit brei 9lid^tt]^eoIogen in 3Rarburg ein, tagd barauf Sutl^er mit
3ReIand^tl^on, ^ona^ unb jtruciger aud äBittenberg. Slu^erbem
mol^nten von feiner Seite SRpIoniuS t)on ®otl^a, 93renj von
Sd^mäbifd^'^oK, Dfianber m^ ^lürnberg unb @tepl^an 9(griIoIa
au^ älugdburg bem SteKgionSgefpräd^ bei. 93om Sanbgrafen mürben
bie Xeilnel^mer beftend aufgenommen unb bel^erbergt. 3^^^ einigte
man ftd^ in ^rioatunterrebungen, me(d^e Sutl^er mit Delolompab,
3Reland^tl^on mit 3>^in0(i l^atte, über aUe fünfte mit 9lui3nal^me
ber älbenbmal^tele^re. 2)iefe felbft bilbete bann ben ©egenftanb
ber gemeinfamen äSerl^anblung , me^d^e vox einer Keinen 9(n)al^l
non 3^W8^ i^ Slnmefenl^eit beS Sanbgrafen unb feines ©afteS, be§
vertriebenen $er}Ogd Ulrid^ von äBürttemberg , @am3tag ben 2.
unb Sonntag ben 3. Dftober in einem Privatzimmer bed Sanb-
grafen ftattfanb. Sutl^er unb äßeland^t^on von ber einen, S^i^Sli
unb Delolampabiud von ber anbern Seite, fa|en ftd^ an einem
^ifd^e gegenüber; bod^ führte Sutl^er beinal^e aSein bad äBort
gegen bie beiben Sd^roeijer. ®r mar jum voraus entfd^Iof{en,
nid^t nad^}ugeben, unb l^atte bie SQSorte: „ba§ ift mein Seib^' mit
fireibe vor fid^ auf ben %x]^ gefd^rieben. äluf biefe SQSorte ber
©nfe^ung fam er immer mieber jurüi, mäl^renb bie (Segner ^o\). 6
für p^ anführten. ®ie vorgebrad^ten ©rünbe maren in ber §aupt-
fad^e nur eine äBieberl^olung bed in ben beiberfeitigen Sd^riften
@ntmidEe(ten. 3^ ^^^^ @inigung lam ed nid^t, benn in ber Seigre
gab leiner von beiben Seilen nad^, beibe fd^(offen vielmel^r mit
einer SSermal^rung bagegen, ba^ fte aus @otteS SBort miberlegt
feien. 9lber Sanbgraf $l^ilipp unb bie Sd^mei^er moKten eine
^Bereinigung tro| beS Sel^runterfd^iebeS. ,,@S ftnb leine Seut auf
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@tben, mit benen id^ lieber tDoEt' eind fein benn mit ben SEBitten-
bergem/' foll dn>ingli mit^^rSnen in ben ^nqen gefprod^en l^aben.
Sutl^et l^ingegen blieb bei ber @ttlätung: „^f)X f)aU einen anbem
(Seift ate mir," unb barauf l^in meigerte er fid^ in Ueberein^
ftimmung mit feinen Segleitem, fie ate Srüber in ßl^rifto an«
guerlennen; mo^I aber gab er il^nen bie $anb ald 3^^^ i>^
^ebenS unb d^riftlid^er Siebe. S)er ßanbgraf, meld^er »ergcblid^
t)erfud^t l^atte, eine Einigung in ber Sbenbma^telel^re ju erzielen,
l^ätte oieHeid^t nod^ meitere SSerl^anblungen gemünfd^t; ober auf
bie Slad^rid^t, ba^ ber fogenannte englif(|e ©d^mei^, eine Rranfc
l^eit, meldte bamald großen Sd^redCen verbreitete, in 3Rarburg axxi^
gebrod^en fei, lie^ er nod^ fd^Icunigft bie 5ßunlte, in benen man
fld^ geeinigt l^atte, burd^ Sutl^er ju $ßapier bringen, ©o ent?
ftanben bie fünfgel^n SKarburger äirtilel. Ueber ba8 StbenbmolJI
ift in benfelben gefagt, „ba^ man beibe ©eftalt braud^en fott, ba^
aud^ bie SKeffe nid^t ein SEBerl ift, bamit einer bem anbem tot ober
lebenbig ®nabe erlange, ba^ aud^ baS ©aframent bed SKtord fei
ein ©aframent beS maleren Seib§ unb S3lutS Qefu ß^rifti unb bie
geiftnd^e Ütie^ung beSf elben Seibd unb 93Iutd einem jeglid^en Sl^riften
oomel^mßd^ t)on nöten fei. — Unb wiewol^l mir un^ -— ob ber
majore Seib unb S3lut ßl^rifti leiblid^ im SSrot unb SEBein fei — biefe
3eit nid^t üerglid^en l^aben, fo fott bod^ ein 3^eil gegen ben anbem
^riftlid^e Siebe, fofem jebeä ©emiffen immermel^r leiben lann, et«
jeigen unb beibe ^eile ®ott ben Mmäd^tigen fleißig bitten, ba^ er
uns burd^ feinen (Seift in bem redeten SSerftanb betätigen motte."
Sefen mir biefe 3Borte unb cergleid^en bamit, mie Sutl^er tm^
mittelbar nad^ bem (Scfpräd^ baäfelbe ein freunblid^ ®efpräd^ nennt
unb fid^ bal^in äußert, ba^ mel^r erreid^t fei, alg er gehofft l^ätte,
ba^ man aud^ in ber Seigre ftd^ genäl^ert ^obe, ba^ burd^ boS
gegenfeitige SSerfpred^en, öffentlid^ nid^t gegeneinanber }u fd^reiben
unb )u bigputieren, bag Dorl^anbene älergemid nid^t }um geringften
Xeil befeitigt fei; fo lönnen mir nid^t bel^aupten, bad ®efpr&d^ fei
frud^tlog geblieben. S3eibe ^eile maren einanber naiver gelommen,
ber l^eftige 3^on ber ©treitfd^riften l^atte einem rüdffid^tSootten ^Ia|
gemad^t. SSäenn aber Sutl^er Dielfad^ fd^arf barüber getabelt morben
ift, ba^ er bie gebotene Smberl^anb jurüdhoieS, fo mag ja )u$
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gegeben »erben, ia^ er nid^t unterfd^ieb jroifd^en ber perfönlid^en
^erjendfleSung unb ber bogmatifd^en Siid^tung feiner ©egner. @d
fann ja einer in fd^roeren Irrtümern befangen unb bod^ ein ©ruber
in ßl^rifto fein. Slber man bead^te toof^U waS man von Sut^er
verlangte, war nid^t eine Slnerfennung bicfer einzelnen SKänner
afe d^riftlidjer SBrüber, fonbem eine Stnerlennung il^rer ©ad^e.
„SBenn wir fie für Srüber unb ©d^roeftem annel^men, fo müßten
wir Derroittigen in il^re Seigre", fagte er. S)afe er barauf nid^t
eingel^en fonnte, ol^ne feine Ueberjeugung ju verleugnen, liegt auf
ber $anb. @8 ift berfelbe Sutl^er, ber in SBormS unb ber in
SRarburg fein „id^ fann nid^t anberS" gefprod^en l^at. SEBer jenen
berounbert, barf biefen nid^t rerurteiten, wenn er aud^ bebauem
mag, ba^ biefe S^ragöbie, mie Sut^er felbft ben ©alramentäftreit
nannte, bie anfange ber eoangelifd^en Rird^e geftört l^at.
UebrigenS war eS nid^t bie SSerfd^iebcn^eit in ber ©aframentS-
lel^re aSein, moburd^ Sutl^er gel^inbert n)urbe, mit ben ©d^roei^em
ftd^ ju einigen, fonbem ber „anbre (Seift", ben er bei i^nen fanb.
®r meinte bamit n)ol^I l^auptföd^lid^ bie Steigung ber ©d^raeijer,
mit SBaffengemalt für baS ©oangelium einjutrcten. 2)cn Äampf
gegen biefen (Seift l^atte Sutl^er von jel^cr für feine Slufgabc ge-
l^alten; unb mie eg gum eignen SSerberben unb jur SSerlafterung
bed ©Dangeliumä fü^re, menn man bemfelben folge, l^atte er an
©idfingen, an 2^^omaS SKünjer unb ben Säuern unb erft neuer?
lid^ mieber an ^ad erfal^ren. 31(3 bal^er bie SSerl^anblungen
mit ben ©c^roeijem unb ben oberbeutfd^en ©täbten infolge beS
SDlarburger @efpräd^3 abgebrod^en maren unb bie lutl^erifd^en
9{eid^gftäbte unter ^d^ barüber ju State gingen, ob man einem
etwaigen 2lngriffe beä ÄaiferS geroaffneten SBiberftanb leiftenbürfe,
riet er feinem Äurfürften bringenb oon jebem SünbniS jur SSer?
teibigung miber ben Raifer ab. S)aSfeIbe, fagt er, fönnte ju Slut?
t)ergic6en fül^ren unb er „mottte lieber gel^nmal tot fein, benn fold^
(Seroifjen l^aben, ba^ unfer (Soangelium follte eine Urfad^e geroefen
fein einiges SlutS ober ©d^abenS". ßl^riftuä fei mäd^tig genug,
bem Äurfürften aus ber (Sefal^r ju l^elfen. 5!Rit Seten unb gleiten
rid^te man mel^r au§, als bie SiBiberfad^er mit il^rem 3^ro^en. 3ln bem
Äaifer erfannte er feinen unb bes Äurfürften Dberl^erm. 3)arum
— 268 —
bürfe ntan ftd^ il^m nid^t mberfe^ett; aud^ toenn er UttTed^t tl^ue;
nur toenn bad Sieid^ unb bie Jturfürften eintrdd^tiglid^ ben jtatfet
abfegten, tDäre bei einzelne beted^ttgt, i^m ben ©e^otfotn }u oer-
loeigem. SBoKe bet Äaifer bte S3e{enner bed @oangeltuntd oer-
folgen, fo fotten bie dürften bicfetten nid^t fd^ü^en, fonbent ein
jegKd^ed foU für fid^ felbft (teilen mit bet S)arftted(ung feined
SeibS unb SebenS unb nid^t bie dürften mit in bie (Sefal^r jiel^.
S)ag fte aber felbft il^re Untertl^anen um beg @t)angeliumd miKen
ongreifen, ba}u tonne ber Aaifer bie f^rften nid^t jmingen.
Uebrigend foUe man ®ott vertrauen, ba^ er und ol^ne unfern 9Bi$
unb äßad^t )u fd^tt^en miffe.
Dieiveil mofe feine Qdnbe empor ^ie(t
fiegete 3srae(, 2. mof« 17- IX*
cSut^etd 3uoerrt<^t »utbe ni#t ju fc^anben. S)er Jtaifet
De rfud^te nod^mals eine gütlid^e SBerflänbigung mit ben ^roteftan^
ten. S)e§^alb unb jugleid^ megen be3 SürtenlriegS berief er auf
ben 8. Sfpril 1530 einen Steid^ätag nad^ äluggburg. 3)er^ur^
fürft beauftragte fofort am 14. 3Jlärj Sut^er, SKeland^tl^on, Sugen^
l^agen unb ^onaä, eine ^arfteKung ber et)angelifc^en Seigre db-
jufaffen unb fid^ mit berfelben om 20. SKärj in S^orgau ein-
jufinben. ©d^on im §erbft 1529 j^atte Sutl^er auf ben Sffiunfd^
beS Äurfürften im 3lnfd^luffe an bie 5Dlarburger Slrtifel ein furjeS
©laubengbefenntni« im ©egenfa^ gegen bie 3winglianer in 17 är^
tileln gufammengeftettt, meld^em bann bie ßoangelifd^en auf einer
3ufammenlunft in ©d^mabad^ jugeftimmt l^atten. ©iefen „©d^ma^
bad^er älrtifeln" mürben nunmel^r bie „3!orgauer Slrtiler jur
©eite gefteSt, meldte fid^ befonberiS auf baS SJerl^altnig }ur latl^o^
lifd^en jtird^e bejogen.
9lm 3. älpril brad^ ber jlurfürft nad^ 9lug§burg auf, begleitet
»on Sutl^er, SKeland^tl^on, ^om^, ©palatin unb Slgrilola. ©en
$ßalmtag feierte man in SBeimar. Sutl^er prebigte, bie tJötften
— 269 —
empfingen baiS 1^1. 9(benbmal^I. 91m 9l6enb vox Dftetn traf man in
jtoburg ein. 2)a bet jturf ttrfl l^ier f^bvte, bag bed j^aif erg 9[n!unf t ftd^
oetjögere, 509 er erft am 23. 9(pril n)eiter, nad^bem er vom ^aifer
bie 9(ufforberung erhalten l^atte, vor @nbe beg SRonatd in ätugS«
Burg einzutreffen.
Sut^er, ber als ©eäd^teter nid^t nad^ 9(ug8burg !ommen burfte,
n)urbe vor ^geganbrud^ aug ber @tabt auf bie %e^e itoburg
gebrad^t, mo er, xoxe einft auf ber SBortburg, ftd^ in SBerborgenl^eit
aufl^alten foSte. S)arum lie^ er fid^ n)ieber ben 93art n>ad^fen,
um unlenntlid^ ju fein, unb batierte feine 95rief e, ben Drtgnamen
umbrel^enb, „au^ ®ru6oI" ober aud^ ,,aud ber @inöbe", ,,auS ber
SBüfte", ober lateinifd^ „ex eremo", fud^te fid^ aud^ Sefud^en
möglid^ft ju entjie^en, ja er badete fogar baran, n)irIUd^ ober jum
@d^ein xot^ }u )iel§en, benn ,,bie SEBaKfal^rt n^id )u gro^ toerben
l^iel^er; eS möd^te bem dürften unangcncl^m fein^.
3um Umgang l^atte er ben jungen äßagifter äSeit S)ietrid^
oon Slümberg, ber in Wittenberg fein 3Sfd^genoffe geroefen mar,
unb feinen ©d^wcfterfol^n ßijrial Kaufmann, gür feine Seroirtung
l^atte ber Jturfilrft aufd befte geforgt. ,,2Bir (eben mie bie Ferren/
fonnte er bemfelben berid^ten. 3^^ SEBo^nung toav i^m ein ganjed
$aud, n)eld^e3 bie übrigen ©d^Io^gebdube überragte, eingeräumt.
@r nannte e« feinen ©inai, auS roeld^em er aber ein 3ion mad^en toolle,
inbem er brei §ütten bort baue, bem ?Pf alter eine, bem ^ßropl^eten
eine unb bem Slefop eine. 3)amit bejeid^nete er bie litterarifd^en
9[rbeiten, bie er fid^ vorgenommen l^atte. @r beabfid^tigte nämlid^,
3um 9lu^en ber ^ugenb unb bed ungelel^rten SSoKiS bie fabeln ä(ef opS
herauszugeben, unb l^at aud^ mirHid^ breijel^n berfe(ben oerbeutfd^t.
äSeil aber feine Sudler nod^ nid^t angelommen maren, lonnte er nid^t
fofort an bie Slrbeit gelten. ©0 benü^te er ben erftenS^ag, um
93rief e pi f d^reiben unb ftd^ bie Umgebung f dned SBo^nortd anjufel^en.
S'^äbefonbere bie Sögel jogcn feine Slufmerffamleit auf pd^,
oor allem bie j^räl^en, oon me^d^en ein ganjed äBöIbd^en, bad
gerabe oor feinen Stugen lag, erfüllt mar. SBieberl^oIt lommt er
in feinen äSriefen auf fie jurüdE; balb erinnert il^n i^r „liebßd^er
(Sefang'' an feinen ®egner ßod^Iäuä unb beffen @enoffen, an bie
©opl^iften unb ^apiften mit il^rem $rebigen unb ©d^reiben, balb
— 270 —
i^t „3^' unb Slbrciten" an bcn Stbcl unb bic großen ^anfen, bie
auf bem Steid^Stag t)erfatnmelt ftnb. ^I^ren jtaifer abex, fd^reibt er,
f^äbt er nod^ nid^t gefe^en. S)ann fd^ilbert er aufS anjiel^enbße il^r
Xreiben. „^ie ad^ten nid^t ben großen ^alaft unb @aa(, benn il^r
©aal ift gemölbt mit bem fd^önen meiten ^tmmel, il^r 93oben ift eitel
%eü, getäfelt mit l^übfd^en grünen Steigen, fo finb bie SSBänbe fo
n)eit als ber 2BeU @nbe. @ie fragen aud^ ntd^ts nad^ 9lof[en unb
^amifd^. Sie l^aben gefieberte 9läber, bamit fie aud^ ben Süd^fen
entfliel^en. 68 fmb grofee, mäd^tige Ferren, mag fie aber befd^liefeen,
mei^ id^ nod^ nid^t; fo t)ie( id^ aber von einem 2)olmetfd^er l^abe
vernommen, l^aben jte für einen gewaltigen 3ug unb Streit miber
äBeigen, ®erfte, $afer^ SRalg unb allerlei Rom unb @etreibe, unb
mirb mand^er Slittcr l^ie werben unb gro^e J^l^atcn tl^un/
3Bie bie löftlid^fte %xn^i t)on £utl^erd älufent^t auf ber
SSartburg bie Ueberfe^ung beg 92euen Xeftamentd ift, fo benü^te
er bie 3Jtu^e, meldte er auf Coburg l^atte, oomel^mlid^ baju, feine
Ueberfeftung beä 3llten 2)eftamcntä ju förbem, inSbefonbcre be^
fd^äftigte il^n ,,bie grofee Slrbeit, bie ?ßropl^eten ju Dcrbeutfd^en".
Gr l^offte bis ?ßfingften bamit fertig ju werben, aber ju.Slnfang
beS 9ßai mürbe er t)on jtopf leiben befallen, fo ba^ er tagelang
leinen Sud^ftaben anfeilen tonnte. 3)ie8 bauerte mehrere äBod^en.
@r meinte barin bie SQSirlung bed l^erannal^enben ällterS ju Der-
f puren. „@8 mill'S nid^t me^r tl^un, fd^reibt er, bie S^^te treten
^erju.'' 3lud^ S^obedgebanlen famen il^m, er meinte, fein ©tünb-
lein fei nid^t weit, unb fud^te ftd^ auf ber jloburg ein Dertlein,
ba man il^n foKte begraben, ^aiu regten fid^ bie alten älnfed^^
tungen. S)od^ Derbeutfd^te er ben 3!^remia unb mad^te ftd^ 3Ritte
Suni an ©jed^iel, ber allein nod^ übrig mar. 3lber immer mieber
mufete er, „beS ^anpi^ ju oerf^onen", biefe 3lrbeit unterbred^en.
S)oi) aud^ fold^e Raufen blieben nid^t unbenü^t. ^ einer ber-
felben Dollenbete er bie SluSlegung beö 1 18. ?ßf almS, oon meld^em
er fd^reibt: „SBiemol^l ber ganje ^falter unb bie l^eil. ©d^rift
gar mir aud^ lieb ift, als bie mein einiger 3^roft unb Seben ift,
fo bin id^ bod^ fonberlid^ an biefen ?ßfalm geraten, bafe er muj
mein l^ei^en unb fein. 2)enn er fid^ aud^ reblid^ um mid^ gar
oft Derbienet unb mir aud mand^en großen 3l'6kn gel^olfen l^at.
— 271 —
Unb ift mir lieber benn^beS 5ßapfteS, Itirfen, Äoiferg unb äff er
3Be(t @]^re; @\xi unb ®mdt. — Unb xooJli (Sott, ba^ äffe 2Belt
ben $falnten alfo für ben feinen anfpräd^e n>ie id^. @8 ift leiber
ber »enig, aud^ unter benen, bie ed biffig vox anbem tl^un fofften,
bie }ur ^eil. Sd^rift ober )u einigem $falm i^r lebenlang ein-
mal oon ^erj^en fpred^en: 2>u bift mein liebeS 93ud^; bu foffft
mein eigen ^falmlein fein. Unb ift freilid^ ber grögeften plagen
eine auf @rben, ba^ bie l^eil. Sd^rift fo oerad^t ift aud^ bei benen,
bie baju geftift ftnb. 3lffe anbem @ad^en, Jtunft unb Sudler
treibt unb übet man Xag unb 3tai^t, unb ift bed 9lrbeitenS unb
SRül^end tein @nbe. älffein bie l^eil. @d^rift lä^t man liegen, al§
(ebürfe man il^rer nid^t; unb bie i^r fo oiel @^re t^un, ba| fie
fte einmal lefen, bie {önnen ed flugd affeS, unb ift nie leine Jtunft
nod^ S3ud^ auf @rben lommen, baS jjebermann fo balb ausgelernt
l^at, als bie l^eil. Sd^rift. Unb ed ftnb bod^ ja nid^t Sefemort, mie
^e meinen, fonbem eitel Sebemort brinnen, bie nid^t jum Speiulieren
unb l^od^ ju bid^ten, fonbem aum Seben unb Xl^un ba gefegt ftnb/'
3luS jenem 5ßfalm l^atte er ben 17. SBerS: „Qd^ werbe nid^t fters
ben, fonbem leben unb beS §erm SBerf oerfünbigen" fid^ jum SBaJ^l^
fpmd^ erforen. @r fd^rieb il^n in lateinifd^er ©prad^e an bie SBanb
feines 3^^^^^ ^^^ barüber bie 37oten, nad^ meldten er il^n fang.
3)edgleid^en fteffte er fid^ „@d^öne, auSerlefene @prüd^e ber
l^eiligen ©d^rift" jufammen jum 3^roft, „menn rxn^ megen (Sotteä
äBortS äSefd^memng, Xrübfal unb äSerfolgung oorfäffet'^
älud^ ber ^^genb t)erga^ er nid^t. ®r fd^rieb ben „@ermon
an bie 5ßrebiger, ba^ fie bie Seute oermal^nen, il^re
Ainber jur ©d^ule )u l^alten'', morin er ben geiftlid^en unb
^eitlid^en 9iu^ ber ©d^ule l^eroorl^ebt. 2)iefe ©d^rift fd^tdte er an
• ben i^m befreunbeten Sajaruä ©pengier, ©pnbiluS in 9?ümberg.
@r rül^mt ben SRat bief er ©tabt , bafe er mit großen Äoften eine
fo feine ©d^ule geftif tet l^abe, fprid^t aber bie SSeforgniS auS, eS
ministen in biefer großen ©tabt etlid^e fein, meldte bie ©d^ulen
oerad^ten unb bie Jlinber jum S)ienfte beS 3JtammonS tel^ren^
©einen papiftifd^cn (Segnem trat er in einigen ©d^riften ent-
gegen, ^n ber ©d^rift „3}onben©d^lüffeln" befd^reibt er, „ber
lieben @d^lüf{el greulid^en SJlipraud^ unb ^Jti^oerftanb^', in einer
— 272 —
anbetn @6)xx^t, bie er ironifd^ ,^3Btbetruf opm^egfeuev^ betitelte, griff
er bie päpfltlicl^en Sügen t)om ^egfeuer an, gegen iDeld^e er bidl^er
nid^tS ©onberlid^ed gef daneben l^abe. 3n feinem „Senbbriefvom
2)olmetf(l^en'' red^tfertigte er feine Ueberfe^ung von 9löm. 3, 28:
,,38ir l^alten, ba^ ber SJtenfd^ geredet n^erbe allein burd^ ben
®lauben'' gegen ben römifd^en ä3orn)urf einer ^älfd^ung ber @d^rift.
SSäl^renb er ober fo in ber @Üle arbeitete, roar fein $er)
3ugleid^ )u $aufe bei ben ©einen. 9Bäre ed il^m bod^ lieber ge?
n)efen, roenn er in SBittenberg l^ätte bleiben unb feined 9lmteiS
tDarten bürf en ; ober er I^Stte eg nid^t für Sted^t gel^alten, bem Stufe
bed jturfürften 3U »iberftreben. Um fo mel^r pflegte er ben f d^ft^
lid^en SSerlel^r mit ber Heimat. 2)er r>on ung frül^er mitgeteilte
lieblid^e 99rief an fein @öl^nlein Qcm^ ftammt ouS biefer 3^*-
älud^ an ^teron^mug SSeQer, ber in fein^aud gejogenn>ar, um
beim Unterrid^t unb ber Sr^iel^ung biefeg @5l^nleind mitjul^elfen,
fd^rieb er mel^rmalg, namentlid^ um il^n über bie 9lnfed^tungen,
t)on benen berfelbe ju leiben l^atte, 3U tröfiten. 9lid^t minber ftanb
er in brieflid^em SSerlel^r mit feiner grau , inbem er felbfi an il^ren
{leinen l^äuSlid^en 9tngelegenl^etten Slnteil nal^m. 3^ befonberer
t^eube gereid^te ed il^m, als fte il^m bad Silb feineä SRagbalend^eniS
fd^idfte. aSeit J)ietrid^ fd^rieb barüber an bie ^au S)oItorin : „3^r
l^abt ein fel^r gut 3BerI getl^an, ba^ 3^^ bem $erm ^ottox bad
Silb gefd^id^ l^abt; benn baran er über bie 3Ra^en mel ©ebanlen
mit bem Silbe vergibt. @r l^at^d bem Xifd^ gegenüber an bie .
SBanb getlebt, ba mir effen in bed dürften ©emad^. 2)a er'd am
erften anfal^; lonnt er fte lange nid^t !ennen. @\, fprad^ er, bie
£ene ift ja fd^mar}. Slber |e^t geföKt fte il^m mol^l, unb bünft
il^m je länger |e mel^r, eS fei Send^en/' ^ud^ fonftiger älnoer-
iDanbten gebeult Sutl^er in feinen Briefen aug jtoburg. 93or allem
ober bemegte il^n bie !Rad^rid^t r>on feineg SSoterä Srlran!ung. ®r
fd^idfte an il^n fofort feinen 5Reffen ßprial mit bem fd^on oben
(©. 16) ermäl^ntcn S^roftbrief. SSSie er bann bieSotfd^aft Don
beffen am 29. 3Rai erfolgtem Xobe aufnal^m, l^aben mir ebenfaSS
frül^er gel^ört. ®r pric« (Sott, ba^ fein Sater biefe 3eit erlebt
ttnb baS Sid|t ber SSol^rl^eit gefeiten l^abe.
aber frcilid^, biefe perfonlid^en ängelegenl^citen mußten jurüdt^
— 273 —
treten gegenüber t)on ben großen ^tttereffen, xotli^e in jenen Xagen
auf bem @ptele ftonben. @d roox l^auptfäd^Iid^ ein breifod^ed, »aS
Sutl^erd @eele erffiSte: bie2:örlengefal^r, bad SSerl^cUtnid )u 3n)ingli
unb feinem Xnl^ange unb bie SSer^anblungen bed Steid^Stagd über
bie eoangelifd^e @ad^e.
Sd^on im Slpril fprid^t ftd^ in feinen Sriefen wieberl^olt bie
Sefürd^tung' eined neuen @infalld ber Xürlen aulS. ®r fielet barin
eine Strafe für bie äSerad^tung bed SBorted ®otted unb anbre
®reuel, beren namentlid^ in Dberbeutfd^Ianb immer mel^rere merben.
3ugleid^ aber oerftd^ert er, ba^ er nid^t aufl^öre, um 9tbn)enbung
ber ©efal^r 3U flel^en, bid er ber Srl^örung gemi^ fei.
3)ie ©aframentdftreitigleiten mürben mieber aufgerül^rt
burd^ neue 93ermittelungdt)erfud^e, meldte in ben ber Eröffnung bed
Steid^dtagd Dorongel^enben SBod^en ber Sanbgraf ^l^ilipp )u älugdburg
mad^te. 3)ie ©tra^burger fud^ten il^n für bie 3tt)ingltfd^e Seigre )u
gewinnen unb fDleland^tl^on fürd^tete, er möd^te bie Stuggburgif^e
Äonfeffion, weil in berfelben biefe Seigre ©ermorfen fei, ju unter?
fd^eiben ftd^ weigern, äluf äJleland^tl^onS äBunfd^ fd^rieb bal^er
Sutl^er an il^n unb ermal^nte il^n, er foKe ,,fid^ bie fü^en, guten
Sßorte bed SBiberteild nid^t bewegen laffen ober Dielmel^r ber
lifKgen SinföKe unb ©ebanlen bed Teufels fid^ nid^t annel^men''.
@r fprid^t eS l^ier old feine Ueberjeugung auS, ba| bie äBiberfad^er
il^rer eignen Seigre nid^t gcwi| feien. „3Bäre baS Sier im tJajfe,
fie Iie|en'g je^t wol^I aufteilen, älber weil fie inS !Rein lommen
finb, woKen unb lönnen fie nid^t jurüdC.'' Ser Sanbgraf unter?
jeid^nete bie jtonfefjton, unb bie ©tra^burger Übergaben in ®e?
meinfd^aft mit ben @täbten Jtonftanj, fDlemmingen unb Sinbau
ein befonbered S3elenntni3, in wel^^m fie fid^ ber lutl^erifd^en
älbenbmal^ISlel^re möglid^ji px naivem fud^ten. SBom 99oben biefed
Selenntniffeg aud bemül^te fid^ nun S3u|er, eine Einigung mit
Sutl^er ju flanbe )u bringen. @r l^atte in älugSburg eine Unter?
rebung mit äJleland^tl^on unb fe|te älrtifel auf, gegen weld^e aud^
biefer nid^tS einjuwenben wufete. S)iefelben würben nebft SSriefen
an Sutl^er von SReland^tl^on nad^ jtoburg gefd^idCt. Sutl^er aber
fd^rieb an aWeland^tl^on, er l^abe fein ©cfatten an ber „©d^alll^eit
unb Sift fold^er Seute", er werbe bem SBu^cr gar nid^t antworten.
»tttt Sutl^eT. 3. «ttfi. 18
— 274 -
J)icfcr aber lie^ fid^ nid^t abfd^tccfen. 2lm 25. ©eptcmber tarn et
felbft nad^ Coburg. 2\xti)tx traute il^m nid^t ved^t unb mahnte
x^n jur Offenl^eit, touvbe aber burd^ bie (Srllärungen beSfelben fo
bef riebigt, ba^ er ftd^ ber Hoffnung l^ingab, eS werbe gu einer
SSereittigung mit ben ,,@aframentierem", toenigftenö mit ben ©trafen
bürgern, lommen. 88iel mel^r ©orge bereitete il^m ber ®ang ber
3)inge in SlugSburg. 2lm liebften l^ätte er bort felbft für baä
®oangelium gejeugt, aber, fd^reibt er, „eS mar einer, ber ya mir
fprad^: ©d^meige, bu l^aft eine fdjled^te ©timme". S)od^ l^ielt er cS
immer nod^ für möglidj, ba| er bortl^in berufen rocrbe, \a er ging
eine 3^itlang mit bem ®eban!cn um, ob er nid^t aud^ ungerufcn
fommen folle. 2)a fid^ baä nid^t tl^un lic^, fo mollte er menigftenS
fd^riftUd^ für bie ®a6^e beS ©öangeliumS mirlen, f o vid er lonnte.
6r oerfa^te eine „SScrmal^nung an bie ©eiftlid^en, ocr^
fammelt auf bem SReid^ätag ju Slugöburg", worin er mit
fd^arfen SQäorten bie in bie £ird^e eingebrungenen (Sreuel rügt unb
bie gciftlid^en dürften ermal^nt, bem . ©oangelium freien Sauf ju
laffen, bann follte il^re meltlid^e §errfd^aft unangetaftet bleiben.
35a bie (Sröffnung be§ SHeid^StagS bur^ bie oerfpätete Slnfunft
be§ ÄaifcrS bis nad^ 3Kitte beS Quni fid^ oerjog, fo l^atten bie emn-
gelifd^en 3:^eoIögett QÄi, bie Sefenntniäf^rift abjufafjcn, meldte
ber Äurfürft bem Äaifer unb 9leid^§tag übergeben wollte. Stuf
®runb ber ©d^mabad^er unb 2^orgauer 3lrtifeI(ogI. ©. 268) arbeitete
fic 5UleIand^t]^on an^ mit fold^ Slnftrengung, ba^ i^n Sutl^er er-
mal^nen mufete, feines ÄopfeS ju fd^onen. „3d^ gebiete bir," fd^reibt
er, „unb ber ganzen ©efeUfd^aft, ba^ fie bid^ ber Siegel unterwerfen,
bein Äörperd^en ju erl^alten, bamit bu nid^t ein ©elbftmörber wirft
unb bir einbilbeft, ba§ gefd^el^e au§ ©el^orfam gegen ®ott." 2)em
fturfürften, ber il^m bie 2lrbeit aJleland^tl^onä jur ©infid^t gu=
gefanbt l^atte, fd^reibt er unter bem 15. SKai: „3d^ l^abe 3W. $ß§i'
lippfen SKpoIogia überlefen; bie gefällt mir faft wol^I unb wei^
nid^tS bran ju befjern nod^ änbem, würbe fid^ aud^ nid^t f d^itfen,
benn id^ fo fanft unb leife nid^t treten lann. ßl^riftuS, unfer §err,.
I^elfe, ba^ fie oiel unb gro^e tjrud^t fd^affe, wie wir Soffen unb
bitten." 3)em Äurfürften felbft fprid^t er fein Sebauern barüber
aus, ba^ berfelbe fo lange unb mit fo großen Soften in 3lugSburg
- 275 -
l^ingc^altcn fei, unb feinen aBunfd^, bafe bcffen §erj feft unb
gebulbig b(eibe in ©otteS ®nabe. ©Ott jum ^eunbe l^aben fei tröft-
lid^er benn aQer 3Belt t^veunbfd^aft. ©Ott aber ben>eife bem jtur-
ftitftcn feine ©nabc, inbem er in beffcn Sanb fein SSäort Irdftig mad^e.
^ort feien bie afferbeftcn ^Pfaner unb ^JJrebiger unb „eS roäd^fet je^t
bal^er bie jart 3ugenb oon ftnäblein unb SRaiblein, mit bem jtate-
<i^iämo unb ©d^rift f o rool^I jugcrid^tet, ba^ mir^S in meinem §erjen
fanft tl^ut, ba^ id^ feigen mag, mic je^t junge Änäblein unb SWaibs
lein mel^r beten, glauben unb reben fönnen t>on ©ott, von S^rifto,
benn oorl^in aQe @tift, jllöfter unb @d^ulen gelonnt l^aben unb
nod^ fönnen. Unb ift fürmal^r fold^ jung SSoH in Suer Äurfürft^
lid^en ©naben Sanb ein fd^öneS ^arabieS, bedgleid^en in ber 9Q3eIt
nid^t ift. Unb fold^ed aUed bauet ©ott in @uer ^urfürftUd^en
©naben @d^o^ jum SSial^rjeid^en, ba^ er @uer fturfürftlid^en ©naben
gnäbig unb günftig ift". 6r tröftet bann ben Äurfürften, beffen
^erj ber @atan belümmere unb betrübe, mit bem J^i^^^^i^ ^^f
bad treu ^erjUd^ ©ebet bei allen Sl^riften. „Unb mir miffen, ba^
unfer ©ebet red^t ift unb bie ®a(S). gut, barum mir gemi^ fmb,
ba^ eä angenel^m unb erl^öret mirb."
3a ba3 ®ehü mar bie ©tü^e, momit er ftd^ unb bie ©einen
aufrecht erl^ielt. SRatl^eftud t)erg(eid^t il^n begl^alb mit SRofe,
meld^cr, mä^renb S^^i^ttel mit 2lmalel fämpft, auf bem SSerge feine
J^änbe emporl^ebt unb baburd^ feinem Sßoll ben @ieg erringen
l^ilft, unb aSeit 3)ietrid^ berid^tet über Sutl^er§ ©ebetsleben auf
itoburg: „3d^ lann mid^ nid^t genug munbem über biefe ©tanb?
I^aftigleit, $eiterleit, ©lauben unb Hoffnung in fo trauriger unb
flefäl^rUdJcr 3^^^- Stbcr er näl^rt biefelben ol^ne Unterlaß burd^
täglid^e S3etrad|tung unb Uebung in ©otteS äSort. @r lö^t leinen
^g oergel^en, ol^ne ba| er menigftenS brei ©tunben, bie il^m jum
©tubieren am gceignetften fmb, aufS ©ejbet uermenbet. (Sinmal
l^atte id^ baS ©lüdE, il^n beten ju l^örcn. ©utcr ©ott, meld^ ein
©laubc mar in feinen SBorten! aWit fold^er ©l^rfurd^t betete er,
bofe man fal^, er rebe mit ©ott, unb mit fold^em ©lauben unb
fold^er Hoffnung, ba^ man meinte, er rebe mit einem 3Sater unb
einem ^eunbe. 3ld^ meife, fagte er, ba^ bu unfer ©ott unb S8ater
bift, barum bin id^ geroife, ba^ bu bie SSerfolger beiner Äinber ju
— 276 —
f d^nben mad^en toirft. X^uft bu ed nid^t, fo ifi bie ©efol^r beiti
fo flttt afö unfcr^ ifi bod^ bicfct flanjc ^anbcl bcin, mx finb nur
gejtoungen baran gegangen, barum magfl bu il^n Detteibigen. ®o
l^dtte id^ i^n mit ^eKer Stimme beten, ba id^ t)on ferne ftonb.''
2)er getrofle !Dlut, meldten er fid^ burd^ ®eSet errang unb
bemal^rte, fe^te il^n in ben Stanb, aud^ feine Srflber }u ft&dfen.
& mar eine Seit banger Erwartung, meldte ber immer länger
ftd^ Dera&gemben @r9ffnung beis Sleid^iStagd voranging. 3^ Sutl^er
brong bad ®erüd^t, bie p&p^li^e Partei verzögere bed Jtaiferd.
älnlunft, um bie ^rften ju nötigen, unoerri^teter 3)inge l^eim::^
)ule§ren. ©efpannt »artete er auf !Rad^rid^t t)on Slugdburg, aber
bie Soten lamen o§ne fold^e jurfidE. @$ t)erbro| il^n nid^t menig^
ba| bie „i^unler Sd^meigler ju Slug§burg nid^td fc^reiben". 2)od^
bel^iett er aud^ unter biefen Umft&nben feinen frö^Iid^en ©lauben.
unb lonnte bamald einige SBriefe voU $umor fd^reiben. @rfi am
29. ^m, nad^bem er fd^on auf onbem SBegen von bem Sinjug
bed Jtaiferd in SlugSburg am 15. gel^9rt l^atte, famen mieber SSriefe-
von feinen bortigen ^eunben. $od^ erfreut mürbe er burd^ bie^
Jtunbe Don ber ©tanbl^aftigleit feined jturfürften unb von ber
^eunblid^Ieit bed JtaiferS. @in guter @ngel ftel^e biefem jur @eite,
meinte er, unb erbßdEte barin eine äBirlung ber ®Aeit ber ©laubigen^
9(ber forgenooK laatttcn SReland^tl^ond Briefe; er mar j|a
nid^t ber äJlann für baS ®ebrSnge bed Kampf ed, il^n fd^redEten
bie 2)rol^ungen ber ®egner, il^m bangte um ben f^eben im 9teid^e^
il^n He^ bie Sorge, ob er eS benn mit bem von x^m abgefaßten
Selenntnid red^t getroffen l^abe, ju leiner SRul^e lommen; aud^
feiner ®enoffen l^atte ftd^ Äleinmütigleit bem&d^tigt. ^a griff
Sutl^er mit feinem gemaltigen 3Borte ein. tlnerfd^ütterßd^e
(SlaubendjuDerfid^t fprid^t aud ben 93riefen, bie er nad^ SlugSburg.
fd^b. 9lod^ el^e er gel^ört, baß baS SelenntniS übergeben fei,
fd^rieb er am 27. i^funi an SReland^tl^on: „2)eine großen Sorgett
^affe id^ gar fel^r. ^aß fie in beinem ^erjen l^errfd^en, mad^t
nid^t bie ®röße unfrer Sad^e, f onbem bie ®r8ße unfreS Uns
glaubend. S)eine $^ilofopl^ie quSlt bid^ fo. 9lld ob ^r burd^
jene eure unnü|e Sorge irgenb etmad aulBrid^ten fönntet. SSktd-
fann benn ber 2!eufel mc§r tl^un, benn baß er unS ermürgc?
- 277 —
^ad iffut'i ? Sd^ Sefd^wöre bid^, ber bu in aKem anbem f o lampf ^
bereit btft, lämpfe aud^ (^egen btd^ feI6ft, beinen größten ^einb,
ber bu bem @atan fo Diele SBaffen gegen bid^ felbft in bie $anb
gibft. 3^ l^itte fleißig für bid^ unb bebaure, ba| bu ^artnädKger
€orgenbIutegel meine ®ziete erfolglos ntad^fi. 3d^ bin, n^ad
itnfre 6ad^e betrifft, nid^t fel^r in Unrul^e, jja id^ l^abe mel^r Hoff-
nung, old id^ mir im ooraud badete. ®ott ift mäd^tig, Stote ju
ttmeäen, er ift aud^ mäd^tig, feine Sad^e, menn fie fallen miD,
ya retten, menn fie gefallen ifi, mieber auf}urid^ten, roenn fie fielet,
3u förbem. S^riftud tröfte, ftärle unb leiere eud^ alle burd^ feinen
^eift/' StoÄ Xage nad^l^er fd^rieb er il^m obermald, inbem er bie
f^age, mie meit man ben ©egnem nad^geben bürfe, beantn)ortet ^n
<illem anbem erllärt er ftd^ }ur !Rad§giebigIeit bereit, nur oon ber
SBal^rl^eit beS ©oangeliumS bürfe man nid^t roeid^en. 3Rel^r ald
fenug fei fd^on im SSelenntnid nad^gegeben morben, nel^men jte
taä nid^t an, fo fel^e er leine äJlöglid^Ieit weiteren Slad^gebend.
„^ag unb !Rad^t gel^e id^ mit ber @ad^e um, nad^benlenb, ermägenb,
bei mir felbft biäputierenb unb bie gange @(^rift burd^forfd^enb,
unb ed ndd^ft in mir fortn)äl^renb bie ©laubendguoerftd^t auf unfre
Seigre, unb id^ werbe immer mebr beftärlt, ba| id^ mir, ob ®ott
toiH, nun nid^tS mel^r werbe nel^men laffen, ed gel^e barüber, wie
eS woHe." 6r tabelt l^ierauf feinen greunb, ba^ er pd^ ©orgen
tnad^e über ben @rfolg, weil er benfelben nid^t mit ^änben greifen
tonnt. ,,9lber wenn bu il^n begreifen !önnteft, wollte id^ mit biefer
@ad^e nid^td )u tl^un b<^en, gefd^weige benn il^r Url^eber fein/' @ie
tul^e auf bem ©lauben, ber auf bad Unfid^tbore gel^e. äBolle biefed
jemanb fid^tbar unb begreiflid^ mad^en, wie SReland^tl^on tl^ue, fo
f)ahe er @orgen unb ^l^ränen gum Sol^n feiner älrbeit. „3)er $err
meiere bir unb un§ allen ben ©tauben. Haben wir ben, wad wirb
un^ ber @atan mit ber ganzen 9Belt tl^un? Haben wir il^n nid^t,
warum tröften wir unS nid^t wenigftenS mit frembcm ©lauben?"
3fn bemfelbcn ©inn fd^rieb er am folgenben 2^ge (30. Suni)
ttid^t nur an SReland^tl^on, fonbem aud^ an 93ren), 9lgriIola, 3onad
unb @palatin mit ber Sitte, SReland^tl^on }u ftärlen, inbem er
l^offt, wenn berfelbe auf feine SßJorte nid^t l^öre, fo werbe er bod^
burd^ biefe f^reunbe, weld^e er ald ©otteSmänner anerlennen muffe,
— 278 —
fid^ bcftimmen laffcn. Xex ßJebanle, er f önnlc t)on bcn ^Papiftcn
umgebrad^t roerben, ängftet il^n nid^t, benn „ber mid^ gefd^affen
l^at, n)irb ber SSatet meined @ol^ne§, ber 3Rann meineg 3Beibed,
bcr ßctilcr beS ©taatcä, bct 5ßrebiger ber ©cmeinbe fein, unb
ixoax bejfer, al§ id^ e§ bin, ja bef[er nad^ meinem ^obe old näl^renb
meines Sebenä, meil id^ i^n burd^ mein Seben l^inbere''. @ein
äSertrauen rul^t barauf, ba^ (Sott baS 9BerI angefangen unb bisl^er
befd^ü^t unb gelenft l^at über aUed menfd^lid^e SSerftei^en. @r Der-
fid^crt, bafe er feinen tJrejmben mit ©cufjem unb ®tUten jur
@eite ftel^e, benn il^re @ad^e fei aud^ bie feinige, jja mel^r nod^ bie
feinige als bie il^rige, ba er fie angefangen l^abe. @r meift fte
auf bie SSerl^ei^ungen ber ®d^rift, befonberS auf bag 9Bort (Sl^rifti:
,,©eib getroft, id^ l^abe bie SBelt übermunben." ,,®8 mirb ja ni^t
falfd^ fein, ba3 mci^ id^ fürroal^r, bafe Gl^riftuä ber ©icger über
bie SBelt ift. 3Barum erfd^redfen mir alfo cor ber befiegten SBelt,
gleid^ aU märe fte ber ©ieger? ©oUt einer bod^ einen fold^en
©prud^ auf feinen Änieen t)on SRom unb ^exn^alem Idolen."
SSon bem Steid^Stag erwartet er menig me^r. 33a| ber Äaifer
bie et)angelifd^e 5ßrebigt mäl^renb beS Sleid^StagS ©erboten l^at, ift
il^m ein S^i^«^ baoon, ba^ berfelbe pd^ t)on ben ^Papiften l^abe
beftimmen lafien, bie eüangelifd^c Seigre überl^aupt §u »erbieten.
3(l§ er jebod^ t)on bem @inbru(t ^örte, meldten bie SSorlefung be§
S5efenntnif[e8 gemad^t, t)on ber frieblid^en Oeftnnung mcl^rerer
93ifd^öfe, namentlid^ aui) beS Srjbifd^ofS üon SDlainj, unb t)on ber
t$reunblid^leit bed jtaif erS ; ba l^ält er bod^ einen günftigen SCuS^
gang für möglid^, unb er freut fid^ l^erjlid^, ba^ er biefe ©tunbe
erlebt l^at, ba ßl^riftuS r>on feinen Selennem r>ox einer fo großen
3SerfammIung burd^ ein fo fd^öneS Selcnntntä öffentlid^ gcprebigt
morben ift. S^ax eine ©inigung in Sejiel^ung auf ,bie Seigre
erlennt er mit Harem Slidf für unmöglid^, ba^ aber ein 3^eU mit
bem anbem ^eben §alte unb beibe in äußerer @intrad^t mit
einanber leben, bag, meint er, märe ju erlangen, ^n biefem ©inne
fd^rieb er aud^ an ben ©rjbifd^of 3llbred^t t)on 3D?ainj unb bat il^,
ein ©amaliel ^u fein, „ber ben SRat beä griebenS ben anbem
Dorfd^lage. Sßiff aber meber fjriebe nod^ ®iniglett folgen: fo lai
fal^ren, xoa^ nid^t bleiben miff, unb jüme, mer'S nid^t laf{en mill.
— 279 —
6r wirb 3om8 unb Unfriebcnä, bartiad^ er ringet, übrig genug finben.
SEBir Trotten bieroeil mit ben lieben Slpofteln unb jungem fingen."
Unb nun folgt eine SluSlegung be§ jn^eiten $fa(m3. @t roaxnt
bann oor bem ^JJapft unb feinen SSBalcn (SBJelfd^en); roeld^c in bie
fjauft lad^en würben, wenn beutfd^e tjürften übereinanber l^erfielen,
unb fd^Iie^t mit ben ergreif enben SßJorten: „3l^ lann^S \a nid^t
laffen, id^ mu^ auc^ forgen für baS arm, elenb, t)erlaf(en, Derad^t,
©erraten unb ©erlauft 3)eutfd^Ianb, bem id^ \a lein 2lrge§, fonbem
alles ®utc gönne, als id^ fd^ulbig bin meinem lieben SBaterlanbe."
SSon biefem ©tanbpunfte au^ lonnte Sutl^er meber juftimmen,
ba^ man bem Äaifer bie ßntfd^eibung über bie ftreitigen %xa%en
bcS ©laubenS überlaffe, nod^ baS Slnfnüpfen weiterer SSerl^anblungen
billigen, oiclmel^r riet er, ba^ man fid^ auf ein Äonjil bcnife,
benn menn aui) nid^t ju erwarten fei, ba^ ein fold^eS gu ftanbe
fomme, fo bleibe bod^ auf biefc SQBeife ber %x\e\>t einftmeilen er?
l^alten. 3Sor ber ©emalt unb ben 2)rol^ungen ber S33iberfad|er
fürd^tet er fid^ weniger als t)or il^rer Sift. Q\xm Äaifer l^at er
ein gutes gutrauen, aber er ift überzeugt, ba^ berfelbe ganj in ben
§änben ber (Gegenpartei fei. S)arum mal^nt er bie ^eunbe, auf eine
Sßereinigung nid^t ju l^offen. 35urd^ bie SBerlefung beS SelenntnifJeS
fei alles crreid^t, waS man l^abe l^offen fönnen, baSfelbe werbe mit
feinem ©d^aH in alle Öanbe ausgeben, bamit bie, weld^enid^t glauben,
leine ®ntfd^ulbigung l^aben. „ßtwaS SefiereS ober ©lüälid^ercS
werbet il^r nid^t erreid^en. — ^^ abfoloiere eud^ im Flamen beS
§crm oon biefem. 9leid^Stag. Qmmer wieber l^cim, immer l^eim!"
Slber ju feinem SSerbru^ würben bie Slnl^anger beS ©oan*
geliumS in SlugSburg nod^ lange l^ingel^alten. ®df ©erfaßte im
2luftrag beS KaiferS eine ©d^rift jur SQSiberlegung beS SlugS?
burgifd^en Sef enntniffeS, bie fogenannte Konfutation, unb bie ©egner
liefen eS an ben ^ßftigften S)rol^ungen nid^t fel^Ien. 3)aburd^ er=
reid^tenfie, ba^ ber furd^tfame50leland^tl^on fid^ auf Unterl^anblungen
einliefe. Sutl^er, ber baoon baS ©d^limmfte fürd^tete, fd^rieb il^m
einmal über baS anbre unb liefe fid^ a\x6^ baburd^, bafe SJieland^tl^on
nid^t antwortete, nid^t abl^alten, il^n immer wieber ju ermutigen
unb ju ermal^nen, er folle ftd^ burd^ leere 3)rol^ungen nid^t eins
fd^üd^tem laffen, nid^t einmal menfd^lid^ betrad^tet feien bie ©egner
— 280 —
in ber Sage, ed jutn jtnege }u treiben, ba ed unter ben Säuern
gäre. SSon ben 3ugeftänbnif{en, }U »eld^en nutn bie SDangelifd^en
}U Beftimmen fud^te, roxU er nid^tlS n)iffen. hinter bem Verlangen,
baS 9Re|opfer n)enigftend mit ber 93ebeutung eined 3)anIopferS f ort^
Beflel^^n ju lajfen, fielet er eine Sift ber ®egner; ben 93if doofen lann
er ein dit(l^i, ber ©emeinbe gegen il^ren SBiKen lird^Iid^e ©affungen
auf}ulegen, nid^t jugeftel^en, roäl^renb il^nen, fofem fte )ugleid^
»eltlid^e Dbrigfeiten finb, bie Untertl^anen (Sel^orfam fd^ulben.
9lid^t minber ftärlte er bem jturfürften unb bef[en Jtanjler
S3rüd( ben 3R\xt burd^ feine Sriefe. 3)em le^teren fd^reibt er:
„®o mir beg gemi^ fmb, ba^ ed ©eine ©ad^e unb 3Bort x% \o
ift oud^ gemife unfer ®ebet erl^öret unb bie $ilfe fd^on befdjioffen."
5Dann fd^ilbert er bie t^örid^te Äleinmütigleit feiner ^eunbe unter
bem ©leid^niS r>on )mei ,,9Bunber)eid^en'^bie er gefeiten l^obe: ,,S)aS
erfte, ba id^ jum f^enfter l^inaud fal^e, bie Qtmte am ^imrnd unb
bad ganje f^öne ©emölb ®otted, unb fal^e bod^ nirgenb !eine
Pfeiler, barauf ber ÜReifter fold^ ®emölb gefegt l^otte, nod^ fiel
ber $immel nid^t ein unb ftel^et aud^ fold^ ®emöI6 nod^ fefl. !Run
finb etlid^e, bie fud^en fold^e Pfeiler unb moOten fie gern greifen
unb füllten. äBeil fte benn baS nid^t vermögen, )appeln unb
)ittem j^e, aU merbe ber $immel gemi^Kd^ einfallen, aud feiner
anbem Urfad^en, benn ba| fie bie 5ßfeiler nid^t greifen nod^ feigen.
SBenn fie bief eibigen greifen fönnten, fo ftünbe ber $immel fcfte."
^a^ jrocite SSäunberjeid^en ift il^m ber Siegenbogen, ber bie SEBaffer^
laft ber 3BolIen trägt. „3to(S) finb etlid^e, bie bed 9Ba{ferd unb ber
SBolIen 3)id^e unb fd^mere Saft mel^r anfeilen, ad^ten unb fürd^ten,
benn biefen bünnen, fd^malen unb leidsten ©d^emen; benn fie wofften
gernfül^Ien bie Jlraft fold^eS ©d^emenS; meil fie bad nid^t!önnen,
fürd^ten fie, bie aBoKcn werben ein emige ©ünbflut anrid^ten/
3(m 3. Sluguft mar bie Don @df aufgearbeitete Aonfutation
beriefen morben. Sutl^er banite (Sott, aU er l^örte, mie unge^
fd^iit biefelbe ausgefallen fei, unb l^offte, bafe feine ^eunbe balb
SlugSburg oerlaifen. 2lbcr nun Inüpften bie ®egner, erfd^rcit
burd^ be§ Sanbgrafen plö^Ud^e Slbreife, Unterl^anblungen an. (Sine
jtommiffion, in meld^er bie ßoangelifd^en burd^ SReland^tl^on oer«
treten maren, foHte einen SSergleid^ über bie ftreitigen Sel^rpunfte
— 281 —
}u ftonbe bringen. 3Bie wenig Sutl^er booon enpartete, fprid^t er
cM, totm er fd^erjenb an Spalatin fd^eibt: „^<l^ l^öre, ba^ i^r
— freilidj nul^t gern — ein rounberlidj SEBer! angefangen l^abt,
nomlid^ ben ^apft unb ben Sutl^er in Uebereinftimmung }u bringen.
9lber ber $apfl wirb nid^t woKen unb Sutl^er verbittet ftd^'iS. SEBenn
i^r gegen briber äBiSen bie Sad^e ju ftanbe bringt, fo wiD id^
6§rifhtnt unb Seliol miteinanber oerfö^nen.'' @r {tel^t in biefen
Unterl^anblungen nur eine ^interlift ber ®egner, benn wenn ber
Xeufel nid^t ein Söwe fein lönne, fo werbe er )ur ©d^Ionge. ^ai
SReland^tl^on nid^ }ugefiimmt l^atte, ba^ ber ®emi bed l^eiligen
3(benbma^ld unter beiberlei ©eftalt für etwas 3nbifferented erllärt
tDerbe, il^n vielmehr ate göttliches ®ebot feftl^ielt, lobt er. „^tm
ed fte^t und nid^t }u, in ber ftird^e ©otted etwas )u fe|en ober
}u bulben, was fid^ burd^S SBort (SotteS nid^t oerteibigen lä^t.
^id^ brennt jjeneS gottlofe äBort ,inbifferenf nid^t wenig; mittels
t)eSfeIben lönnte man aOe ®efe|e ®otteS für inbifferent erllaren.^'
S3ei aSen 3ugeftSnbnif[en, mal^nt er, foDe man immer ben SSorbe^alt
ntad^en, man woKe nid^tS nad^gegeben l^aben wiber baS Soangelium.
SEBeber bie ÜReffe, wenn berfelben gleid^ eine unfd^ulbigere 5Deutung
gegeben werben woKte, nod^ bie ©ewalt ber 99if d^öf e fei an}uertennen.
9tm 14. September traf ber jturprin} mit feinen Segleitem
auf ber SRüdCreife oon 9tugSburg in jtoburg ein. (Sx befd^enfte
Sutl^er mit einem golbnen SRinge, aber ,,bamit id^ feigen foEte, id^
fei nid^t ba}u geboren, ®oIb )u tragen, fiel er mir fogleid^ t)om
ginger. 3^ fpwd^- S)u bift ein SBurm unb fein SRenfd^. 2)em
<M l^ätte er gefd^enft werben foQen. Sir wäre 93Iei ober ein
@tridf um ben $als beffer angefitanben." @r l^offt, ba| nun feine
f^eunbe bem Sieid^Stag aud^ balb entrinnen werben. 5Dabei wieber-
l^olt er feine SRal^nungen an SReland^tl^on, mannlid^ auS)ul^alten,
oerteibigt il^n aber aud^ gegen ben äSorwurf aSiin großer 9lad^^
giebigfrit, weld^er namentlid^ oon 9lümberg auS mit großer @d^ärfe
erl^oben würbe. 68 ift rü^renb, mit wcldjer SeforgniS unb bod^
gugleid^ mit wcld^em aSertrauen er fid^ über biefe SSorwürfe gegen
feine ^reunbe in 3(ugSburg auSfprid^t.
Su feiner ^Jreube blieben bie SSerl^anblungen, wie er oorauS^
gefagt, erfolglos. 9)ie ©oangelifd^en bel^arrten bei ber ^ßrotcftation
— 282 —
von ©pcicr. ©o ungcl^alten bct Äaifcr j^ietübet voax, fo lonntc
er bod^ nid^t fofort ©croalt firaud^en, bcnn bic fatl^olifd^cn SRcid^S^
fürftcti; befonberS Sapcrn, wollten baüon nid|t8 roiffen. ©ie waren
aaf bie fteigenbe 9Kad|t bcr Habsburger eiferfüd^tig unb namentlid^
bartiber oerflimmt, bafe ber Äaifer feinen S3ruber gerbinanb mit
bcn öfteneid^ifd^en ©rbtanben unb bem t)om fd^roäbifd^en S3unb
eroberten §erjogtum SBürttemberg belel^nt l^atte. S)al^er rourbe in
bem 9leid^ätag8abfd^ieb ben 5ßroteftanten big jum 15. Slpril 1531
grift gegeben, um jur ®inl^eit ber Äird^e jurüdfjuf eieren, oom
Äaifer aber gugefagt, bafe er ein Äonjil jur Sefeitigung ber fird^
lid^en SWi^räud^e binnen eines ^af^x^ berufen motte, ©o mar
menigftenS oorläufig ber fjriebe geftd^ert.
31m 23. ©eptembet; t)erlie^ ber Äurfürft mit feinen S^l^eologen
SlugSburg. 3n Äoburg fd^Iofe Sutl^er ftd^ il^nen an. ©ie reiften
t)on ba am 5. Dftober ab, unb nad^bem Sutl^er ju 2^otgau nod^
oor bem Äurfürften geprebigt j^atte, fam er am 17. Dftober mo]^I=
bel^alten nad| §aufe.
@ine Erinnerung an bie auf Äoburg jugebrad^ten SBod^en mar
fein ^etfd^aft, meld^eS er ftd^ bamalS fted^en liefe, unb meld^eS er
in einem SSriefe an ©pengier folgenbermafeen bcfd^reibt unb afe
ein aJlerfjeid^en feiner il^eologie beutet: „3)aS erft fofft ein Äreuj
fein, fd^roarj im §erjen, baS feine natürlid^e %axU l^dtte, bamit
id^ mir felbft Erinnerung gebe, bafe ber ®Iaube an ben ©efreu-
jigten uns feiig mad^t. Db'S nun mol^I ein fd^roarj Rreuj ift,
mortifizieret unb f ott aud^ mel^e tl^un, nod^ läfet eS baS §erg in feiner
garbe, oerberbt bie 5Ratur nid^t, baS ift, eS tötet nid^t, fonbem
bel^ält lebenbig. ©old^ §erj aber fott mitten in einer meinen
5lofen ftel^en, anjujeigen, bafe ber ©taube greube, Sroft unb
fjriebe gibt, nid^t roie bie SBelt %xxe\> unb greube gibt. 3)arum
fott bie 3löfe meife unb nid^t rot fein; benn meifee garbe ift ber
®eifter unb atter Engel garbe. ©oId|e SRofe ftel^et im ]^immel=
färben fjelbe, bafe fold^e §reube im ®eift unb ©lauben ein Slnfang
ift ber l^immlifd^en greube jufünftig. Unb um fold^ %eü> einen
gulben SRing, bafe fold^ ©eligfeit im $immel eroig möl^ret unb
fein Enbe l^at unb aud^ föftlid^ ift über atte ^eube unb ©üter."
1530-1546.
Sxflt» 3iap\Ul
5cli9 f!n5 bU ^riebfcTtigen. IHattl}. 5, 9.
§n äBittenBerg toartete auf Sutl^er mel Sd^toeteiS. ®leid^ am
Sage naä) feiner Slnlunft Kagt er üBer bte J^eimlid^e SSerfolgung^
toeld^e baS SoangeKum in Sad^fen erleibe, fofem bag ^rebigtamt
Derod^tet, S^^^^^^f angegriffen unb burd^ junger oernid^tet n^erbe.
@inige 393od^en nad^l^er fd^reibt er in bemfelBen @inn: „3)ad n)ei^
©Ott, n)ie ein gro^ Seib mir bad ifl unb freilid^ meiner l^öd^ften
93efd^n)erungen eine, ba| id^ fold^ Unban!barleit bei und 3)eutfd^en
täglid^ feigen xm^, alfo ba^ id^ mir übel fürd^te, eS merbe in
turpem über 3)eutfd^Ianb eine $lage gelten, bergleid^en mix vxeU
lei^t bis jc^t nid^t erfal^ren. 3)er Slbel ifi fo fred^ unb
ftoli, olä mü^t er nid^t, ob er auf bem Qanpt gelten moKe, unb
ber Sauer fo mutroiQig unb aufgeblfti^et, aU märe er $err über
aKe Ferren. Unb beibe^ 3(bel unb Sauer jufammen nid^t aOein
&ott oerad^ten, fonbem aud^ xatxitn unb ftel^Ien bem Soangelio.
S08ir gmingen (Sott ium 3önt mit aller Oemalt."
S)aneben lag eine gro^e 3(rbeitdlaft auf il^m. @r l^atte nämlid^
bie pfarramtßc^en ©efd^äfte Sugen^agenS übernommen, meld^er
nad^ 2übed( gegangen mar, um bort, mie oorl^er in Sraunfd^roeig
unb Hamburg, baS Jtird^enmefen nad^ eoangelifd^en @runbfä|en
)u orbnen. „3d^ prebige, l^alte SSorlef ungen , bin burd^ älmtg-
gefd^äfte umgetrieben, burd^ Sriefe in älnfprud^ genommen, '' fd^reibt
er an SSett 3)ietrid^; unb babei litt er immer n)ieber an Saufen
im Jtopf , befonberS in ben SRorgenftunben. 3)ennod^ fanb er nod^
3eit, fd^riftftetterifd^ t^ätig ju fein, (gr liefe bie ©d^rift: „SSer^^
— 286 —
ntal^nung jum ©aftamcnt bcS 2eibcS unb 95Iute§
uttfcreä §errn" erfd^etnen, in roeld^et et fid^ gegen bie »iclen
njenbet, roeld^e „fid^ bünfen laffen, rocU jtc nun Dom päpftlid^en
3n)ange frei jinb roorben, fte feien gar nid^t mel^r fd^ulbig, bieä
©aframentS ju braud^en, fonbern mögen fein rool^l entbel^ren unb
frei o§ne alle ©ünbe Derad^ten". 6r roiff bal^er ben Pfarrern
2lnleitung geben, il^r SSoK ju Dermal^nen unb ^um ©alrament ju
lodfen. daneben beenbigte er feine Ueberfe^ung ber 5ßropl^eten
unb überarbeitete nod^ einmal feine $falmenüberfe|ung, roobei er
ber ßigentümtid^Ieit ber beutfd^cn ©prad^c mel^r SRe^nung trug
als in ber frül^eren ^Bearbeitung. ,;S)er tjorige beutfd^e ?PfaIter/'
fagt er, „ift an oielen Drten bem §ebräifd^en näl^er unb bem 2)eut=
fd^en ferner, biefer ift bem 33eutfd^en näl^er unb bem ^ebräifd^en
ferner."
Slber fold^e frieblid^e Slrbeit mürbe immer mieber unterbrod^en
burd^ bie SSerl^anblungen, meldte über baS SScrl^alten ber eoangelifd^en
©tänbc gegen ben Äaifer gefül^rt mürben, unb burd^ bie ©utad^ten
unb 9iatf daläge, meldte er in biefer ®a^^ abzugeben l^atte. 5Der
ungtinftige 9ieid|§tag§abfd^ieb üon 3lugSburg unb ber Umftanb, ba^
baS 9leid^Sfammergerid^t anfing, megen ©injiel^ung t)on Äird^en^
gutem gegen bie ^roteftantcn einjufd^reiten , bemog biefe, um
SBeil^na^ten in ©d^malfalben jufammenjufommen, um ein
Sünbnis ju »erabreben. Slfö l^iebei bi« fjrage mieber jur ©prad^e
lam, ob man bem Äaifer SBiberftanb leiften bürfe, unb bie Sfuriften
biefelbe bejal^ten, fo erftärte Sutl^er, alg 3^l^eoIoge muffe er fidj
gegen ben SBiberftanb auSfpred^en. ®ott merbe l^elfen, fo ba^
geroaltfamer SBiberftanb unnötig fei, mie jtd^ baS beim Sleid^ötage
gejeigt l^abe. 3lber ber ©laube fei nid^t jebermannS 33ing. SBenn
bal^er mirllid^, mie bie Qluriften behaupten, baS 9leid^8gefeft in
fold^em %aU ben SBibcrftanb julaffe, fo f önne ftd^ ber Äaifcr nid^t
beflagen, roenn bemgemä^ oerfal^ren merbe. @r felbft aber motte
über jenes (Sefc^ nid^t urteilen, „©o la% id^ jic mad^en, id^ bin
frei. " S)em Äaif er lag oiel baran, bie Söal^I feines SrubcrS jum
römifd^cn Äönig burd^jufe^en; bie proteftantifd^en ©tänbe maren
biefer SBal^I fel^r abgeneigt, Sutl^er aber riet feinem Äurfürften jur
5Rad^giebig!eit. @r fürd^tet, menn berfelbe fid^ weigere, lönntc feine
— 287 -
jturtoütbe auf $er)og (Seorg übertragen toerben, aud^ tDürbe ,,bad
Steid^ jerriffen unb beutfd^ Sanb getrennt; baraud ber Arieg unb
aQet Jammer folgen mu^^'. S3eim Soangelium lönne ja ber Aur-
fürft bod^ bleiben, aud^ nienn f^erbinanb üiel bamiber geböte. Sabei
be!ennt Sut^er, „x6) bin fold^en äQeltfad^en )u finbifd^'' unb bittet,
ü^m fein unoerftänbigeä ®efd^n)ä$ gnäbiglid^ ju gut )u l^alten.
älber fo bringenb er ben Seinen }um 3^ad^geben riet, fo foKten
bod^ bie ©egner baburd^ nid^t in il^rer Slnma^ung beftärlt n)erben.
3)arum bezeugte er in feiner ,3arnung an feine lieben
S)eutfd^en", ba^, wenn eS jumÄriege fommen follte, bie SutJ^cri-
fd^en baran nid^t fd^ulb feien, ba fie ol^ne älufl^ören um t^riebe
gebeten, aud^ fein ©d^wert gejudCet l^aben. (SoHte aber ber Jtaifer,
burd^ bie $apiften oer^e^t, jum Jtriege aufbieten, fo foK ftd^ lein
SRenfd^ ba}u gebraud^en laffen nod^ bem Jtaifer gel^orfam fein.
3)amit n)oSe er aber nid^t }u Jtrieg, nod^ Slufrul^r, nod^ ©egen^
n)el^re jemanb reiben. — @d ift berfelbe @tanbpunlt, n^eld^en Sutl^er
fd^on in feinem Sd^reiben an Jlurfürft tJriebrid^ oom 5. SKärj 1522
eingenommen l^atte: äBiberftanb gegen ben bem @oangelium feinb-
lid^en Äaifer ift nid^t erlaubt, aber jum SBerljeug feiner geinb^
fd^aft foK man ftd^ nid^t braud^en laffen. ä3alb barauf oeröffentlid^te
er eine „®loffa auf baS oermeintlid^e faiferlid^e @bift",
worin er Sügen unb 2äfterungen gegen baS Soangelium in bem
älugSburger @bift aufmeift, babei ftd^ aber gegen ben äiormurf
oerma^rt, als moKte er etmad gegen Jtaiferli(|e ^ajjeftöt gerebet
l^aben, oielmel^r meine er „bie Verräter unb Söferoic^ter, fie feien
Surften ober Sifd^öfe, fo unter faiferlid^em 9iamen il^ren »er-
jTOeifelten SKutroitten ©orncl^men p vollbringen".
2luf ©runb biefer beiben ©d^riften mürbe ßutl^er in einem ju
SDreSben gebrudEten Süd^lein , beffen ungenannter SSerfaffer $erjog
©eorg felbft mar, befd^ulbigt, }um älufru^r gereijt }U ^aben. @r
gab eine berbe Slntroort in feiner Sd^rift: „SBäiber ben 3Jleud^ler
ju 2)reSben". ®eorg flagte beim Jlurfürften. 3Son biefemjur
SBerantmortung aufgeforbert, roieS Sut^er bie erl^obenen ä^n«
fd^ulbigungen mit ©d^ärfe jurüdf, erflärte bann aber, um bad gute
Sinoemel^men jroifd^en beiben gürften nid^t ju ^inbem, $crjog
©eorg l^abe jmar bei il^m „mer!lid^e 5lnoten unb klumpen am
- 288 -
ffioden'*, aber et tooUt fold^eS aSeS fol^ren lajfen unb gefd^enlt
l^oben, fofem jener il^n oud^ gufrieben laffe. ®er fjriebc jroifd^cn
6eiben toax jebod^ oon lurjer ^auer. ®eorg vertrieb eoangeßfd^
geftnnte Untertl^anen auS feinem Sanbe. Sutl^er fd^eb nid^t nur
Xroftbriefe an biefelben, fonbem warnte aud^ äSürger oon Seipjig,
gegen il^r ®en)i{fen aus @el^orfam gegen bed ^erjogd Sefel^I baS
l^eilige älbenbmal^l unter einerlei ©eftalt }u empfangen, ^er
Srief; worin ©eorg aU Xeufeldapoftel bejeid^net wirb, lam biefem
in bie ^änbe, unb berfelbe Ilagte aufd neue beim Iturfürften, ba^
Sutl^er feine Untertl^anen jum 9lufrul^r verleite. 2)iefer antwortete
in ber Sd^rift: „SBerantwortung ber aufgelegten S(ufrul^r von
i^erjog ©eorgen'', verdffentlid^te jugleid^ einen ,;Xroftbrief an bie
Sl^rifteU; von i^erjog ®eorg auS Seipjig unfd^ulbig verjagt'', unb
afö 6od^I£ud in Seipjig in einer @d^mäl^fd^rift, worin Sutl^er ate
meineibiger 3Rönd^ bel^anbelt wirb, be3 ^erjogS ftd^ angenommen
l^atte, liejs Sutl^er nod^ eine ,,AIeine älntwort auf $er)og ©eorgen
näd^fte« Sud^" folgen. 3n jenem »rief fül^rt er juerffc fünf Xroft-
grünbe auf unb fügt bann bei: „Saffet und bod^ eine Keine SESeile
l^arren unb warten, wad ®ott mad^en wiS. 9Ber weig; waS er
naäi biefem Sleid&Stag ju StugSburg, el^e benn je^n Qa^re um finb,
bie balb verlaufen unb vor ®ott ein geringes @tünblein jtnb,
tl^un wirb?"
93ei ben SSerl^anblungen über bad ©d^mallalbifd^e »ünbniS
war eine Hauptfrage, ob man bie oberbeutfd^en @täbte, weld^e fid^
an bie älugSburgifd^e jtonfeffion nid^t angefd^Ioffen l^otten, gum
»unbe julaffen foSte. Um bieS ju erreid^en, gab fid^ 93u|er viele
!Dlül^e, eine SSereinigung aud^ in ber Seigre l^erbeijufül^ren, unb
ixa^U bie (Seinen ju bem 3ugeftänbnid, ba^ im l^eiligen 9(benb^
mal^I S^rifti Seib ben @eelen wal^r^aftig bargeboten werbe; nur
von einem leiblid^en ©enujs inSbefonbere ber ©ottlofen woQten
jte nid^tS wiffen. Sut^er bagegen erllärte, er fel^e jwar ein, wie
nötig bie ©emeinfd^aft mit jenen @täbten fei, unb würbe fein
Seben breimal l^ingeben, wenn er baburd^ ben B^vi^pt^It befeitigen
lönnte, weld^er bem @vangelium me^r Sd^aben tl^ue als ber ^apft,
ber Xürle unb bie ganje SBelt. älber von feiner Seigre ju weid^en,
verbiete il§m fein ®ewiffen. SBoIIte man fid| je^t ju einer vott-
— 289 —
^Snbigen UebereinfKmmung in bet Seigre belennen, fo tpütbe man
baburd^ nur ben Samen einer meit fd^Iimmeren SSermirrung in bet
jtivd^e audftreuen. %üx bie S^I^nft ciBer l^offt et, ^bag biefe
Seute ted^t gtttnblid^ mit unS eind metben''. ^niBBef^nbete l^atte
et biefe i^offnung t)on Sufet felbft. Snjmifd^en, meinte et, foOe
man übet bie Seilte nid^t weitet oetl^anbeln.
9113 batauf l^in bie obetbeutfd^en @täbte in ben im 3R&t) 1531
obgefd^loffenen fd^maRalbifd^en 93unb aufgenommen mutben; fo
lie^ eg Sutl^et gefd^el^en, ol^ne @intebe )u etl^eben, obmol^I il^m
bet älbfd^Iu^ eined 93ünbniffed übetl^aupt immet nod^ bebenllid^
etf<jjien. „®8 jiemt unS 3;i^eologen nid^t/' fdjtcibt et, „unb ift
unftem ©ewiffen fäl^tlid^, jum SSetbünbnid )u taten; benn mit
lennen bet Seute i^etjen nid^t, ob fie fold^ SSetbünbniä nid^t auf
SKenfdJenttofl anfallen."
Snjwifd^en ging bie ben ©oangelifd^en gemattete gftift ju ®nbe,
aBet obmol^I fie leine @d^titte getl^an l^atten, mit bet tömifd^en
Aitd^e ftd^ audjuföl^nen, lie^ fte bet jtaifet bod^ unbel^eOigt, unb
jmat mat ed nid^t fomol^I bie ^td^t oot il^tem S3ünbniS, mad
il^n oon t$einbfeligleiten jutüdCl^ielt , aU oielmel^t bie fid^ miebet
jeigenbe Xütlengefa^t. Um bie ^ilfe bet ptoteftantifd^en f$ütften
gegen bie Xütlen }u gewinnen, mutben oom jtaifet unb feinem
SBtubet butd^ bie jtutfütften oon SRainj unb bet ^fal) neue SSet^
l^anblungen angelnüpft. Sutl^et fpta^ ftd^ in SBetbinbung mit
aReland^tl^on unb 93ugenl^agen füt äu^etfte ^lad^giebigleit aus.
3mat in bet Seilte lönne man nid^t meid^en, mol^I abet lönne in
ben 3^^inonien einiges nad^gelaffen metben. 9lamentlid^ etlläten
fie fid^ füt @tl^altung bet ^tioatbeid^te unb moQen f efbft bie ©e-
malt bet 93ifd^5fe innetl^alb gemiffet ®ten)en anetlennen, menn
©eftattung eoangelifd^et ^tebigt jugejtd^ett metbe. 9113 im fol-
genben 3a^te bie Xütlengefal^t bringenbet mutbe, nal^m man bie
SSetl^anblungen miebet auf. Sutl^et etad^tete bie 93otfd^l&ge bet
©egenpottei füt anne^mbat. „3Ran mu^,'' öu^ette et gegen feinen
Autfütflen, „aud^ biefend^tifllid^enälttüet laff en mittegieten, meldtet
l^eijst SSetgebung bet @ünben. @onft, mo man ju l^att fd^neujet,
fo folgt S3lut banad^.'' ^abei fann et nid^t uml^in, feinet 9[b-
ueigung gegen ben fd^mallalbifd^en Sunb 9ludbtud )u geben:
©urf, Sut^er. 8. «ufl. - 19
— 290 -
f,^^ toü%, ba^ @ott fold^en SSerbünbniffen gati) feinb ift unb
fd^afft oud^, ba^ Itc ni<jjt l^alten." — „^enrC^ gum Slreffcn lömmt,
fo iptrb e3 aSeg ju äBaffer, fo ftnbt M bann lein 93üTger nod^
@tabt, bie um eine§ f^ärften wiKen fein Sei( unb ®ut nxigen
n)Ul." 9Bie l^a(en ftd^ biefe SEBorte fpöter im fd^mcütfalbifd^en
Ätiege erfüllt!
%x^ afö bie t^ürften in @d^n)einfutt {ufammenlamen, um
perfönlid^ übet ben t^eben )u ver^anbelU; fptad^ fld^ Sutl^er voxe^
berum füt bie 9lnnal^me ber S3orf(i^I&ge aui, unb als bie @pam
gelifc^en ben von ben l^efftf(|en Sil^eologen gebilligten Seifa^ machen
tooiitti, aud^ biejjenigen foSen in ben f^eben eingefd^Ioflen fein,
vod^e fid^ fünf tig gut älugdbutgifd^en Aonfef jton belennen mütben;
fo n)ie3 et batauf l^in, ba^ bied bie @egnet nie jugeben lönnten,
ba^ butd^ biefe t^otbetung bet gange ^onbel vom f^eben lönnte
umgefto^en noetben, ba^ aud| bie Soangelifd^en ftd^ babutd^ ben
Sd^ein gugieJ^en, „al^ atbeiten mit batauf, ba^ anbetn Potentaten
bie Sitten abfielen, babutd^ baiB gange 9teid^ t)om Aaifet auf uns
gu bringen''. 9lud^ auS bem Umftanb, ba^ e3 bei bet 3!Bal^(
^etbinanbS gum tömifd^en Aönig nid^t gang otbnungSmä^ig gu«
gegangen fei, foSe man lein ^inbetnid be3 t^ebend mad^en. „^i^
lann nid^t begteifen, mie man um fold^et @ad^en miSen foSt gang
S)eutfd^Ianb in einanbet metfen." ^iemit ttat Sutl^et ben S3e^
fttebungen bed Sanbgtaf en ^^ilipp unb bet mit bemfelben bamalS
gufammengel^enben baprifd^en $olitiI entgegen. Unb aud^ bei ben
weiteten SSetl^anblungen in 9lütnbetg gelang e§ feinem @inf{u§
auf ben jtutfütften, bie ©d^mierigleiten gu befeitigen, meldte oon
benen, „bie nid^t ted^ten ©tnft gum fjrieben l^aben", bet ©ad^c in
ben SBeg gelegt mutben. @o mal^tte et gum gmeitenmal feinem
SSatetlanbe ben ^rieben. 9lm 23. ^li mutbe bet Steligiond-
ftiebe gu Slütnbetg gefd^Ioffen, in meld^em m beibe Steile
oetpflid^teten, ftd^ mit einanbet bis gum 3u{ianbefommen eines
JtongilS d^riftßd^ gu oetttagen. ^em $apft fteißd^ unb feinen
eifrigften 9(nl^ängetn mat biefet triebe ein 2)otn im äluge. 2)et
Jtaifet fei lutl^erifd^ gemotben, fagten fte.
aSäl^tenb fid^ Sutl^et um bie öffentlid^en Slngelegenl^eiten mit
gangem ^etgen annahm, mutbe et aud^ butd| ©otgen mel^t pet*
— 291 —
f önlid^er Sltt in SInf pvud^ genommen. SRel^rere XobedfäSe bewegten
fein ®m&t. Slm 30. Suni 1531 ftwb feine ,,^erjliebe" SRuttet,
nod^bem er fte wdl^renb il^ret legten Aranll^eit in einem ©einreiben
t)om 20. 3Rai auf bad Xroftmott beS ^eilanbeS: ,;@eib getroß,
ic^ l^abe bie äSeli übenDunben^' l^ingen)iefen l^atte. 3tn $erbft
begfelben 3<^l^reS erl^ielt er bie ^lad^rid^t, \>a% 3^insli ^^ Aappel
im Aampf gefallen fei. Dbmol^I il^m biefed Unglttd von ^erjen
leib mar, fal^ er bod^ in biefem gemaltfamen %oi, meldten er mit
bem Untergang SIRünjerg unb bem unftäten ^erumfd^meifen Äart
ftabtg jufammenfteSt; ein Urteil ®otted über alle Sd^märmer unb
SRottengeifter. Salb barauf fiel eine weitere Stü^e bcr reformierten
@ad^e, als am 1 . S)e)ember unvermutet DelolampabiuS ftarb. 2)a8
folgenbe ^aS)x brad^te ben 2^ob beS Äurfürften Sol&önn. SDem^
felben l^atte ju Slnfang beS ^af)xt^ eine S^^e abgenommen werben
muffen. Sutl^er l^atte bamafö i^n befud^t unb bie ©einen bringenb
}ur t^ürbitte für il^n aufgeforbert. 3^ ®n^^ 3Rär} lann er ®ott
banlen, ba^ er ba3 (äzUt nid^t oerad^t unb bie Aranl^eit fo gnäbiglid^
gemenbet l§at. 2lber im Sluguft mürbe bcr Äurfürft auf einer
igagb oom ©daläge getroffen unb ftarb nad^ ad^tunbjmanjigftünbiger
SSemufetlofigfeit. Sutl^er meinte wie ein Äinb, als er il^m in
SEBittenberg bie Seid^enprebigt l^ielt.
älud^ er felbft lam bem Xobe nal^e. Seine alten Seiben
l^atten jtd^ mäl^renb beS i^^l^reS 1531 mieberl^olt geregt, er flagte
über älbnal^me feiner Kräfte unb mar oft an ber Strbeit gel^inbert.
@in l^eftiger älnfall aber erfolgte am 22. 3^nuar bed näd^ften
3al^reg. @emaltiged Dl^renbraufen [teilte jt(^ ein, bie 3!l^ätigleit
beä ^erjcnS liefe nad^, bcr 3lrjt befürd^tete einen ©d^lag, bie Um^
ftel^enbcn rebeten oon feinem 3^ob. S)a fprad^ er: „3^ tottie
je^t nid^t fterben, baS meife id^ gemife; benn ®ott wirb ber 5ßapiftcn
Oreuel burd^ meinen %oi nid^t beftärlen ju biefer 3cit, ba 3wingli
unb Delolampab umgelommcn ftnb. 2)er @atan mürbe mol^l gern
iöteU; menn er iönnte; aber eg mirb nid^t gefd^el^en; mag er miK, fon^
bem xoa^ ber ©err miß. " 3)er Slnf aH ging oorüber, aber mit ©d^roin-
bei blieb er f ortmäl^renb bel^af tet. @rft im 3uni erl^olte er ftd^ aSmäl^^
Ix^, voa^ er ber f^ürbttte feiner t^reunbe )ufd^rieb. 3lu3 bem näd^ften
3al^re miffen mir jmar nid^td oon . I^ef tigeren Aranll^eitSanfällen;
— 292 —
erfl um D^tvn 1536 trat n)ieber ein fold^er ein. 9(6et bod^
fül^Ite ex, ba^ feine Aräfte obnoi^men. @S btüdte il^n, ba^ er
ni^t mel^r f o oiel leiften f önne als ftül^er, unb et Hagte, ba^ et
unnü^ lebe, unb, n^enn aud^ nid^t ben 3<^l^ten, fo bod^ ben jttäften
nad^ abgelebt fei. 3tud^ am ^rebigen cor bet ©emeinbe voax er
l^äufig burd^ feine ©efunbl^eitdumftänbe geJ^inbert, fo ba^ er fid^
begnügen mu^te, feinen ^auSgenoffen bad @t)angelium auSguIegen.
@o entftanb feine ,,$audpoftiIIe'^ S)iefe Umflänbe fteigerten
in xffm bie @el^nfud^t, burd^ ben %o\> ober ben jjüngften Xag
Don ber böfen äBelt etldft )u n)erben. S)od^ n^oKte er oon ben
Sered^nungen nid^t« wijfen, roeld^e fein fjteunb ©tiefet in betreff
bed Eintritts bed ]üngften Xageg angefteSt l^atte, unb feine
2:obeSfe^nfud^t l^inberte il^n nid^t an emfter Slrbeit.
a)ie Slu^e, weld^e infolge beS 5Wümberger SleligionSfriebenS
eingetreten n>ar; benü^te er, um jtd^ wieber me§r ber fd^rift^:
fietterifd^en 2^l^ätigleit gujumenben. Sffia« il^m oor allem onbem
am $er}en lag, xoax bie SSoKenbung feiner S3ibelüberfe^ung.
3lm Sö^^r 1534 xoax baS gro^e Sffierl fertig. ®S würbe in biefem
Salute unter bem Xitel: ^^SSiblia, baS ift bie gan^e ^eilige
©d^rift. S)eubfd^'' l^erauSgegeben. ©d^on im f olgenben - 3al^re
würbe eine jweite äluflage nötl^ig. 93ßden mir nod^malg jurüdE
auf bie @ntftel^ung biefei äSerldl 1522 mürbe bag !Reue ^^efta-
ment ooSenbet. 93on biefem waren bis jum 3a^r 1533 fd^on
fed^)el^n red^tmä^ige äluflagen unb etwa 50 !Rad^brudfe erfd^ienen.
1523 folgten bie ȟd^er SIRoftS, 1524 ber jweite 3:eil beS SKteii
Xeftamentd, bie ©efd^id^tsbüd^er entl^altenb. ÜRel^r älrbeit oerur:?
fadste ber britte S^eil, inSbcfonbere baS Sud^ $ioB. 6rft 1527
war berfelbe ooQenbet, unb nun ging^d an bie ^ropl^eten. 9lber
l^ier waren bie ©d^wierigieiten nod^ größer. 3)arum gab er bie^^
felben einzeln l^erauS. 1532 waren aKe üBerfe^t unb nur nod^
bie fogenannten 3(poIr9pl^en im Stüdfftanbe. 9lud^ biefe erfc^ienen
einzeln in ber 3rit bis 1534. a)ie ®runbfä|e, nad^ weld^en er
bei feiner Ueberfe^erSarbeit oerful^r, l^at Sutl^er in feinem fd^on
erwäl^nten ©enbf(|reiben „oom S)oImetfd^en'' bargelegt.
Slud^ in Sejiel^ung auf Sibelerflärung reifte in biefen
Salären eine föftlid^e grud^t. ©eit 1531 ^ielt er aSorlefungen
- 293 —
über ben Stief an bie ®alatet. 98eil in biefem ber Stpoftel
^aulud bie Seigre oon ber Slec^tfertigung burd^ ben @lauben be-
fonberd Uax entwicfelt l^at, fo xoax ed Sutl^erS Sieblingdfd^rift.
,,^ad ift meine @piftel/' fpra^ er, ^^mit ber id^ mid| oerlobt l^obe;
jte ift meine Kätl^e üon S3ora/' 2)ie Srllärung biefed S3riefd gab
if^vx ©elegenl^eit; feine Sled^tfertigungSlel^re aOfeitig )u erdtoideln,
unb ift big i^mU für manc^e^ mie j. S3. für ben belannten 3ol^n
SSeSle^, bad ÜRittel gemorben, um jte in bie eoangelifc^e ^eitelel^re
einjufül^ren. ^m ^a!^x 1535 erfd^ienen biefe ^orlefungen über
ben (Salatcrbrief im ^rutf mit einer SBorrebe Sutl^crS. Qn fon«
feigen ©d^riften befd^dftigte er ftd^ befonberä mit ber ©aframcntS^j
tel^re. (Segen bie rdmifd^en 3Jlipräud^e beim l^eiligen 3(benbmal^I
rid^tete er bie ©d^rift: ,,98on ber Sffiinfelmeffe unb ^ßfaffen^
weilte", worin er bie 5ßrioatmeffen unb bie Seigre t)om SKe^opfer
fd^arf angreift. %U aber einzelne äleu^erungen biefer ©d^rift fo
oerftanben mürben, ald leugne er bie ma^rl^aftige ©egenmart bes
SeibeS unb 93Iuted Sl^rifti im ©aframent unb nähere fid^ ber Seigre
SmingliS, fo oermal^rte er ftd^ in einem 33rief „an einen guten
tjreunb" gegen biefe SKifebeutung unb erllärte, er bel^arre bei
feinem 93elenntnig oom älbenbmal^L „^^ l^offe ju meinem lieben
§erm (Sl^rifto, ber mid^ um feincä SRamcnS mitten in fo mand^
€d^meipab gefül^rt unb bod^ nod^ nit oerlaf|en l^at; er merbe mir
fold^en @mft ju feinem l^eiligen ©alrament nid^t umfonft gegeben
l^oben. — ©0 befenne id^ nun abermal l^ier cor (Sott, baft id^
glaube, mo man nad^ S^riftuS Drbnung ÜRef|e l^ält, eS fei bei
und Sutl^erifd^en ober im ^apfttum, ober in ©röcia ober in
Snbia, xoentC^ aud^ gleid^ attein bie eine ©eflalt (baS bod^ un^
red^t unb ^i^braud^ ift); fo fei bafelbft unter ber ©eftalt beS
S3rotd ber mal^rl^aftige Seib Sl^rifti/' (Segen bie oom Jtonjil }u
Äonftang fanitionierte Äeld^entjicl^ung ift bie furje ©d^rift: „ßt-
lid^e ©f)rüd^e miber baS jtongilium Dbftantienfe'^ ge-
rid^tet.
9lod^ t)on einer anbem ©eite bot ftd^ i^m SBeranlaffung, mit
©treitfd^riften l^eroorjutreten. SSBie er in ber ©d^rift oon ber
aBinfeimejfe bemerlt, gab cS ber „ßpilurer, ©leptiler unb Su^
cianer'' fel^r oiel, meldte überl^aupt nid^tS glaubten, babei aber
— 294 -
bem $ap[t l^eud^elten^ auf bie Sutl^erifc^en fd^alten unb fd^tDUten^
fie tPoSten ftd^ }errei^en loffen, menn {te anbeTiB glauben aU bie
Jtird^e. Sutl^et meinte l^iemit ben @tadmud unb feinen Slnl^ang.
tiefer l^atte eine ©d^rift tt6et bie ^erfteSung bet lird^lid^en @im
ixa^i l^eraudgegeben^ worin et jmar bie ätbfiellung t)on Wtx^^
btSud^en verlangte, im übrigen aber ber älutorität ber jtitd^e {td^
unterwarf unb t>ox Sel^rfireitigleiten warnte. Sutl^er beurteilte
l^ierauf in einem 93riefe an 9(mdborf ben @radmu3 aU einen
)mei)üngigen 3Ren\i)cn, ber, mäl^renb er )um @d^ein ber Jtird^e
ftd^ unterworf eu; burd^ jweibeutige SlebenSarten ben @lauben unter-
grabe unb baburd^ indbefonbere ber igugenb gefäl^rlid^ werbe.
®egen benfelben ober ober beffen ®efinnungdgenoffen ju fd^reiben
l^obe er feine 3^^ ^^ er nid^t nur mit feiner S5ibelfiberfe|ung,
fonbem aud^ mit 93elel^rung, Sefeftigung unb Seitung feiner Sin-
^Snger l^inlänglid^ )u tl^un l^abe.
3n ber S^l^at gab ed für il^n Strbeit genug. Sie fittlid^en
3uftänbe beS eoangelifd^en SBoHS waren fel^r unbefriebigenb. ^n
äBittenberg felbft l^atte er barfiber )u üagen, ba^ wäl^renb bed
©ottedbienfted in ben Xrinlftuben gejed^t unb gelärmt würbe,
i^m ganzen Sonbe gab ed nod^ t)iele lird^ltd^e SRi^flönbe abju-
fteSen, oiele Safter ju belämpf en. 2)ied foUte burd^ eine äBieber-
l^olung ber SSifitation erreid^t werben. 2)er neue Jlurfürfi ^o^
5ann tJtiebrid^, ber energifd^er war als fein SBater unb mit
inniger SSerel^rung an Sutl^er l^ing, gab 93efel^l, eine fold^e cor-
junel^men, an weld^er aber Sutl^er perfönlid^ nid^t teilnal^m.
hieben bem und^riftlid^en Seben beS SSolIS; worin er einen
fd^noben UnbanI gegen ©Ott, ber baS ®oangelium gegeben l^obe,
eriannte, mad^te il^m bad Einbringen oon @d^warmgeiftem oer-
fd^iebener älrt, namentlid^ t)on äSiebertäuf ern @orge. 3^ bem
©enbfd^reiben ,,aSon ben ©d^leid&ern unb SBinlelprebigern"
forbert er geiftlid^e unb weltlid^e Dbrigleit auf, bem treiben biefer
Seute, weld^e fid^ in ber ®egenb oon @ifenad^ an baS SanbooR
mad^ten, )u meieren. „SSSenn fold^e Sd^leid^er fonft lein Untl^fitlein
an ^d^ l^ätten unb eitel ^eilige wären, f o lann bod^ bieS einige Btüd,
baft pe ol^ne SJefe^l unb ungeforbert lommen gefd^lid^en, jte für
Xeufeldboten mit ®ewalt überzeugen. SDenn ber l^eilige ®eift
— 295 —
fd^leid^t mid^t, fonbent fteuget Sffentlid^ oom ^imme{ l^etab. 2)te
©d^Iangcn fd^lcid^en, ober bie %auien fßcgen. 3)arum l^ci^t
ed alfo: (Slntweber betoeifet ben SBetuf unb S3efel§I )u prebigen,
ob« furjum fKH flcf<jjn)ie9en. 3^ ^ab'8 oft g^f^B* «^^
fage eS noc^: 3<^ tooQt nid^t ber SEBelt ®ut nel^men für mein
S)oItotat. ^enn id^ müjste tool^rßd^ )ule^t oerjogen unb t>tt^
jweifeln in ber großen, f^weren Sad^en, fo auf mir liegt, n)0 id^
fie l^atte aü ein ©d^Ieid^er ol^n Seruf unb 93efel^I angefangen/'
9(n mel^rere @t&bte fd^rieb er, um fte oor bem @inbringen fold^er
Slottengeifter )u n^amen, namentlid^ aud^ an ben ^ai )u ÜRünfter
unb an ben ^rebiger Slotl^mann bafelbft )u @nbe bed 3al^r3 1532.
9(ber bie SEBamung l^atte !einen ®rfolg; Slotl^mann fd^Iug fid^
felbft auf bie ©eite ber SBiebertäufer, biefe gemannen bie ^en^
fd^aft in ber ©tabt unb rid^teten 1534 il^r SReid^ ber ^eiligen bo^
felbft auf. 9US ben ©reuein, meldte jte oeräbten, burd^ bie ^riegS^
ma^i beä »ifd^ofä oon üKünfter unb feiner SBerbünbeten 1535
ein blutiges @nbe bereitet mürbe, ging bie @tabt bem Soangelium
oerloren, unb ed l^atte jtd^ abermals gejeigt, meldte oerberblid^e
^d^te bie ©d^marmgeifterei bringt.
Unter ben älnl^ängem bed SoangeliumS bemfil^te fid^ Sutl^er
jjeben 3n)tefpalt }u oerl^üten ober ju l^eilen. ^ieS bemied er, als
1533 gmifd^en ben 5ßrebigem in SRümberg ein ©treit barüber
entpanb, ob bie öffentlid^e, allgemeine Slbfolution (Slnlünbigung
ber- ©ünbenoergebung nad^ abgelegter Seid^te) juläffig fei. 3«
einem ©d^reiben an ben 9lat ber ©tabt erflärte Sutl^er in ©emein?
fd^aft mit 51Weland^t5on, biefelbe fei nid^t ju oermerfen, bod^ fotl
man baneben bie prioate, ^rimlid^e Slbfolution nid^t fatten laffen,
„benn ber gemeinen 3lbfolution mürben fel^r menige Seute miffen
ju gebraud^cn". Slfö aber ber ©treit immer ^attnäiiger würbe,
ba crmal^nte er beibe Gleite in l^erjanbringenber Sercbfamfeit jum
^eben; fie foUten, riet er, jeber nad^ feiner Uebergeugung oer^
fal^ren, babei aber — fd^on um ber lauemben fjeinbe willen —
nid^t mit einanber ftreiten, fonbem bie ©ac^e, fo lange bie ©es
müter fo aufgeregt feien, rul^en laffen, in il^rer ^rebigt »ielmel^r
baSjenige, worin fie einig feien, um fo mel^r l^eroor^eben, bamit
nid^t aus bem ^nlen eine tjlamme werbe.
— 296 —
^njtDifd^en nal^men bie SSerl^anblungen über bad im Slünt-
(etger Steligiondfrieben in äludjtd^t genommene Aonjil il^ren %oxt^
gong. 9(uf bed Adfetd einbringen oerfprad^ $ap{i Slemeng VTI.
ein fold^ed gu berufen; fd^idte ouc^ einen Segaten na^ S^eutfd^^
lanb; um bodfelbe einzuleiten. Sutl^er unb feine f^reunbe rieten
bem Jturfürften; nic^t objulel^nen; bamit man ,;Ieine Urfod^e bem
5ßapft ober Äaifer gebe, Unglimpf auf unS ju fd^ieben", JDorauf
aber fei gu bringen, ba^ auf bemfelben aud Harem ©otted äBort
geurleilet werbe. ^^SWac^en fie bann ober mad^en Ite nid^t ein
Jtonjilium, fo lommt 3^ag unb lommt aud| ^V SBie Sutl^er
geal^nt; fo gefd^al^ e3; ber $apft nooKte ein AonjU nid^t unb er-
Härte 1534; ba^ er auf SEBunfd^ beg Königs oon t^antreid^ baS-
felbe oerfd^iebe. Slber in bemfelben Qal^re nodj ftarb er, unb fein
!Rad^f olger $aul m. befd^Io^, bad t)erff)ro^ene JtonjU mirHid^
i\x l^alten. @ein Segat, ber Aarbinal SSergeriud, reifte in
©eutfd^Ianb um§er, um mit ben einflu^reid^ften ^Jürften ju unter==
l^anbeln. @r lam babei am 6. 9looember 1585 au^ nad^ äSitten^
berg, n)o er einen feierlid^en @in}ug l^ielt. £ut§er unb Sugenl^agen
mürben }u il^m in ba3 lurfürftlid^e @d|Io^ }ur S^afel gelaben.
@l^e er jtd^ bort^in begab, lieg ftd^ Sutl^er burd^ feinen 93arbier
rajteren unb fd^mäden. %Ü biefer fid^ munberte, bag er fo frül^e
berufen merbe, antwortete Sutl^er: „^d) foK )u be3 l^eiligen SSaterg,
bed $af)ftd, 93otfd^aft fommen, fo mug id^ mid| laffen fd^müdfen,
bag id^ jung fd^eine; fo mirb ber Segat beulen: @i ber Teufel,
l^at ber Sut^er, nod^ e§ er alt geworben, unS fo oiel Uebeld ge^
ftiftet, mas wirb er nod^ weiter tl^un!" Sluf bie 33emerfung be§
S3arbierd, baS werbe bie $äf)ftlid^en ärgern, erwiberte er: „2)arum
tl^ue id^'d a\x^. ®ie l^oben un3 me§r afö genug geärgert. fBlan
mn^ mit ben ©d^langen unb güd^fen alfo ^anbeln unb umgel^en."
%U er fo gefd^müdft mit ä3ugen§agen }um @d^loffe ful^r, fprad^
er: „©iel^e ba fal^ren ber beutfd^e 5Papft unb fein Äarbinal, boS
finb ®otteS SBerljeuge." SBo^l mod^te i^m babei bie SSergleid^ung
ftd^ aufbrängen mit feinem einftigen Srfd^cinen oor ßajetan. ©a^
mald l^atte er bem Scgaten in mönd^ifd^er S)emut fid^ ju gügen
geworfen, je^t oer^anbelte er mit bemfelben im 2^one eines ®leid^?
geftefften. Sei 2:ifd^c würbe bie Unterl^altung natürlid^ lateinifd^
— 297 —
geführt. 3)ie Siebe tarn auf bad Aongil. S)a fagte Sutl^er bem
äSevgeriud offen : „(S^ ifl nid^t @uer @mft, ba^ 3l^r ein jtonjilium
l^a(en n>oI[i; unb n^enn ^f^x eind l^altet; fo würbet ^f^x bod^ nid^td
l^anbeln, benn von Aappen, platten , @ffen^ ^rinlen unb ber^
jleid^en anbetm SRartenmerf/' wotauf ber Segat gegen einen feiner
SJegleitcr bemerlte: „2)cr trifft bie $auptfad^e.'' „Wx/' ful^r
Sut§er fort; ^bebürfen leined jtongiliumd; benn xoxx finb burd^
ben l^eiligen ®eift aKer 3)inge gemi^. $aBt ^f)x Suft baju^ fo
mad^et eind. 3d^ n)iQ lommen, unb n)enn id^ n)ü^te; ba^ 3l^r
mid^ oerbrennen foStet/' 3to^ beim älbfd^ieb, als ber Segat fd^on
)u $ferbe fa^, fprac^ er ju Sutl^er: „Seilet )U; ba^ 3^^ bereit
feib ju bem Äonjilium/' worauf biefer ermiberte: „3^ werbe
fommen mit biefem meinem ©alfe."
@o fd^ieben bie beiben. 3^^^ 3al^re nad^^er trat SSergeriuS
felbft )ur eoangelifd^en Seigre über. Ob bie Unterrebung mit Sutl^er
ben erften ä(nfto^ gegeben l^at }u biefer Umwanblung^ wei^ nur
ber, weld^er bie „$erjen forfd^et".
9(13 SSergeriud ben 93efud^ in äBittenberg mad^te, war gerabe
bie Unioerfitöt nid^t in ber @tabt. @d^on im @ommer war fte
aud ^urd^t oor ber $eft nad^ ^tna oerlegt. worben. Sutl^er aber
war in äBittenberg geblieben unb äußerte fid^ balb fd^erjenb, balb
unwillig über bie lügenl^aften ©erüd^te oon XobedfäÖen in ber
®tabt. @rft im ^^ebruar 1536 leierte bie Unioerfitöt wieber nad^
3Bittenberg jurüdE.
^ie äludfid^t auf ein Aonjil legte eS ben $roteftanten nal^e,
bafür }u forgen, ba^ jte auf bemfelben nid^t als unter einanber
felbft uneind erfd^einen unb baburd^ ben $apiften einen i^aupt^
einwanb gegen bie et).angeßfd^e @ad|e an bie $anb geben. SBieber
war ed Sanbgraf ^l^ilipp; ber biefen ©ebanien befonberd lebl^aft
erfaßte. @r fd^rieb im Dftober 1534 an Sut^er unb begel^rte,
,,er foUe bie Qa^en beS @alrament3 ^afben in d^riftlid^ed unb tiefed
Sebenlen nel^men, bamit eine beftänbige @inigleit mdd^f werben
)wifd^en und unb ben oberlänbifd^en ^rebigem''. Sutl^er l^atte
nod^ 1533 oor bem Einbringen 3n>itigKfd^er 3Keinungen in %xanU
fürt unb älugdburg gewarnt, aber bie Dberbeutfd^en beurteilte er
anberd; l^ier fanb er nid^t ben ,;anbem (Seift''; bal^er erllärte er
— 298 —
ftd^ bereit nad^jugeben, fotDeit eS immer fein ®en)if|en Qt^aü^,
ha aud^ il^m nic^tg lieber fei^ aü eine beftänbige Sinigleit, 93u$er
unb bie ©einen foKen {td^ auäff)red^en; moju fte {td^ bereit finben
laffen; übrigens fürd^te er, ba^ unter ben oberlänbifd^en ?ßrebi^
gern menige bem S3u$er folgen, unb menn bie Sereinigung foQte
im ©runbe gebred^tid^ unb ungemi^ fein, fo märe r,bie Streue Der^
loren". S)er Sanbgraf fotte nur fortfal^ren in feinen Semül^ungen,
aud^ er merbe eS an feinem armen @ebet, X^un, Seiben, SReben
unb @d^reiben nid^t fel^len Iaf|en. ^I^ilipp oeranftaltete l^ierauf
eine perfönßd^e S^f^^t^^^^^f^ 3ReIand^tl^ong unb Su^erd in
Aaffel, nal^m aber l^iebei einen. SluSgleid^ nid^t blo^ mit ben Ober-
beutfd^en, fonbem )ugleid^ mit ben S^i^S^i^^^^^ i^ äluSftd^t.
S)eSl^aIb erwartete Sutl^er menig %tVL^t 3« feinem Sebenicn,
bad er SReland^tl^on al§ ^^ftrultion mitgab, toaxnte er namentlid^
bat)or, ;,ber @inigleit )u gut eine neut unb ÜRittelmeinung )u
fteffen, — barauS mürben t)iel taufenb ^agen unb Dpinionen
entftel^en, baburd^ bie Seute bal^in jule^t lämen, bag fie gar nid^ts
glaubten". ®a fei eS mel beffer, „ba^ bie Uneinigfeit in biefen
aweien SKeinungcn ftedfen bleibe", ©o fprad^ er bann feine Se^re
9on ber fubftantieKen .@egenmart beS Seibed unb S3lute3 Sl^riftt
im älbenbmal^l fel^r beftimmt auS. 3ll3 nun aberSu^er unb bie
©einen beutlid^ belannten, ba^ (S^rifti Seib mal^rl^aftig unb mefent-
lid^ im älbenbmal^l gereid^t, empfangen unb gegeffen merbe, mar
Sutl^er fo befriebigt, bag er bie Hoffnung einer SSereinigung auS-
fprad^. älber meil auf beiben ©eiten nod^ nid^t aSe um il^re
3Dteinung gefragt feien, „ift^S auf biedmal genug fo nal^e gufammen^
gerudCt, bis (Sott mel^r §elfe unb eine gemiffe @inigleit gebe )u
befd^lie^en". @r fürd^tete, einesteils möd^ten unter ber ©egen-
partei fold^e fein, bie eS nid^t aufrid^tig meinen, anbemteilS möd^te
ein übereilter 3lbfd^lu^ „bei ben Unfern" eine S^ietrad^t erregen
unb „fold^e Ronlorbia l^emad^ ärger 2)iSlorbia werben". ^
3uli 15B5 erl^ielt Sutl^er burd^ eine @efanbtfd^aft oon 9lugSburg
bie Slad^rid^t, bafe biefe ©tabt feine Slbenbmal^lSlel^re angenommen
IJobe. „5Rid^tS fjreubigereS," fd^rieb er an bie bortigen 5ßrebiger,
„ift mir mäl^renb beS ganzen SaufS unfreS @t)angeliumS miber^
fahren, als bafe mir nad| biefer traurigen ©paltung enblid^ eine
— 299 —
oufrid^tigc Sintrad^t iwifd^cn unS l^offcn, ja feigen bürfcn. 2)cttn
fo Toutcn eure Sricfe^ ba^ meine SBunbe, nämlid^ ber ätgrool^tt,
gänjlid^ gel^cilt unb nid^t einmal eine 9larbc mcl^t übrig ift."
seid im Öltober aud^ bie Strajsburger il^re SereitmiQigleit , bie
Spaltung beizulegen, erllätten, antwortete er fel^r erfreut unb
fd^lug eine perfönlid^e 3«föwmenlunft jur Scilcgung ber Baß^t
»or. ^n bemfelben ©inn fd^rieb er nad^ SlugSburg, Ulm, Ai-
lingen, ©r fprid^t e3 afö feinen ©erjenSmunfd^ aus, vox feinem
Xobe, von bem er glaube unb l^offe, ba^ er nid^t ferne fei, nad^
fo langer Swi^trad^t biefe Ronlorbia ju feigen, unb bittet: „SBoHet
fo fortfal^ren, l^elfen beten unb trauten, bamit fold^e @inigleit
feft unb beftänbig merbe unb bem 3leufel fein Stadien geftopft
werbe, ber fid^ fold^er Uneinigleit ^od^ gerül^mt unb glcid^ ,$ui,
gewonnen I* gefd^ricen l^at." Slel^nlid^c Sleu^erungen miebcr^olen
jtd^ in Dielen feiner Sriefe vom $erbft 1535 an. Sei feinem
Äurfürften bat er um SBeifung in betreff be« DrtS ber Sufctmmens
fünft, wobei er bie SOleinung auSfprad^: „®S ift nid^t nu$, ba§
unfer ein großer $aufe gufammenlomme, barunter etli^e unrul^ige,
ftörrige Äöpfe fein nifi^ten unb bie©ad^e »erberben."- 3)erÄur=
fürft beftimmte ©ifenad^ jum 3SerfammlungSort; am 14. SKai 1536
fottten bie äbgefanbten bort eintreffen, ßutl^er aber war nid|t im
ftanbe fo weit ju reifen, benn er l^atte eben erft eine fd^were
Jtranll^eit überftanben. 6r bat bal^cr bie 3lbgefanbten, nad^ ©rimma
ju fommen. ®3 waren beren elf au8 ad^t fübbeutfd^en ©täbtcn
(Strasburg, SlugSburg, SWemmingen, Ulm, gelingen, SReutlingen,
tJürfelb unb granffurt), weld^e fid^ auf ben 2Beg mad^ten. S)ie
©d^weijer, weld^e Su^er an^ beijujiel^en gewünfd^t l^atte, l^atten
abgclel^nt, aber il^r Scienntniä, bie erfte l^eloetifd^e Ronfeffion, an
2utl^er überfanbt. ©ie Oefanbten entfd^loffen ft4 gerabeju nad^
SBittenberg ju reifen, unb trafen bort am 21. 3Wai ein. 3lm fol-
genben 2!age begannen bie Sefpred^ungcn. Su^er eröffnete fie
mit einer längeren Siebe. Sut^er aber erwiberte , ba erft neulid^
gwingliä unb DelolampabS SSriefwed^fel mit einem Srief Su^erä
oeröffentlid^t worben fei, aud^ nod^ anbre Süd^lein l^erauSfommen,
in benen bie wal^re Seigre oerworfen werbe, fo fel^e er nid^t ein,
wie eine aufrid^tige ^Bereinigung möglid^ fei. Su^er, l^icburd^ fel^r
- 300 —
crfd^redt, etttfd^ulbigtc fid^ bamit, ba^ jene SBeröffcntltd^ung gegen
feinen SBiKen gefd^el^en fei. Sutl^et Derlangte, ba^ fte i^te itvige
Seigre n^iberrufen, mu^te bann aitt n>egen {örperlid^er @<l^n)ä(l^
bie 93erl^anblung abbred^en. 3(m folgenben ^ge leifitete Su^et
ben SBibettuf unb belannte ftd^ ju bet Seigre, ba^ Seib unb Slut
Sl^rifti im älbenbma^l roal^tl^af tig unb gegenn)ärtig fei unb empfangen
werbe. SDie anbern fttmmten bei. 9lut batin bel^arrten fte auf
il^ret älnftd^t, bag fte einen @enuj3 bed Seibed S^rifti burd^ bie
Ungläubigen nic^t jugoben. Unn)ütbige oDerbingd; erllärten fie,
empfangen ben Seib ß^rifti )um ©erid^t, abex bie ©oUlofen
empfangen il^n überhaupt nid^t. Sutl^er unb bie ©einen gogen
fid^ l^ierauf in eine befonbere jtammer iuxüi, mo fie fid^ einmütig
bal^in au§fprad^en, ba^ bie abgegebene @rflärung genüge, ^ann
traten fie roieber ein; Sutl^er, bem bie fjreube auS ben äugen
blidEte^ begrüßte bie Oberbeutfd^en aU liebe S3rüber in bem $erm
unb erltärte, über bie t)orl^anbene SSerfd^iebenl^eit nid^t janlen )u
moSen. 9lm folgenben Xage als am ^immelfal^rtäfeft l^örte man
gemeinfam bie $rebigt. 2)ie Slbenbprebigt l^ielt Sutl^er. Tlrflo'
niud berid^tet barüber: ,,3^ ^ob^ Sutl^erum ixoax oftmals l^ören
prebigen, aber bajumal n>ar mir nid^t anberd )u @inne, benn atd
rebete er nid^t allein, f onbem bonnerte auS bem ^immel felbft im
Slamen (Sl^rifti." ©onntag ben 28. prebigte morgens Silber »on
Sleutlingen, mittags Su^er unb abenbS Sut^er, aud^ bejtegelten
93u|er unb jtapito bie Sereinigung burd^ Empfang beS l^eiligen
älbenbmal^lS. 9lm 29. unterfd^rieben bie älnmefenben bie von
SWeland^tl^on aufgefegte SBereinigungSformel. 2)ie SSeröffentlidJung
berfelben foSte nad^ Sutl^erS Meinung erft bann gefd^el^en, menn
aSe beteiligten t^ürften, Stäbte unb ^rebiger il^r jugeftimmt l^ätten,
unb er felbft beeilte ftd^, biefe Suftiwtwiu^g l^erbeijufül^ren, inbem
er nod^ an bemfelben Xage besl^alb an ben ^at )u Strasburg unb
}u älugSburg fd^rieb. 93on leiner @eite l^er mürbe gegen bie ge^
fd^loffene ^Bereinigung, bie fogenannte SEBittcnberger Äonf orbie,
Sinfprad^e erl^oben, unb fo mar ju Sutl^erS l^ol^er ^reube eine
©inigieit erreid^t, bie er nod^ cor lur^em für unmöglid^ gel^alten
l^atte. 9lud^ ber bürgerlid^e ^ebe blieb über Srmarten erl^alten.
2)er Äaifer unb fein SSruber gerbinanb roaren mit bem %ixxlen^
~ 301 -
{riege befc^äfttgt, unb Sutl^er freute fi(| übet bad ,;{bunberbate
®lüd" bed Äaifetd in ed^t beutfd^er ©eftnnung. 2)er ©ebanle,
bojs eine ^lieberlage bed Aaiferd bet eüangelifd^en @aci^e jugute
läme, lag feinem arglofen ^etjen fem. äCnberd voax eS mit bem
Sanbgtafen 5ßl^iKpp. 2)iefer benüftte bie 3cit, ba gerbinanb burd^
ben Xürlenitieg in älnfprud^ genommen mar, um, geftü^t auf bie
3ufageftanjö^fd^er§ilfe unb in Uebereinftimmung mit ber baprif d^en
$oIitiI^ ben oettriebenen $e¥)og Ulrid^ von SBürttembetg mieber
ein}ufe|en unb fein Sanb bem König ^etbinanb, ber ed vom
fd^möbifd^en S3unbe gelauft l^atte, )u entreißen. @v l^atte bie ßu-
ftimmung Sutl^erä )u feinen planen )u gewinnen gefud^t, biefer
aber l^atte fid^ gegen bad SSorJ^abeU; in meld^em er einen S3rud^
bed Sanbfriebenä unb eine ©d^anbe für bad Soangelium fal^, aug$
gefprod^en unb feinen Äurfürften benimmt, fid^ nid^t baran ju be^
teiligen. Site aber ^l^ilipp burd^ bie Sd^lad^t bei Sauffen im
STOai 1534 feinen 5ßlan burdjgefü^rt unb ^Jerbinanb in bem SSer-
trage }u Jtaban Ulrid^ als ^er^og t>on äSürttemberg anerlannt
l^atte, eine Störung bed t^ebeng alfo nid^t erfolgt mar, ba fprad^
£utl^er feine t^eube barüber aus unb erlannte in ber @ad^e bie
$anb ®otted; ber gegen aller Erwartung bie t^urd^t in trieben
Dermanbelt f)aie. ®3 märe ungered^t, il^n beSl^alb ju befd^ulbigen^
er l^abe fid^ miberfprod^en unb l^abe f^in jtttlid^eg Urteil burd) ben
©rfolg beftimmen laffen. SSielmel^r ^anbelte er l^ier nad^ bem
rid^tigen ©runbfa^e, meldten er jmei ^af)xe jUDor mit S3e)ie^ung
auf bie SBal^l t^erbinanbS }um römifc^en König audgefprod^en l^atte:
,;@3 miS bod^ mol^l in ber SBelt bleiben, ba^ üiel 2)ing3 unred^t
gefd^iel^t; unb menn eS gefd^el^en ift, bod^ muffen bleiben unDer-
änbert, ju »erl^üten großem Unrat."
^m folgenben Saläre gab bie älbmefenl^eit be§ jtaiferg^
roeld^er bem Unmefen beS ©eeräuberfürften SSarbaroffa in Ximi^
ein ®nbe mad^te, fomie baS feinbfclige S^uftreten fJranfreid^S unfe
bie jmeifell^afte Haltung Sapemd gegenüber üon Defterreid^ bem
fd^mallalbifd^en S3unbe freien Spielraum, ftd^ meiter audjubel^nen,
im ^rül^ia^r 1536 traten bemfelben neben ben Sleid^gftäbten älugg-
bürg, granifurt, Hamburg, $annoocr unb Kempten, ber $erjog,
t)on SBürttemberg , ber ^ergog üon $ommem unb bie f^ürften
— 302 —
von aittl^alt bei. 3Kit btcfcn legieren ftanb Sutl^cr fd^ott feit 1532
in engerer SBcrbinbung, er nennt fie ^^aufrid^tige Surften, fürft^
lid^en unb d^riftlid^en OemütS" unb fd^rieb namentlid^ an einen
berfelben, gürft 3[oad^im, ber »iel t)on geiftUd^en Slnfed^tungen ju
leiben l^otte, mel^rere 2iroftbriefe.
©0 gewann ber fd^molfalbifd^e 33unb eine internationale Se-
beutung. aiuSlanbifd^e SKad^te traten mit bemfelben in Untere
l^anMungcn. ©o wenig fid^ baS nad^ unfern Segriffen mit ber
Gin^eit beg Sleid^ed t)ertrug, fo mar eS bod^ nid^t§ 9leued. ©d^on
ju Anfang beä ^al^rl^unbertä l^atte ber fd^möbifd^e Sunb eine
ä^nlid^c ©teHung eingenommen. 3[n8befonbere maren cS bie
§errfd^er von ^anfreid^ unb ®nglanb, meldte oermittelfi beS
f d^malfalbifd^en SunbeS il^re ^ntereffen gu f örbern unb bie f aifer^
lid^e ÜJlad^t ju fd^mäd^en gebadeten unb bal^er, fo rüdfftd^tsloä fte
in il^ren eignen ©taaten gegen bie ^Reformation vorgingen, in
©eutfd^lanb fid^ ben ©d^ein ju geben fud^ten, als maren fte greunbe
bes ©oangeliumS. Äönig %xani »on fjranfreid^ lub aReland^tl^on
ein, auf 3 SKonate ju i^m ju fommen unb il^m bei SinfüJ^rung
t)on ^Reformen bel^ilflid^ ju fein. SWeland^tl^on mar entfd^Ioffen
gu gelten, unb m^ Sutl^er mar bamit einoerftanben, meil er l^offte,
es lönne baburd^ ben Verfolgungen, meldte bie Slnpnger beS
(SoangeliumS in tjranlreid^ |u erbulben l^atten, ein Snbe gemad^t
merbcn. 6r bcfürmortete aufs bringenbfte beim Äurfürften bie
Sitte SJleland^tl^onS um Erlaubnis ju biefer Steife: „SBer meife,
maS ©Ott t^un mitt," fd^reibt er, „meld^eSOebanlenftnb ollejeit I^Sl^er
unb beffer benn bie unfren. ©o märe eS mir aud^ leib, ba| fo
vkl fromme $erjen, bie 9W. 5ßl^ilippu8 fläglid^ rufen unb gemil*
lid^ fein märten, foKten betrübt merben, aud^ oiel anbre böfe Oe^
banlen t)on unS f äffen." 2lber ber Äurfürft, ber mol^l bie politi-
fd^en 2lbfid^ten beS ÄönigS burd^fd^aute, oermeigerte ben Urlaub
in fd^arfen StuSbrüdEen. Sutl^er mar barüber anfänglid^ befrembet,
balb aber freute er fid^, ba^ er unb feine g^^«^^ i« ^^^^ P<>R'
tifd^en SDinge nid^t l^ineingegogen morben maren, benn „bie SBJelt
ift beS 2:eufeIS unb ber SCeufel ift ber JSeft" äußerte er mit »e=
jiel^ung auf biefe aSerl^anblungen.
ßbenf omenig mürbe burd^ bie Sefpred^ungen erreid^t, meldte
— 303 —
mit bett Ocfanbtcn ©cintid^« VIII. t)Ott ßnglanb )u aBittcttberg
ftattfanben. SDiefer Jtönig, ben tt)tt alg evHtterten ©egnev Sutl^erS
lennen gelernt l^aben, l^atte ftd^ injwifd^en aud^ mit bem ^apfte
übenoorfen, n)ei( biefer, l^auptfäd^lid^ ou3 Slüdftd^t auf Jtoifer
Äarl V., jtt ber ©d^eibung bcS Äönig« t)on feiner ®ema§Kn, rocld^e
eine 9(nt)ern)anbte Statu toax, bie 3#i^^^^0 t)em)eigerte. @r
erflärte ftd^ feKft für baS ^aupt ber englifd^en Jtird^e, unb totnn
er gleid^ an ber latl^oßfd^en Seigre feft^ielt, beabftd^tigte er bod^,
lird^ßd^e Steformen einzuführen, unb l^ätte gewünfd^t, bag äReland^-
t§on }u bief em 3n)^d(e nad^ @ng(anb lomme. älber bie SBerfd^iebem
Reiten ber Seigre ixatm fo ftarl l^eroor, ba| Sut^er ber ©ad^e
balb überbrüffig roax. ^ ber Seigre woKte er nid^td nad^geben,
,,fonft l^ätte man n)ol^I )u 9lug3burg leidster mit $apft unb Jtaifer
lönnen eind voexien" ; vl>o^ müf(e man @ebulb l^aben, ba in @ng«
lanb nid^t oSeS fo plö^Iid^ lönne inS 3ßerl gebrad^t werben; aber
bie ^auptartilel bürfen nid^t geänbert werben, benn „wir fönnen
um il^rer wiKen unfre jlirc^en nid^t aufd neut oermtrren unb ine
mad^en, bie nod^ taum jur 9lul^e unb StiKe brad^t finb^'. Db
ober aud^ in bem %aU, ba| man in ber Seigre nid^t eind werbe,
ein SSerbünbnid mit bem Jtönig anjunel^men fei, baS wiS er aU
ein weltlid^ ©ing bem Äurfürften gu bebenfen überlaffen, bod^
bünit es il^m gefä^rßd^, fid^ äu|er(id^ }u oereinigen, wo bie ^erjen
nid^t eines ©innS finb.
3)lüf(en wir eine göttlid^e SSewal^rung barin erlennen, ba|
bie eoangelifd^en Steid^gftönbe fid^ frei l^ielten t)on ber SBerbinbung
mit biefen ftünigen, beren fd^einbare Hinneigung }u ber eoange^
lifd^en ©ad^e nur ben Sieden il^rer treulofen ^oMt bienen foKte,
fo war anbrerfeitg bie @rl^altung bed bürgerßd^en f^riebenS im
Steid^e unb bie ^erfteUung ber fird^lid^en Einigung gwifd^en ben
9(n§ängem ber 9lef ormation in SDeutfd^Ianb bag g(üd(Iid^e @rgebnid,
)u weld^em in erfter Sinie Sutl^erd 93efonnenl^eit unb t$riebeng(iebe
beigetragen l^atte.
— 304 —
Jimitt» SiapM.
bdrnng flberf^ebe^ ift mir gegeben ein Pfal}!
ins ^(eiffir, ndmlii^ bes Satans Cngel, ber
mic^ mit ^dnflen fd^Iagt. 2, Kor. \2, ?,
'^apft 5PattI III. f d^icn mit bem Äonjil Smji tnad^en ju tooBen.
ä(m 2. 3uni 1536 fd^rieb er badfelbe auf ben 23. SRai bed folgen^
ben 3<^^^c^ n^^ ÜJlantua Oi\x^ „pxx 9lu3rottung ber lutl^erifd^en
Jte|erei". S)em Jtaifer war biefeg auftreten bed $apfted l^ö#
unangenel^nt, benn in einen neuen Jtrieg mit f^anlreid^ vvcmitli,
münfd^te er oSeS )u oermeiben, maS bie ©lieber be§ fd^moUoIbi'
fd^en SunbeS il^m ju f^einben mad^en lonnte. S)iefe felbfi oBev
maren barüber nid^t einig, mie fie fid^ ju ber päpftlid^en @inlabung
fteSen foEten. 2)er jturfürft moDte fie ol^ne meitereS ablel^nen.
Sutl^er aber mit anbem fdd^ftfd^en X^eologen unb ^uriften fprad^
fid^ für bie S3efd^idung a\x^, batijtit man ftd^ nid^t ben SSormurf
ber SBiberfe^Iid^Ieit gegen ben jtaifer jujie^e unb nid^t mit bem
frül^er auSgefprod^enen SBerlangen eines Jton}i(§ ftd^ in SBiber^
fprud^ fe|e. 9lur menn bie )u ermartenbe SBorlabung vor boS
jtonjil fo laute, ba| bie Soangelifd^en gar nid^t foDten gel^ört
werben, fonbem nur anl^ören, mie man fie für Äe|er erflore,
l^abe man Urfad^e, biefe(be nid^t anjune^men. Um fid^ über bie
Stellung }u bem JtonjU unter einanber }u einigen, befd^loffen bie
SBerbünbeten , im Januar 1537 in ©(^mallalben gufammenju^
lommen, unb ber Äurfürft beauftragte am 11. SDejember 1536
feine Sl^eologen, vor biefem jlonoente ftd^ barüber ouSjufpred^en,
morin maxi ben ^apiften etma nad^geben tonnte, unb auf meldten
älrtileln man be^anen muffe. Sutl^er fe|te bie 9lrti{e( fofort, tro^
feiner törperlid^en @d^n)ad^§eit, auf, legte {te nod^ t)or @nbe be&
3a§red feinen ^^eunben vor unb f^idte fie, nad^bem biefe untere
jeic^net l^atten, m ben'fturfürften. SDiefe ä(rtile(, meldte fp&ter
ben 3lamvx ber ©d^maltalbifd^en erl^alten l^aben, fteSen bie
et)angelifd^e Seigre in fd^arfem ©egenfa^ gegen bie ber römifd^en
- 305 —
jtird^e bor. 9(m @(l^luf[e ber Einleitung §ei^t eS: „9(d^ lieBet $err
3lefu Sänfte, l^alt bu feiger jtonjilium unb erlöfe bie Seinen butd^
beine l^ertlid^e S^ttft. @8 iß mit bem $cq3ft unb ben ©einen
Devloren, fte xooUttt bein nid^t." Sie älrtitel felbft verfallen in brei
Xeile. 2)er erfte l^anbelt ;,t)on ben §ol^en 3(ttileln ber göttlid^en
äRajeftot'', über weld^e Iein@treit fei, ber zweite „t)on ben 9(rtileln,
meldte bad 9(mt unb 9BerI 3^u 6§rifti ober unfre (Sriofung U^
treffen'', ^ier n)irb ber 9lrtüel, bo^ ber ®lau6e aOein geredet nmd^e,
aü ber ^ouptortitel t)QrangefteD[t unb t)on bemfelben gefogt: „SSon
biefent 9(rtile( lann man nid^tS weid^en unb nad^geben, eS faKe
$hnmel unb @rben. Unb auf biefem 3(rtilel flehet alled, baS mix
n)iber ben $apft, 3^f el unb aSe SSelt leieren unb leben. Sorum
müf[en wir bed gar gen)i| fein unb nid^t gmeifeln, fonft i{t ed
(died oerloren unb bel^ält $apft unb Teufel unb aSed miber und
®ieg unb Sted^t." Sofort wirb bie 3Reffe aU ber fd^redlid^fte
@reuel beS $apjttumd famt äüet ax^ i^r l^eroorgegangenen 3(6^
götterei, meiterl^in baS jtlofterleben unb baS ^apfttum felbft on^
gegriffen; bem le^teren gegenüber l^abe man nid^tS )u fagen, als
,,flrafe bid^ ®ott, @atan!'' Sedl^alb wirb benn aud^ im britten
Xeil auf SBerl^anb(ungen mit bem ^apft leine Stüdftd^t genommen,
fonbem älrtilel aufgefteSt, ,,n)e(d^e wir mögen mit ©elel^rten, Ver-
nünftigen ober unter unS felbfl ^anbeln''.
@ine gro^e SSerfammlung fanb fid^ in ©d^mallalben ein:
bie i^rften, bie ä(6gefanbten ber ®täbte unb bie S^eologen, beren
etwa oierjig anwefenb waren; au|erbem ein ©efanbter bed Jtaiferd
unb ein päpftlid^er 9luntiug. Sutl^er mit ben ©einen traf am
7. f^ebruar bort ein, nad^bem er am 4. Februar unterwegs in SSeimar
geprebigt l^atte. 3« ben erften 2^agen befanb er pd^ wol^I; nid^t
nur fagte il^m bie gefunbe Sage be3 DrtS )u unb war er im
äeufeerlid^en aufs befte oerforgt, fonbem er freute ftd^ aud^ beS gu-
fammenfeinS mit fo oielen oortrefflid^en SKännem. 3lm 9. gebruar
prcbigte er oor ben Surften, aber an biefem 2^age regte fid^ aud^
bei il^m ein neues Seiben, fd^mer^^afte Steinbefd^werben. SDod^
trat baß) Sefferung ein, aber er fel^nte ftd^ nad^ $aufe, benn
„wir finb l^ier nid^ts a(S ein müßiger $aufe. S)ie ^rften unb
@täbte oerl^anbeln anberS als wir gebadet l^atten, aud^ ol^ne unS''.
IBurf, Sutl^er. 3. «ufl. 20
— 306 —
3)0(1^ rovLxhe er oon feinem Jtuvfürften mit @rftattung eines nmtn
®utad^tend über bie Sefd^idung beS jlonjild beauftragt. @r fprad^
ftd^ mieberum bal^in au^, man foKe ixoax leine binbenbe Su^a^t
geben, aber aud^ bie ®ai^ nid^t gerabeju abmeifen, benn „zd
bräd^te grofe Stergemi«, ba^ roir ju eben bicfer 3«t, fo ber %üvt
t)or§anben unb ber jtaifer in 9(rbeit, foKten bad JlonjUium meigem''.
Sm 17. f^ebruar litt er wieberum an ©teinfd^merjen. 9[m
folgenben 3^age, bem Sonntag i^noolaoit, l^ielt er eine gemaltige
^rebigt über bad redete S^riftenfaften, „me(d^e3 ift Xrauem unb
Seibtragen, unb aEerlei Ungemad^ unb UnglüdC, üon @ott auf-
erlegt, me(d^e8 bem 3Jtenfd^en mel^e tl^ut, um ®otted miKen (eiben".
@ine fold^e f$aften;ieit foQte an bemfelben Sage nod^ für il^n an=
bred^en. @eine ©ti^merjen mürben fo heftig, mie er fie nod^ nie
erlebt l^atte. @r glaubte feinen %o\> na^e, unb toenn ed i^m
anfangs fd^mer mar, bafe berfclbe in ber gfrcmbe erfolgen fottte,
fo ergab er fid^ aud^ l^ierin in ©otteS äBiSen. 9(d^t Xage lang
bauerte bie 9lot; er befür^tete, t)or ©d^merj oon ©innen ju
fommen. „SBol^Ian," fprad^ er, ,,menn i^ f^on tpK unb tl^öri^t
merbe, fo bleibe i^ bod^ ®ott Ilug, unb Sl^riftud mein $err,
meine 9Bei3§eit unb mein @ott/' Ueber feine Uranfi^eit äußerte
er: „^a^ iji ber Stpfel SlbamS, ber mir im Seibe ftedft, unb
lann i^n nid^t oerje^ren, bo^ l^at il^n mein $err S^riftuS Der-
^e^ret," unb ^inmieberum: „3)aS l^ci^t ber ?Pfal^I im fjleifd^, be3
Teufels jteule, bamit er mid^ alfo burd^ bie ©pie^e jaget unb
mein %Ux^^ jermartert." S)er Äurfürft trat an fein S^^er^enS«
lager; Sutl^er bat i^n, fid^ baS @oangeItum als einen teuren
©d^a$ befol^len fein ju laffen, unb als berfelbe crmibertc: „3d^
beforge mi^, lieber ^err S)oItor, toenn eud^ ®ott l^inmeg nä^me,
er mürbe fein liebes SQBort aud^ mit j^inmegne^men," meierte er
ai unb f prad^ : „äld^ nein, mein gnäbigfter $err, baS moKe ®ott
nid^t; eS ftnb nod^ oiel geleierte unb getreue Seute, bie eS l^erglid^
gut meinen unb mol^l oerftel^en." ^um Slbfd^ieb bat i^n ber Äur-
fürft, wenn er je fterben follte, für bie ©einigen nid^t beforgt
ju fein, benn, fpra^ er: ^®uer SBeib fott mein SBeib fein, unb
^ure Rinber f ollen meine Äinber fein." ©eine anroefcnben fjreunbe
hat ber Äranle, fleißig für i^n ju beten, benn leine STOad^t fei fo
— 307 —
ftaYl ate bad j^erjüd^e ®ebet. „Sterbe td^/' fprad^ er, ,,fo tottb
fid^ bie Seftte, bed $apßed Segat, unb bie Sifd^öfe meines XobeS
l^od^ erfreuen;* ober fte merben il^ren Erbittet t)erlieren, ber fte
bidj^er Dot ®ott unb ber SBelt fleißig verbeten l^at. S)ad rotrb
benn aus fein unb mit il^nen über unb über gelten/' ®e^r tröß::
lid^ mar eS il^m, )u Igoren, ba| f&mtlid^e anmefenbe Xl^eologen
feine Xrtilel unterfd^rieben l^aben.
9(m folgenben ©onntage fprad^ er ju 3ReIand^tl^on, ber
meinenb an feinem Sette fa^, fd^erjenb: „Qan^ Söfer pflegte ju
fagen, es märe leine jtunft, gut Sier, fonbem böd 93ier trinlen
märe eine jtunft. Sbenfo möd^tet il^r au^ Don mir gebenfen, ba|
id^ j|e|o mit ben 9(potl^eIertränIen (emen mu| bieS ®tüd( pral^
tijieren. Unb, gotttob! id^ lann aud^ in biefem ^obeSfampf unb
neben meinen großen ©d^merjen gutes $ergenS fein; — ift bod^
unfcr 3^ob gegen ben 2^ob meines ®rlöferS 3[cfu ßl^rifti für nid^tS
)u red^nen. 3^^^^ 1^^^ fo ^^^^ tapfere unb l^eilige Seute ooran«
gef^idft, benen mir beigumol^ncn nid^t mert finb. — 3d^ l^ätte eS
itnferm $err ®ott gern abgebetet ober abgemurret, ba| id^ in
meines Hurfürften Sanbe ftürbe, eS gefd^iel^et aber barum nid|;t
flugS. 3)eromegen menn^S il^m gefällt, unb m meld^em Drte er
mir nur ruft, fo bin id^ bereit."
3)od^ münfd^te er am folgenben Sage oon ©^mallalben meg-
gebrad^t ^u mcrben, unb ber ärgt mar einoerftanben. ©eine
tJreunbe nal^men Slbfd^ieb t)on i^m. @r betete mit i^nen in
großer ^nbrunft, rebete oon bem Jammer, meld^er ber armen
€l^rijienl^eit beoorftel^e, fprad^ aber bie Hoffnung auS, ba| ber
liebe jüngfte Xag barein lommen merbe. 93egleitet oon Sugen-
l^agen, ©palatin unb bem 3lrjt, Dr. ©turj, reifte er ab in einem
lurfürftlid^en SBagen. ä(ber obmol^I aKeS moglid^e gu feiner ßx-
Ceid^terung gefd^al^ unb man an biefem Sage nur oier ©tunben
jurüdHegte, fo oerurfad^te il^m bod^ baS f^al^ren auf ben raul^en
©ebirgSmegen fo unerträgUd^e ©d^merjen, bafe er ausrief: „2Benn
nur ein Xürle oorl^anben märe, ber mid^ fd^(ad^tete, biemeil id^
bod^ mit parlem, gefunbem Seibe in meinem eignen SEBaffer oer^
berben mu^ ; unb jmar i^ ftürbe gern, menn nur beS Teufels Segat
nid^t ba märe }u ©d^mallalben unb fd^rie eS in ber gangen 2BeIt
— 308 —
au^, id^ l^ätte oor gto^ev t^rd^t unb S^i^ ftevben müfjen.''
X6er hie Srfd^tttterung bed f^al^rend l^otte bie SSttlung, ba| in
bet folgenben Ütad^t, bie man )u ^amkd^ v&ixaä^U, rafd^e
Seffetutig eintrat. @r fül^lte fid^ toie neu geboren, fd^eb nad^ti^
jtoifd^en 2 unb 3 Ul^r „aui Xambad^, bem Ort, wo mx6) bet
$en gefegnet l^at'', an ^Reland^tl^on unb iai xfyx, bie frol^e
Stunbe aud^ bem Aurfürften mitzuteilen. 3Kd ber Sote, ber
biefen 99rief nad^ ©d^moßalben brad^te, in ber SRorgenfrül^e cax
ber 3Bol^ung bed Legaten Dorüberlam, rief er mit lauter Stimme:
,;®ott Sob unb ^anl, Sutl^erug lebt, ift frifd^ unb gefunb.""
9lm folgenben Sage tam er nad^ ©otl^a unb fd^rieb von ha att
feine f^au von bem überftanbenen Jammer: ^3^ bin tot gemefit
unb l^ab bid^ mit ben Kinblein ®ott befol^Ien unb meinem guten
$erm, als mürbe id^ eud^ nimmermel^r feigen; l^at mid^ euer fe§r
erbarmet, aber id^ l^atte mid^ bem ®rabe befd^ieben." ^cam
erjft^It er, mie i§m burd^ oieler Seute i^rbitte unb S^ränen
gel^olfen morben fei, unb fäl^rt fort: ;,S)arum banle ®ott unb la^
bie lieben Jtinblein mit äRul^men Senen bem redeten SSater bauten^
benn il^r l^ättet biefen SSater gemi^Ud^ verloren, ©ott l^at SBunber
an mir getl^an biefe 3la^i unb tl^ut'3 nod^ burd^ frommer Seute
i^rbitt.'' 9(ber am folgenben Xage trat eine gro^e @d^n>äd^e
ein , f ba^ er abermals fein @nbe nai^e glaubte. Sugenl^agen
mar bei il^m. ®egen il^n bezeugte er: „3d^ vi>^i, ®ott fei gelobt,
ba^ i^ red^t getl^an, ba| id^ bag ^apfttum geftürmt l^abe mit
©otteä SBort;" beauftragte il^n, fein liebeS 5ß§ilippdjen unb feine
anbern KoDegen um SBerjeil^ung )u bitten, toenn er miber fle
gefünbigt l^ätte, feiner treuen jtätl^e, ben $rebigem unb ber ®e^
meinbe ju 3Bittenberg, fomie bem Aurfürften feinen legten ®ru^
)tt bringen unb für bie ©einigen fo oiel aU möglid^ ju forgen.
9lm 1. 3Räxi beid^tete er bem 99ugenl^agen unb empfing oon il^m
bie 3lbfolution, befprad^ fid^ aud^ an ben folgenben ^gen übet
fein 93egräbniS in ®otl^a. älber unvermutet befferte fid^ fein Se^
ftnben, unb er lonnte, menn aud^ in {leinen ^gereifen unb mit
mand^em Sufentl^alt, nad^ SBittenberg gebrad^t merben, mo er am
14. 3Räxi ^ititraf, oon feinem Seiben befreit, aber fo fd^mad^, ba^
er nod^ eine SSod^efp&ter flagte, feine Seine moSen il^n nid^t tragen.
- 809 —
SlutoSrtö l^otte ^ bie @age Derfoeitet, Sut^er fei geftotben.
2)arü(eY fvol^lodCten bie f^einbe beS ®9angeliumd. (Sin SBote roax
im Auftrag eoangelifd^ geftnnter @inmol^ner t)on $all in Xitol
nad^ SBittenbetg gdommen, um Sutl^etS ©tobfd^rift objufd^eiben.
<Sr gab i^m eine Utiunbe mit, morin eS l^ei^t: ,,XeufeI, ^apfk
unb oSe meine t^einbe moSten gerne fröl^Iid^ fein, ba| id^ geftotben
Toäre, unb id^ gönnte il^nen fold^e f^eube t)on $er}en unb mdte
gerne geftorben ju ©d^maRoIben ; aber (Sott l^at nod^ nid^t fold^e
^eube moSen beftätigen. @r mirb'S ober tl^un, el^e benn fie
meinen, nid^t ju großem ®lüi; unb merben einmal fingen: ä(d^,
ba| nur ber Sut^er am Seben mare!"
Sie in @d^mallalben Derfammelten f^rften lel^nten gegen
ben 9lat Sutl^erd bie 93efd^dfung bed Jton^Ud ob, ba badfelbe nid^t
ein foCd^eS fei, n)ie fte t)erlangt l^atten ; ein freies fionjU, baS nid^t
in i^tolien, f onbem in S)eutfd^(anb gel^olten mürbe, forberten fte ;
unb ber jlaifer, burd^ feine jtriege mit ben Xürlen unb f^ronjofen
in Xnfprud^ genommen, mar nid^t in ber Sage, fie )ur Sefd^idCung
bed jlonjite ju jmingen, meld^ed bedl^alb gar nid^t }u ftanbe lam.
Sennod^ bleuet bie f^age, ob jener Sefd^Iu^ ju @d^mallalben ni^t
unl^eilooS mar, unb ob l^ier nid^t ber erffce Xnla^ jum fd^mal-
talbifd^en ftrieg, )ur 9lieberlage beS $roteftantidmu3 in 2)^d^£
tanb unb meiterl^in jur £o3rei^ung ber lotl^aringifd^en Sidtümer
Dom beutfd^en Sleid^e gegeben mürbe.
3B&l^renb ber 3^age t)on Sd^mallalben mürbe aud^ bie f^age
ber Bereinigung mit ben ©d^meijem um einen ©d^ritt meiter ge^^
fü^ri 2)iefe l^atten auf einer 3ufammenlunft }u Saf el il^re f^eube
über bie äBittenberger Jlon!orbia auSgefprodften. @in @d^eiben
von il^nen an Sutl^er brad^te 9u|er nad^ Sd^maßalben }ug(eid^ mit
einem Sriefe bes S9ürgermeifterd SRai^er oon S3afe( an Sutl^er.
a)ief er antmortete f el^r freunblid^ am 1 7. gcbruar. ®r f prid^t ben
9Bunfd^ aii^i „®ott gebe meiter ®nabe, bamit mir aüe^omi in
red^ter, lautrer @inigleit unb gemif[er eintrdd^tiger Seigre unb
ÜReinung jufammenftimmen/
@r bittet ben 93ürgermeifter aufd §er)lid^fte : „SBoSet bei ben
Surigen treulid^ anl^alten unb l^elfen, ba^ fte aKefamt moKten
l^elfen bie @ad^en ftiKen, glimpfen unb }um Seften f5rbem unb
— 310 -
nid^t bie rul^igen 93dgel fd^eud^en'', toie er aud^ feinetfeitd oerf^evt:
^SSir laf[en unS nic^t (etoegen cdlevlei ©d^rift unb Stebe, uvb ift
auf unfrer ftangel unb unter bem SSoIt aDeS gar fltS/ SUd er
bann wegen feiner Jtranll^eit in @d^maKaIben mit S3u|er nid^t
l^atte oerl^anbeln {SnneU; reifte il^nt biefer mit bem älugä&urger
$rebiger 9BoIf|art nad^ ®otl^a nad^. S)ort (efprad^ ftd^ Sutl^et
aufd freunbßd^fte mit i§nen, mamte fxe ober t>ox bem ^©imulieren''
unb „Uml^ermanteln^'. 9ln bie eoangelifd^en ®tabte ber @d^mei)
fd^rieb er fel6{l gegen @nbe beS ^aJ^xe». „(Sd werben/' l^ei^t e§ ba^
,;6eibe bei eu^ unb und etlid^e fein, meldten fold^e Jtonlorbia nid^t ge-
fällig fonbem t)erbäd^tig fein mirb. 9lber fo mir ju beiben Seilen^
bie mir'S mit @mft meinen, werben fleißig anl^alten, wirb ber liebe
SSater unb ®ott mol^I feine ®nabe geben, ba| ed bei ben onbem
mit ber 3^^^ ^^ i^ ^^^ ^^^^ ^i^^ ^<^^ ^^^ äBaffer ftd^
mieberum fe^t." ßr^ruft ®ott gum 3^9^ ^^f ^öfe ^ ^ "^i^
ber Honlorbia x>on ^erjen meine, „benn bie 3n)ietrad^t meber mir
nod^ jemanb gel^olfen, fonbem »ielen ©djaben getl^an l^at". Qln
ber Seigre oom 38ort ©otteS unb ber Xaufe biQigt er bie Slrtilel
ber ©d^meijer; mad baS 9lbenbmal^( betrifft, fo Dermal^rt er fid^
gegen ba3 SRi^oerftänbniS , a(3 lel^re er ein ^emieberfal^ren bei^
Seibeö ßl^rifti. Qn äl^nlid^em ©inne fd^ricb er im Suni 1538 an
bie in 3üri^ »erfammelten ©efanbten ber reformierten ©täbte ber
©d^meij. @S ift i^m eine ^erjenSfreube, ba| fid^ bie @intrad^t immer
mel^r anbahnt, ©o fd^reibt er im 3Rai 1538 an ben $erjog üon
$reu^en: „3Jlit ben©d^meijem ift'g auf guter 35al^n, ®ott l^elfe
fürber. 3^ ^^ffe, ®ott motte beS Slergemiä ein (Snbe mad^en
um feines Slameng mitten unb bem ®reuel ju Slom ju Verbriefe.'*
©eSl^alb mar er aber bod^ weit entfernt, oon feiner 2e|re aud^
nur im geringften ju meid^en, maS er gegen Suttinger in einem
ebenfo offenen ate freunblid^en ©d^reiben erllärte. liefen ©tanb?
punft l^ielt er aud^ femerl^in feft: d^riftß^e Sintrad^t aber ol^ne
Semanteln ber »orl^anbenen Sel^runterfd^iebe, jjebod^ mit ber §offs^
nung, ba| ®ott weiter l^elfen werbe gu ootter @inigleit.
— 311 —
Driffe« üuipUtf.
Säiafftt Stdit btm Snneti. pf. 82, 5.
•
^it bev 9lüd9e§r aud ©d^mollalben beginnt ber Ie|te 916-
fc^nitt in Sutl^erd 2e6en. 2)aS ®efü^( bed ä(toerbend unb bie
bem äßter eigentümlid^e ©el^nfud^t nad^ Stulpe tritt immer flätter
l^etoor. (Sv nennt ftd^ einen erfc^öpften, burd^ fo me(e ä(r6eiten
ermübeten ®reid unb (ejeugt : „^^ münfd^te in bief en Sagen bad
Sergnügen bed äUterd gu genießen unb in ben ©orten bie ^unber
®otteS )u betrad^ten an bem ©proffen ber 93dume, Blumen unb
Kräuter, unb auf biefeS SSergnügen, ja oud^ auf 3Jtu^e l^dtte id^
älnfprud^, n)enn id^ nid^t burd^ frül^ere @ünben oerbient "^^tte,
bef(en burd^ läftige unb l^duftg unnü^e ©efd^äfte beraubt ju merben/
S)abei n)ar er aber bod^ in feinem SBirlen unermüblid^. S^^^
l^atte il^n ber Hurfürft, mäl^renb er feinen ®el^alt naml^aft erl^öl^te,
von ber SBerpfli^tung, SSorlefungen )u l^alten, entbunben, bennod^
vooUit Sutl^er auf biefe X^ätigleit ni(|t oerjid^ten. 3lo^ mel^r aber
wibmete er fid^ ber ^rebigt. 3)urd^ bie lange bauembe Slbmefen*
l^eit 93ugenl^agen§, ber bie Sfleformation in S)änemar{ burd^fül^rte,
fiel il^m eine fcl^r auSgebel^nte 5ßrebigttl^ätigfeit nid^t nur an ©onn^
tagen, fonbem aud^ jmeimal in ber SBod^e ju; an Dftern 1538
prebigte er neun 2^age l^intercinanber. Unb man merfte feinen
^rebigten f o menig oon ber @d^mäd^e beS ällterS an , ba| Kanjier
Srüdf an ben Äurfürften berid^ten lonnte: „®r tl^ut fold^e ge=
wältige; trefflid^e 5ßrebigten, ba| mid^ bünit — fo fagt eg jeber^
mann — , ba| er l^ieoor fo gor gemaltiglid^ nid^t geprebigt l^at,
jeigt fonberlid^ an bie Irrtümer beS 5ßapfttum8, unb ift ein gro^
Sott, bag i^n l^öret."
2lud^ fd^riftftellerifd^ ju mirfen ful§r er fort. SReben einigen
auf @d^rifterllärung bejüglid^en 9lrbeiten (älnmerfungen }um Soon-
gejlium SRattl^öi unb jum ^ol^enliebe, 9luglegung einiger Kapitel
bes @oangeliumd So^anniS) voax eS befonberg bie in jenen 3<^l^ren
fo oiel bel^anbelte t^rage eines Jton}ilg, mag i§n befd^äftigte.
— 312 —
3)en „Statfd^Iag eined Sudfd^ffed etlid^er ftarbinäle, ^opft^ßoulo m.
auf feinen 93efel^I gefd^rieben unb überantwortet" gab er mit
ülanbgloffen l^erauS, worin er fpottet, ba^ ber $apft fid^ mit bem
ftonjU fd^Ieppe n>ie bie Jta^e mit ben jungen, ^m folgenben
Salute oeröffentlid^te er bann feine größere ©d^rift „oon ben jton^:
gilien unb Aird^en", worin er an ber ®efd^id^te ber ftongUien
nad^weift, ba^ biefelben nid^t 3Rad^t l^aben, neue ®Iaubendartifel
aufjufleSen ober neue ß^emonien ^wangdweife aufzulegen, fonbem
ben alten ©lauben wiber neue Irrtümer ju oerteibigen unb etlid^e
Drbnungen, fofern fte bem SSoIIe nü|flid^ feien unb )u feiner 3^t
bienen, aufjurid^ten. Unter jtird^e fei meber ber $apft mit ben
93ifd^öfen }u t)erftel^en, nod^ bie fteinemen ©ebäube, fonbem baS
l^eilige, d^riftlid^e SSoIl, in meld^em Sl^riftug unb ber l^eilige
®eifl mirle.
^ bemfelben ^af)xe mad^te fid^ Sut^er an bad gro^e 9Berf
ber Stemfion feiner 99ibe(überfe|ung. @r bebiente fid^ babei
bed fftate^ mel^rerer geleierten ^reunbe. äReland^tl^on, Sugenl^agen,
3onad, jlruriger, baju ber £e§rer bed ^ebräifd^en älurogaluS unb
ber Äaplan SWö^rer, meld^er bie Äorreltur beforgte, — biefe fämt^
Rd^ au^ aOSittenberg — lamen ju biefem S^edte jebe ffiod^e abenbs
in Sutl^erg äBol^nung ^ufammen ; mand^mal nal^men aud^ auswärtige
©elel^rte 9lntei(. ^c\>^ bereitete ftd^ auf ben 2^t oor, wobei
Sutl^er aud^ Suben unb fonftige Kenner ber j^ebräifd^en Sprad^e,
aud^ SJlönner aud bem SSoII, t)on weld^en et in betreff bed beutfd^en
äluSbrudd äSelel^rung l^offte, ju State jog. 93ei ber S3efpred^ng
l^atte er feine alte lateinifd^e unb beutfd^e S3ibel, baneben aud^ ben
l^ebräifd^eit Xtjct vox fld^, SReland^t^on ben gried^ifd^en ^e^t, Jtruciger
neben ber l^ebräifd^en bie d^albäifd^e S3ibe(, Sugenl^agen ben latei-
nifd^en Xe^t, wä^renb bie übrigen mit rabbinifd^en 3(udlegungen
audgerüflet waren. @rft im ^o!^x 1541 würbe bad 9BerI DoSenbet
®o rüdfid^tslog Sutl^er gegenüber oon ben ©ewaltigflen auf^
treten fonnte, ein fo mitleibiged ^erj l^atte er für aDe Unglüdt^
Kd^en. Äonnte er felbft nid^t l^elfen, fo Ke| er fid^'g nid^t ©er«
brieten, gfürbitte einzulegen, fei ed bei feinem Jturfürflen, fei ed
bei anbem gfürflen ober ©tabtobrigfeiten ober einflu^reid^en ^rioot^
perfonen. äSalb waren eS um i§red ©laubend wiioten oertriebene
- 313 —
ober fonft l^ehnat^ unb broUofe $etfonen, iaü in il^tem @in$
lammen Derfiirjte ober ungeted^t oetfolgte ©eiftlid^e, ba(b arme
@tubenten, für bie er f^rfprad^e i^cii; mand^mal erbat er aud^
für Verurteilte @rmä|igung ber ©träfe, au(^ eine unglüdlid^e
SlSai^nfinnige, bie eingefperrt worben war, l^atte pdj feiner Ser?
menbung beim fturfürften ju erfreuen. 9Q3ar eS aber menfd^Kd^e
©emaltti^at, unter n)eld^er jemanb )u leiben ^atte, fo lonnte fid^
Sutl^erd 3RitIeib mit bem UnterbrüdFten im gemaltigflen 3om gegen
ben Url^eber beS Unred^td äußern. S)ied jeigte fid^ namentlid^
in einem neuen Singriff, ben er auf ben Äurfürften unb Srjbifd^of
Sllbred^t t)on SRainj mad^te.
liefern Surften, meld^er, wie mir miffen, mieber^olt bie ©d^ärfe
ber lieber Sutl^erS erfal^ren l^atte, lag piel baran, ed nid^t ganj
mit il^m )u Derberben. 9[Ilein eine Unt^at, bie er beging, oer-
anlaste jjenen, (die Slüdfid^t beifeite )u fe^en unb mit ber ganzen
SBu^t feines 9Borte§ über il^n J^erjufaSen. ällbred^t bebiente fid^
in feinen fortmäl^renben, burd^ feine ma^lofe SSerfd^menbung l^er^
beigefül^rten ©elboerlegenl^eiten ber S)ienfte eined gemiffen Qand
©d^6ni| (ober ©d^anj) von §alle, ber burd^ dlerlei Äünfte immer
mieber ®elb }u fd^affen mu^te. älld aber bie ©tönbe fid^ weigerten,
weitere ^orberungen ju bewiEigen, fo fd^ob ällbred^t bie ©d^ulb
bed jlarlen ©elboerbraud^d auf ©d^öni^, befd^ulbigte i^n bed 99e?
trugg, lie^ il^n gefangen fe^en unb tro^bem, ba| fid^ baS Steid^d-
fammergerid^t feiner annal^m, burc^ ein eilig jufammenberufeneiS
©erid^t oon S3auem, nad^bem man il^n burd^ bie Wolter jum Se-
lenntniS genötigt l^atte, jum Xobe verurteilen, ^ann würbe er
am 21. ;guni 1535 in ®iebid^enjlein gel^enft unb feine ®üter oon
ällbred^t eingebogen. @in ^ifd^genof(e Sutl^erd, Subwig Stabe, ber
ein Untertl^an bed Srjbifd^ofS war, l^atte fid^ über biefe Untl^at
auSgefprod^en, bied war jenem l^interbrad^t worben, unb er l^atte
bemfelben einen brol^enben Srief gefd^rieben. S)ie3 oeranla^te
Sutl^er, im Suli an feine „larbinalifd^e $eiligleit" ju fd^reiben,
^tti^t ber ©offnung, bafe id^ etwaä 9lu|en bamit fd^affen werbe,
f onbem meinem ®ewif[en gnug }u tl^un für ®ott unb ber SBelt. "
„©oEten @uer larbinalifd^e ^eiligfeit aSe bie l^enlen, fo nid^t allein
in biefem fonbem anbem me§r ®tüd(en oon bem l^dKifd^en Jtar^
— 314 -
binal übel unb fd^dnblid^ reben, fo toütben in S)eutfd^Icmb ntd^t
©trid genug etfunbcn »erben. — Unb wenn er lange l^enit, würbe
er bamit fold^em ©efdjrei wenig fteuren. — 3d^ mufe mid^ tröften,
ba| i^r gomigen ^eiligen nid^t cÄe l^enlen lönnet, bie eud^ feinb
finb, fonbern werbet unfrent $erm ®ott an feiner Hird^en ben
Sling an ber Xl^ür Iaf[en unb etßd^e leben laffen, bis ber redete
genier aud^ einft über eud^ lomme/' ätld fid^ nun Sllbred^t aSe
^ül^e gab, bie @ad^e ju oertufd^en, fo fd^rieb Sutl^er in ben erflen
ÜRonaten bed f olgenben ^af)xt^ abermald an il^n. ^a l^ei^t ed u. a. :
H^^ ^CiU mand^e böfe Xf^ai von Harbinalen gel^öret unb gefeiten;
aber einen fold^en unt)erfd^amten, böfen 9Burm l^ätte id^ @ure
larbinalifd^e ^eiligleit nid^t gel^alten/' ^ann brol^ter: ^^d^ wiK
$and ©d^anjen le^te SSorte, ba er 3^ter über ©ewalt gefd^rieen
unb barauf geftorben, ba| er fold^en Xob nid^t t)erbienet, mit-
nel^men unb @urer ^urfürftlid^en ®naben ein ^aftnad^t bringen, fo
id^ lebe unb gefunb bin, bie foQ luftig unb gut fein mit ®otte&
^ilfe. @ure Sturfürftlid^e ®naben lajfe bie t^ü^e jum %anit wol^I
luden, id^ wiQ ber Pfeifer fein, jlann ^unler ftain fagen: 3d^
weig nid^t; bin id^ meines 93ruberd $üter? fo lann ®ott fpred^en:
oerflud^t feift bu oon ber @rbe. — ^iemit ®ott befol^len; wo
®ure Äurfürftli^e ®naben für bem roten 93lut^ütlein ft^ wollte
i^m bef eitlen laffen." SDie 2)rol^ung fofort ausaufül^ren unb öffentlid^
gegen ben @rjbifd^of aufzutreten, unterließ Sutl^er aud SlüdCfid^t
auf feinen SanbeSl^erm, an weld^en fid^ bie l^ol^en 3(nt>erwanbten
äUbred^td gewenbet l^atten.
9lun ocröff entUd^te aber ein junger 5ßoet in 3Bittenberg, ©imon
Semniud, im ^ai)xt 1538 Epigramme, in weld^en angefel^ene ^er-
fönlid^Ieiten ber @tabt t)erf|)ottet, ber @rjbifd^of Sllbred^t aber
oerl^errlid^t würbe, wie ed ja bei ben ^umaniften Sraud^ war,
il^re ®önner überfd^wenglid^ ju preifen, biejenigen aber, weld^e ed
nid^t mit i§nen l^ielten, mit ber Sauge il^red ©potted }u über-
gießen. 3)iefeS „Srgfd^anb-, ©d^mad^^ unb Sügenbud^'' oerfe^te
Sutl^er in gewaltige älufregung; als ©teKoertreter beS $farrl^erm
ber ®emeinbe, 93ugenl^agen , l^ielt er fid^ für oerpflid^tet , fold^e
„Söfterpoeterei'^ öffentlid^ }u ftrafen, wad er in einer oon ber
fiangel oerlefenen, nad^l^er burc^ ben ^rudC oeröffentlid^ten ätn-
— 315 —
fptad^e an bie ®emetnbe mit ben fd^ätfften SBorten tl^at. @t f))vad^
feine @nttüfituns aud^ barllber cM, ba| ,,beTfeC6ige @d^anbpoetafter
ben leibigen @tabtfd^rei6er )u QaUt, mit Urlaub ju reben, 99ifd^of
Xlbted^t, lobet unb einen ^eiligen auS bem Xeufel mad^et''. S)abei
rebet er von bem @r)bifcl^of in ben bevbften Sludbrüden. .
^iefe @d^mad^, meldte einem ber ^l^tigen mibetfal^ren roax,
Detfe^te aQe ^ngel^ötige bed $aufeg 93ranbenbuTg in gto^e 9(uf-
tegung. @ie betlagten ftd^ bei bem jtutfürften von ©ad^fen, unb
ber 93tanbenbutger ällbred^t, $er)og vm ^reu^en, n)enbete fid^ in
einem 93tiefe, morin et in el^rerbietigem unb freunblid^em Sone
feinem „lieben SSater SKortino" emfte SBorftellungen mad^te, an
Sutl^er felbft. 2)iefet ermiberte, er tonne ed i^m als bem 93(utd::
freuttb nidjt »erbenlen, baft er beS ©rjbifc^of« ftdj annehme, aber
n^ed ift nie tein ©efd^led^t fo l^od^ nod^ ebel %mz% ed ift jumeilen
ein ungeraten ^inb boraud fommen. @d ift feine @d^anbe, 93uben
in einem @efd^Ied^t l^aben, fonbern e^rlid^, ba| man fie nid^t
lobe nöd^ Derteibige. 3)arum bitte id^ bemütiglid^, @uer fürftlid^e
®naben moKten ben t)er}n)eifelten Pfaffen Iaf(en ®otted @erid§t
befolgten fein." Sine ©d^rift gegen ben (grjbifd^of "^atte Sutl^er
fd^on 1537 abgefaßt, ober auf aScrIongcn feines Äurfürften jurüdf^
gel^alten unter ber Sebingung, ba^ jener t)on feinem äBüten gegen
boS Soangelium ablaffe ; ba bieS nid^t gef ^al^, fo Iie| er biefelbe
1539 auSgel^en. ^n ber äSorrebe hittet er, feine 3Borte nid^t fo
)u beuten, als moQte er ben l^ol^en, löblid^en @tamm beS ^aufeS
Sranbenburg fd^änben, unb menbet fid^ bann gegen biejcnigen,
weld^e fagen, man müf{e ^^ürften etmaS nad^Iaffen oor anbem,
inbem er fie als redete ^auptböfemid^te bejeid^net, bie aKe Untugenb
um ®elbs mitten bittigen. 3)ann meift er im ein3elnen nad^, wie
ber Srjbifd^of ben ©^öni^ mit Unre^t jum 2^obe gebrad^t l^abe,
unb Iä|t babei mand^eS @treiflid^t auf baS treiben beS HarbinalS
fatten, ber feine Sanbe geplünbert , beraubt unb gefd^unben l^abe
ärger, als eS ber Xür!e l^ötte mad^en lönnen, unb ber burd^ fein
unjüd^tigeS Seben auf ber 3Rori^burg gu ^atte ©otteS fpotte.
t,3lad9 ®otteS Urteil unb Sßort fottt $anS @d^5ni| bittig leben
unb ber ftarbinal l^ängen."
Jlurge 3^it nad^ 93erdffentli^ung ber @d^rift fal^ fid^ ber Aar?
— 816 -
binal SQIteed^t burd^ feine ©eßmot gejtDungen, ben Siirgem oon
$aSe gegen Sejal^lttne oon 20,000 ®ulben )u geftotten, bo^ fte
einen etxmgelifd^en ^rebiget anßeDen. älfö fold^er würbe Sutl^eriS
^eunb diufhtd gonaS berufen , unb bod @oangelium l^ielt feinen
@in)ug in bie @tabt, »o fo lange beffen giftigfter t^einb refibiert
l^atte. Sutl^er triumpl^ierte über biefe 9{ieberCage bed böfen alten
@^aIIeS unb fal^ barin einen Seweid, ba^ ®ott nod^ Slid^ter fei
auf @rben. 9(Ibred^t aber nal^m feinen älufenü^alt in 3Rain).
S)ortl^in Iie| er au(^ bie in $aSe aufgel^duften Steliquien bringen
unb Deranftaltete eine äludfteKung berfelben. Sutl^erd ©pott barüber
nal^m er f(6n)eigenb l^in.
9f od^ mit einem anbem 9Ranne, ber fein Seben auf bem ^oi^
gerid^t geenbet l^at, ift Sutl^er in 99erü§rung gelommen. @S nntr
ber berliner 9ürger$ and Jtol^Il^afe, ber burd^ erlittened Un-
red^t bal^in gebrad^t werben mar, burd^ Straßenraub ftd^ felbfl
9led^t )u fd^affen. @r l^atte fd^on 1534 Sutl^er um feinen ^tat
gebeten, unb biefer l^atte il^m in einem S9rief oom 8. 3>e)ember
aufs bringenbfte jugefprod^en, lieber an ®ut unb @l^re @d^aben
)u nel^men, als ftd^ meiter in fold^ f^mel^men )u begeben, barin
er müßte aKer berjenigen @ünben unb 99überei auf fid^ nel^men,
bie i§m }ur f^el^be bienen mürben. ^.Sajfet eud^ taetn @d^aben
Don ©Ott jugefüget fein unb t)erbeißet'd um feinetmiKen; fo merbet
il^r feigen, er mirb mieberum eud^ fegnen/' @d mirb berid^tet, ift
aber nid^t l^in(änglid^ verbürgt, baß ftol^Il^afe auf biefen Srief l^in
nöd^tlid^ermeile ju Sutl^er gelommen fei, i^m gebeid^tet unb bas
@alrament oon il^m empfangen, aud^ oerfprod^en l^abe, bem Sonbe
Sad^fen l^infort leinen @d^aben jujufügen. ^a jjebod^ Sutl^erS
t^ürbitte für il^n oergeblid^ gemefen, l^abe er mieber jur @elb{i'
]^i(f e gegriffen. @o oiel ift ftd^er, baß ftol^Il^afe, nad^bem er mand^
©emalttl^aten oerübt, im 3al^r 1540 gefangen unb mit meisteren
feiner ®enof[en l^ingerid^tet mürbe.
älber nid^t nur für bie 3tot einzelner $erfonen l^atte Sutl^et
ein ^erj, fonbem aud^ für ben ^rud, meld^er auf gangen ftlafjen
ber 93eo5ßerung laflete. Sleußert er gelegentlid^ feinen UnmiSen
barüber, baß 9(bel unb i$ürften in beutfd^en Sanben aOed an ^
reißen, fo empSrt il^n bad Umfid^greifen bed 9Bud^S nod^ oiel
— 317 —
mtf^x. Sd^on 1525 j^oüe et toiber ben Sßud^ev gefd^rieben, bann
l^otte er einige @ennone unb Sebenlen wibet benfelben Detöffent«
lid^t, aü et ober fa^, wie bod Uebel immer }unal^m, gab er 1540
bie Sd^t: ,,9ln bie $farrl^erm miber ben SBud^er }u prebigen^'
l^eroud. „2)eutf(^Ianb ift gemeft, wad ed foDt werben; ber leibige
®ei) unb äBud^er l^oben ed )u ®runbe Derberbt/' fagt er l^ier unb
mei^ borauf l^in, mie man in Seipjig mergig üom $unbert nel^me ;
fo lönne ein Sfirger ober Sauer, ja aud^ ein gfürft ober Jlönig
in einem ^aJfx gefreffen werben. 3^^^ ^^ i^^ i^beS 3Mens
nel^men SEBud^, unb er münfc^t, ba^ bie Dbrigleit bemfelben mit
®emalt [teure, bod^ finbet er für ben ^äH, ba^ ber Sei^enbe burd^
fein ^inleil^en )U @d^aben lomme, bad t^forbem oon ,,@d^aben)ad^t
ober ^ntereffe'' bered^tigt, aud^ möd^te er alten Seuten, äBitmen
ober fonft bürftigen $erfonen ein ,,9lotn)üd^erlein'', b. 1^. bad
9le^men eined mäßigen 3inf ^^ gönnen ; miU ber itaif er bad aud^
anbem geftotten, fo möge er ed auf eigne äSerantmortung tl^un.
^SHe großen 9BeItfref(er aber, bie nid^t lönnen genug aufd ^unbert
nel^men, foQ man beibe im Seben unb Sterben bem Xeufel laf[en.''
@r fügt bann nod^ meitered über bie S^riftenpflid^t bed redeten
(Kebend unb Seil^end ^in}u.
Sine gcbrüdfte 3Renfd^enIIaf[e waren gu icncr 3«t bie Qu ben.
®d wäre ju oerwunbem gewefen, wenn biefelben an einen fo eim
flu^reid^en 3Rann, wie Sut^er war, ftd^ nid^t aud^ gewenbet l^ätten,
jumal ba er auS Slnlafe feiner Sibelüberfc^ung in melfad^e »e*
rül^rung mit i^nen fam. ®o finbcn wir benn, ba^ 1537 ein
3ube namens 3^el il^n bat, fid^ für i§n beim fturfürften px oer-
wenben. Sutl^er antwortete, fein ^erj fei gewefen unb fei nod^,
^ba^ man bie 3uben foSt freunblid^ l^alten, ob fie (Sott bermal^
eind woSt gnäbiglid^ anfeilen unb ju il^rem 3Ref{ta bringen, unb
nid^t ber aWeinung, ba^ fie burd^ meine (Sunft in il^rem 3^««^
geftärft unb ärger werben. S)aoon id^, fo mir (Sott Slaum unb
3eit gibt, wiH ein Süd^Iein fd^reibcn." 3)iefe8 erfd^icn aud^ im
folgenbcn S^l^re unter bem 3^itel: „@in ©rief wiber bie ©abbater",
veranlagt burd^ ben Uebertritt einiger Sl^riften )um Subentum.
@d wirb barin 9(nweifung gegeben, wie man bie iguben wiberlegen
unb il^nen beweif en foSe, ba^ ber 3Reffiad fd^on gelommen fei.
— 318 -
Sut^et nal^tn ftd^ l^ierauf Dor, nichts me^t oon ben Suben ober
toibet biefeCben }u fd^reiben. 91U fte aber nid^t aufhörten, bie
Sl^riften aum Ueberttitt )u oetlocten, unb fogar )U Sut^er felbfi
btei oon il^nen in biefer Stbfid^t lamen, [ie| et 1543 bie fd^orfe
Gd^ft „93on ben ^^[uben unb il^ve Sfigen^ oudge^en. @r
warnt, ftd^ in 2)idputationen mit il^nen einjulaffen, benn fte feien
oon Sugenb auf erjogen mit ®ift unb (SroQ miber unfern ^erm,
fo hai leine Hoffnung fei, fte }u fiberjeugen, bis fte bol^in lommen,
ba^ fte burd^ il^r ®(enb }ule|t mürb n)erben. S)arum roxfl er
nid^t für bie ^uben, fonbem ^r bie ß^riften, unb beren Glauben
)u ftärlen, etlid^e grobe Xorl^eit in ber 3uben ®lauben unb ätud-
legung ber @d^rift nad^roeifen, maS er fel^r auSfü^rßd^ tl^ut. Salb
borauf lie^ er bie ®d§rift ,;93om @d^em $amp^orag unb 9om
®efd^led^t Sl^rifti^' au§gel^en^ xootxn er bie ]tibifd§e Se^auptung,
ba^ 3^u3 burd^ 9[u3fpre^en beS ^eiligen S^j^ooal^namend in ian-
berif^er SBeife feine äßunber Derrid^tet l^obe, miberlegt unb 3^fu
Sbftammung Don 2)aoib nad^metft. 9$or ^[uben, meldte tild SHd^-
miften burd^ ,,il^re iübifd^e Xüde** ben Jturfürften ^[oad^im IT. von
Sranbenburg betrogen, f)at er biefen 1545 gemamt unb fid^ babei
über bie bamald fo fe^r im Sd^n^ange gel^enbe ^((d^pmie als über
einen ,, großen, fd^änblic^en Xrug'' fel^r nüd^tem audgefprod^en.
9iertfii kapM.
J^palfmtgjm vmtf %txgj^vni\(t im txgxttn Xager.
Was gelten mic^ bie btau%tn an, t>a% idf
fle foHte Hellten? Hidrtet il}r nic^t Me ba
brinnen finb? ^ Kor. 6, 12.
^iel fd^merjUd^er ald aSe 9(ngriffe feiner t^einbe n)aren für
Sutl^er bie 3^tmürfniffe, meiere im Äreife feiner greunbe unb ©e^
finnungSgcnoffen l^eroortraten. 3« feinen oerttauteften gfteunben
gehörte ^o^nn 9tgritola. 2)erfelbe fd^eint in feinem @^nU
amt )u @id(eben feine 99efriebigung nid^t gefunben unb ftd^ lieber
mit tl^eologifd^en f^ragen befd^iäftigt )u l^oben. 2)arum ftrebte er
— 319 —
oud^, t)on SiSleben, too er ftd^ mit bem ®rafen oon SRandfelb
übenootfen f^atU, toegjulommen unb Detlieg 1537 o^ne tpetteted
feine ®teQe. Sutl^er nal^m i^n freunbß(^ in fein $aud auf, oev-
traute il^m, ate er felb^ jum Jlonoent nad^ @d^mallatben reifle,
bie gürforge für fein ©auSwefen unb oerfd^affte i^m oom Äur«
fürften einen ®e^alt fomie bie (Srmäd^tigung, SSorlefungen ju
galten unb ju prebigen. Slttein nun fprad^ berf ette in 5ßrebigten
unb fonft bie 3Cnfid^t oom göttlid^en ®efe| auS, n)elci^e il^n fd^on
frül^er (©. 256) ju einem Singriff auf 5IReIand§tl^on ocranla^t §ottc.
2)ad ®efe$ gel^öre nid^t in bie Aird^e fonbem aufS Slatl^aud, unb
)ur 93u^e muffe ber 3Renfd^ nid^t burd§8 ®efe| getrieben, fonbem
burd^ bie $rebigt oom getreujigten Sl^rifto gelodtt merben. £ut^er
prebigte gegen bief e 3Reinungen, jjebod^ ol^ne 9(griIolag Flamen )u
nennen. 3)iefer gab auf ben il^m gemad^ten äSorl^alt befriebigenbe
@rtlärungen, verbreitete bann aber @ä$e, in n)eld^en bie frül^eren
SCnftd^ten mieber^olt n)urben. Sut^er mar fel^r jornig, ate il^m
biefelben }u Rauben lamen. @r leitete älgrilolad Sluftreten au3
9teib, $a^ unb Sl^rgeij ai unb mar geneigt, ben äBorten bed
©rafen von 3Rangfe(b beijuftimmen, ber il^m über jenen ge-
fd^rieben l^atte: „@g fled(t ein SRünjer bal^inter." @r trat aud^
in fed^d Disputationen, in meldten er bie Seigre t)on ber S3u^e unb
üom ®efe| grünblid^ erörterte, ben „Sntinomem" ober ®efe$e8?
ftürmern entgegen. 3)er Äurfürft ©ermittelte, ägrifola crflärte
fui^ jum 3Biberruf bereit unb ermöd^tigte Sutl^er, benfelben in
feinem Flamen auSjufpred^en. S)iefer tl^at baS in einem ©d^reiben
an ben Pfarrer ®ütte( }u @igleben. @r äußerte ftc^ barin atxi)
borüber, mie mel^e il^m biefer (Streit tl^ue. 9tad^bem er mel^r
benn gmanjig @turmminbe unb Slotten erlitten l^abe, fel^e er mol^l,
ba^ mit atten fotd^en Kämpfen für bie 9lad§Iommcn leine Slu^e
gefc^afft fei, benn „ber 3^eufel lebt unb regiert. Darum bitte id^
um eine gndbige @tunbe unb begel^re bed SBefenS nid^t me^r.^
@d ftanb nid^t lange an, fo lam eS ju neuen 3^tn)ürfniffen jmifd^en
beiben 5Kännern, bie bis ju einer Älage beim Äurfürften fül^rten
unb nur baburd^ ein @nbe nahmen, bag 9lgri!ola 1540 als ^re-
biger nad^ Berlin berufen mürbe. Dbmo^l er oon bort aus aber-
mals 3Biberruf leiftete, fo moQte ioi) Sut^er nid^tS mel^r mit il^m
- 320 —
)u fd^affen l^aben unb äußerte {td^ totebetl^olt mit fd^metjlu^er
SUtevIeit übex x^n. @r toor frol^, il^n lod pi fein unb fprad^ ftd^
in ben fd^&rfften äBorten ttiet feine in iebet SSen^egung feined
Seibed ^erpotttetenbe SiteUeit unb nta^Iofe Sl^rfud^t oud. äUd
berfeI6e fpäter ju Sefud^ nad^ äBittenberg tarn, Ix^ er il^n qax
nid^t oor; nur feine t^vau unb 2^od^ter, bie il^n Begleiteten, finrod^
ex, fül^Ite ftd^ ober butd^ bad eitle SBefen ber leiteten l^öd^ft um
angenel^m betül^rt.
@in anbtet Smz^palt unter ben ^eunben Sutl^erä, ber, n)ie
er felbft befürd^tet l^atte, nad^ feinem 2!obe )um ooQen äluSbrud^
iam, mad^te fid^ je^t f d^on, n)enigftend in feinen Stnf ängen, bemerllid^.
3[n ber jmeiten SSeorbeitung feiner Loci, biefer erften n)if[enfd^aft?
lid^en S)arfteKung ber eoangelif d^en ©laubendlel^re, l^atte SReland^t^on
im Qafyc 1535 bem menfd^Iid^en äSiSen, fofem er gegen feine
©d^mad^l^eit ontämpfe, einen Slnteil an ber Setel^rung jugefd^rieben,
mad f>on fold^en ^eunben Sutl^erd, n^eld^e bie Seigre vom völligen
@ünbenverberben bed 9Renfd^en in il^rer fhengften ©efblt ver-
traten, n)ie ftonrab ftorbatud unb SlmSborf, übel vermerlt mürbe.
S)a jebod^ Sut^er ftd^ in feinem Vertrauen }u SRelond^tl^on nid^t
ine mad^en lie^ unb ber @ad^e teine meitere f^olge gab, fo mürbe
ber äludbrud^ eined Streites vermieben.
9tod^ fd^mer}lid^er als biefe äSerfd^iebenl^eiten in ber Seigre
mar für Sut^er bie äBal^mel^mung, meldte fid^ il^m ie langer je
mel^r aufbrängte, ba^ bie evangelifd^e äßal^rl^eit im beutfd^en äSolfe
nid^t bie ge^offten ^d^te fürs SeBen trage. 3ntmer Bitterer
merben feine Alagen über ben fd^nöben UnbanI in allen @tänben
gegenüber bem Evangelium, fo ba^ er fid^ laum nod^ über bie
meitere äSerbreitung ber evangelif d^en Seigre freuen tonnte. Siamentlid^
bie ftttlid^en S^ftänbe in SEBittenBerg maren für i§n fel^r BetrüBenb.
ä3ei ben ©tubenten l^atte er über Unjud^tSfünben }u Ilagen, bei
ber Sürgerfd^aft über ®ei} unb äSud^er. 2)al^er erlief er 1542,
ald er burd^ Jlranll^eit am ^^^rebigen gel^inbert mar, eine SSer^
ma^nung an bie UniverTttät, ben fRcA unb bie Sürgerf^aft )u
SBittenberg. „3d^ bitte," l^ei^t eS ba, „beibe ©tabt unb ©djule
um ®otted miDen, ba^ fie nid^t moQten bad ©efd^ei laf[en über
ftd^ gelten, ba^ fte fo lang unb fo reid^lid^ ®otteS SBort gehört
— 321 -
unb ftd^ bod^ nid^t allein nid^t gebeffert, fonbem aud^ je langer
je ärger vooxien roäxtn. 2)enn baS n)äre fd^redlid^ )u l^ören oor
©Ott unb ber 2Be(t, ba^ aSI^ie burd^ mid^ bei brei^ig ^al^ren mit
fd^n)erer SRü^e unb älrbeit bad @t)angelium geprebigt unb neben
mir aud^ Diel ^a^x burd^ anbre ; unb f oSte nun an meinem ®nbe
baS erleben unb l^ören muffen, ba^ eS nie ärger geftanben roeber
ie^t." ©0 ermal^nt er benn mit rü^renben SOBorten ben Slat, bie
Safter ju ftrafen, bie Sürger, bem ®eig ju fteuem, unb ben
,, ©ruber ©tubium", ftd^ ftitt, jüd^tig unb el^rfid^ )u l^alten. aber
biefe SBorte fd^eincn mcnig ^d^t getragen ju l^aben. 1545 mar
Sutl^er bcä Sebenä in Wittenberg fo überbrüf jig, ba^ er, auf einer
Ileinen Sleife begriffen, in einem Sriefe an feine grau ben Snt*
fd^Iu^ augfprad^, nid^t ba^in iurüdjulel^ren. „3Rein ^erj ift ertaltct,
ba^ id^ nid^t mel^r gern ba bin; i^ vooUt aud^, bag bu verlauf teft
@arten unb $ufe, $auS unb ^of, unb märe bein 93efted, ba^ bu
bid^ gen gwöborf fe^tcft. 9tur weg auS biefer ©obomal SQBitt
alfo uml^erfd^meifen unb el^e baS SSettelbrot effen, el^e id^ mein
arm alt te^te 3^age mit bem unorbigen SQSefen ju SQSittenberg
martern unb tjcrunrul^igen miH." 9tur burd^ bie Sitten ber Uni?
Derfttät unb bie 3SorfteQungen beg ßurfütften lie^ er ftd^ }ur Slüd-
fe^r bewegen. 3" ^^wi/. w^aS i^m baS Seben in SBittenberg fo
entleibete, gehörte aud^ ein ©treit, in meldten» er mit ben fünften
geraten mar über bie l^eimlid^en, b. 1^. ol^ne SBiffen ber ®ltern
gefd^el^enen 38erlöbniffe, meldte er für ungültig erllärte, mäl^renb
jene für il^re @ü(tigteit ftd^ auSfprad^en.
^ehen biefen affgemeinen fittlid^en ©ebred^en, meldte in ber
jungen coangelifd^en Sird^e fid^ Jagten, mar e8 ein einjelneä
älergemiS, meld^cS Sutl^er unb äffen, bie eS mit ber Bai)e be^
ScangeliumS gut meinten, fd^meren Äummer bereitete. 2)er
Sanbgraf ^l^ilipp »on J&effen mar unglüiKd^ tjerl^eiratet mit
einer 2^od^ter be§ §ergog§ ®eorg von ©ad^fcn. @r l^atte fid^
mel^rfad^er el^elid^er Untreue fd^ulbig gemad^t. äCber bie eoange^
lifd^c aSal^rl^eit n>eiU x^m baä ©emiffen auf, fo bafe er längere
3eit nid^t jum äbenbmal^I px gelten wagte. 3)a meinte er, inbem
er auf baS Seifpiet ber ^atriard^en fid^ betief, burd^ SSerl^eiratung
mit einer jmcitcn %xau neben ber erften lönnte i^m geholfen
©urf, 2utl()er. 3. Slufl. 21
— 322 —
werben. S)urci^ ä3u|et§ SSermittelung erbat er jtd^ von Sutl^er
unb Wltlani)tf)on ein (Sutad^ten in biefer ©od^e. 2)iefe gaben
baäfclbc in UebereinfKmmung mit 8u^er am 10. S)egembcr 1539
bal^in ab, ba^ bie ^Ronogamie tro$ ber bei ben ^atriard^en ftd^ fin-
benben unb aud^ t)om ®efe$e 3Rojtd um ber menfd^Ud^en ©ebred^-
lid^feit miSen jugelaffenen SSielmeiberei für bie eigentlid^e unb
ur jprüngKd^e Drbnung (Sotted )u l^alten, bal^er ba§ 9lel^men mehrerer
flauen nid^t burd^ ein aSgemeined ®efe^ gu geftatten fei. 3)od^
iönne in befonberen %äUtn eine S)idpenfation eintreten. @ie
befd^n)ören ben Sanbgrafen, bie ®a6)t mol^I ju überlegen, inbem fte
barauf l^inroeifen, wetd^e ®efal^r eS für bie öffentlid^e Drbnung,
für bie Ba6)^ bed ®t)ange(iumd unb für feine eigne Stellung
bräd^te, n)enn ein fold^er @d^ritt rud^bar mürbe. S^%i^^ ^^
jeugen fte il^m, meldten Aummer il^nen fein unleufd^eä Seben be-
reitet l^abe, bitten il^n, bergleic^en @ünben nid^t nai^ bem 3BeIt^
braud^ gering ju ad^ten, unb mad^en barauf aufmertfam, bag, menn
er nid^t lerne feine Segierben ju jäl^men, er aud^ mit jroei grauen
nid^t jufrieben fein merbe. ©ottte er aber feft entfd^toflen fein,
eine jmeite grau }u nel^men, fo befd^mören fte il^n, bieg inSgel^eim
ju tl^un, bamit fein 3lergemiS entfte^e. 9Kit biefer ®infd^ränfung
fönnen fic il^re Swftw^^w^wttö geben, ba bie im ®efe^ geftattetc
^oppelel^e Dom Soangelium nid^t t)erboten merbe. SNluf ®runb
biefeS ®utad^ten§ unb nad^bem aud^ feine grau jugeftimmt, doS-
30g $^i(i|)p feine äSermäl^lung mit bem @belfräu(ein Margarete
t)on ber ©aal in ®egenroart tjon SJleland^tl^on unb S5u$er.
SJiefer SSorgang J^at Sutl^er unb feinen greunben in alter
unb neuer ^t\i »iel SSorroürfe jugejogen. ©ofern biefelben oon
tömifd^er ©eitc fommen, fann il^nen baS SSerfal^ren ber römifd^en
Äurie in ßl^efad^en ber 3Kad^tl^aber entgegengel^alten werben, »on
^einrid^ Vin. an bi§ auf Sfapoleon I. 3)aSfeIbe jcigt mel me^r
^olitif unb met weniger ®eroiffenSemft afö jenes a\x^ SKeland^^
tl^onS geber ftammenbe ®utad^ten ber Sleformatoren. 3)a8 festere
ift nid^t a\x^ furd^tfamer 9tad^giebigleit gegen bie SBünfd^e eines
gürften ju erflären, fonbem auS ber ©rroägung, bafe, wenn nur
bie SBal^I fei groifd^en Sl^ebrud^ unb 3)oppeIel^e, bie festere, afe
Don &oiX nid^t bireft verboten, für baS Heinere Uebel ju galten
— 323 —
fei. @d^on ftü^et l^atte Sutl^er in Sejiel^ung auf ^eittrid^ VIII.
fid^ ba^in audgefptod^en , ba^ eine S)o))))e(e^e nod^ e^er }u
bulben n)äve a(d eine eigenmäd^tige ©d^eibung. 2)amit foQ aber
eine ^anblung, übet bie ftd^ Sutl^er fon)ol^l ald 3Reland^tl^on
tief gebeugt l^aben, nid^t gered^tfertigt werben^ unb nod^ n)eniget
bie äludflüd^te, ju n)eld^en Sutl^et in feiner äSerlegenl^eit riet,
^ie ®a^ blieb natürßd^ nid^t verborgen unb oeranla^te
tti^t nur niele @d^öl^ungen ber ®egner, fonbem aud^ fel^r um
cngenel^nte SSerl^anblungen jroifd^en ben t^ürften, weld^e an ber
€pi|e beS beutfd^en^roteftantidmud ftanben, bemSanbgrafen einer^
jeitS unb ben föd^ftfd^en t^ürften anbrerfeitö. Sutl^er roax ungel^olten
tiber bie SSeröff entlid^ung , er erlldrte bei einer 3uf<^^^^nlunft,
toeld^e er unb 5tan}(er 93rüd( mit ben äCbgefanbten bed Sanbgrafen
in ®ifenad^ l^atten, ed fei unmöglid^, bie @ad^ öffentlid^ )u oer-
teibigen; er n)oQe lieber fagen, ba^ er geirrt unb genarrt l^obe,
itnb um SSergei^ung bitten, benn bad älergemig fei }tt gro^ unb
iinertröglid^. SSor (Sott jmar moQe er bie @ad^e nad^ bem Seid^t-
^e^eimnid unb ber 9lotn)enbigIeit oerteibigen, ober oor ber 2Be(t
itnb bem je^t l^errfd^enben Siedet lönne unb moDe er fte nid^t oer-
leibigen. ^efonberS fd^mer laftete biefer $anbe[ auf SReland^tl^ond
^cmüt, fo hai er ju SBeimar l^eftig erlranfte. S)er Äurfürft lie^
Sutl^er oon SQBittenberg herbeirufen. S)icfer traf feinen ^eunb
iemu^tlod unb n)ie einen @terbenben. @rfd^rod(en fprad^ er }u
feinen Segicitem: ,,Scl^üt (Sott, wie l^at mir ber 3;eufet bicfeä
Organon gefd^änbet!" hierauf menbete er ftd^ }um t^enfter unb
Jbetete. ^^Slttba" — fo erjä^Ite er felbft — ,,mu^te mir unfer ^err-
^ott l^er^alten. Senn id^ marf i§m ben ®ai vor bie ^l^üre
unb rieb il^m bie Ol^ren mit aSen feinen SSer^ei^ungen ber ©Aet^-
'er^örung, bie id^ in ber l^eitigen @d^rift gu ergäl^(en mu^te, ba^
er mid^ mugte erl^ören, n)o id^ anberS feinen SSerl^ei^ungen trauen
fottte." 2)onn ergriff er ben Äranfen bei ber $anb unb fprad^:
„©ei gute« 3Kut8, ^pi^iKppe, bu wirft nid^t fterben. Obwohl ®ott
llrfad^e l^ättc ju töten, fo mU er bod^ nid^t bcS ©ünber« 2:ob.
'S)arum gib bem 3:rauergeifte feinen Slaum unb mcrbe an bir felbft
lein SRörber." Unter fold^er gufprad^e fom SKelanc^tl^on mieber
jum Semu^tfein, menbete fid^ ju Sutl^er unb bat x^n um (Sotteä
— 324 -
tDiDen, er foUe i^n lafjen l^injiel^en, eS lönne il^tn bod^ nid^t^
äSeffered tDtberfal^ten. 3)arauf fprad^ Sut^et : „Wlit mieten, $l^i?
Uppe, bu mu^t unferm $erm ®ott nod^ toeiter bienen/ unb
als jener ftd^ iDeigerte, @peif e }u nel^men, rief er il^tit )u : „$örft
bu, ^l^ilippe ! lurjum, bu mu^t mir ejf en , ober i^ Ü)ne bid^ in
ben 99ann/' 3Re(and^tl^on bezeugte fpäter, er fei burd^ göttUd^e
^raft ins Seben gurüdCgerufen n)orben unb n)ürbe ol^ne Sutl^er^
3)a)n)ifd^enlunft geftorben fein; aud^ Sutl^er fd^rieb feine @enefung
einem offenbaren SQBunber ®otteS ju.
^and^e 3Bibem)ärtigIeit entftanb für bie eoangelifc^e Ba^e
baraud, ba^ ber Jturfürft von ®ad^fen gegen Sutl^erS unb be^
^anjlerd 99rüd( ^at bad erlebigte 93igtum Staumburg bem fRilo^
laug älmSborf oerlie^, xoäf^xeni ba3 S)omIapiteI ben ^uliud oon
$flug gewählt l^atte. @r berief fid^ jur Sied^tfertigung biefeS
@d^ritted barauf, ba^ oon jel^er auf bie äBünfd^e beg Sanbedl^erm
bei ber Sefe^ung bed SSif^ofi^ftul^Ii^ Stüd^ftd^t genommen morben
fei. Slm 20. Qanuar 1542 mürbe ber neue Sifd^of »on Sutl^er
unter Slffiftenj anbrer ©eiftlid^er gemeil^t, nad^bem bie ©emeinbe
burd^ ein ,,9Imen" il^re 3wftimmung gegeben l^atte. $in ber
©d^rift: ,,@£empel einen redeten d^riftlid^en S3ifd^of ju
meil^en'' §at Sutl^er über biefen SSorgang berid^tet. äluf iat^o^
lifd^er Seite erregte bie @ad^e ben größten 9(nflo^. 2Bar bod^
bag, mag nad^ römifd^er Seigre für bag bifd^öf lid^e älmt bag 9Bef ent^
lid^fte ift, nämlid^ bie apoftolifd^e ©ucceffion, b. f), bie oon ben
älpofteln an ununterbrod^ene Uebertragung ber bifd^öf lid^en 3(mtg-
gnabe oon einem 93ifd^of auf ben anbem, in äBegfaK gelommen.
älber aud^ anbre @d^mierigfeiten erl^oben fic^. 2)ie }ur 9leuorb?
nung ber lird^lid^en fßerl^ältniffe nötigen @inrid^tungen, mie j. S.
bie @infe|ung eineg ßonftftoriumg, oerjögerten ftd^ burd^ Saum::
feligleit beg $ofg, unb ber neue Sifd^of l^atte unter ber 3Ri^gunft
beg am $ofe einflu^reid^en älbelg, biefer ,, Kentauren, meldte
aUeg gemiffenlog oerfd^Iungen l^aben'', ju leiben.
3ivi6) ber @alramentgftreit regte ftd^ aufg neue. Sut^er ^örte
oon ba unb bortl^er, ba^ }minglifd^e äCnfid^ten Eingang finben.
@o Ilagten il^m bie eoangelifd^en Sl^riften im ®ebiet oon äSenebig
nid^t nur über Verfolgungen, fonbern aud^ über 38ermirrungen^
— 325 —
loeld^e burd^ ben SalramentSftreit unter il^nen entftanben feien.
3n feinet Slntroort oom 11. Suni 1543 teilt er i^ncn mit, baft
mit einem %eH ber ©alramentierer bie Sintrad^t l^ergefteSt morben,
bag ober bie ©d^meijet, ttamentUd^ bie 3^^^^^^^ ^^f ^W^ ^^i=
rmn^ beharren. @r mantt dot ber ®emeinfd^aft mit i^nen. ^n
bemfetten (Sinne fd^rieb er bem Sud^^änbter ^^ofd^auer in 3örid§,
ber il^m ein Sjremplar ber S3i6etü6erfe^ung oon Seo 3ubä über-
fanbte, ba§ er mit ben bortigen ^rebigem feine (Semeinfd^aft l^aben
Unm. Um fo übenafd^enber mu^te ed für il^n fein, ben SSerbad^t
augfpred^en )u l^ören, bie SEBittenberger feien felbft ju ben ©alra-
mentierem übergegangen. @r erUärte ftd§ benfelben au^ bem Um^
ftanbe, ba^ in 98ittenberg bie @Iet)ation, b. f), bad @mpor§eben
bed S3rote3 unb SBeineS im Slbenbmal^l, abgefd^afft morben mar.
S)urd^ aDed bied fal^ er ftd^ oeranla^t, feiner Stellung )u ben
@a!ramentierem nod^maU einen unmi^Derftänblid^en 9(ugbrud^ ju
geben, unb tl^atbaS 1544 in feiner ©d^rift : „ÄurgeS SelenntniS
Dom l^eiligen ©aframent'', in roeld^er er afö einer, „ber nun
auf ber (Sruben gel^t", ftd^ t)on il^nen, nad^bem jte oft genug oer^
mal^net ftnb, aU von Seuten, bie bal^in gegeben ftnb unb )um
^obe fünbigen, lodfagt. 3)leIand^tl^on, Aruciger unb anbre ^eunbe
miftbiffigten bie $cftigfeit, mit mcld^er Sutl^er ben ©alramentsfireit
erneuerte; ber erftcre fürd^tete, er möd§te aud^ miber il^n fd^reiben,
ba er in feinen Loci, mie in ber 1540 oeranftolteten neuen Aus-
gabe ber ä(ugdburgifd^en ftonfeffion, ber fogenannten äSariata, ber
Sutl^erifd^en Seigre t)om ä(benbmal^I bie ©pi|en abgebrod^en l^atte.
6r mar für bicfen gaU entfd^tojfen, SEBittenberg gu »erlaffen.
Sutl^er aber fc^roieg unb fprad^ nid^t einmal in vertrauten ©riefen
eine Unjufriebenl^eit mit feinem ^reunbe aus. @o blieb baS 93er-
^ältniS beiber ungeftört bis )u Sut^erS %cb, älud^ gegen bie
Sürid^er, meldte auf fein „lurjeSSelenntniS'' lateinifd^ unb beutfd^
ermibert l^atten, rooHte er feine weitere ©d^rift fd^reiben. ®r mar
es t)ielmel^r rool^l jufricben, ba^ fie mit il^rem eigenen, öffentlid^en
SeugniS bezeugten, ba§ fie feine geinbe feien. ^SQSol^l bem, ber
nid^t manbelt im "äate ber ©aframenticrer." S)orin fa^t er alles,
n>aS er nod^ )u fagen l^at, jufammen.
— 326 —
JiünfU» ütapitef.
ZUac^e ben Hanm beiner Q&tte ireit, —
benn bn mixfk ausbrechen iuv Hechten nntv
Snr Cinfen. 3^)« ^/ 3.
'ilcH^betn ber Jtatjer butc^ bie äBeigeiung bet ptotefiantifc^m
dürften, bad Jtonjil ju 6efd^icten, aSe 3Rü^e, toeld^e et auf ba^
3u{]tanbeIommen begfel6en oertpenbet f^atte, verlöten fal^, blieben
il^m nut )n)ei äSege, bie {itd^lid^e ©paltung in S)eutfcl^Ianb bei-
gu(egen^ bet ber ®ttoali unb bet biteftet SSetl^anblung mit bett
ptoteftanti[d^en ©tönben ol^ne ®inmifd^ung bed $apfted obet einei^
ftonjilS. Snn&^^t fd^ien et ben etfteten betteten )tt wollen. @r
mad^te mit bem ftanjöjtfd^en Äonige einen ge^njäl^tigen SSBaffen-
ftiffftanb, unb bie lal^olifd^en dürften SJeutfc^lanb« fd^Ioflen ju
92ütnbetg ein 99ünbniS^ meld^ed gegen ben fd^maßatbifd^en 99unb
getid^tet mat, unb in n>e(d^em ^etjog $einti(!^ von 93taunfd^n>eig
gum Stiege btängte. 9Son ben SRüftungen gegen bie SCütf en,
n)e(d^e bet Aaifet eiftig betrieb, meinte man, fie feien eigentlid^
gegen bie $toteftanten gerid^tet. 5tein 3Bunbet, ba^ biefe bie
gtage nad§ bet Seted^tigung eine« gcmoffneten SBSibetfianbeä et^
mögen. Sutl^et, vom fianjlet 93tüd( um ein (Sifiad^ten angegangen^
fptad^ fid^ entfd^ieben füt bad Sfted^t bet ©egenmel^t auS; ,,an)U2
gteifen abet unb mit 5trieg fo(d^em 9iat bet t^ütften guvotfommen
motten, ift in feinem SEBeg ju taten. — SEBo abet bet Sanbgtaf
nid^t moDt folgen, fonbetn fottfal^ten, ift mein gnäbiget $ett nid^t
fc^ulbig )u galten baS 93etbünbni§.'' 9Cud^ ben SBibetfianb gegen
ben Äaifet ^ält et je^t füt etlaubt, benn et fielet im Äaifet nur
ein äSetfjeug beg ^apfteg, unb gegen biefen bfitfe man ebenfo^
mol^l ftrieg füllten mie gegen ben 2^ütlen. 2)od^ foS man bem
Jtaifet bie $ilfe gegen bie Xütfen gemiffen^aft leiften unb ftd^
bavon aud^ nid^t butd^ bie SSefütd^tung abgalten Iaf[en, et möd^te
nad^ etlangtem @ieg „ben Spie^ .gegen und leisten''.
9(fö fpötet bie ^ütfengefal^t bringenbet mutbe, ba geigte et
— 327 —
in fcitict „SSertnal^nuttg jum ®c6ct wiber ben %üxUn"
1541 , ba^ biefe 9lot eine Strafe beg Unbanfg fei, n)elci^en ba$
beutfd^e SSoII gegen bad liebe ®ottegn)ort Bemiefen l^abe, unb ber
Dielen @ünben, beten 2)eutfd^lanb doK fei. Saturn foSe man ober
nid^t t)et2n)eifeln, fonbetn 93u^e tl^un. ^ndbefonbete foUe man
aud^ bie JttiegSleute gut S3u§e mal^nen. S)ann foQ man fid^ }u
®ott feilten in ted^tem ®ebet. S)abei gibt et eine 9(nn)eifung
jum öffentlid^en Äitd^engebet wibet ben S^ütfen, inbem et aud^
baS Sieb: „@t§alt unä, $ett, bei beinem SBott", roeld^eg et ba«
malg bid[)tete, gu fingen empfiel§(t. S)ie abet n)ibet bie Mittlen gu
gelbe giel^en, follen bebenlen, bafe pe nid^t roibet 50lenfd^en, fon*
betn reibet ben 2ieufel ju ftteiten l^aben, unb fid^ beSl^alb nid^t
auf fleifd^Iid^e SSSaffen oetlaffen. 3)ie Äinbet abet fott man ben
ftated^idmud (etnen Iaf[en, bamit fte, reenn fie reeggefül^tt metben,
etn>a3 nom d^tiftlid^en @(auben reiffen.
S3eim Äaifet gewannen inbcS ftieblid^e ©troägungen bie Dbets
l^anb; unb im gtül^ial^t 1539 einigte man fid^ in ^anffutt, auf
einet SBetfammlung bet beutfd^en ©tänbe übet bie SSeteinigung
ju ^anbeln unb injroifd^cn bie beim Sleid^Sgetid^t gegen 5Pto=
teftanten anl^ängigen $to)ef{e wegen ütd^lid^et 9lnge(egen§eiten
tul^en gu (äffen.
@^e eS abet ju bet in SluSfid^t genommenen SSet^anbtung fam,
erfüllt bie enangetifd^c Partei einen ctl^eblid^cn SWad^tgumad^g.
^etgog ©eotg von Sad^fen, biefet alte @egnet Sutl^etS, bet
jugleid^ ,,ein ed^tet ^Pfaffenfeinb" roat, l^atte, afö bie 2luäfid^t auf
ein Äonjit junid^te mutbe, batan gebadet, in feinem Sanbe auf
eigene $anb litd^lid^e ^i^btäud^e abgufteQen, mat bann abet plö^Iid^
geftotben, nad^bem il^m feine beiben ©öl^ne fd^nett nad^einanbet
im 2iobe ootangegangen maten. Det ältete betfelbcn, $etjog
3lol&ann, foll einft butd^ ben 3KaIet SuIaS Ätanad^ Sutl^et l^aben
fagen laffen, wenn et einmal gut Sftegietung lomme, fo fotte jener
an il^m einen l^atteten geinb ^abcn aU an feinem 35atct. ©at«
auf l^abe Sutl^et läd^elnb geantwortet, §ergog $anS foffe brauf
benfen, wie er felig fterben wolle, fein ©rollen fürd^te er nid^t,
benn er wif{e gor wol^I, ba^ er feinet äSaterS 2^ob nid^t erleben
werbe. S)erfelbe ftarb ben 21'. Qfanuar 1537, ber jüngere ©ol^n
— 328 —
bcn 26. Sfcbruar 1539, unb bct SSater bcn 17. april 1539.
Sutl^ev ertannte baritt baiS 3Balten (SotteS, bev bie 9(nfci^Iäge feiner
t^einbe junid^te mac^t. Unb n)te fel^r bie $lane berfelben buvd^
®eorgd Xob burd^fteujt n)utben, )ei()t ber äCuSruf bed ^erjogd
^einrid^ oon 93raunfd^n)eig, er tooUU lieber, ba^ ®ott im $immel
geftorben wäre. 2)aö ^erjogtum ©ac^fen fiel nun an ®eorg3
äruber, $erj09 ©einrid^, ber ftd^ beeilte, bie SReformation einju=
fül^ren. $atte (Seorg furj oor feinem Xo\>z ben SluSfprud^ ge^
tl^an, bie ©oangelifd^en werben auf 5ßfingften nid^t wiffen, roo fie
bleiben fotten; fo l^ielt nun^an eben biefen ^Pfingften ba8 oon il^m
»erfolgte ßoangelium feinen ftegreid^en ßinjug in feine $aupt'
flabt Seipjig. gütiger fam mit feinen greunben in bie ©tabt unb
prebigte am SSorabenb beS 5ßfingftfefte8 in ber ^oflopclle ber
?JIei^enburg na.d^ 3o^. U, 23. 31 über ben Unterfd^ieb amifc^en
ber Äird^e ß^rifti unb ber Äird^e beS 5ßapfte8. «m ^^ngftfcft
rourbe in ber ©t. SRiloIailird^e geprebigt, morgens t)on 3fona8,
abenbs von Sutl^er unter ungel^eurem 3wi>'^Äng beS SSoIIeS.
3n bemfelben Qal^re trat Äurfürft ^oad^imll. »on Sram
benburg, ber 1535 feinem ftreng papiftifc^en 35ater Qioad^im I.
in ber Slegierung gefolgt mar, ber Sieformation bei.
S)iefe 3Sorgönge nötigten ben Äaifcr, auf bem eingefd^Iagenen
SBege einer frieblid^en SSerftänbigung ^u oerl^arren. 2)ie in fjranf -
fürt oerabrebete 3ufammenlunft fanb im Qlutti 1540 in $ agenau
ftatt. @g lam aber bort fo menig )u ftanbe ald im $erbft beS^
felben Sal^reS ju SEBormS, rool^in 3KeIand^tl^on unb Äruciger ent=
fanbt mürben. Sutl^er l^atte oon Anfang an menig erwartet. „Ss
ift ber flugen äSelt ^öd^fte SCI^orl^eit eine, ba^ fte (k^rifti ©(iebma^
unb be§ 3^eufefö ©cfetten einig mad^en mitt," äußerte er. 3)cr
Äaifer oerfd^ob bie weiteren SSerl^anblungen auf ben 1541 in
Siegengburg abjul^attenben 9leid^§tag. älud^ ba^in würbe wieber
^eland^tl^on abgeorbnet, obwol^l Sutl^er feine wieberl^olte Slb-
wefen^eit oon Wittenberg um ber Unioerfttät mitten nid^t gerne
fal§. Ueber^aupt erwartete ber le^tere wenig t^d^t oon biefen
SSer^anblungen. 2)ie ©d^rift, weld^e benfelben nad^ bed ftaiferd
SSäiffen ju ®runbe gelegt werben fottte, fd^ien il^m bie papfttid^e
Seigre jü fd^müdEen, unb oom ganbgrafen 5ßl^iHpp fürd^tete er att^
-- 329 —
ju grofec Stad^giebigfcit. a)aö StcKgionSjcfpräd^ tia^m feinen Anfang
am 27. »pril unb baucrte bid in bcn Suni. a)a »on latl^olifd^cr
Seite gemäßigte SKännet, wie SuKuS »on ^Pflug, babei mitroirlten,
fo einigte man ftd^ in viex mid^tigen artileln über ©tinbe, (Snabe
unb 3led^tfertigung. 3to^ nie waren bcibe %ÄU einanber fo na^c
gefommen, unb bafe bic Vertreter be8 Äatl&otiji§mu3 biefen är-
tifeln jupimmten, ift ein merlmürbigcr SerocU oon bem ®influfe^
meldten bie reformatorifd^e Sc^te aud^ in ben Äreifen il^rer Oegncr
gewonnen \^aüe. Slber je cntgegcnfommcnber fid^ bie ©egenpartei
augfprad^, befto roeniger traute Sutl^er. 2)a er bie römifd^e Seigre
als eine gang anbre fennen gelernt l^attc, fo erfd^ienen i^m bie
3ugefiänbnif[e als eitel Sügen, fo lange bie SBSiberfad^er il^ren
frül^eren Irrtum nid^t belennen unb roiberriefen. Um il^n umju*
ftimmen, fd^itften biejenigen proteftantifd^en ©tänbe, benen am
3uftanbeIommen ber Bereinigung am meiften tag, t)on StegenS*
bürg aus eine ®efanbtfd^aft an ü^n, an beren ©pi^e ber gfürft
x>on Slnl^alt ftanb. @r erllärte, man lönne auf bie ^Bereinigung
ringelten, wenn ber Äaifer jene »ier ärtilel frei laffe prebigen,
benn bann werben bie papftifd^en 3Keinungen in ben anbem Sirs
tifetn balb oon felbft bal^in fallen. 2lber bat)on wollte ber Äaifer
nid^tS wiffen, ba einem Äongil bie le^te ßntfd^eibung gebül^re.
9lud^ bie lat^olifd^en Sleid^Sftänbe weigerten fid^, ben SSergleid^
anjunel^mcn, unb üollenbs an ber Seigre t)on ber Srotoerwanblung
unb SWefle fd^eiterte bie ^Bereinigung , unb bamit war bie le^te
Hoffnung, bie ürd^lid^e ©inl^eit 3)eutfd^lanbS aufredet gu erl^alten,
gefd^wunben. 2)od^ würbe gegen baS 38erfpred^en, bcn ^erjog
oon Äleoe nid^t in ben fd^mallalbifd^en S5unb aufgunel^mcn unb
mit ^ranlreid^ fein SünbniS ju fd^lie^en, ber 5Rürnberger SReli'
gionSfricbe aufS neue oom Äaifer beftätigt, ba il^n bie S^ürfen^
gefal^r Don ©ewaltfd^ritten abl^iett.
Äaum war aber fo ber äußere 3f riebe gejid^ert, fo brol^tc
jwifd^en bcn ©liebem bcS fd^malfatbifd^en S3unbeS fetbft ein ©treit
auSgubred^en; weld^er bem beutfd^en ^roteflantiSmuS ben Unter-
gang l^atte bereiten. lönnen. ^m $er)ogtum ©ad^fen l^atte $eins
rid^ nur furj regiert, ©ein ©ol^n unb 5Rad^fotgcr 3Rori^, ein
l^od^ftrcbenber junger SWann, geriet mit bem Äurfttrften Qol^ann
— 380 —
^iebttd^ in @treit roegen bev DBet^ol^ett über bad 9lmt 3Bur}en.
Stünblid^ lonnte eS ju einem 3ufammenfto^ lommen. S)a rid^tete
am 7. 9(pril 1542 Sutl^er, ber in ber ganzen &ai)t ein vom 3)eufel
angeftiftetcS fc^änblid^eä älergemiä fal^^ an bcibe gürftcn unb beten
Sanbftänbe eine bringenbe @nnal^nung jum ^eben. @r meift
barauf ^in, mie baS 9Bort ®otteS f^ebe ju Italien gebiete bei
SBetluft ber eroigen ©eligfeit, uergleid^t bie beiben fjtitften, roeld^c,
ol^ne juDor ben 9Beg beS 9led^t3 ju betreten, um bed elenben
©täbld^enS SÖBurjen mitten ftd^ belriegen motten, mit jmei trunlenen
^auttn, meldte in ber ©d^enle um ein jerbrod^en ®taS pd^ fd^Iagen,
erinnert fte an bie ^Jreube, metd^e fie ben 2^ürfen unb ben geinben
bcS ßtjangeliumS bereiten, l^ätt il^nen bie griebliebe ^ebrid^ä beS
SJBeifen oor, erHärt, ba^ er auf bejfen ©eite trete, ber gncbe
unb 9led[)t anbeut, unb lünbigt bem anbern Xeil, menn er fotte,
bie emige SSerbammniS an. 33a aud^ Sanbgraf ?ßl^ilipp ©ermittelnb
eintrat, fo mürbe bie ©ad^e beigelegt.
aber menige SKonate nad^l^er lam eS auf einer anbern Seite
3U einem Iriegerifd^en StuSbrud^. $cinrid^ non Sraunfd^meig^
meld[ier feit bem 3^obe beS ^erjogS ®eorg ber feinbfeligjie unter
ben fatl^ofifd^en g^ürften unb babei perfönlid^ meit meniger ai^ibax
mar ate jener, l^atte fid^ mit Qlol^ann griebrid^ unb Sanbgraf
^l^ilipp überm orfen unb in einer ©d^rift gegen biefelben aud^
Sutl^er angetaftet, als ptte er ben Rurftirften §anS SBJorft ge-
nannt. $icburd^ rourbe Sutl^er veranlagt , i^n in ber ©d^rift:
„2Biber$anS SQSorft" entgegenzutreten. @r menbet bief en 9iamen
auf ben $erjog $einrid^ felbft an unb fertigt biefen „bef offenen
§an8 SBBorft" mit einer SJerbl^eit ah, meldte über bie feiner fon=
ftigen ©treitfd^riften nod^ l^inauggel^t; unb bod^ lam ed i§m beim
2)urd^Ief en biefer ©d[irift Dor, als fei er, mol^l infolge feines Äopf*
leibeng, att^u gemäßigt gemefen. ^m meiteren 3Serlauf ber ©d^rift
ftettt er bie eoangelifd^e als bie redete alte Äird^e ber römif^en
als ber neuen, falfd^en gegenüber, ©d^lie^lid^ »erteibigt er feinen
Äurfürften unb ben Sanbgrafen gegen bie Slnfd^ulbigungen beS
§crgogS §einrid^. Salb fottte bie ^Jeinbfd^aft biefer fjürften in
2:i^ätlid^feiten übergel^en.
§einrid^ griff bie ©tabt ®oSlar an, meldte baS Sleid^Sgerid^t
— 331 —
n>egen fird^ltd^er 9[ngelegenl^eiten in bie äld^t etHart l^atte. 3)a
aber bcr Äaifer ben Solfaug bct äd^t fufpenbictt l^atte, fo fallen
bet Äutfürft uttb bct Sanbgraf in jenem Angriff einen SanbftiebenS^
6tud§, jogen wiber ben $etjog unb eroberten in brei Xagen feine
$auptftabt SSoIfenbüttel, von welket er gerül^mt l^atte, fie lönne
eine fed^Siäl^rige 93elagerung auSl^alten. ^einrid^ mu^te fliel^en unb
im §erjogtum 8raunfd^roetg würbe bie Sieformatton eingeführt.
Sut^er rül^mte biefen ©ieg über „$einj SKorbbrenner'' als ein
Sßunber @otteS, bellagte aber, ba^ burd^ ^(ünberungen ber Sieg
gefd^änbet njorben fei.
@inen n)eiteren 3umad^d fd^ien bie eoangelifd^e @ad^e baburd^
gu gewinnen, bo^ bcr Äurfürft unb ©rjbifd^of oon Äöln ber Ste^
formation fid^ juwanbte unb )ur 3)urd^fül^rung berfelben 1543
5KeIand^tl^on unb 93u^er in fein Sanb berief, äud^ ber Sifd&of
t)on 9Künfter fing an gu reformieren. Sut^er äußerte fid§ fe§r
erfreut über biefe Ausbreitung beS ®oangeIiumS, freilid^ mit bem
betrübten S3eifa^: „Dl^n ba§ bei unS uiet böfe unb menig fromm
merbcn, mie man f priest: Sc ndl^er Slom, je ärger ©Triften; unb:
3[crufalem, bie J^eilige ©tabt, mufe allzeit baS Slcrgfte tl^un/
SSud^ war er ungel^alten barüber, ba^ bie lölnifd^e SHeformationS^
formet in ber Seigre com Sfbenbma^t ben ©d^märmen nid^t cnt-
fd^iebcn genug entgegentrat.
3)urd^ jene neu l^injugefommcnen (Sebiete mar bie 9Jlad^t ber
^roteftanten eine fo anfel^nlid^e gemorben, bafe ber Äaifer auf bem
1544 in ©peier gel^altenen SReid^Stag grofee 9lad^giebigfeit bcroieS
unb ium SSerbru^e bcS ^apfteS }ufagte, bie lird^lid^e f^rage auf
einem in 3)eutfd^Ianb ju l^altcnben affgemeinen Äonjit ober auf
einem Sieid^Stag gum 9(uStrage gu bringen, ^icburd^ liefen fid^
bie dürften beS fd^maßalbifd^en 8unbe8 bemegen, bem Äaifer Mf::
tige $itfe gegen %xani von ^anlreid^ ju leiften, über meldten fie
megen ber SRi^l^anblung ber SoangeKfd^en in feinem Sanbe unb
wegen feines SünbnifleS mit ben 2^ürfen entrüftet waren, ©o
befiegte bcr Äaifer feinen ®cgner unb jwang il^n 1544 jum
Rieben »on GreSp^. 9lun fofften bie fir^Kd^en 2lngelcgenl^eitett
georbnet werben. S)er ^ßapft würbe oom Äaifer genötigt, ein
Äonjil nac§ S^rient auSjufc^reiben, bcffen Sefd^Iüffen bie ^ßro^
— 332 —
teftanten ftd^ untermerfen foQten. @^e bagfeI6e nod^ jufammen^
trat, ftie^ Sut^er toieber in bie AriegSpofaune gegen baS ^apfttum.
3nt 3<^nuat 1545 l^atte er Jtunbe üon bent S3riefe erl^olten, in
tpeld^em $aul III. ben Jtaifer l^art angelaufen l^atte um ber o6en
enoöl^nten 3ug^ftö^bniffe miOen, weld^e berfel6e )u @peter ben
^roteftanten gemad^t l^atte. Sem jtaifer, l^atte er gefd^rieben, ge^
bü^re es nid^t, ol^ne ben $apft über ein ^onjil )u t)erfUgen ober
Seftimmungen ju treffen, wie eS einftweilen in ©ad^en beS Olau-
bend foQe gel^alten n)erben. SieS erregte Sutl^erS l^eftigen Un^
mitten unb er gab bemf elben ben f d^ärfften SluSbrudf in ber ©d^rift :
,,aBiber baS ^JJapfttum ju 3lom, oom 2leufel geftiftet/
3Jlan l^abe, fagt er in ber (Einleitung, feit Dierunbjmanjig ^al^ren
bei bem $apft um ein gemein, frei, d^rtftlid^ Konsilium in beut«
fd^en Sanben angel^alten, aber bie brei äSorte: frei, d^riftlid^,
beutfd^ — feien bem römifd^en §ofe nid^tS benn eitel ®ift, 3^ob,
3^eufel. ^ann werben brei ^agen eingel^enb unterfud^t: 1) ob eä
toal^r fei, bag ber $apft )u 9lom fei bad ^aupi ber Sl^riftenl^eit;
2) ob es mal^r fei, bag i^n niemanb lönne urteilen, rid^ten, ob-
f e^en ; 3) ob eS mal^r fei, bafe er l^abe baS römif d^e SReid^ t)on ben
©ried^en auf unS 3)eutfd^e brad^t. Sitte brei fjtagen werben oemeint.
93ei 93efpred^ung ber legten tritt Sutl^erS Patriotismus l^eroor.
@r }eigt, ba^ ber $ap(t )um 9leid^e nid^t ein $aar breit gegeben,
oielmel^r mit Sug unb ^rug unmäßig oiel bapon geftol^Ien l^abe.
3)ann ftettt er eine anbre ©d^rift gegen baS $apfttum in äluSftd^t
unb fd^Iie^t: „©terbe id^ inbeS, fo gebe (Sott, ba^ eS ein anbrcr
taufenbmal ärger mad^e. S)enn bie teuflifd^e ^äpfterei ift bad
leftte Unglüdf auf (Srben unb baS 3flä^efte, fo atte SJeufel tl^un
lönnen mit atter il^rer 9Rad^t. ®ott l^elf unS. Slmen." gcnc
jmeite ©d^rift folgen ju laffen, mürbe Sut^er burd^ feine ®efunb^
^eitSumftcinbe unb (Sefd^äfte oerl^inbert. Sod^ fatten nod^ brei
Jlunbgebungen gegen baS $apfttum in biefeS ^af^x, S)er Wlalet
öufaS Äranad^ griff in einer SReil^e t)on Silbern in berber ©atire
bad ^apfttum an, unb Sutl^er begleitete biefelben mit iurjen
SReimen; bann gab er bie ©d^rift: „5ßapftS'2ireue §abrianS IV. unb
älejanberS ni. gegen Raifer ^riebrid^ 35arbaroffa geübt" mit einer
Einleitung unb mit Sftanbbemerfungen l^erauS. Slud^ in biefer
— 333 —
@inlettuttg mac^t ftd^ ber nationale @inn Sutl^erd (enterlUd^, n)enn
er mit jtd^tlid^er Siebe unb Segeifterung t)on bem trefflid^en,
teuren, weiblid^en, fül^ncn unb ficgl^aften dürften, Äaifer griebrid^
rebet unb bann fortfö^rt: ,,Unb fold^ teuren 3Rann foQ fold^
unflätiger äSanft, fauler 93aud^, garftiger 9alg unb fd^nöber ©ad
... mit güfeen treten!" 3)ie ©efal^r, bafe Äaifer ftarl V. ftd^ jum
SBerijeug ber päpftlid^en $lane l^ergebe, fd^eint Sutl^er t)eranla|t
ju l^aben, bie Stnma^ungen, meldte fid^ bie köpfte früherer S^xt
ben Jtaifem gegenüber erlaubten, ind Sid^t )u fteSen. 3(ber aud^
feinen tl^eologifd^en ©tanbpunft gegenüber von ben römifd^en ^tr-
tümern ju bezeugen, erl^ielt er nodj einmal SSeranlaffung burd^ eine
erneuerte SSerbammung feiner Se^re feitend ber Xl^eo logen von
Söroen. @r moSte il^nen entgegentreten, aud^ menn er ben legten
$aud^ bran fe^en mü^te. @o fteSte er il^nen fed^dunbfiebjig @ä|e
gegenüber, in meldten er unter äSoranfteQung ber alleinigen
ätutorität ber ^eiligen @d^rift in ©laubendfad^en ben ^auptinl^olt
beS eoangelifd^en Selenntniffed nod^ einmal gufammenfa^te. ^ie^
mit ift ber Sampf gegen baS ^ßapfttum, biefe Hauptaufgabe feines
Sebeng, )u @nbe gelommen.
Ueberl^aupt mar bie 3^it ber SSer^anblungen je^t oorbei. 3)a
bie proteftantifd^en ©tänbe fid^ weigerten, baä Äonjil ju befd^idfen,
fo rüftete ber jtaifer §eimlid^ }um jtriege. S)enn mad^te er ber
jte^erei je^t nid^t ein @nbe, fo mar eS, baS fal^ er mol^l, balb
nid^t mel^r m&glid^. @d^on maren, ba aud^ ^ebrid^ t)on ber
^falj fein Sanb ju reformieren begonnen l^atte, oier oon ben fed^ö
Äurfürften eoangelifd^, unb aud^ ber 3lad^folger beä 1545 oer?
ftorbenen alten ^^einbeS oon Sutl^er, beS @r}bifd^ofS 9(lbred§t oon
SWainj, l^atte bie ^Reformation feine« SanbeS jugefagt. 2)a galt
e8 eile. 3lm 13. Sejember mürbe ba8 Äonjil gu Orient eröffnet;
auf ben Söwtiar 1546 mar ben ©oangelifd^cn nod^ ein SleligionSs
gefpräd^ }ugeftanben morben. älber oon älnfang an mar eS tlar,
bag man bie älbftd^t l^atte, eS ju leiner ^Bereinigung fommen gu
laffen. S)al^er hxatSfew fie baS @efpräd^ ab, 3^t mar {ein älud-
meg mel^r möglid^ alg bie @ntfd^eibung mit SBaffengemalt.
Sutl^er foSte ber ©d^merg erfpart bleiben, biefelbe )u erleben.
— 334 —
Jitilflt» Skapittl
Vit i^ntdfttn werben weggerafft oor
bem Ungiatf. 3ef- 57. t-
^ad^bem ftd^ Sutl^er t)on bem JtranlJ^eitöanfaQ, ber il^n in
€cl^malfalben betroffen, erl^olt l^atte, blieb er, n>enn er gleid^ bie
SCbnal^me feiner jträfte fd^merglici^ empfanb, t)on einer eigentlid^en
^ranll^eit längere 3^ii oerfd^ont. @rft aud bem ^af^x 1540 Igoren
n)ir wieber t)on Kopf leiben, ftarfem ©d^winbel unb äSraufen in
ben O^ren. @r erblidte barin bie SSorboten eined @d^laganf aSd
nnb fprad^: ,,@d^Iag §er, lieber $err S^fu, fd^Iag immer l^er. $^
bin fertig, meil id^ auf bein SBort abfoloiert unb mit beinern
t^Ieifd^e unb Slute gefpeift unb getrautet bin; lomm im Flamen
beS $enn. ^\t bod^ bein lieber Ö^nger @t. 3o^<^^n^d unb unfer
lieber jturfürft aud^ alfo auS biefem @Ienb abgeforbert/ 9lud^
im folgenben f^rül^jabr mar er mieber leibenb, fo bag il^m ber
Aurfürft feinen Seibarjt )ufd^id(te. 3)urd^ ^alS unb 9lafe ent-
leerte fid^ eine Unmaf(e @d^leim unb (Siter, bann )og fid^ baS
Hebel in baS linte Ol^r. @r l^atte unerträglid^e ©d^mergen, fo
ba^ er unter Xl^ränen, moju ed bei i^m feiten lam, um (Srlöfung
betete. @r l^ötte, fd^reibt er, gerne gefeiten, ba^ il^n ber $err
toeggenommen l^ätte, meil er bod^ nur menig nü^e fei auf @rben,
ober Sugenl^agen l^abe mit feiner anl^altenben t^ürbitte in ber
Kird^e fold^ed oer^inbert. 9iamentlid^ baS ©el^ör fd^eint burd^
biefen älnfall gelitten )u l^aben, benn nod^ im ^nni l^ei^t ed: „^d^
fange nad^ unb nad^ mieber an gu l^ören, obmo^l ba$ erftorbene
D§t biSmeilen ben ^ienft oerfagt/' 9(un lamen mieber leid^tere
^age, unb im SRörj 1544 lonnte er an bie Kurfürftin Sibylle,
meldte ju il^m unb feiner t^amilie in einem fel^r freunbfd^aftlid^en
$erl^ältnif(e ftanb, fd^reiben: ,^@d gel^t uns, gottlob, bef(er benn
mir ed nerbienen oor (Sott. 2)a^ id^ aber am $aupt untüd^tig
bin, iffc nid^t 3Bunber. S)ad ällter ift ba, meld^ed an i^m felbft
alt, lalt unb ungeftalt, !ranl unb fd^mad^ ift." ^m @ommer 1545
regte fid^ mieber baä alte Seiben, bie ©teinfd^merjen.
— 335 —
3u btefem !örperlid^en Seiben lam bie Trauer über ben Xob
feiner ^eunbc unb Sngel^örigen. Qm 3^^^ 1^38 rourbc er tief
betrübt burd^ ben Heimgang feinet f^reunbed :3oi^anned Steinede
von 5Kan8fetb (©. 26) unb beä i^m innig befreunbeten 9liIoIauä
^audmann, weld^er, a(d ©uperintenbent nad^ ^eiburg berufen,
bei feiner älntrittgprebigt t7om Sd^Iage gerührt warb unb ftarb.
SSie i^m 1542 ber %o\> feineg Xöd^terleind SRagbalene ju ^erjen
ging, i^obtn n)ir fc^on gehört. 3u Slnfang begfelben ^a^xe^ f^atte
er fein ^efiament gemad^t, in toel^tm er über feine hinter::
laffcnfd^aft gu gunften feiner ^xan verfügte ^\xm S)anl für il^rc
Siebe unb Streue unb bamit fie nid^t muffe ben Äinbem, fonbem
bie jtinber il^r in bie $önbe feigen, fie in (Sl^ren galten unb unter-
TOorfen fein, wie ®ott geboten l^abe.
9(ber aud^ in anbrer ^infid^t befteKte er fein Qau^ unb brad^te
baS SBer! feineg Sebend ju einem gemiffen älbfd^lu^. 3(n bie
Verausgabe feiner gefammelten Sd^riften badete er, oon mand^en
©eiten baju auf gef orbert , feit 1537. Äruciger übemal^m biefe
3Crbeit. 1539 erfd^ien ber erfte 33anb ber beutfd^en, 1545 ber
erfte 33anb ber lateinifd^en ©d^riften. ^n ber SJorrebe fagte er,
n)ie er nur auf n)ieberl^oIte3 bringenbeS 3^^^ben oon ^reunben
ftd^ l^abe entfd^liegen fönnen, bie Verausgabe )u geftatten, ba man
\a anbre gute 93üd^er, infonberl^eit ^eland^tl^onS ©laubenSlel^re
(loci) unb t)or allem bie l^eil. ©d^rift l^abe. Seim Sefen feiner
©d^riften bittet er ju bebenfen, bafe er anfänglid^ a\x^ Unmiffenl^eit
bem ^apfte oiele Slrtifel eingeräumt l^abe; bie er j|e|t für bie
größten @otte3läfterungen unb @reuel ^alte. 9lud^ an feiner ^ibeU
überfe^ung bemül^te er fid^ fortroäl^renb gu beffern. Sin fein ®nbe
mahnte i^n aud^ eine 1545 erf(^ienene italienifd^e ©d^rift, morin
oon feinem 2lobe unb oon fd^reil^aften 3^^^^^^ meldte gum ©nt-
fe^en bed äSoIfeS an feinem Seid^nam gefd^e^en feien, berid^tet
murbc. 6r liefe biefelbe beutfd^ unb italienifd^ bruien mit einem
9lad^n)ort, worin er bejeugt, bafe er fie fröl^fid^ getefen ^abe unb
„tl^ut mir'S fanft, ba| mir ber 2^eufe[ unb feine ©d^uppen, ^JJapft
unb 5ßapiften, fo l&erglid^ feinb finb. ®ott befel^re fie oom Seufet !
3lft*S aber befd^loffen, bafe mein Oebet für bie ©ünbe gum 2^ob
vergeblid^ ift; fo gebe ©Ott, bafe fie i^r üßafe ooQ mad^en^'.
- 336 —
9ltcl^t nur Dorbereitet aber xoax Sutl^er auf feinen %o\>, f onbem
er fel^nte ftd^ au^ immer l^erjKd^er nad^ bemfelben. 9(ud bem
©eufjen um ein feltged @nbe, meines mir fd^on frül^er aud feinem
3Runbe Dema^men, mürbe in biefen legten 3<^§ten unter bem 3)nt(t
beS lörperlid^en SeibenS, unter ben fortmäl^renben jtämpfen unb
9(rbeiten unb unter ben trüben @rfal^rungen, meldte er in betref
beg fittlid^en Sufi^v^i^^^ ^^^ eoangelifd^en SSoKed mad^en mu^te,
ein immer fel^nfüd^tigere« SEBarten auf ben §erm. gür bie ganje
©emeinbe münfd^te er, ba^ fte burd^ bie SBieberfunft i§red $erm
t)om Qammer ber ©egenmart befreit werbe, unb er fprad^ in einem
lateinifd^en Sd^riftd^en 1541 auf ®runb t7on 93ered^nungen ben
©ebanlen an^, biefelbe möd^te jje^t, ba t)om fed^ftcn S^^^Aufenb
ber 2Belt bie erfte Hälfte abgelaufen fei, unmittelbar bet)orftel^en.
fßamentlid^ aber l^atte er für feine $erfon Suft abjufd^eiben. @o
fd^reibt er im SDejcmber 1544: „^(!^ bin träge, matt, falt, b. 1^.
ein @reig unb unnü|. 3d^ l^abe meinen Sauf DoSenbet, nun Vjt
nur nod^ übrig, bag mid^ ber $err ju meinen ^aiexn oerfammle
unb ber Sermefung unb ben SBürmem il^r %ül gegeben merbe.
3d^ bin bed Sebeng fatt, menn man ed anberS ein Seben nennen
barf." Unb im 3Dlai beS folgenben gal^reö: „Sitte für mid^, bafe
id^ je el^er je lieber aufgelöft werbe unb bei ßl^rifto fei.** Unb
aU er am 17. 5Roocmber 1545 feine SSortcfungen über baS erfte
ä3ud^ ^ofiS fd^lol, woran er 10 ^oJ^xe gearbeitet l^atte, fprad^
er: „Unfer $en ®ott gebe, ba^ anbre nad^ mir bef[er mad^en.
^di) fann nic^t me§r, id^ bin fd^wad^, betet für mid^, ba| er mir
ein feligeS ©tünblein oerleil^e." 2)iefer SSBunfd^ foHte balb er=
füUt werben.
2ln bie ©raffd^aft 9Ran8felb als an fein „SBoterlanb" l&atte
Sutl^er jeitlebenS eine groge älnl^änglid^Ieit. S)arum war eS ii^m '
fel^r f d^merjlid^ ju l^ören, ba^ ®raf ällbred^t gewalttl^ätig regiere,
unb er l^atte i§m beSl^alb mel^rmals brieflid^ SSorfteQungen gemod^t.
3lnn war berfelbe aud^ mit feinen jwei 93rübem über allerlei ©e«
red^tfame in @treit geraten, l^atte fid^ aber bereit exiläxt, bie SSer?
mittlung Sutl^erg anjunel^men. 3)iefer lie^ ftd^ tro^ feiner Krant^eit
willig finben )U biefem ^ebendwert. ^m DItober 1545 unb bann
wieber ^u @nbe 2)e)ember bei eifiger jtälte reifte er mit SReland^^:
— 337 —
tl^on nad^ 3Roni^feIb. S)a a6er Bei betben Sefud^en bie gel^offte SluS-
fö^nung nid^t )u ftanbe hm, fo entfd^Io^ er ft(^ im 3<inuar 1546
)u einer britten Steife. Aurj el^e er biefe(be antrat, n)urbe an
feinem S^ifd^e von einem l^arten %aJl erjä^U, ben ed in ber 9lad^t
getl^an I^a6e. ,,@rfd^red(et nid^t, fpr ad^ er, benn biefer %o!Sl bebeutet
mid^, bafe id^ balb fterben werbe. SSittet unfern $erm ®ott, bafe
er mir ein g näbigeS Sterbeftünblein Derleil^en moQe. 3^^ ^i^ ^^
28elt mübe, fo fd^eiben mir unS befio lieber mie ein reid^er ®aft
aui^ einer gemeinen Verberge. ^' älm 23. reifte er in ©efeSfd^aft
feiner brei ©öl^ne, bencn er feine Heimat jeigen wollte, unb
bed ^oudlel^rerd berfelben, Slmbrofiud Slubtfelb üon SBittenberg
ab, leierte am 25. in $alle bei ^uftuS 3onag ein, bem er ein
loftbored tienetianifd^ed ®la3 ium ©efd^enl mad^te, mürbe bann aber
burd^ eine Ueberfd^memmung ber @aale brei %a%e bort )urüd(-
gel^alten. „@d begegnete und,'' fd^reibt er barüber an feine ^rau,
„eine gro^e 3Biebertäuferinmit 9Baf(ermogen unb großen Sidfd^oQen,
bie bad Sanb bebedte. S)ie bräuete ung mit ber äBiebertaufe. ®o
!onnten mir aud^ nid^t mieber jurüdEIommen t)on megen ber SRuIba,
mußten alfo ju $aDe jmifd^en ben äBaffem ftiSe liegen. 9lid^t
ba^ uns barnad^ bürftete )u trin!en, fonbem nal^men gut torgifd^
aSier unb guten rl^einifd^en SSSein bafür, bamit labeten unb tröfteten
mir uttä biemeil, ob bie ©aale moHte mieber auSjümen." aSSäl^renb
ber SJage, bie er in ber $alle jubrad^te, prebigte er. 3m ^eunbeS^
Ireid aber äußerte er: „9Bir effen unb trinfen miteinanber, eS
mirb ober aud^ einmal ©terbenl^ geben. 3^ i^^^^ )^^ i><^^i^ ^^^
®i8leben, miH bie ©rafen oon 5Dlan8felb, meine SanbeSl^erren,
l^elfen oertragen. 3)a 6§riftud ben l^immlifd^en SSater unb baS
menfc^lid^e ©efd^led^t verföl^nen unb »ertragen moKte, mu|te er
barüber fterben. (Sott gebe, ba^ eS mir aud^ fo gel^e.''
aim 28. mürbe bie Steife fortgefe^t. Sluf einem Slad^
festen fte über ben ^lu^; nid^t ol^ne ©efal^r. Z)a fprad^ er
fd^erjenb px ^omi, ber ftd^ aud^ angefd^lof[en l^atte: „9Bäre baS
bem 3leufel nid^t ein fein 9Bol^lgefallen, menn id^ Dr. ÜRartinuS
mit breien ©ö^nen unb (Sud^ in bem SBaffer erföff?" Sin ber
®ren)e bed SRanSf etbf d^en ® ebietg mürbe er oon 1 1 8 Sleifigen f eierlid^
empfangen. S)a er aber eine ©tred(e )u ^u^e gegangen mar unb
fbuxt, Sut^er. 8. 9(ttfl. 22
— 338 —
ftd^ babei etJ^i^t ^aiU, fo tDutbe er beim SBeiterfal^ven buTd^ ben
eiftg falten S3inb, ber il^m üon leinten burd^d 93arett auf ben Stopf
Mied, „aH xooUt mxx'f^ ba3 Qxxn ju @id ntad^en", fo erl<et, ba^
er aQe jtraft verlor unb man für fein Seben beforgt mar. S>od^
erl^olte er ftd^ mieber, als er mit marmen 2!üd^em gerieben mürbe.
SSSenige Xage nad^^er mar er mieber im ftanbe }u prebigen.
2)ie SSergleid^doerl^anblungen nal^men einen langfamen f^ort^
gang. Sutl^er üerjmeifelte faft am ©elingen. $ier lerne man
oerfte^en, fd^reibt er, marum ber $en ben Sleid^tum dornen nenne.
Sieben ber $abfud^t ber 93eteiltgten aber erfd^merten bie &pip
finbigleiten ber ^[urifien unb ber (Sinflu^ ber Qttben, beren 50 in
@idleben mo^nten, baS 3uft<tnbeIommen bed SBergleid^S. Sutl^er
mar barüber fel^r unmiUtg. @r badete baran, ,,ben SBagen }u
fd^mieren" (b. 1^. ab jureifen). SKber, fd^reibt er, „ber Jammer
meines SSaterlanbS l^at mid^ gel^alten''. 3)od^ fd^rieb er an SReland^?
tl^on, er möd^te üom Jturfürften einen Sefel^l feiner ffiüdlelfx ani^
mirfen. SDaburd^ gebadete er ben ®ang ber S3erl^anb(ungen )u
befd^Ieunigen. S)iefelben nahmen aud^ eine günftigere SSenbung,
fo bafe er* am 15. gebruar in einem ©riefe an feine grau bie
Hoffnung auSfprad^, in biefer 9Bod^e nod^ nad^ ^aufe }u lommen,
mobei er il^r ^oreÜen fd^idEte, ein ©efd^enl ber ®rä^n Slbred^t,
meldte ,,ber (Sinigleit oon $erjen frol^ mar''. 91m 16. unb 17.
mürbe bann ber SBergleid^ abgefd^loffen unb Sutl^er äußerte über
^ifd^* if^^ ^^^ ^i^ ^^n ^^^ SBittenberg mad^en unb ba mid^
in einen ©arg legen unb ben SBäürmem einen feiften S)oftor ju
effen geben.'' älber er foQte nid^t mel^r lebenb nad^ SBittenberg
fommen.
SBäl^renb feine ®ö§ne bei il^rem Dl^eim 3<^Iob Sutl^er in
3RanSfeIb fid^ aufl^ielten unb eS ftd^ bort mo^I fein liefen, mar
bie treue Kdtl^e in äSittenberg in fteter Sorge um il^ren 9Rann.
®r fu(^te il^r biefe ©orge }u benel^men burd^ feine »riefe, beren
er in ber 3«t oom 25. Januar bis 14. gebruar nid^t meniger
als fed^S an fie fd^rieb. ©eine l^erjßc^e Siebe fprid^t ftd^ nid^t
nur in ben Unterfd^riften „bein alteS Siebd^en", „bein lieber ^err'*
aus, fonbcm auä) in ber SRü^e, meldte er fid^ gibt, il^re Se«
fürd^tungen ju jerjireuen, balb mit emfiem 3ufprud^, balb mit
— 339 —
fd^etjl^aften SBenbungen. ,,2ied ben ^ol^anned unb ben Ileinen
Äatcd^iSmu«/' l^cifet c8 am 7. fjdbruar, ,;bcnn bu wiKfi forgcn
für beinen ®oH, gerabe ald wäre er nid^t aUmäd^tig, ber ba lönnte
ael^n 3)oltor aWartmu« fd^affen, wo ber einige alte erfoffc in ber
(Saale ober im Ofenlod^, ober auf SBolfed SSogell^erb. Sa^ mid^
in ^eben mit beiner @orge; id^ l^ab einen beffem @orger benn
bu unb aQe @nge[ ftnb. Z)er liegt in ber ftrippen unb I^Snget
an einer Jungfrauen S^i^r <^^^ 1^4^ gleid^wo^I }ur redeten ^anb
®otted, bed aUmäd^tigen SSaterS. Sbarum fei in f^ieben." Unb
cm 10. gebruar fd^reibt er „ber l^eiligcn, forgfftltigen %xm'*:
„ädlerl^eiligfte ^au 2)oItorin ! 9Bir banlen gar freunblid^ für @ure
gro^e Sorge, baoor 3^r nid^t-fd^Iofen lönnt. Z)enn feit ber S^
3^r für uniS geforget l^abt, woDt und bad treuer oerjel^ret l^aben
in uttfrer §erberg l^art oor meiner ©tubent^ür . 3d^ forge,
mo bu nid^t auf^öreft ju forgen, ed mod^te und )ule|t bie Srbe
oerfd^lingen. — Se^reft bu alfo ben Jtated^idmud unb ben ©louben?
Sete bu unb la^ (Sott forgen/'
9Cber bie Sefürd^tungen ber treuen ^audfrou für bad Seben
il^red ®aitm foQten unerwartet fd^neQ fid^ erfüDen.
SBiermal l^atte er in @idleben geprebigt, )ule$t can 14. ^ebruor.
SDa l^otte er aber abbred^en muffen: „33iel mel^r w&re oon biefem
(Soangelio }u fagen. 9(ber id^ bin )u fd^wad^, wir woQen eS
l^iebei bleiben laffen/ S(n ben folgenben klagen beteiligte er ftd^
nod^ an ben SBerl^anblungen; aber am 17. baten il^n bie anbem
Xeilnel^mer, um feiner @d^wad^l^eit willen ben SSormittag über
)u rul^en. S)a lag er auf feinem ^etie, ging aud^ in ber @tube
auf unb ab unb fprad^ )u 3onad unb bem OrtSpfarrer (Söliud,
bie bei il^m waren: „^^ bin l^ie )U Sidleben getauft; wie, wenn
id^ l^ie bleiben foQte?'' ^ndbefonbere mad^te il^m ber Umßanb
®orge, ba^ eine Fontanelle, bie er am ©d^enlel l^atte, beinal^e
gan) gel^eilt war, weil er bad 9le|mittel, mit weld^em er fte offen
)u l^alten pflegte, oon ^aufe mit)unel^men oergeffen l^atte. S)od^
nal^m er mittagd unb, obwol^l er gegen Slbenb über Z)rud( auf
ber Sruft }u flagen l^atte, aud^ abenbd an ber gemeinfd^aftlid^en
TOa^ljeit teil, „benn,'' fagte er, „Meinfein bringt feine gröl^lid^Ieü''
@r rebete babei mand^erlei über ber äBelt @lenb, bett %oi unb
— 340 —
baS ewige Se6en, namentlid^ ani) barü6er, bag bie Seligen einanber
toieber erlennen toerben. ^ann begab er fid^ mit feinen )n»ei jün?
geren @ö§nen unb Söliud in fein Stüblein unb legte ftd^ nad^
feinet ®en)ol^n§eit in baS t^enfter, um ju beten. 93atb ober flagte
et übet l^eftige Stufitfc^metjen. ^onaS unb bet ®taf ällbted^t
»utben l^etbeigel^olt. äCbet butd^ bleiben mit n)atmen Xüd^etn
ttat Seffetung ein; et fonnte bii^ 10 Ul^t tul^ig fd^Iafen. ^ann
etn^ad^te et, ging in bet @tube uml^er, bot ben älnmefenben gute
3lai)i unb etmal^nte fie )u beten. SBiebet fd^lief et bis 1 U§t,
bann tief et feinem Sienet, et fotte ein^eijen, unb antmottete
bem QfonaS, bet nad^ feinem S5efinben ftagte: „Sld^, $ette (Sott,
mie ift mit fo mel^e; a^, liebet Dr. ^ona^, id^ ad^te, id^ metbe
l^ie ju Sidleben, ba id^ geboten unb getauft bin, bleiben.'' Z)atauf
ging et in bet @tube auf unb ab, Ilagte miebetl^olt übet @d^met)en
auf bet 93tuft unb hat, man foKe il^n toiebet mit matmen 2!üd^etn
teiben. 9lun mutbe bet ^audbefi^et getufen fomie bie beiben
3let)te bet <Stabt, aud^ ®taf Sllbted^t lam miebet mit feinet @e?
mal^lin, meldte fid^ netgeblid^ bemühte, mit aSetlei Sabfol tl^n )u
jlätlen. Aaltet 2!obegfd^n)ei| bebedfte i§n. @t betete, inbem et
®ott ban!te, ba^ et il^m feinen lieben ©ol^n ^^vm Sl^tifhtm ge^
offenbatt l^abe, fein „©eelid^en" bem §ettn 6§tifto befoi^l, audj
bie 3ut)etfid^t auSfptad^, ba^ il^n niemanb au^ ©otteS $anb teilen
metbe. 9lud^ ben ®ptud^ : „Sllfo l^at ®ott bie SBelt geliebt'' betete
et unb tief l^ietauf bteimal fd^neO l^inteteinanbet in lateinifd^
©ptad^e: „SSatet in beine $änbe befel^le id^ meinen ®eifl; bu l^aft
mid^ etlöfet, bu tteuet ®ott." Xatin mutbe et fKU. 9lld 3!onad
unb Söliud il^n mit lautet @timme ftagten: „Sl^tmütbiget äktet,
moQet il^t auf Sl^tiftum unb bie Seilte, mie il^t fte geptä»igt l^abt,
beflänbig ftetben?" ontmottete et nod^ mit einem oetnel^ndid^en
„^a**, manbte ftd^ bann auf bie @eite unb fiel in einen @d^laf;
nad^ etma einet SSiettelftunbe tl^at et einen tiefen Sltemjug, unb
feine ©eele n>at entflol^en. @s n>at bet 18. ^ebtuat 1546, ftü^
jnnfd^en 2 unb 3 IXI^t.
9tod^ Dot Xagedanbtud^ f anben fid^ üiele SRitgliebet bet graf lid^
SRandfelbfd^ f^amilie unb anbte t)om älbel ein, um ben Seid^
nom )u feigen. Um neun IXI^t mutbe betfelbe in einen weisen
- 341 -
„fd^roäbifd^en RxtttV gcllcibet unb l^ierauf in einen jinncrnen ©arg
gelegt. 3)er ®raf von SKanSfelb l^ätte geroünfd^t, bafe er in feinem
©ebiei* beerbigt werbe, allein ber Äurfürft, weld^em Dr. ^ona^
ben %oh gemelbet §atte, orbnete an, bafe bie S5eife|ung in ber
©d^Iofefird^e ju SQäittenberg erfolge, ©o würbe benn ber Seid^nam
am 19. gebruar in bie ^Pfarrfird^e ju ßisleben gebrad^t, wo am
5Rad^mittage Dr. ^ona^ über 1 3^1^eff. 4, 13 ff. unb am folgenben
aWorgen 6öIiuS über 3[ef. 57, 1 ff. prebigte. Um bie 3KittagS^
ftunbe fül^rte man il^n ai, nad^bem nod^ jnjei 5JJlaIer baS Slngefid^t
beS %oim abgcjeid^net l^atten. ^n ben Siörfern, burd^ wcld^e
ber Sug tarn, läuteten bie ©lodfen, unb bie Seoölferung brängte
fid^ l^erju. 9?ad^ 5 Ul^r abenbS erreid^te man $atte; bie (Seift-
lid^en, ber fRat, bie ©d^uljugenb unb t)ieIe.6inn)ol^ner famen ber
Seid^e entgegen. Unter ©efangen unb großem ©ebränge würbe
biefelbe in bie ^Jtauenfird^e gebrad^t unb bort, nad^bem baS „3luS
tiefer 9Rot" gefungen mar, über 3laä)i niebergeftellt. %m folgenben
2^age, einem ©onntage, frül^ 6 U^r würbe ber 2lote weitergefül^rt,
an ber ©renje oon Äurfad^fen bei 93itterfelb oon ben Beauftragten
beä Äurfürften in ßmpfang genommen unb an biefem 2lage nod^
bis Äemberg geleitet. Slm 22. morgenS nad^ 9 U§r traf ber 3wg
in Wittenberg ein, wo er »on ber Unioerptät, bem Slat unb ber
93ürgerfd^aft feierlid^ empfangen würbe. @egen l^unbert dleifige
ritten ber Seid^e ooran, eS folgte il^r in einem f leinen SBagen
Sut^erS §rau famt einigen anbem ^^rauen, bann SSerwanbte an^
SKanäfelb, l^ierauf bie Se^rer ber Unioerfttät, ber Sllat, bie ©tu^
beuten unb bie Sinwol^nerfd^aft. ©o ging eS ber ©d^lo^Krc^e
gu, wo Dr. SSugenl^agen über 1 Sl^eff . 4, 13 ff. prebigte, aWeland^t^on
aber im Flamen ber Unioerfttat eine lateinifd^c SJrauerrebe §ielt.
3[n biefer l^ob er bie SSerbienfte Sutl^erd l^eroor unb wies ben
Vorwurf, berfelbe fei ju l^eftig gewefen, mit bem Worte beS
ßraSmuS gurüdf: „®ott l^at biefer legten S^xt wegen ber Orö^e
il^rer Äranll^eiten einen fd^arfen 3lrjt gegeben." 2)ann würbe ber
Seid^am in bie ®ruft gefenit.
®ro^ war bie Trauer in ber gangen eoangelifd^en S^riften^eit.
SSrenj fd^rieb nad^ SBittcnberg: „©rofeer SKänner 2:ob pflegt ein
SBorgeid^en fd^limmer 2)inge gu fein." Unb feine Sll^nung ging
— 342 —
nur )u balb in @rfülluttg. SBenige Monate nad^bem Sutl^er bie
Sugen gefd^Ioffen, btad^ ber fd^tnalfalbifd^e Jttieg <m^, unb im
folgcttben ^af)xt ftanb Raxl V., nod^bcm er bcn Äurfütftcn So^
f^ann ^ebrid^ bei SJlü^lberg gefangen genommen, aU @ieger ju
äSittenberg am (Stabe Sut^erd. 9lld il^m ber ^erjog ätiba riet,
bie (SeBeine beS ®r}Ie|erd oerbrennen )u laffen, ermiberte er: „2a^i
if)n rul^en, er f^cd feinen Ütid^ter fd^on gefunben; id^ fül^re Krieg
mit ben Sebenbigen, nid^t mit ben ^oten/'
3)er Aaifer l^at ftd^ felbft geehrt burd^ biefeS SBort, aber menn
er Sutl^er unter bie S^oten red^nete, fo l^at er {td^ getäufd^t. SSiel-
mel^r jeugt bie ganje feitl^erige (Sefd^id^te für bie 2Ba§rl^eit beffen,
mad auf bie Slad^rid^t von Sutl^erd 2)ob SJl^toniuS gefd^rieben l^at:
,,2)iefer Dr. Sutl^er ift gar nid^t geftorben, mirb unb lann nid^t
fterben, benn feine @d^riften fmb beS lebenbigen ©eified ©otted
@d^riften, ber mirb fu!§ bei melen red^t regen unb bemeifen, bid
Sl^rifhid lommt unb ben 9(ntid^rift mit bem ®lan) feiner $err^
lid^Ieit mie bie ®onne bie ^inftemid gar aufreiben unb baS Steid^
®ott unb bem SBater überantworten mirb."
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S)ie ^Jtttnft bed SSoriragd'' ge^rt }u ben Süd^em, meldte
aus bem Selben ^eraud gefd^rtel^en ftnb. 2)ie Erfahrungen, bie
ber SSerfaffer todl^renb einer fafi brei^igjä^rtgen Sludühing feineiS
itünftlerberufd gefammelt ^at, finb l^ier in allgemein oerft&nblid^er
f^onn audgefprod^en. @ein Seftreben war, bie ^auptfad^en, »eld^e
ehoa in einem @9ftem ber 93ortragdhtn{| abge^anbelt werben
mußten, in fpielenber gorm fo oorautragen, ba^ biefed )Bud^ }u
ber l^j^^eren Unter^altungSlehüre }u red^nen i^. @r »in t>or
SCSern ben ©egenftanb a(3 einen 3^^$ ^^ Sleftl^etif be^anbelt
feigen unb fud^t ebenbe^l^alb aud^ eine äft^etifd^e ^orm für biefeiS
Xl^ema, bamit ber Sefer nid^t an biefer f^orm oermiffe, xoqä bad
ganae )Bud^ ald älufgabe ber S3ortragdhtnft prebigt. @d ifi fflr
jeben gefd^rieben, ber auf ber Sd^ulbanf ber allgemeinen IBilbung
ft^t, fotDte für Sine, raeld^e auf toirflid^en 6d^ulbän!en ft^en, ober
oor fold^en }u leiten l^aben. Snbem ed bie (Sinl^eit unb @d^ön?
^eit ber iSuSfprad^e ju förbern fud^t, ift ed ein SBort an bie
^Ration, ^nbem eg bie Xed^nil beS @pred^enS bel^anbelt, inbem
ed bie IBilbung unb @d^ulung oon allen Organen, bie }um @pred^en
ndt^ig flnb, anregt unb für fold^e 6d^ulung SBinle gibt, ifi eS
ein aitrrgeitber ^aif^^tttt fftr JtlTe, tott^t ^pxi^tt 9on
Jl^itf N^5 ^^^ f^v @&nger unb 9Kuflfer, foneit fle mit
bem gef|)rod^enen SBort su t^un l^aben, ober mit ben Organen,
meldte für Sftnger unb ^orlefer oon gleid^er SBid^tig!eit finb.
Die
3ubtläumsausgal)e
^übfdj fartonniert ZH. 2. — , aUg. gebunden Vfl. 3. —
^nn, SßittenSerger Tlad^tigaS,
2aJ ningcn bcincn fügen ©d^att,
Sag fd^mettern beinen l^eHen Sd^lag,
D6 i^n bein SSol! nod^ ^ören mag.
fer 2)id^ter bcr „^Polmblöttcr" bietet l^ier eine reijenbc
©obe }ur Sutl^erfeier bar. SutJ^er'g l^errßd^e Sieber, doQ
gefunbcr Rraft unb ^cubigfeit bes ©laubenS, werben in
biefem fd^önen ©eroanbe, eingefül^rt burd^ ©eroPd poetifd^e
38orte, in jjebem d^riftlid^en Qau^ Eingang finben.
$rof. 3)onnborf' d Sutl^erbüfte, ol^ne %ta%^ bod befte
;)Iaftifd^e Sutl^erbilb ber (Scgenroart, ift in öorjtiglid^er Sie-
;)robuftion bem l^übfd^en Sänbd^cn beigefügt.